Mr. Sperry, Sie werden häufig mit „David Copperfield trifft Marilyn Manson“ beschrieben. Ist das ein Segen oder Fluch?
Dan Sperry: Ich finde daran nichts Schlechtes. Es beinhaltet den Bezug zur Popkultur, so können sich manche Leute besser vorstellen, was ich mache. Mich stört dieses Label nicht, aber ich selbst benutze es auch nicht.
Was haben Sie denn mit Marylin Manson gemeinsam?
Sperry: Gar nichts. Er spielt Musik, ich mache Zaubertricks. Es ist nur so, wenn die Leute Dinge wie Lippenstift sehen, Eyeliner oder Lidschatten, denken sie gleich, es gäbe da eine Ähnlichkeit.
Wie kamen Sie zu diesem Outfit?
Sperry: Ich war schon immer so, zu Schulzeiten haben mich Bücher, Filme und Musik geprägt, die so waren, Gore-Filme, düstere Fantasy-Geschichten oder zum Beispiel Kunstbücher von Gerald Brom, der einen gewissen Look hat. Aber das fand immer jenseits der Bühne statt. Für die Auftritte musste ich mir die Haare kämmen, meine Piercings rausnehmen usw. Ich habe erst später damit begonnen, mein echtes Leben auf die Bühne zu bringen.
Ihr Outfit kam in Magierkreisen nicht gut an?
Sperry: Ich war jung, ein Teenager, da war es schon aufgrund des Alters schwer für mich, Engagements zu kriegen. Die Leute in den USA haben oft Vorurteile, wäre ich damals mit diesem Outfit losgezogen, dass manche als beängstigend empfinden – dann hätte ich nur in meinem Wohnzimmer oder der Garage zaubern können. Also musste ich erstmal ein paar Kompromisse eingehen.
Verängstigen Sie die Leute denn gerne?
Sperry: Bei mir ist es so, wenn zum Beispiel jemand in die Kiste muss, in die Schwerter gesteckt werden, dann keine knapp bekleidete Assistentin sondern entweder gehe ich selbst da rein oder jemand aus dem Publikum. Dadurch entsteht eine Atmosphäre der Gefahr und das Gefühl, dass hier niemand sicher ist. Ich bringe die Zuschauer ganz gerne mal in die Bredouille.
Bei Ihren Auftritten sind häufig Haut und Haar involviert. Basieren solcherlei Tricks auf einer bestimmten Tradition?
Sperry: Teilweise geht es zurück auf die Fakire, manches hat auch Wurzeln bei Voodoo-Praktiken, bei Zeremonien, mit denen die Leute sich böse Geister austreiben wollen. Ich glaube an so etwas zwar nicht, aber manche Menschen fasziniert das.
Als Zauberer versuche ich, bestimmte alte Ideen zu erhalten, sie aber für das heutige Publikum zu variieren. Die Leute sind ja heute gebildeter. Wenn sie sehen, die Box ist leer, dann überlegen sie schon: der Gegenstand wird irgendwo hingegangen sein. Dass er nicht in einer anderen Dimension gelandet ist, das wissen die Leute.
Und das war früher anders?
Sperry: In den 1940ern konnte ein Magier zum Beispiel sagen: „Ich habe dieses Taschentuch von einem Hexenmeister aus Thailand und es hat besondere Kräfte“ – so etwas glaubt Ihnen heute niemand mehr. Wir versuchen nicht mehr, den Leuten Märchen zu erzählen.
Dennoch gibt es Menschen, die an Mysterien und an schwarze Magie glauben…
Sperry: … oder die so etwas praktizieren, ja. Doch bei mir ist keine schwarze Magie im Spiel.
Sie führen auch einen Trick des Zauberkünstlers Wayne Houchin auf, der 2012 in der Dominikanischen Republik von einem TV-Moderator mit einer brennenden Flüssigkeit attackiert wurde, möglicherweise weil der ihn für einen Hexenmeister hielt. Müssen Magier heute vor so etwas immer noch auf der Hut sein?
Sperry: Was auch immer der Moderator geglaubt hat, ich denke, das war eine äußerst seltene Situation.
Was ich sagen kann, ist, dass ich in einigen Ländern Südamerikas Probleme hatte, an bestimmte Dinge zu kommen, die ich für meine Tricks benötige. In Venezuela und Brasilien wird Hexerei noch praktiziert, deshalb wollten die dortigen Veranstalter bestimmte Dinge für mich nicht einkaufen, weil sie die mit Hexerei verbinden.
Was zum Beispiel?
Sperry: Einfache Sachen, bestimmte Flüssigkeiten. Unabhängig voneinander konnte man sie kaufen, aber nicht zusammen, das bedeutete Hexerei und deshalb haben die Veranstalter gezögert und ich konnte einige meiner Tricks nicht vorführen.
Haben Sie so etwas auch anderswo erlebt?
Sperry: Ja, wir waren gerade in Dubai, wo es mir verboten wurde, einen bestimmten Trick zu zeigen, weil man glaubt, dass ich damit Leute zum Selbstmord animiere. Wenn ich mir allerdings dieses Kunststück angucke, frage ich mich, wie sie die auf diese Idee kommen.
Um was für ein Kunststück handelte es sich?
Sperry: Das möchte ich hier nicht erwähnen. Aber es ist so passiert.
Und was denken Sie über diese Einstellung? Sind diese Leute für Sie ‚von gestern‘ oder können Sie deren Glauben bzw. Aberglauben nachvollziehen?
Sperry: Ich akzeptiere das. Ich fand es in Dubai nur etwas seltsam, weil man dort ja immer versucht, zu zeigen: Wir sind reich, schaut auf unser Geld, schaut wie fortschrittlich wir sind. Es gibt diese großen Gebäude, es gibt eine Indoor-Ski-Piste usw. Für einen Ort, der behauptet, so weltlich zu sein, fand ich das komisch.
Ich bringe die Zuschauer ganz gerne mal in die Bredouille.
Wie sieht es bei Ihnen aus, mit dem Glauben an übernatürliche Dinge?
Sperry: Bei mir gibt es auch Dinge, an die ich glaube, wo andere wohl sagen würden, ich spinne.
Zum Beispiel?
Sperry: Also, ich weiß nicht, ob ich es wirklich glaube… Aber nehmen wir die Geschichten, die in der Bibel stehen. Oder auch die Theorie der „Ancient Aliens“ (dt. Prä-Astronautik): Zum Beispiel die Pyramiden in Ägypten, selbst mit der heutigen Technologie wäre es sehr schwierig, die zu bauen. Wie haben sie das dann Tausende Jahre zurück gemacht?
Aliens haben die Pyramiden gebaut?
Sperry: Ich will nicht sagen, dass ich davon überzeugt bin. Aber ich bin offen für die Vorstellung, dass es eine Technologie gab, zu der wir damals Zugang hatten, die möglicherweise von außerirdischen Wesen stammte.An der üblichen Erklärung habe ich jedenfalls Zweifel. Dass Menschen diese 100-Tonnen-Steine auf Baumstämmen transportiert haben, und das ganze bergauf – nein, das glaube ich nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass es anders gewesen ist.
Glauben Sie an die übernatürlichen Kräfte Uri Gellers?
Sperry: Nein, nein. Das finde ich einfach albern, das ist nur ein Trick. Aber gut für ihn, es hat ja sehr lange funktioniert.
Hans Klok sagte uns im Interview, er sei kein Erfinder, sondern lediglich ein „Performer“, also Vorführer von Zaubertricks. Wo sehen Sie sich?
Sperry: Ich bin auch ein Performer. Ich lebe, um diese Zauberstücke aufzuführen, damit zu unterhalten und den Leuten eine bestimmte Erfahrung zu vermitteln. Und das bedeutet manchmal, dass ich Leute brauche, die mir helfen, Ideen zu entwickeln. Das ist wie in der Musik, Britney Spears schreibt ihre Songs nicht selbst, auch Madonna nicht. So läuft das eben. Dafür schäme ich mich nicht, ich brauche das nicht fürs Ego, dass alles zu hundert Prozent von mir stammt.
Gibt es Tricks, die Sie erfunden haben?
Sperry: Ja, zum Beispiel, wenn ich mit Vögeln zaubere, da gibt es bestimmte Ideen, die ich weiterentwickelt habe. Das geschieht aber eher zufällig, es ist nicht so, dass ich morgens aufwache und denke: Heute kreiere ich etwas ganz Neues.
Was ist das Besondere an der Arbeit mit lebenden Tieren?
Sperry: Vögel sind Metaphern. Freie Vögel, die frei fliegen können, stehen für mich für die Freiheit der Gedanken, sie sind ein großartiges Symbol. Ich würde zum Beispiel nie mit Tigern oder Löwen zaubern, oder einem Hasen, all die typischen Dinge, die sind für mich zu sehr beweguns- und emotionslos. Ein großer Käfig mit zwei Löwen drin – wen interessiert das?
Aber mit Vögeln, mit kleineren Tieren, das kann auch einen Nerv treffen wie bestimmte Phobien. Manche Leute haben meinetwegen Angst vor Ratten und so was benutzt und manipuliert man als Zauberer.
Muss man bei Tieren besonders achtsam sein?
Sperry: Ja, aber wenn ich mit Vögeln arbeite, dann fühle ich auch: Wir sind ein Team. Ich fühle eine Verbindung zu ihnen, als wenn wir zusammen eine Sportübung machen würden. Ich kommuniziere mit ihnen, wir arbeiten zusammen und das wissen sie. Ich versuche, auf ihr Befinden zu achten, auf ihren Charakter. Und wenn ich merke, dass die eine Taube einen schlechten Tag hat, dann verwende ich eine andere.
Manche Ihrer Tricks sehen schmerzhaft aus – sind sie das tatsächlich?
Sperry: Ja, von einem Trick zum Beispiel wird meine Haut ständig wund und rau, wie Krokodilhaut. Oder die Rasierklingen, die ich verschlucke: Den Trick kann man auf verschiedene Arten aufführen, bei der einen schummelt man ein bisschen, die mochte ich nie, während sich die andere sehr organisch anfühlt. Und manchmal schneide ich mich dabei, Rasierklingen sind nun mal sehr scharf. Aber auf der Bühne spürst du den Schmerz nicht, dort spürst du vor allem die Reaktion des Publikums.
Wir sprachen ja schon darüber, dass Sie den Zuschauern auch Angst machen…
Sperry: Es geht mir nicht allein darum, jemandem Angst einzujagen, sondern ich will damit auch Verwunderung und Erstaunen hervorrufen.
Andere Magier nutzen dafür Romantik oder Dramatik, ich dachte mir: Warum nicht mit Magie auch ein Gefühl des Unwohlseins hervorrufen? Dem Zuschauer etwas vor die Nase halten… wie einen Verkehrsunfall, den man eigentlich nicht sehen will, aber trotzdem schaut man nicht weg. Oder wenn der Zuschauer den Eindruck gewinnt, dass ich vielleicht die Kontrolle verloren habe, über das, was auf der Bühne passiert. Es ist unterhaltsam für mich, dabei die Reaktionen der Zuschauer zu beobachten. So wie Willy Wonka (im Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“): All die Kinder kommen auf sein Boot, fahren mit ihm auf dem Schokoladen-Fluss, sie sehen all die komischen Sachen und irgendwann denken die Eltern, er ist verrückt geworden.
Bei der Show „The Illusionists“, mit der Sie gerade durch die Welt touren, sind Sie einer von sieben Magiern. Ist es schwieriger geworden, als einzelner Magier Erfolg zu haben?
Sperry: Nein. Erfolgreich kann man auch sein, wenn man auf Geburtstagsfeiern zaubert. Freunde von mir machen das und die sind damit auch sehr erfolgreich. Sie haben keine 3000 Zuschauer, aber sie machen das dann zum Beispiel für Prominente oder so.
Was wir jetzt machen, die Tour mit den „Illusionists“, das ist das i-Tüpfelchen, das zu erleben ist für mich ein großer Bonus. Ich war aber auch schon zufrieden, als ich kleinere Shows gemacht habe und damit meinen Lebensunterhalt verdienen konnte.
Sie haben auch an der deutschen TV-Show „Das Supertalent“ teilgenommen. Warum haben Sie nicht gewonnen?
Sperry: Weil ich Amerikaner bin. Man kann doch in Deutschland nicht gewinnen, wenn man kein Deutscher ist. Das würde nicht gut aussehen.
Aber wenn Sie nicht gewinnen können, warum konnte man dann für Sie abstimmen?
Sperry: Die Leute haben mich sehr freundlich auf den dritten Platz gewählt, und das war für mich ok. Hätte ich den ersten Platz gemacht, ich weiß auch nicht, ob mir das angenehm gewesen wäre.
Auch in den USA haben mehrere Zauberer an „America’s Got Talent“ teilgenommen, doch nie hat einer gewonnen. Warum nicht?
Sperry: Bei „America’s Got Talent“ muss man normalerweise drei Dinge haben, um zu gewinnen: Musik, eine Live-Tour und DVD-Verkäufe. Ein Magier kann davon höchstens zwei Dinge einbringen.
Aber wir reden hier ja nicht über Merchandising sondern über die Zuschauer, die abstimmen.
Sperry: Das spielt keine Rolle, denn es geht ums Merchandising.
Denjenigen, die am Telefon abstimmen, ist es doch egal, ob Sie Merchandising-Artikel verkaufen können, oder nicht.
Sperry: Sicher, aber da gibt es halt jemand, der die Fäden zieht. In Amerika ist man immer sehr geldbewusst. Ein Sänger kann eine CD oder ein Itunes-Album verkaufen, dann das Live-Konzert auf DVD und sie können richtige Konzerte geben – alles Dinge, mit denen sich Geld verdienen lässt.
Magier haben diese Talent-Show schon gewonnen, in anderen Ländern. In den USA gibt es auch sehr talentierte Leute, die weit gekommen sind. Aber das die gewinnen, passt nicht in den Plan. (Sperrys hier geäußerte Theorie kann durch die Staffeln 7 und 8 von „America’s Got Talent“ nicht belegt werden, 2012 gewann ein Hundedressur-Team, 2013 ein Tänzer/Akrobat; Anm. d. Red.)
[Dan Sperry ist mit den “Illusionists” auf Deutschland-Tour: 30.10. Berlin, 31.10. Hamburg, 01.11. Kiel, 02.11. Hannover, 05.11. Mannheim]