Pat, Pit und Otto, ich möchte mal beginnen mit einer Rezension Eurer aktuellen Platte, die ich im Netz gefunden habe…
Appleton: Hm, lieber nicht jetzt vor dem Konzert.
Baumgartner: Doch, doch, erzähl ruhig.
Also, die Rezension war durchaus positiv, überschrieben mit "Die Definition der Hängematte". Was sagt Ihr zu so einer Auffassung?
Baumgartner: Vielleicht gar nicht schlecht. Ich zum Beispiel arbeite selber im Schlaf. Das mag jetzt blöd klingen, aber ich habe die Angewohnheit, mir Texte, Ansätze oder auch ganze Strophen während des Einschlafens auszudenken. Wenn sie dann richtig gut sind und ich habe Angst, sie zu vergessen, dann schreib ich sie noch schnell auf. Bei mir geht also mehrmals in der Nacht das Licht an und aus – insofern ist die Hängematte schon sehr nah dran an De Phazz. Es geht ja auch um entspannte Musik, die man in der Hängematte hören kann. Wir haben zum Beispiel einen gemeinsamen Urlaubsort, sind ab und zu auf La Palma…
Appleton: …und Pit liegt nur in der Hängematte, den ganzen Tag.
Engelhardt: Aber wenn man so eine Tour mit der Band hinter sich hat, dann darf man das auch.
Baumgartner: Ja, da ist die Hängematte schon ein ganz wichtiges Utensil. Aber es hat auch mal jemand über die aktuelle Platte geschrieben, was mir nicht besonders gefallen hat, "die Platte klingt so, als würden die Leute auch nach dem dritten Stück den Arsch nicht hochkriegen".
Engelhardt: Da ist die Frage, welche Art von Intensität man sucht, zum einen als Musiker, der im Studio arbeitet, zum anderen als Zuhörer, der sich eine Platte anhört. Wir versuchen Stimmungen, Lebensgefühle auf den Punkt zu bringen in einem Song. Und das bedeutet nicht auf Deubel komm raus alles rauszuquetschen, was bei einer Live-Produktion vielleicht andeutungsweise geht. Ich bin auch wirklich davon abgekommen Live-Produktionen zu vergöttern. Das heißt, wenn wir im Studio etwas produzieren, dann sollen die Leute auch ruhig noch ein bisschen hungrig bleiben. Auf der Bühne ist das dann etwas ganz anderes. Ich schwitze jedes Konzert einen Anzug durch und im Konzert nutzen wir die Gelegenheit, die Leute und auch uns zu fördern.
Aber ist es nicht vielleicht ungerecht: Ihr ackert im Studio und der CD-Hörer räkelt sich zu Eurer Musik auf der faulen Haut?
Appleton: Im Gegenteil, damit sind wir zufrieden. Ich glaube, dass Musik unheimlich viel mit Wohlbefinden zu tun hat. Gerade wir als Musiker reagieren unheimlich auf Musik. Einerseits hat jeder so das, was er äußerst gerne hört, andererseits gibt es auch Sachen, mit denen man gar nicht zurecht kommt, bei denen man sich eben nicht wohl fühlt. Insofern, wenn sich die Leute rundum wohlfühlen, dann ist das doch das beste, was dir als Musiker passieren kann. Auch wenn die Musik meinetwegen nur im Hintergrund läuft…
Baumgartner: …’Akustische Tapete‘, ein Begriff den ich auch gerne benutze – soll sein, ich habe nichts dagegen, wenn De Phazz auch einfach mal im Hintergrund läuft. Auch dann, wenn sich die Leute also in ein bestimmtes Ambiente bewegen, Café oder so, dann können sie der Musik ja näherkommen.
Engelhardt: Das ist ja der Witz, die Musik funktioniert als Tapete in der Lounge für die jungen, schönen, reichen, oder die es gerne wären, aber andererseits sind wir auch ein überzeugender Live-Act, der die Leute packt und fesselt. Und da gehört wohl ein bisschen mehr dazu, als nur Tapetenkleister.
Baumgartner: Ich hab keine Probleme mit dieser akustischen Tapete. Musik ist heutzutage eben inflationär. Wie oft hört man zum Beispiel eine CD? – Ich hab vor kurzem gelesen, dass man eine CD im Durchschnitt nur 1,7mal hört.
Appleton: Ob das stimmt – die "Dido"-CD habe ich bereits mindestens 50 Mal gehört.
Was hört Ihr denn, wenn Ihr entspannt, hört Ihr dann überhaupt Musik?
Appleton: Nicht immer, weil man manchmal einfach mal Ruhe haben muss. Das schlimmste ist diese ständige Berieselung an öffentlichen Orten, da sind wir kurz davor eine Bürgerinitiative zu gründen, um das verbieten zu lassen.
Baumgartner: Ich war allerdings vor kurzem in einem Hotel, im Restaurant, wo ich mir gewünscht hätte, das überhaupt irgendwelche Musik läuft. Es war viel zu ruhig, das Ohr vom Nachbartisch wurde immer größer…
Appleton: Aber nichts ist schlimmer, wenn dann Rondo Veneziano im Restaurant läuft, oder André Rieu.
In Eurer Musik lassen sich viele verschiedene Stilzitate finden – welche musikalischen Einflüsse vom Dancefloor-Bereich waren für Euch die wichtigsten?
Baumgartner: Am Anfang vor allem Drum’n’Bass. Das ist jetzt drei, vier Jahre her, wo ich in London war und einmal morgens sehr früh raus musste. Da hatte ich das Radio angestellt, und gedacht – ‚was ist das denn‘? Da haben die Leute nach den Partys ihre neuen Chill-Platten per Telefon an den Sender gespielt. Da kam so etwas undefinierbares raus, die Trommeln viel zu schnell… – das war für mich der erste Kontakt zu Drum’n’Bass, und das hat mich schon fasziniert, Leute wie Squarepusher, Goldie oder LTJ Bukem. Allerdings ist mir das auf lange Zeit zu anstrengend. Und wenn du produzierst, dann hörst du ein Stück ja auch ein paar hundert mal – da ist Drum’n’Bass schon ziemlich anstrengend. Trotzdem habe ich dieses Element beibehalten, habe dann aber auch angefangen an einer ganz anderen Stelle zu graben, da wo man es nicht wirklich vermutet, nämlich beim Schlager-Ambiente. Und die verschiedenen Stile unverschämt gemischt – das macht Spaß, so hat sich unser Stil entwickelt und auch die Art, wie wir experimentieren. Ich bediene mich also gerne mehreren verschiedenen Stilen und lege mich ungern fest.
Engelhardt: Es zählen sicher auch immer die aktuellen Einflüsse, was eben gerade angesagt ist, aber was in zwei Jahren auch schon durch ist und einen dann nur noch nervt. Dazu kommen natürlich langfristige Einflüsse. Wir sind ja Musikhörer und Liebhaber schon seit vielen Jahren und da häufen sich einige Sedimente an Popgeschichte an, die dann in sublimierter Form von uns ausgestoßen werden.
Pit: Ich habe die Angewohnheit, mir Texte, Ansätze oder auch ganze Strophen während des Einschlafens auszudenken.
Euer aktuelles Album "Death by Chocolate" – wie kam es zu diesem Titel?
Appleton: Da fragt sich erst mal jeder, was mag das sein. Ich war in Kenia, mein Bruder hat dort Abitur gemacht und ich habe ihn besucht. Dann brachen allerdings Unruhen aus, wie man das aus Afrika halt kennt. Auf der Strasse war auf ein mal Anarchie und wir mussten in ein Hotel fliehen. Dort haben wir auch zu Abend gegessen, man war hungrig von den ganzen Erlebnissen. Wir saßen dort, man hörte draußen die Studenten streiken und schreien und wir aßen unser 3-Gänge-Menu. Als Dessert gab es einen Kuchen, der hieß "Death by Chocolate" – die Situation war ziemlich pervers, weil sich eben zur gleichen Zeit draußen die Leute die Köpfe eingeschlagen haben.
Ihr habt mit "Death by Chocolate" den Schritt gemacht vom kleinen Label Mole zum Major-Label Universal – hat das Einfluss auf Eure Arbeit?
Baumgartner: Nein, ich habe auch Schwierigkeiten damit, wenn man mir in die eigene Band reinredet. Der Wechsel hatte einfach wirtschaftliche Gründe, wir wollten ein bisschen komfortabler arbeiten, ein bisschen komfortabler reisen und ein größeres Publikum erreichen. Allerdings haben wir oft den Vorwurf gehört ‚jetzt seid ihr bei Universal, das hört man‘ – wenn man die Platte anhört merkt man, dass das nicht stimmt.
Wie steht Ihr zum Begriff "Easy Listening"?
Appleton: Den finde ich gar nicht schlimm. Man kann bei uns einen Trend sehen, das erste Album war ein Drum’n’Bass-Album, das zweite ein Latin-Jazz-Album und das dritte ein Easy-Listening-Album. Das vierte muss wieder ein anderes sein, das nehmen wir uns auch so vor. Wir scheuen einfach sehr diese Schubladisierung, dass man sagt "De Phazz, die machen Drum’n’Bass" und man dann sein Leben lang Drum’n’Bass machen soll. Nein, wir sind Musiker und wir entwickeln uns auch weiter. Und jetzt als nächstes möchten wir etwas anderes erleben als nur Easy Listening.
Gibt es Konflikte im Team oder nur pure Harmonie?
Baumgartner: Konflikte gibt es auch, das ist normal. Mit mir insbesondere hat man es auch nicht einfach, ich bin eben Pedant. Und guck uns an, wir sind alle Individuen, wo jeder eine eigene Band haben könnte. Wir sind im Grunde alle Bandleader…
Appleton: …aber wir fügen uns immer, weil wir wissen, dass Pit immer das letzte Wort hat (lacht) – aber diktatorisch geht er nicht vor.
Baumgartner: Ich glaube, es ist auch der eigentliche Schatz der Band, diese Individualität unter einen Hut zu bringen.
Engelhardt: Der Arbeitsprozess ist zwar manchmal recht vielschichtig, aber alles in allem sind wir sehr zufrieden. Es ist ganz wichtig, dass es eine Instanz wie den Pit gibt und gerade, wenn wir nicht nur bilateral uns uneinig sind, sondern insgesamt das große Chaos ausbricht, dann macht Pit den Punkt und sagt ‚so machen wir’s, basta‘. Umgekehrt habe ich es sehr oft erlebt, dass wenn er eine Vorstellung hat und man kommt aber mit etwas eigenem, was seinen Vorschlag verändert oder überflüssig macht, dass er dann auch die Größe hat zu sagen: ‚ok, Ihr habt Recht, so machen wir’s‘.
Das Leben ist ein Comic – welche Comic-Figuren seid Ihr?
Appleton: Pit ist Panzerknacker!
Engelhardt: Ich bin Schröder, von den Peanuts.
Appleton: Dann bin ich Lucy.
Baumgartner: Ich glaube, Daniel Düsentrieb wäre nicht ganz verkehrt. Aber das ist eine Frage, da könnte ich jetzt Stunden drüber nachdenken.