Frau Dorn, Sie leiten den "Berlinale-Talent-Campus", eine neue Institution im Rahmen der Berliner Filmfestspiele. Wie verlief denn die Auswahl der jungen Talente, die an diesem Nachwuchsforum teilnehmen wollten?
Dorn: Jeder der rund 2000 Bewerber, Drehbuchautoren, Regisseure, Kameraleute, Schauspieler usw., mussten uns einen einminütigen Bewerbungsfilm schicken und zusätzlich ein Internetformular ausfüllen. Die Filme haben wir drei Wochen lang gesichtet und am Ende 500 Bewerber ausgesucht, die auch mit den von uns vorgeschlagenen Konditionen einverstanden waren, nämlich die Unterbringung und ein Reisekostenzuschuss.
Haben Sie im Bewerber-Formular vielleicht auch die Frage gestellt: "Wieso möchten Sie überhaupt zum Film?"
Dorn: Nein, wir haben keine Fragen gestellt, die auf eine Erklärung abzielen, wieso diese Leute Filme machen wollen, denn dann hätten sie uns eh nicht die Wahrheit gesagt – wenn man sich irgendwo bewirbt, erzählt man doch gerne das Blaue vom Himmel. Wir haben die Bewerber gefragt, was ihnen unter den Nägeln brennt, was sie umtreibt und mit was für Leuten sie gerne sprechen würden. Da haben sich dann vier Hauptthemen herauskristallisiert: Finanzierung, also wie bekomme ich Geld für meinen Film? Was bedeutet die Digitalisierung für die Zukunft des Films und was für Möglichkeiten eröffnet die Digitalisierung? Und nicht zuletzt zeigte sich großes Interesse an den Themen Networking und Teamarbeit.
Haben denn die Minifilme der jungen Bewerber bereits gezeigt, dass die Zukunft auf jeden Fall digital aussehen wird?
Dorn: Die Zukunft sieht absolut digital aus. Wir haben ja bei der Auswahl nicht nur Leute berücksichtigt, die an Filmhochschulen sind und schon einen Kurzfilm auf 35mm realisiert haben. Sondern wir haben auch viele Quereinsteiger ermutigt, bei uns mitzumachen, die schon mal durch einen Preis oder eine Nominierung auf sich aufmerksam gemacht haben. Fast alle Bewerber haben digitales Bewerbungsmaterial eingereicht, da ist das natürlich ein großes Thema.
Wie würden Sie das Ziel des Talent-Campus formulieren?
Dorn: Die Berlinale hat ja in den letzten Jahren schon immer etwa 800 Filmstudenten und junge Filmemacher akkreditiert, die aber dann mehr oder weniger verloren waren auf dem Festival. Die haben keine Einladungskarten bekommen für Empfänge, konnten nicht jeder Zeit alle Filme angucken usw. Als letztes Jahr dann die neue Sektion "Perspektive Deutsches Kino" hinzukam, hat man gemerkt, dass viele deutsche Filmemacher sehr glücklich waren, sich untereinander kennen zu lernen. Da kam dann die Idee eines Nachwuchsforums auf.
Die Teilnehmer des Campus werden nun untereinander in Kontakt kommen, sie werden Kontakt zu professionellen Filmemachern haben. Untereinander können sich die Teilnehmer über ihre bisherigen Arbeiten austauschen, unter anderem auch in einer extra dafür eingerichteten Videolounge, wo sie sich gegenseitig ihre Filme zeigen können.
Welche Profis werden die jungen Filmemacher denn kennen lernen?
Dorn: Das geht los mit Dennis Hopper und Wim Wenders, Ken Adam wird dabei sein oder auch der Regisseur Anthony Minghella. Rainer Kölmel, der ja mit der Kinowelt Medien AG bankrott gegangen ist, wird über seine Probleme sprechen, der Regisseur Mike Figgis wird eine Diskussion zum digitalen Film bestreiten – und das ist noch längst nicht alles.
Junge Talente, besonders die Schauspieler, müssen ja unheimlich aufpassen, dass sie nicht gleich nach ihrem ersten Film verfeuert werden, aufgrund eines schlechten Managements und weil sie einfach nicht wissen, wie es in der Film-Branche zugeht. Wird der Campus auch diese Probleme ansprechen?
Dorn: In der Tat, wir machen mit der European Film Promotion eine gemeinsame Veranstaltung, zu der wir die fünf besten Casting-Direktoren und Schauspiel-Agenten aus Europa eingeladen haben. Sie werden mit den 25 Schauspielern unter den Talents zu einem intimen Werkstattgespräch zusammenkommen, wo Sie Ratschläge geben, wie man sich am besten bei Castings bewirbt oder wie man sich den richtigen Schauspiel-Agenten aussucht.
Wird im Verlauf des Berlinale-Talent-Campus eigentlich auch ein Film entstehen?
Dorn: Ja, gemeinsam mit Wim Wenders werden etwa 20 Talents vier bis fünf digitale Kurzfilme drehen. Wir stellen denen Berliner Aufnahmeleiter zur Seite aber das Team bestreiten die Campus-Teilnehmer selbst, der eine macht den Schnitt, der andere Kamera oder Assistenz, ein anderer den Ton usw.
Der Campus steht unter dem Motto "You always remember the first time". Wo gab es denn in Ihrer Jugend die ersten Berührungspunkte mit dem Film?
Dorn: Bei mir war das so, dass ich etwa ab 14 in einem kleinen Programmkino in unserer Stadt viele gute Filme sehen konnte. Und seitdem bin ich einfach eine begeisterte Cineastin.
Das Motto bezieht sich aber natürlich auf die eingeladenen Filmemacher, die am Anfang stehen, die vielleicht ihren ersten Film gemacht haben und jetzt den Sprung ins Berufsleben wagen, die anfangen wollen, mit Film ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.