Mr. Farrell, welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit um 1990?
Farrell: Für mich war das die Zeit des Fußballs. Bei der Fußball-WM in Italien 1990 kamen wir Iren in die Endrunde und besiegten Rumänien im Achtelfinale, 5:4 im Elfmeterschießen. Dann kam das Viertelfinale gegen Italien und Totò Schillaci schoss uns mit einem einzigen Tor aus dem Turnier.
Diese Begeisterung für Fußball liegt bei Ihnen wohl in der Familie. Ihr Vater Eamon und sein Bruder Tommy waren Profispieler bei dem Dubliner Spitzenclub Shamrock Rovers.
Farrell: Das stimmt, aber die Energie, die dieser Erfolg bei der WM in Irland freisetzte war schon etwas ganz besonderes. Dieses Gefühl hielt an, zwei, drei Jahre lang. Aber natürlich waren die Neunziger auch die Jahre, in denen ich angefangen habe zu trinken und durch die Clubs zu ziehen.
Haben Sie damals "Total Recall" mit Arnold Schwarzenegger im Kino gesehen?
Farrell: Nein, ich war noch zu jung für den Film, als er 1990 in die Kinos kam. Ich habe ihn zwei Jahre später, mit 16, zuhause auf Video gesehen. Ich habe ihn geliebt und ihn fünf oder sechs Mal angeschaut.
Was haben Sie gedacht, als Ihnen die Hauptrolle im Remake von "Total Recall" angeboten wurde?
Farrell: Ich war sehr skeptisch. Die Vorstellung, dass ich eine Arnold-Schwarzenegger-Rolle spielen würde, machte für mich nicht wirklich Sinn. Es macht wahrscheinlich für niemanden Sinn, eine Arnold-Schwarzenegger-Rolle zu spielen, denn er war einfach einzigartig. Aber dann habe ich das Drehbuch gelesen und verstanden, dass hier eine andere Art von Film geplant war.
Dieses mal spielt "Total Recall" nicht auf dem Mars, sondern auf der Erde, die allerdings nur noch in zwei entgegengesetzte Staaten eingeteilt ist: in die Vereinigten Staaten, mit London als Hauptstadt und einer unterdrückten, sogenannten "Kolonie". Sind das Zukuftsaussichten, die Sie teilen?
Farrell: Nein, das ist ein sehr morbider, pessimistischer Blick in die Zukunft. Ich hoffe, dass sich London nicht mal annähernd in die Richtung entwickelt, die wir im Film zeigen, denn dann wäre auch ein großer Teil der Erde unbewohnbewahr geworden und ich will mir gar nicht vorstellen wieviele Menschenleben ausgelöscht worden wären. Ich hoffe mal, dass es um unsere Welt in 70 Jahren besser stehen wird.
Der Film beschreibt, dass in der "Kolonie" die chinesische Kultur jenen altäglichen Einfluss hat, den heutzutage die US-amerikanische auf unseren westlichen Alltag besitzt. Haben Sie eine Beziehung zu China und seiner Kultur?
Farrell: Nicht wirklich. Es ist klar, dass Chinas Macht stetig wächst. Ich war 2007 einmal dort als Botschafter der Special Olympics World Games und hatte da eine tolle, sehr interessante Zeit. Shanghai ist eine faszinierende Stadt mit einer Skyline, die innerhalb von nur zehn Jahren in den Himmel gewachsen ist. Von allen Orten an denen ich gewesen bin, kommt mir Shanghai am meisten wie eine Stadt der Zukunft vor. In Peking bekommt man degegen eher einen Eindruck von der großen Geschichte dieses Landes. Ich würde gerne mehr von China sehen.
Haben Sie eigentlich schon Klavier gespielt, bevor Sie "Total Recall" gedreht haben?
Farrell: Nein. Ich musste es erst lernen. Diese Szene, auf die Sie anspielen, stand so im Drehbuch. Also habe ich mir möglichst viel klassische Musik angehört und schließlich ein, zwei Stücke dem Regisseur auf CD vorgespielt. Er wählte eines aus und ich habe dann einen Klavierlehrer gestellt bekommen, der mir zuhause das Stück beigebracht hat.
Die Vorstellung, dass ich eine Arnold-Schwarzenegger-Rolle spielen würde, machte für mich nicht wirklich Sinn.
Wie waren diese Klavierstunden für Sie? Für Kinder ist der Klavierunterricht ja oft eher eine Qual…
Farrell: Es war frustrierend. Aber das Stück ist zum Glück zu Beginn nicht sehr schwer zu spielen. Gegen Ende wird’s schwieriger, aber soweit musste ich es für den Film gar nicht lernen.
In "Total Recall" geht es nicht zuletzt um die Macht der Erinnerungen. Würden Sie manch eine Ihrer Erinnerung gerne löschen können?
Farrell: Nein, wirklich nicht. Ich lebe in Frieden mit meiner Vergangenheit.
Haben Sie so etwas wie eine Lieblingserinnerung?
Farrell: Da müssen wir nochmal auf die Fußball-WM 1990 zurückkommen. Als David O’Leary uns mit seinem entscheidenden Elfmeter ins Viertelfinale schoss, das war wirklich cool. Das werde ich nie vergessen. Die ganze Stadt spielte verrückt. Ich erinnere mich, dass ich jubelnd auf ein Auto gesprungen bin. Ich habe den Typen, der das Auto fuhr nicht einmal gekannt, aber er ist einfach weitergefahren, mit mir auf seinem Auto durch die ganze Stadt. Auf einmal haben wir bemerkt, dass um uns herum niemand mehr war, der feierte. Wir waren aus der Innenstadt raus gefahren, es war mitten in der Nacht. Ich stieg runter und fragte ihn: Fährst du auch wieder zurück? Und er sagte: Nein, das hier ist genau meine Richtung. Also bin ich zu Fuß zurück in die Stadt. Das hat zwei Stunden gedauert.
Eine der schönsten Erinnerungen aus dem Jahr 2012 wird wohl das vorletzte Spiel der irischen Nationalmannschaft bei der Fußball-EM sein, oder?
Farrell: Was meinen Sie da?
Irland spielte im entscheidenden Vorrundenspiel gegen Spanien. Sie lagen Minuten vor dem Abpfiff aussichtlos 0:4 zurück, als die irischen Fans anfingen ein Lied zu singen. Können Sie mir sagen, was das für ein Lied war?
Farrell: Ja klar, "Fields of Athenry". (Singt) "Low lie the Fields of Athenry, where once we watched the small free birds fly…"
Dieser Chor war so bewegend, dass sogar die Sportreporter verstummten und nur zuhörten…
Farrell: Ich habe das im TV gesehen. Ich war auch sehr bewegt, klar. Ich glaube nicht, dass auch nur einer der irischen Fans diese Niederlage gefeiert hat. Sie haben das Leben gefeiert. Sie wussten, dass jeder Einzelne auf dem Platz sein Bestes getan hatte. Sie akzeptierten das Ergebnis, aber sie waren glücklich, dabei zu sein.
War das eine "typisch irische" Haltung?
Farrell: Nein, ich denke nicht. Wir leben in so einer zerrissenen Welt, da ist es doch einfach cool, wenn die Menschen zusammenkommen, etwas Schönes tun und sich mit einem gemeinsamen Lied unterstützen. Das hätte doch auch von den deutschen Fans kommen können. Allerdings hat die deutsche Mannschaft nicht so schlecht gespielt, wie wir.