Daniel Brühl

…würde nicht an Wikileaks spenden.

Der Film „Inside Wikileaks“ ist umstritten und wird von Wikileaks-Gründer Julian Assange heftig kritisiert. Schauspieler Daniel Brühl stellt sich im Interview auf die Seite Daniel Domscheit-Bergs, den er im Film darstellt.

Daniel Brühl

© M.Nass/BrauerPhotos/Constantin Film

Herr Brühl, nach Niki Lauda sind Sie erneut in der Rolle einer lebenden Persönlichkeit zu sehen und spielen den Wikileaks-Aussteiger Daniel Domscheit-Berg. Wie geht man da ran, insbesondere wenn man den Menschen begegnet, die man darstellt?
Daniel Brühl: Vor dem ersten Treffen ist man immer total nervös. Man hat ein Verantwortungsgefühl und hofft, dass man demjenigen gerecht wird, er einen überhaupt mag und bereit ist, in Kontakt zu treten. Ich fand es in beiden Fällen spannend, Menschen kennenzulernen, die sich mit zwei so faszinierenden Dingen auseinandersetzen. Und ich hatte beide Male das Glück, dass die Personen mir wirklich offen alles beantwortet haben, was ich wissen wollte. Das ist so ein Rantasten, denn man spricht ja über sehr dramatische Dinge im Leben, die auch unangenehm sind: so ein Unfall und Überlebenskampf von Niki Lauda oder Daniel Domscheit-Bergs Bruch mit Julian Assange. Das war extrem schmerzhaft, da ist ja eine richtige Freundschaft in die Brüche gegangen.

Um Wikileaks gab es viel Diskussionen und Spekulationen, auch aufgrund des Streits zwischen Assange und Domscheit-Berg. Wie hat das Ihre Arbeit beeinflusst?
Brühl: Dieser Film ist so sehr am Zahn der Zeit und beschäftigt sich mit so vielen akuten, brisanten, relevanten Themen, dass das am Anfang völlig konfus war. Erst dachte ich, ich hätte ein klares Bild. Dann habe ich viele Bücher mit all diesen verschiedenen Perspektiven gelesen und je mehr ich darüber gelesen habe, desto widersprüchlicher wurde es für mich. Ich habe dann gehofft, dass ich meiner Figur vertrauen kann. Das Gefühl, dass ich es mit einem integeren, echten Aktivisten zu tun habe, der vernünftig und verantwortungsvoll ist, stellte sich aber relativ schnell ein. Jeder hat seine Fehler – er hat ja auch zugegeben, seine gemacht zu haben. Da ist keiner frei von Schuld. Aber alles in allem stehe ich zu Daniel und zu dem, wie er sich in dem Konflikt mit Wikileaks und Assange verhalten hat.

Wie schafft man es, Distanz zu bewahren, wenn man die Figur, die man spielt, so genau kennenlernt?
Brühl: Ich war ja irgendwann auch am Drücker. Daniel war da sehr cool und hat gesagt: „Wenn du was von mir brauchst, melde dich.“ Ich habe aber auch gesagt: „Es wird jetzt einige Wochen geben, in denen ich mich zurückziehe.“. Ich wollte mir bei allem doch die Freiheit bewahren, mir die Information auch von woanders zu holen, um nicht zu eng an ihm zu sein. Irgendwann läuft man Gefahr, dass es zu einer Imitation wird, dass man einfach zu eingegrenzt ist und keinen Freiraum mehr findet, die Sachen so zu machen, wie man sie sich selber gedacht hat. Wir haben uns in einigen Dingen auch vom Original emanzipiert. Ich glaube, dass Danielim Großen und Ganzen sehr zufrieden ist, aber es muss merkwürdig für ihn sein, weil es auch immer eine bestimmte Portion gibt, die von mir gekommen ist.

Sie hatten das Glück, dass Daniel Domscheit-Berg Sie unterstützt hat, Benedict Cumberbatch hatte das bei Julian Assange nicht.
Brühl: Für Benedict war es tatsächlich schwieriger. Julian hat aber auch eine zeitlang häufig, wenn nicht fast täglich Mails an Benedict geschrieben. Wir haben jeden Tag unsere Informationsquellen ausgetauscht. Manchmal standen wir ratlos da und wollten unsere Figuren verstehen und vehement verteidigen. Das war einesehr symbiotische Zusammenarbeit, die uns total zusammengeschweißt hat.

Welchen Einfluss hat es, wenn man ein Thema verfilmt, das auch aktuelles Nachrichtenthema ist?
Brühl: Das Drehbuch hat sich eigentlich ständig entwickelt und verändert. Wir sind immer alle Informationen sehr gründlich durchgegangen, aber uns war auch klar – und das ist ja auch die Anlage des Drehbuchs gewesen: Es gibt keine finale Beurteilung, kein klares Bild, auch am Ende nicht. Wir wollten nicht, dass es in eine Richtung geht, die zu schwarz-weiß ist und zu einseitig gegen Assange und Wikileaks zielt. Das wirft Assange aber dem Film vor und das verstehe ich nur bedingt. Eigentlich sieht man in vielen Teilen des Films, dass das nicht die Intention des Regisseurs war.
Die Wichtigkeit eines Kinofilms muss man aber heute auch relativ sehen. Leute, die sich für dieses Thema interessieren, werden ihre Informationen auch von woanders herkriegen. Assange hat am Ende des Films einen großartigen Satz, in dem es darum geht, die Wahrheit für sich selber herauszufinden. Und dazu will der Film ja eigentlich einladen.

Letztendlich geht es in dem Film um den Konflikt, dass Assange vorhandene Informationen in jedem Fall veröffentlichen will, während Domscheit-Berg bremst, weil er dadurch Menschenleben in Gefahr sieht.
Brühl: Das ist der Punkt, bei dem ich Daniel total verstehen konnte. Es war ja auch der ursprüngliche Gedanke, den sie mal hatten. Leider hat da – auch aufgrund des Erfolgs – eine Überforderung stattgefunden und dann sind sie entzweit.
Man versteht schon auch das Drama, das bei Julian stattgefunden hat. Das kommt in dem Film raus, nachdem seine beiden kenianischen Freunde erschossen wurden: Er meint, das wäre nicht passiert, wenn es zu dem Zeitpunkt schon mehr Aufmerksamkeit gegeben hätte, und die muss jetzt schnell her. Aber grundsätzlich bin ich bei dem Punkt moralisch total bei Daniel.

Der Film handelt von einer Organisation, die sich durch Spenden finanziert. Wäre es Ihrer Meinung nach fair, einen Teil der Einnahmen an Wikileaks zu spenden?
Brühl: Gute Frage. Ich würde meinen Teil eher Openleaks zur Verfügung stellen. Das ist die Organisation, die Daniel gegründet hat. Wir haben uns lange über diese neue Plattform unterhalten. Ich finde es schön, dass er durch eine Selbstkritik gegangen ist, das analysiert hat, was bei Wikileaks schief gelaufen ist, und das bei Openleaks verbessert hat. Das ist nun natürlich ein langwieriger Prozess, wenn man alles so gründlich redigiert. Es war ja auch Teil des Erfolgs von Wikileaks, dass es so schnell ging, dass immer mehr Leaks entstanden sind.
Das zweite Mal, als ich Daniel zu Hause besucht habe, kamen nach fünf Minuten bleiche Männer in die Wohnküche und bedienten sich. Ich hatte keine Ahnung, wer die sind. Als sie dann rausgegangen sind, erzählte mir Daniel, das seien zwei französische Aktivisten, Antifaschisten, die bei ihm umsonst wohnen und arbeiten dürfen. Man merkt einfach, dass er jemand ist, der sich wirklich engagiert, der nicht nur redet – wie ich zum Beispiel – sondern auch wirklich Sachen anpackt. Ich habe ihn gemocht, gespielt und verteidigt, also würde ich es eher seiner Organisation spenden. Assange würde das Geld wahrscheinlich auch nicht akzeptieren. (Zum Zeitpunkt des Interviews bzw. zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung scheint die Plattform Openleaks nicht zu existieren, die entsprechende Internetadresse ist nicht erreichbar, Anm. d. Red)

Beschäftigen Sie sich auch heute mit den aktuellen Nachrichten zum Thema?
Brühl: Na klar. Es ist ja auch omnipräsent, wobei die Enthüllungen Edward Snowden erst aufkamen, als wir den Film bereits abgedreht hatten. Wir als Beteiligte haben in letzter Zeit verfolgt, was Assange über unseren Film sagt und was er jetzt gerade wieder neu veröffentlicht.
Es wird nicht aufhören und auch in Zukunft immer wieder einen Snowden geben. Das ist etwas, was Wikileaks losgetreten hat und so schnell nicht von der Bildfläche verschwinden wird. Insofern hat diese Organisation tatsächlich die Welt dauerhaft verändert.

Sollte Deutschland Edward Snowden Ihrer Meinung nach Asyl gewähren?
Brühl: Ich finde es schon merkwürdig, dass die undemokratischsten Länder diesen Leuten Asyl geben. Und dass sich bestimmte Länder dann auf Grund von Verträgen und Beziehungsgeflechten nicht trauen dürfen, dasselbe zu tun, oder nicht können. Das ist schon eine absurde Entwicklung. Jetzt sitzt der eine in der Botschaft von Ecuador und der andere in Russland. Das finde ich bizarr. Ich finde, Deutschland hätte Snowden Asyl gewähren sollen.

[Im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung verweisen wir an dieser Stelle zusätzlich auf das Interview mit Andy Müller-Maguhn über den Film „Inside Wikileaks“ und die Darstellung von Julian Assange, Berliner Zeitung, 29.10.2013]

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