Deniz Naki, in der Sommerpause wurde viel spekuliert, zu welchem Verein Sie wechseln werden – was genau hat am Ende den Ausschlag für Paderborn gegeben?
Naki: Der Verein hatte hatte ja schon seit längerem Interesse bekundet, auch in der Zeit als ich Gespräche mit Köln geführt habe. Nach meinem Treffen mit Paderborns Trainer hatte ich ein sehr gutes Gefühl und wusste, dass das jetzt die richtige Entscheidung für meine weitere Karriere ist.
Woran sind die Verhandlungen mit dem 1.FC Köln gescheitert?
Naki: Der Verein hat Top-Verdiener, die sie sozusagen loswerden wollten. Diese Spieler sind sie dann aber nicht losgeworden, so dass Köln dann auch keine neuen Spieler unter Vertrag nehmen konnte. Daran ist es dann letztlich gescheitert, was aber für mich völlig in okay ist. Ich habe ja jetzt einen guten Verein.
Wie haben Sie die Zeit der Ungewissheit nach Ihrem Weggang von St.Pauli erlebt?
Naki: Nach meinem nicht so schönen Ende bei St.Pauli war es für mich schwierig, mich fußballerisch neu zu orientieren. Ich hatte zwar genügend Angebote von Vereinen, ich wusste aber nicht wohin ich wollte. Rückblickend kann ich sagen, dass St.Paulis Trainer André Schubert der Grund für meinen Wechsel war, das Verhältnis war einfach nicht so wie es sein sollte. Dann folgten zwei Monate ohne Verein und ohne genauen Plan, wohin es geht. Das war für mich eine ganz neue Erfahrung mit vielen Aufs und Abs. Da gab es auch Phasen, in denen ich mir dachte, dass ich einfach keinen Bock mehr auf den ganzen Mist habe! Trotzdem habe ich mich in der vereinslosen Zeit immer fit gehalten und ich hatte Freunde und meine Familie, die mir geholfen haben nicht aufzugeben.
Sie waren der Fan-Liebling bei St.Pauli, mit eigenen Namens-Bannern und Naki-Gesängen im Fanblock. Können Sie sich so ein Verhältnis auch in Paderborn vorstellen?
Naki: Ich werde versuchen alles auf dem Platz zu geben. Aber ich denke, es ist wie mit der ersten großen Liebe – die vergisst man einfach nie, egal wie oft man sich dann danach verliebt. Und so ist das mit St. Pauli und mir. Der Abschied tat schon ein wenig weh, obwohl ich die Entscheidung selber getroffen habe. Hamburg ist für mich die schönste Stadt Deutschlands und St. Pauli war mein Lebensmittelpunkt. Es war wirklich eine schöne Zeit aber für mich muss es jetzt sportlich weitergehen.
Was haben Sie am FC St.Pauli am meisten geschätzt?
Naki: Ganz klar die Fans natürlich. Die sind für mich die Nummer eins. Mit den Vereins-Bossen hatte ich relativ wenig zu tun und eher wenig Kontakt. Wer da jetzt Manager oder Präsident war, spielte für mich keine Rolle. Kann sein, dass das nette Leute sind aber für mich war der Verein, die Fans und die Mannschaft wichtig.
Es gibt sogar einen Fan, der sich Sie und Ihre umstrittene Aktion in Rostock tätowieren ließ. Wie geht man als 22-jähriger mit so fanatischer Fanliebe um?
Naki: Ich habe diesen Fan und seine Frau kennengelernt. Seine Frau hat mich gleich umarmt und vor Freude geweint, als ich vor deren Haustür stand. Ich wusste gar nicht, wie ich mich verhalten soll. Da weint jemand meinetwegen vor Glück und aus Freude – das ist einfach ein krasses Gefühl! Diesen Menschen und seinen Vereinsliebe einmal kennengelernt zu haben, war unglaublich und wahrscheinlich auch einmalig.
Eine breite Aufmerksamkeit wurde Ihnen zuteil, als Sie 2009 nach dem Sieg in Rostock eine St.Pauli-Fahne in den Rasen der Gegenmannschaft rammten und gegenüber den Rostocker-Fans eine „Kopf-ab“-Geste machten. Danach wurden Sie vom DFB für drei Spiele gesperrt – bereuen Sie die Aktion rückblickend?
Naki: Das Spiel damals gegen Rostock war mein erstes gegen diese Mannschaft. Ich wusste zu dem Zeitpunkt gar nicht, wie heikel dieses Spiel ist und dass dort eine so krasse Stimmung herrscht. Rückblickend kann ich sagen, dass meine „Kopf-ab“-Geste an die gegnerischen Fans nicht richtig war. Ich habe mich dafür auch entschuldigt. So etwas wird mir sicherlich nicht noch einmal passieren, egal bei welchem Verein ich spiele. Was aber die Aktion mit der Pauli-Fahne angeht: Da können alle sagen, was sie wollen – ich fand die Aktion gut und vielen Leuten hat das auch gefallen. Hätte ich beispielsweise für Rostock gespielt, dann wäre ich für die Rostocker Fans auch ein Held gewesen. In dem Fall war ich aber nun mal Paulianer und ich bin und stolz auf die Fahnen-Aktion und werde es auch immer bleiben.
Was haben Sie Ihrer Meinung nach mit der Fahnen-Aktion bei den Fans ausgelöst?
Naki: Ich bin ich mir sicher, dass ich genau das gemacht habe, was viele Fans selber gern machen würden, wenn sie einmal auf den Rasen könnten. Aber die können ja nur auf der Tribüne Alarm machen. Ich denke, das ist auch der Grund, warum ich durch die Aktion sehr beliebt wurde und nicht so schnell vergessen werde.
Fans dürfen Fußball-Spieler beschimpfen und auspfeifen, doch umgekehrt ist es offensichtlich tabu – wie finden Sie das?
Naki: Wir stehen als Fußballprofis auf dem Platz und haben eine gewisse Funktion. Es sehen auch viele Kinder und Jugendliche zu, für einige sind wir sogar Vorbilder. Deswegen sollten wir uns auf dem Rasen auch vorbildlich benehmen. Außerdem hat das natürlich auch etwas mit dem eigenen Image zu tun, da passt es nicht, wenn man Krawalle macht. Das Spiel Düsseldorf gegen Hertha hat gezeigt, wie unsportlich es zugehen kann. Düsseldorf ist verdient aufgestiegen und in den letzten zwei Minuten den Platz zu stürmen, finde ich sinnlos. Die Hertha-Fans haben damit gar nichts erreicht. So etwas hat im Stadion nichts zu suchen. Die Fans sollen zu Spielen kommen, um zu feiern und zu jubeln. Alles andere kann ich nicht verstehen.
Mit St.Pauli und mir ist es wie mit der ersten großen Liebe – die vergisst man einfach nie, egal wie oft man sich dann danach verliebt.
Bei einem Aufeinandertreffen wie St.Pauli gegen Rostock kochen die Emotionen regelmäßig hoch – gibt es auch Anfeindungen zwischen den Spielern oder könnten Sie sich vorstellen mit der gegnerischen Mannschaft nach dem Spiel friedlich einen trinken zu gehen?
Naki: Vor dem Spiel und nach dem Spiel rede ich natürlich mit Spielern aus dem gegnerischen Team, wenn ich die kenne. Aber während des Spiels kenne ich auf dem Platz keinen Freund, dann sind wir Gegner und die Freundschaft hört sozusagen auf. Natürlich so, dass es fair bleibt.
Sie sind bekannt für Ihre Emotionalität. Welche Rolle spielt für Sie Temperament auf dem Rasen?
Naki: Das stimmt ich bin ein sehr emotionaler Mensch und ein echter Hitzkopf. Wenn ich auf dem Platz bin, dann spiele ich mit Herz und Seele. Dadurch bin ich natürlich auch ein Spieler, der sich schnell aufregt und heiß wird. Ich versuche in dem Moment dann alles dafür zu tun, dass meine Mannschaft nicht verliert. Das ist sicherlich auch so, weil ich selber ein sehr schlechter Verlierer bin.
Wie viel Temperament auf dem Rasen ist zu viel?
Naki: Die „Kopf-ab“-Geste – das war zu viel. Aber ich war erst 20 Jahre alt und noch hitzköpfiger als heute.
Müssen Sie sich denn persönlich sich auf dem Platz oft zurückhalten, um keine gelbe oder rote Karte zu riskieren?
Naki: Ja, natürlich halte ich mich zurück. Ich bin aber kein Spieler, der wegen Fouls gelbe Karten kassiert. Wenn ich eine gelbe Karte bekomme, dann weil ich ausraste.
Wie sieht denn Ihr Ausrasten auf dem Platz aus?
Naki: Erst einmal vorweg: Ich darf nicht ausrasten und ich bin auf einem guten Weg mich immer rechtzeitig zu beruhigen! Wenn ich dann aber mal ausgerastet bin, dann habe ich den Schiri angeschrien oder mich mit gegnerischen Spielern angelegt.
Sie haben sich am Unterarm Dersim, die Heimat Ihres Vaters, tätowiert. Welche Rolle spielt Ihre Herkunft für Sie?
Naki: Ich habe mir dieses Tattoo stechen lassen, um zu zeigen, dass ich stolz auf meine Wurzeln bin. Ich habe kurdische Wurzeln und ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht trauen das zu sagen. Sie sagen lieber, dass sie Türken sind, weil sie sich schämen. Ich bin stolz auf meine Herkunft und möchte auch anderen Mut machen, immer zu ihren Wurzeln zu stehen.
Sie stehen noch am Anfang Ihrer fußballerischen Karriere. Können Sie sich vorstellen auch für eine Mannschaft in der Türkei zu spielen?
Naki: Ich bin jetzt 23 Jahre alt und möchte auf jeden Fall noch in Deutschland bleiben. Die Türkei ist derzeit für mich noch überhaupt kein Thema. Es kommt ganz auf meine fußballerische Entwicklung an, vielleicht in vier oder fünf Jahren.
Sie haben Ihr Herz ja ganz offensichtlich auch ein wenig an Hamburg verloren. Werden Sie eines Tages zurück in die Hansestadt gehen?
Naki: Eines steht fest: Wenn ich zurück nach Hamburg komme, dann gehe ich auf jeden Fall zu St.Pauli (lacht). Ich kann mir gut vorstellen meine Karriere in ungefähr zehn Jahren bei Pauli ausklingen zu lassen. Es gibt ja dieses Sprichwort: „In Hamburg sagt man Tschüss.“
Würde für Sie auch der HSV infrage kommen?
Naki: Zum HSV kann ich aus Prinzip nicht. Ich bin St. Paulianer da kann ich doch nicht zum HSV wechseln! Außerdem ist es so, wenn vom HSV ein Angebot vorliegen würde, dann bekommt man auch von anderen Mannschaften Angebote. Da würde ich lieber zu einen anderen Mannschaft gehen als zum HSV.
Welche Rolle spielt bei der Vereinswahl die Höhe der Gage?
Naki: Ich bin nicht der Typ, der nur auf das Geld schaut. Ganz ehrlich: Was habe ich denn davon, wenn ich beispielsweise 30.000 € mehr verdiene, aber nicht glücklich bin oder nur auf der Bank sitze? Wenn ich das ganze nicht lebe, dann kommt bei mir nichts Gutes dabei heraus. Ich muss mich wohl und gut bei einem Verein fühlen, nur dann bin ich mit Herzblut dabei.