Frau May, drei Jahre sind vergangen, seit Sie durch die Disqualifikation beim Grand Prix in ganz Deutschland bekannt geworden sind. Wie stehen Sie jetzt dazu?
Corinna May: Dass eine ganze Menge schief gelaufen ist, wird wohl niemand abstreiten können. Auf der anderen Seite hat es mich – wie Sie sagen – in Deutschland bekannt gemacht. Jetzt ist gerade meine neue CD erschienen, das wäre wahrscheinlich nicht möglich gewesen, wenn ich damals nicht mitgemacht hätte. Es ist anders gelaufen, als ich gehofft hätte. Man kennt mich meistens nur als die arme Blinde, die disqualifiziert wurde, nur wenige kennen meinen Titel oder wissen wie ich singe. Und natürlich fände ich es besser, wenn Leute sich an meine Stimme erinnern würden, als an das, was da passiert ist. Es ist einfach schade, dass ich oft darauf angesprochen werde, denn ich sehe mich als Sängerin, und das geht leider ein wenig unter.
Wie sind Sie denn Sängerin geworden?
May: Gute Frage (lacht). Gelernt habe ich etwas ganz anderes. Ich bin ausgebildete Masseurin und medizinische Bademeisterin, bin nebenbei immer zu Chorproben gegangen und habe jahrelang im Gospelchor gesungen. Irgendwann reichte es mir nicht mehr aus, in der letzten Reihe in irgendeinem Chor zu stehen und ich habe angefangen, bei Talentwettbewerben mitzusingen. Insgesamt dreizehn Stück, von denen ich alle gewonnen habe. Dann habe ich in zwei Bands gesungen. Das war aber alles nur nebenbei, und ich habe immer weiter gearbeitet. Ende 1996 habe ich dann bei einem Talentwettbewerb einen Fernsehauftritt gewonnen, bei dem mich mein Manager zufällig gesehen hat. Und damit begann dieser ganz normale Wahnsinn: Demos produzieren, dann zu den Plattenfirmen, von denen anfangs nur Absagen kamen, ich weiß gar nicht mehr wie viele..! Aber letztendlich habe ich 1997 bei der Polydor meinen ersten Plattenvertrag unterschrieben und wir haben eine Single und ein Album aufgenommen. Es ist wirklich harte Arbeit gewesen und ich habe nie die Hände in den Schoß gelegt und gewartet, dass jemand kommt und alles für mich regelt. Das ist alles mein Verdienst und darauf bin ich stolz.
Haben Sie es jemals bereut, sich für eine Karriere als Sängerin entschieden zu haben?
May: Nein, niemals. Ich bin einfach mit Leib und Seele Sängerin, und bin auch wirklich glücklich. Natürlich gibt es teilweise diese Unsicherheit, dass Monate kommen, wo man viel Geld hat, und dann kommen wieder Monate, wo man weniger hat, aber das weiß man von vorneherein, und damit muss man leben. Außerdem geht es irgendwie immer weiter. Als letztes Jahr mein Plattenvertrag ausgelaufen ist habe ich ja auch nicht aufgegeben, sondern habe mich ganz auf „meine Musik“ konzentriert. Die Musik, in der mein Herzblut steckt, also Soul, Rhythm and Blues und Gospel. Ich bin mit meiner Band, der Hamburg Soul Foundation, und einem Soulprogramm auf Tour gegangen, was ganz witzig war, denn einige im Publikum hatten erwartet, dass ich Schlager machen würde. Aber dass auch die am Ende begeistert waren, freut mich natürlich um so mehr. In diesem Jahr kam dann der neue Plattenvertrag und so auch die neue Single.
„Mit „Blowing in the wind“ haben Sie ja wirklich einen absoluten Klassiker gecovert, warum gerade der?
May: Wir haben uns überlegt, welche Single wir als erstes rausbringen wollen und sind mehr oder weniger zufällig über das Playback gestolpert. Es hat uns allen auf Anhieb so gut gefallen, dass wir das probeweise mal aufgenommen haben. Letztendlich waren wir dann so begeistert, dass wir uns entschlossen haben, den Song als erste Single zu veröffentlichen. Außerdem hat mich dieses Stück mein ganzes Leben lang begleitet, z.B. wenn im Ferienlager jemand die Gitarre rausgeholt hat und wir das Lied gesungen haben. Ein wenig Nostalgie spielt da auch mit rein.
Hat man denn eventuell Angst vor Vergleichen mit den großen Stars, die das Lied vor Ihnen gesungen haben? So wie Bob Dylan oder Joan Baez?
May: Nein, absolut nicht, da ich denke, dass jeder Künstler dem Song durch seine Interpretation eine eigene Note gibt. Durch die Stimme, durch den Ausdruck, etc. Außerdem sind die alle anders produziert, diese Version ist viel moderner. Natürlich habe ich Respekt vor denen, würde aber auf keinen Fall sagen, dass Bob Dylan mein Vorbild ist, das sind eher Barbra Streisand, Ella Fitzgerald, Whitney Houston oder Aretha Franklin. Den Bodyguard-Soundtrack finde ich sehr schön, zum Beispiel. Aber mein Musikgeschmack ändert sich tageweise, mal kann ich nur Jazz hören, dann wieder nur irgend eine melancholische Streisand-CD.
Im Frühjahr erscheint Ihr Album, was können wir davon erwarten? Wieder Schlager wie beim Grand Prix, oder eher Folk?
May: Ich würde es englischsprachigen Pop nennen. Ein paar Coversongs eventuell, aber eigentlich ist das alles noch streng geheim. (lacht) Ich würde gerne auch ein paar Jazzsongs da mit reinbringen, mal sehen, wie das so passt.
… und bestimmt einige Balladen?
May: Ja natürlich, die auch. Balladen sind ja immer eine dankbare Aufgabe für eine Sängerin. Das Publikum liebt es, wenn ich Balladen singe, und ich natürlich auch. Aber es ist ja auch nicht so, dass ich nur Balladen machen würde. Bei meinem Liveprogramm singe ich auch viele schnellere Nummern. Zum Album kommt dann auch wieder eine Tour, hoffentlich im nächsten Herbst. Und bis dahin bin ich mit der Hamburg Soul Foundation weiterhin auf Galas, wo wir aber hauptsächlich covern. Das Programm ist dann sehr weit gestreut, also von „Walking in Memphis“, über „Amazing Grace“, bis hin zu „Bridge over troubled water“.
Sie haben mal einen Song mit der amerikanischen Country-Ikone Reba McIntyre aufgenommen, wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?
May: Das lief über die Plattenfirma. Reba hat in Europa eine Duettpartnerin gesucht und hat alle Demos, die sie bekommen hatte, abgelehnt, bis sie irgendwann meins gehört hat. Das hat ihr so gut gefallen, dass wir kurz danach in Amsterdam im Studio standen und den Song aufgenommen haben. Wir hatten wirklich Spaß! Sie ist ein absoluter Profi und unheimlich sympathisch – eine ganz tolle Frau. Leider ist der Song aber nie veröffentlich worden. Der liegt in irgendeinem Keller und wir arbeiten gerade daran, dass er entweder noch auf das Album kommt oder so veröffentlicht wird. Denn der Song ist wirklich schön.
Ich habe mal ein Zitat von Ihnen gelesen. „Ein Junge hat mich mal ‚Blinde Kuh‘ genannt, da habe ich mir den geschnappt und verprügelt.“ Wie Sie mir jetzt hier gegenübersitzen kann ich mir das gar nicht vorstellen…
May: (lacht) Ja, das habe ich mal gesagt, das stimmt, aber das wurde ein wenig verdreht, denn die Szene hat sich im Kindergarten abgespielt. Mittlerweile reagiere ich auf irgendwelche blöden Sprüche eher verbal und mit Ironie. Aber dem habe ich damals schon gezeigt, dass die blinde Kuh sich ganz gut wehren kann (grinst). Jetzt denken alle, die May haut irgendwelche Männer zu Klump! Und das ist ja nun wirklich nicht wahr. Ich bin eigentlich ganz harmlos.