Pat und Otto, seit dem wir uns das letzte Mal zum Interview getroffen haben, seid ihr ziemlich viel unterwegs gewesen. Was aber macht der Urlaub?
Appleton: Urlaub hatten wir eigentlich schon lange nicht mehr. Wir waren ohne Pause on tour, haben alle guten Festivals in Deutschland, Österreich und der Schweiz bespielt, bis vor kurzem das neue Album produziert, wir waren auch in Kanada und Russland – wir haben im vergangenen Jahre relativ viel für die Promotion der Band getan. Urlaub ist das nicht, wobei man manchmal vielleicht ein wenig von geistigem Urlaub sprechen könnte, weil man viel rumkommt und viele Erfahrungen sammelt.
Engelhardt: Nur, Urlaub im herkömmlichen, bürgerlichen Sinne ist das natürlich nicht.
In Bezug auf euer letztes Album "Death by Chocolate" sprachen wir damals von der Definition der Hängematte. Wie würdet Ihr nun kurz und bündig euer neues Werk "Daily Lama" beschreiben?
Engelhardt: Ich würde sagen, "Daily Lama" ist der Sprung von der Hängematte aufs Trampolin. Man kann sich bei dem Album nicht einfach nur in seine Hängematte legen, weil man ständig in eine neue musikalische Atmosphäre reingezogen wird. Mal ist die Stimmung ein bisschen melancholisch, mal ist sie auch ein bisschen aufgekratzt. Ich hoffe, dass man diesen stetigen Wechsel, diese Unberechenbarkeit nicht als anstrengend empfindet und nicht sofort erschöpft das Trampolin verlässt.
Zur Beruhigung setzt du dem Album dann aber mit einem schönen Piano-Solo den Schlusspunkt.
Engelhardt: Ja, so einen kleinen Ruhepunkt am Schluss habe ich persönlich viel lieber, als ein zu markant auftrumpfendes Ausrufezeichen.
Aber wo wir schon mal bei markant sind – wer ist denn bei euch der Markanteste, der immer am meisten auftrumpft?
Engelhardt: Niemand, das ist ja gerade das Besondere und Unverwechselbare an De-Phazz, dass wir nicht den Mackerproduzenten haben, der mit der Faust auf den Tisch haut und sagt: "Da geht’s lang", sondern dass wir vier ausgesprochene Charaktere sind, die sich – wenn es drauf ankommt – auch mal kräftig aneinander reiben, dass es hohe Wellen schlägt. Aber offenbar funktioniert das.
Appleton: Die Schwerpunkte sind ja auch von Titel zu Titel unterschiedlich. Jeder hat natürlich so seinen Lieblingstitel, an dem er am liebsten arbeitet und dann gibt es welche, wo wir uns alle einbringen. Zum Beispiel bei "Dummes Spiel" vom neuen Album, da haben Pit, Otto und ich ganz eng zusammengearbeitet, gemeinsam den Text zusammengesponnen, die Art und Weise wie wir das auslegen und wie der Song arrangiert wird. Es kommt auch immer darauf an, wer von uns gerade die Initiative ergreift.
Engelhardt: Das ist ein stetes Wechselspiel zwischen einerseits individuellen, im stillen Kämmerlein geschriebenen Stücken und andererseits eben auch konsequenter Teamarbeit. Es gibt auch Stücke, die einfach ihre Zeit brauchen, manchmal wochenlang, bis sie dann in einer Form sind, die man aufnehmen kann. Und dann gibt es auch mal den Schnellschuss aus der Hüfte, wo eine Nummer in zwei Tagen entsteht und so auch aufgenommen wird.
War es denn für euch eine schwierige Entscheidung, mit "Dummes Spiel" auch mal einen Titel auf Deutsch zu machen?
Appleton: Wir haben einfach gedacht, es ist jetzt mal an der Zeit, dass wir uns auch als Deutsche outen. Wir sind als Band schon eine Weile zusammen, sprechen alle Deutsch, unsere Amtssprache sozusagen ist auch Deutsch – da muss man diese Sprache natürlich auch mal verwenden. Und es ist durchaus reizvoll, mal einen deutschen Text zu schreiben.
Engelhardt: Wir haben uns auch nicht die Gehirne zermartert, nur damit wir einen deutschen Titel dabeihaben. Aber wir bekennen uns, dass wir nicht aus Paris oder London kommen – sondern Heidelberg, Deutschland. Für viele ist das vielleicht nicht unbedingt eine kalte Dusche aber sicher eine recht große Überraschung, weil es ja schon einigermaßen urban und international klingt, was wir da verzapfen.
Eine weitere Neuerung bemerkt man bei der Gestaltung des neuen Albums. Man öffnet die CD und entdeckt euch ganz in weiß vor schwarzem Hintergrund …
Appleton: Also, ganz am Anfang, als wir noch gar nicht an den Inhalt der Platte gedacht haben, da hatte Pit so eine Idee dieses loungige, mondäne, was man mit De-Phazz immer verbunden hat, etwas aufzulockern. Die Idee bestand darin, dass man sich einfach mal in einen Kuhstall begibt, sich dort in Abendgarderobe und Gummistiefeln ablichten lässt, richtig im Dreck, die Ärmel hochgekrempelt – wir wollten mal was richtig derbes, grobes machen. Das hat dann erst nicht funktioniert, das mondäne schimmerte immer noch ein wenig durch. Aber die Idee mit den Tieren vom Bauernhof, die blieb.
Engelhardt: Das war auch eine Obsession unseres Grafikers Olaf Becker.
Appleton: Ja, der hatte auch schon in Dithmarschen einen Bauernhof gefunden mit den verschiedenen Tieren. Karl Frierson sollte mit einem Pferd posieren, die Gänse waren für mich gedacht …
Engelhardt: … und die Sau für mich war auch schon gecastet.
Appleton: Aber dann haben wir festgestellt, dass die Gänse überhaupt nicht kompatibel waren, da sie überhaupt nicht an Menschen gewöhnt waren, geschweige denn daran, still auf dem Arm zu sitzen. Der Bauer war zwar zu allem bereit, wollte die Tiere sogar betäuben …
Aber dann habt ihr für die Albumfotos doch lieber mit ausgestopften Tieren posiert.
Appleton: Ja, also mich hat das mit den Gänsen eher abgeschreckt. Vor allem mit dem Hochzeitskleid von Joop, dass ich anhatte – das hätte eine riesen Sauerei gegeben.
Engelhardt: Aber ein weiter entscheidender Unterschied zu den alten Alben besteht ja darin, dass man nun endlich uns vier Menschen sieht.
Wobei man De-Phazz Mastermind Pit Baumgartner dann doch nur von hinten sieht.
Engelhardt: Mastermind ist zwar eigentlich ein Begriff, den er gar nicht so mag, aber letzten Endes läuft es schon darauf hinaus, weil bei ihm die Nervenstränge von De-Phazz zusammenlaufen. Dass er sich im Booklett nur von hinten zeigt, dazu noch verschwommen, das liegt daran, dass er ursprünglich den festen Vorsatz hatte, sich aus dem Live-Geschehen völlig zurückzuziehen. Aber an diesem Vorsatz wird gerade kräftig genagt.
Appleton: Das ginge auch gar nicht, dafür machen die Live-Auftritte einfach zu viel Spaß. Für die anstehende Tour haben wir ein neues Live-Konzept, wir werden mit noch mehr Live-Musikern auf die Bühne gehen, wir haben einen sehr guten Schlagzeuger, einen Bassisten, einen Keyboarder, Pit am Pult mit Computer, Otto plus eins bei den Blechbläsern und dazu und zwei Sänger, Karl und mich.
Aber keine Tiere.
Appleton: Nein, leider nicht.
Engelhardt: Aber dafür waren wir gestern in Hamburg …
… im Zoo.
Engelhardt: Genau, bei Hagenbecks Tierpark. Das Wetter war schön, und da gab es so einige Tiere: Nasenbären, Elefanten, Flamingos, Tiger – die hätten wir schon gerne mit auf die Bühne gebracht.
Wenn ihr euch eins aussuchen könntet, welches Tier wärt ihr?
Appleton: Ich glaube, ich wäre gern ein Igel …
Engelhardt: … sie wird gerne überfahren.
Appleton: Genau – aber nein, gestern haben mich die Elefanten sehr beeindruckt. Allerdings haben deren Rüssel kräftig gerochen, mein Handschuh riecht jetzt noch danach.
Engelhardt: Ich schwanke zur Zeit so zwischen 100-jähriger Riesenschildkröte und einem mürrischen Grizzly-Bären.
Appleton: Bär ist gut. Aber ich wäre dann wohl eher ein Hund. Ich bin zwar frech und mutig aber manchmal, wenn mich jemand kritisiert, dann gehe ich sehr tief in die Knie, bin sehr schuldbewusst und winsele einfach herum.
Engelhardt: Ich bin eben mehr der gutmütige, knuddelige Bär – aber mit völlig unberechenbaren cholerischen Anfällen …
Appleton: … der aber auch manchmal Angst kriegt, und sich in die Flucht schlagen lässt.
Aber es scheint, Otto ist bei euch derjenige, zu dem alle kommen können, ihr Leid klagen können …
Engelhardt: Also, wir reden alle miteinander. Und um das mal zu sagen, die Kommunikation müssen wir jedenfalls nicht den Anwälten überlassen. Denn die würden das äußerst gerne. Wir haben im Laufe des vergangenen Jahres ein paar kennen gelernt, die sich sehr gerne ins Spiel bringen, als absolut unersetzliche Lebenshelfer, Anwälte und Personen aus dem Management-Bereich.
Appleton: Das ist halt die Kehrseite des Ruhms, es heften sich ständig Leute an deine Fersen, die dir suggerieren, dass sie für dich unentbehrlich sind für dich und du jemanden brauchst, der dein Leben aufräumt. Dann verschwinden sie sang- und klanglos aus deinem Leben und dein Leben liegt in Scherben vor dir.
Engelhardt: Das passiert eben, sobald man anfängt in dieser Branche, ein etwas größeres Rad zu drehen. Und im Vergleich zu dem, was ich bisher gemacht habe, trifft das wohl zu. So wie wir die vergangenen zwei Jahre rumgekommen sind, dazu das gute Echo auf die letzte und die neue Platte – das spricht wohl dafür, dass wir da ein zwei Schritte geschafft haben, von denen viele Kollegen leider nur träumen können.
Ich unterhielt mich vor kurzem mit der Sängerin Marla Glen. Sie ist ja vor ein paar Jahren nach Deutschland gezogen in erster Linie, weil Sie endlich mal an ihr verdientes Geld kommen wollte, was ihr deutsche Anwälte und Manager bisher vorenthalten hatten. Vor allem auf einen Leipziger Anwalt schimpfte sie das ganze Interview hindurch, man merkte diese Querelen haben richtig an ihr gezehrt.
Appleton: Ich kann das gut nachvollziehen, und ich finde so was auch schlimm. Wir sind Künstler, wir bieten den Leuten schöne Musik an, zu der die Leute auch mal entspannen können. Das ganze Hickhack, was man sonst so tagtäglich an der Backe hat, das dürfte verpuffen, wenn man eine unserer CDs einlegt. Da finde ich es um so trauriger, dass wir uns mit diesen ganzen Anwälten anlegen müssen. Unsere Nerven liegen auch irgendwann blank!
Engelhardt: Heute allerdings nicht mehr, wie noch vor ein paar Monaten. Wir sind ehrlich gesagt ein bisschen durchs Feuer gegangen. Und um es auch mal unverblümt anzusprechen, der Übergang von der alten zur neuen Plattenfirma hat sich zwischendurch sehr, sehr zermürbend gestaltet.
Alte Ansprüche wurden angemeldet …
Engelhardt: … und unklare Paragraphen in alten Verträgen hat natürlich jeder in seinem Sinne interpretiert. Auf wessen Kosten? Natürlich auf Kosten der Künstler. Dass wir zu der Zeit, als die Wogen hochschlugen, überhaupt imstande waren, ein hörenswertes Album zu produzieren, das erstaunt mich heute noch. Wir sind Musiker, musikalisch, schöpferisch tätige, neugierige Menschen und wir sind keine Geschäftsleute geschweige denn Juristen.
Trotzdem zum Schluss eine Frage in Sachen Business: Ihr habt "Daily Lama" mit einem Kopierschutz versehen. Habt ihr ein gutes Gefühl dabei?
Appleton: Ich habe mich auch kurz bevor die Platte rauskam noch mal mit den Leuten von Universal zusammengesetzt und dieses Thema diskutiert. Schließlich gibt es verschiedene Websites, die zum Boykott von kopiergeschützten CDs aufrufen und wir auch schon Mails von verärgerten Fans bekommen haben. Klar, irgendwie verstehe ich die Leute. Ich finde auch, jeder hat das Recht seine CDs zu kopieren. Ich bin auch MP3-User, das ist ja auch ein sehr praktisches Medium. Aber irgendwo müssen wir auch etwas verdienen. Dieser Kopierschutz stoppt ja sicher nicht alle Leute, aber vielleicht ein paar von denen, die sich sofort ransetzen und das Ding vervielfältigen wollen.