Mr. Washington, wie hat es Ihnen als Showgast bei „Wetten, Dass ..?“ gefallen?
Denzel Washington: Ich hatte dort eine gute Zeit.
Vor kurzem war auch Tom Hanks bei „Wetten, Dass ..?“ zu Gast…
Washington: … und alle reden immer noch davon. (lacht) Also mir ging es da gut, auch weil mein Kandidat seine Wette gewonnen hat. Ich hatte aber auch Pausen, konnte zwischendurch rausgehen, an die frische Luft. Es war ja sehr warm im Studio.
Wie gut kamen Sie mit dem deutschen Humor zurecht?
Washington: Ich weiß nicht, ob ich den verstanden habe. Denn die Übersetzung vom Dolmetscher kommt ja immer ein wenig verzögert. Erst lachen alle – danach höre ich die Pointe und lache wenn außer mir niemand mehr lacht.
Sie sind nun in Robert Zemeckis Film „Flight“ als alkoholabhängiger Pilot zu sehen. Was hat Sie zu diesem Film bewegt?
Washington: Es war ein gutes Drehbuch, ich mochte die Geschichte, ich habe so eine Figur vorher noch nie gespielt, sie ist komplex, man fragt sich, ob er ein guter oder schlechter Mensch ist… Beim Lesen des Drehbuchs war ich sehr gespannt, was mit ihm geschieht. Der Film beginnt mit einer Flugzeugkatastrophe, aber dann merkst du, dass das nur die Ausgangsposition für diese Charakterstudie ist. Es ist nicht die Sorte Film, die ein großes Filmstudio normalerweise produziert. Man hat uns auch gleich am Anfang klar gemacht, dass für diesen Film keine großen Summen ausgegeben werden. Das war vielleicht auch gut so, das hat uns motiviert, kreativer zu sein. Du hast keine 100 Millionen Dollar um alles zu machen, was du willst, keine 90 Tage Drehzeit, sondern nur 40 und das Budget betrug 30 Millionen.
Was hat Sie schauspielerisch an der Figur gereizt?
Washington: Für mich war es wie bei meinen Theaterauftritten, da gehst du wieder zurück zur Basis. Ich mag diesen Bestandteil meiner Karriere sehr, 2005 habe ich Brutus in „Julius Caesar“ gespielt und 2010 „Fences“, ein Stück von August Wilson. Weil meine Kinder inzwischen erwachsen sind kann ich auch mal für sechs Monate von zuhause weg sein und Theater spielen. Ich werde auch nächstes Jahr am Broadway auftreten.
Wenn man einen Alkoholiker spielt, kann es da hilfreich sein, bei den Dreharbeiten Alkohol zu trinken?
Washington: Du musst niemanden erschießen, um einen Mörder zu spielen.
Und was die Szenen betrifft, in denen Sie die Figur im betrunkenen Zustand spielen?
Washington: Du musst niemanden erschießen, um einen Mörder zu spielen.
OK, verstanden. Wodurch wurden denn die Drogen am Set von „Flight“ ersetzt, das Bier, das Kokain, die Zigaretten?
Washington: Mit Saft, mit Kräuterzigaretten und das Kokain war so eine Art süßes Milchpuder. Da habe ich aber vorher den Requisiteur gefragt, was da passiert, wenn ich es durch die Nase ziehe und ihn auch gebeten, mir das erstmal vorzumachen.
Es heißt, Sie hätten zur Vorbereitung Videos von Alkoholikern studiert…
Washington: Ja, ein bisschen. Allerdings denkt der Pilot, den ich spiele, von sich selbst ja gar nicht, dass er ein Alkoholproblem hat, für ihn sind das nur ein paar Drinks.
Du musst niemanden erschießen, um einen Mörder zu spielen.
Was ist Ihr Lieblingsgetränk?
Washington: Ein guter Wein. Vielleicht ein süßer Riesling nach dem Abendessen? Aber während Dreharbeiten trinke ich nichts, das sagt mir mein Instinkt, dass das besser so ist.
Sie haben als Schauspieler schon sehr viel erreicht, worauf kommt es Ihnen heute im Leben an?
Washington: Ein guter Vater zu sein und meine Arbeit so gut zu machen, wie möglich. Ich fühle auch eine gewisse Verantwortung, die Leute bezahlen ihr Geld für ein Kinoticket, manche von ihnen haben ein hartes Leben, aus dem sie im Kino für eine Weile entfliehen wollen. Deswegen versuche ich, mein Bestes zu geben. Je älter ich werde, desto härter arbeite ich daran.
Würden Sie auch in die Politik gehen, nach Washington?
Washington: Ich? Nein, nach Washington gehe ich nur, um meine Mutter zu besuchen (lacht), das ist alles.
Sie haben einmal erwähnt, dass Sie als Kind einen Engel gesehen haben. Und dass Ihnen jemand prophezeite, dass Sie eines Tages zu Millionen von Menschen sprechen werden…
Washington: Ja, das war wirklich so. Ich lag im Bett, ein kleiner Junge, bin aufgewacht, habe Flügel gesehen, es sah ein bisschen aus wie meine Schwester – vielleicht war das auch die Einbildung eines kleinen Jungen, der sich Geister vorstellt – aber ich erinnere mich, dass ich aufgestanden bin, und als ich Tür öffnete und Licht hereinließ, verschwand es. Als ich meine Mutter fragte, sagte sie: „Das war dein Schutzengel.“ Und in dem Jahr als ich anfing zu schauspielern, im März 1975, sagte ein Frau zu mir, sie hätte eine Prophezeiung erhalten: Dass ich um die Welt reisen und zu Millionen von Leuten sprechen würde.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Washington: Ich wusste nicht, ob ich dem glauben sollte oder nicht, irgendwie habe ich es dann aber doch und ich dachte: Vielleicht habe ich tatsächlich eine Verantwortung und eine Botschaft zu überbringen. Ich habe Jahre später einen Pastor gefragt, ob ich vielleicht Prediger werden sollte. Er antwortete: „Sie sind es doch schon. Sie haben Ihre Bühne und erzählen Ihre Geschichten.“ Und ich suche auch immer Geschichten… zum Beispiel die von „Flight“: die wäre für mich uninteressant gewesen, wenn der Pilot am Ende des Films bei seiner Lüge bleibt. Wir sehen ihm in diesem Film zu, wie er flucht, kokst, Gras raucht, mit einer Frau im Bett liegt, die halb so alt ist wie er – aber am Ende ist er in die Ecke getrieben, wo es keine Lüge mehr gibt, keinen Ausweg, keine Möglichkeit, Dinge zu manipulieren. Da sagt er nur noch: Gott steh mir bei. – Das ist für mich die Wende der Figur. Er muss am Ende dafür bezahlen. Wobei mir persönlich die Gefängnisstrafe von fünf Jahren zu gering erscheint, das hätten eher 25 Jahre sein müssen. Doch obwohl er im Gefängnis sitzt, ist er frei, gewinnt die Liebe seines Sohnes zurück – das ist die Geschichte für mich. Wenn er weiter gelogen hätte, wäre er in der Gosse gelandet, als betrunkener Penner.
Es geht um eine gerechte Strafe…
Washington: Sogar bei so einem düsten Film wie „Training Day“, da war das erste, was ich auf mein Drehbuch schrieb: „Der Lohn, den die Sünde zahlt, ist der Tod“. In der ersten Version des Drehbuchs war nicht vorgesehen, zu zeigen, wie meine Figur stirbt. Da habe ich gesagt: Wenn das so ist, interessiert mich der Film nicht. Um rechtzufertigen, dass dieser Mensch auf die übelste Art und Weise lebt, muss er auch auf die übelste Weise sterben. Das ist die Botschaft die ich sende.
Also spielt Ihr christlicher Glaube eine Rolle, wenn Sie Drehbücher auswählen?
Washington: Absolut. Ich suche immer nach der geistigen Wende. Wie gesagt: Wenn der Pilot in „Flight“ am Ende immer noch lügen würde, dann hätte ich diesen Film wahrscheinlich nicht gedreht. Aber er lügt nicht sondern sagt: Gott steh mir bei. Und dann fangen die Dinge an, sich zu ändern.
In „Training Day“ falle ich absichtlich auf den Boden als Ethan Hawke mich schlägt. Weil meine Figur wie eine Schlange über den Boden kriechen sollte. Und als die bösen Russen aufkreuzen, zerreißen sie ihn in Stücke. Das ist das, was er verdient, weil er so gelebt hat.
Interessant ist, das „Flight“-Regisseur Robert Zemeckis sagt, dass er mit seinen Filmen keinerlei Message verbreiten will.
Washington: Ich will diese Botschaft nicht unbedingt senden, aber für mich stellt sich die Geschichte so dar. Ich posaune das im Film aber nicht laut heraus.
Steht hinter diesem Moralempfinden auch der Einfluss Ihres Vaters, der als Pfarrer tätig war?
Washington: Es ist der Einfluss von Gott, von meinem Vater, meiner Mutter und der Einfluss des Lebens.
Sind Sie streng zu Ihren Kindern?
Washington: Nicht so sehr, wie meine Eltern es mit mir waren. Das war eine andere Generation.
Haben Sie Klapse bekommen?
Washington: Mein Vater hat mich nicht zu viel geschlagen, er war einfach zu groß, meine Mutter hätte das nicht zugelassen. Wenn sie ihm aber doch mal sagte, er sollte mich prügeln – Junge, Junge… Ich erinnere mich, wie ich einmal als Kind mit einem Plastikball Baseball spielte und mein Vater sagte: „Spiel nicht im Hof, sonst machst du noch ein Fenster kaputt.“ Als er weg war haben wir natürlich wieder angefangen zu spielen – und ‚Rums‘ war ein Fenster kaputt. Alle meine Freunde sind nach hause gelaufen und ich saß schmollend da. Dann kam mein Vater nach Hause, nahm mich mit in den Keller – und gab’s mir.