Detlev Jöcker

Ich versuche, den Kindern Mut zu machen.

Kinderliedermacher Detlev Jöcker über den "schönsten Beruf der Welt", Religion, den Rückgang der Geburtenrate und Kinderlieder in Zeiten von Britney Spears und Klingeltoncharts

Detlev Jöcker

© Menschenkinder Verlag

Herr Jöcker, wünschen Sie sich manchmal, noch einmal Kind sein zu dürfen?
Jöcker: Nein, das muss ich mir nicht wünschen! Ich sage immer: "Ich habe den schönsten Beruf der Welt!", weil ich über das Kinderlied auch mein inneres Kind wach halte und dass ist doch das Schönste, was einem Erwachsenen passieren kann. Wenn ich auf der Bühne stehe und in die Menge blicke, dann sehe ich glücklich strahlende Gesichter und bin jedes Mal überwältigt von der großen Begeisterungsfähigkeit, der Ehrlichkeit und der Lebensfreude meiner jungen Zuschauer. Manchmal frage ich mich dann auch, ob die Veranstaltung auf der Bühne stattfindet oder ob nicht im Zuschauerraum eine viel größere Party gefeiert wird.

Können Sie sich noch an das schönste Erlebnis Ihrer Kindheit erinnern?
Jöcker: Das waren immer ganz einfache Dinge. Ich denke da ans Fahrradfahren im Sommer, wenn ich mit meinem Vater Ausflüge zum Fluß gemacht habe, oder wenn ich mich in das Bett meiner Oma gekuschelt habe und draußen fuhren die kohlebetriebenen Eisenbahnen vorbei. Alle meine Kindheitserinnerung haben mit Sinnen wie Riechen, Schmecken und Fühlen zu tun und ich werde nie vergessen, wie wir in unserer Straße in Münster nach dem Krieg 1951 in den Ruinen gespielt haben und die Baumkronen erorbert haben. All diese Erlebnisse haben mich sicherlich auch hinsichtlich meiner heutigen musikalischen Arbeit stark beeinflusst.

Haben die Kinder der heutigen Gesellschaft, Ihrer Meinung nach, noch die Möglichkeit ihre Kindheit auszuleben?
Jöcker: Man neigt als Erwachsener ja immer dazu zu sagen, dass unsere Kindheit viel schöner war und dass solche Erlebnisse heute gar nicht mehr möglich sind, denn wenn man sich die mediale Berichterstattung ansieht könnte einem ja auch Angst und Bange werden. Das liegt aber nur daran, dass sich schlechte Meldung bekanntlich besser verkaufen und Positives kaum noch seinen Platz bekommt. Durch meine Arbeit ais Kinderliedermacher versuche ich, wieder positive Gefühle und Signale zu verbreiten und den Kindern Mut zu machen, dass es sich lohnt gemeinsam in die Zukunft zu gehen, auch wenn nicht immer alles so läuft, wie wir uns das alle wünschen und erhoffen.

In Deutschland ist die Geburtenrate in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. Haben Sie Angst vor einer Überalterung der Gesellschaft?
Jöcker: Diese Statistiken sind nicht zu leugnen und ich sehe es durchaus als Problem, dass immer weniger junge Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und eine Familie zu gründen. Ich kann diese Entwicklung nicht aufhalten, doch ich sehe es als meine Berufung an, Lieder zu schreiben, die in die Beine, Hände und Herzen der Kinder gehen und versuche so meinen Beitrag zur Lösung dieses Problems beizutragen. Meine Lieder sind Bausteine, aus denen das Positive entstehen und neue Energien fließen können. Ich bin nicht als Christ auf dieser Welt, nur um zu leiden und zu jammern, sondern versuche trotz allem meinen Optimismus niemals zu verlieren und den Leuten zu erzählen, dass die Bibel ein tolles Buch ist und wir einen lebendigen Gott haben, der uns beschützt und uns hilft!

Großveranstaltungen wie der Kirchentag in Hannover oder der Weltjugendtag in Köln zeigen, dass die Kirchen es trotz herber Kritik schaffen, viele, vor allem junge Menschen zusammenzubringen. Erlebt die Religion in Deutschland derzeit eine Renaissance?
Jöcker: Wenn wir uns die Geschichte der Religion ansehen, dann merken wir, dass immer dann, wenn es den Menschen schlecht ging und sie Angst bekamen, die Religion als Tröster und Hoffnungspunkt diente. Ich finde es großartig, dass gerade auch viele junge Menschen wieder den Weg zu Gott suchen und versuchen, auf dem Weg der Religion Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. Ich bin in einer Familie großgeworden, die mit Kirche nichts am Hut hatte. Ich war aber immer neugierig, habe dann als junger Mann in einer Sacro-Popband gespielt und wir sind auf Kirchentagen aufgetreten und ich habe gemerkt, dass Kirche nicht nur eine Ansammlung von Kardinälen und Päpsten ist, sondern dass es dort auch Menschen gibt, die innerhalb ihres sozialen Umfeldes aktive Hilfe leisten und für Menschen in Not einstehen. Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass der Glaube an Gott Menschen positiv verändern kann und in vielen Momenten auch die Kraft des Gebetes gespürt.

Wer hat Ihnen als Kind die Welt erklärt?
Jöcker: Ich glaube, das Gott auch in meinen Kindheitsjahren immer an meiner Seite war, aber ich habe ihn damals noch nicht definieren und beschreiben können. Als Kind war mir die Nähe zur Natur immer sehr wichtig. Ich habe Tiere geliebt, bin oft an den Fluss gegangen und habe aufs Wasser geschaut oder den Schrebergarten meiner Oma genossen. Meine Oma hat mich vorbehaltlos geliebt und auch wenn ich mal Streiche gespielt habe, hat sie mich nur mit einem sanften Lächeln ermahnt. Genauso meine Mutter, die auf meine Talente aufmerksam wurde, mich unterstützt hat und immer an meiner Seite war, bis heute. Ich bin so froh diese Liebe gespürt zu haben und möchte sie deshalb auch an meine Kinder weitergeben, denn Kinder brauchen Liebe und Unterstützung um in dieser komplizierten Welt groß zu werden.

Sie gelten als erfolgreichster Kinderliedermacher in Deutschland und haben seit Ende der 70er Jahre über 9 Millionen Tonträger verkauft – macht Sie das stolz?
Jöcker: Das macht mich schon stolz, doch der ganze Erfolg ist natürlich nicht nur mein eigener Verdienst, denn ich habe vor allem auch meinen eigenen Kindern sehr viel zu verdanken. Als mein ältester Sohn, der heute 30 ist, in den Kindergarten ging, habe ich gemerkt, dass dort Lieder gesungen wurden, die ich noch aus meiner Kindheit kannte und so begann ich dann Songs für ihn zu schreiben und zu komponieren. Heute weiß ich, ich war mit der richtigen Idee zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Ich habe nicht im Traum damit gerechnet, dass aus dieser kleinen Idee, Kinderlieder zu schreiben, so eine große Sache werden würde. Heute freue ich mich natürlich sehr über den großen Erfolg, denn er gibt mir die Möglichkeit, mit den besten Leuten an wundervollen und hochinteressanten Projekten zu arbeiten, bringt aber mit zunehmendem Einfluss auch eine große Verantwortung mit sich. Ich muss meine Produktionen öffentlich vertreten und nutze meine materiellen Mittel auch, um mich beispielsweise für Landminenopfer einzusetzen. Das ist mir sehr wichtig.

Zitiert

Alle meine Kindheitserinnerung haben mit Sinnen wie Riechen, Schmecken und Fühlen zu tun.

Detlev Jöcker

Was macht Ihre Musik in Zeiten von Britney Spears und Klingeltoncharts so attraktiv für Kinder?
Jöcker: Heute findet überall eine ständige Musikberieselung statt und viele Kinder sind nur noch bis zum sechsten Lebensjahr überhaupt für Kindermusik zu begeistern und steigen dann auf die Popmusik um. In diesen frühen Kindheitsjahren brauchen Kinder Lieder, die eine ganz einfache Sprache sprechen, in denen sie sich wiederfinden können und die sie zu Bewegungen und zum Mitmachen animieren. Da darf nicht soviel Schnickschnack dabei sein, sondern die Kinder sollen durch die Lieder spielend lernen und durch Bewegungen ihren eigenen Körper kennen lernen.

Sie sind selber Vater von vier Kindern zwischen 11 und 30 Jahren alt. Sind Ihre Kinder auch zugleich Ihre größten Fans?
Jöcker: Meine Kinder waren, so lange sie klein waren, immer meine größten Fans, doch wenn sie dann älter werden, hören sie natürlich auch andere Musik und das ist ja auch gut so. Mein 11-jähriger Sohn Aaron ist zum Beispiel ganz stolz, dass er viele Songs mittlerweile mit mir zusammen im Studio einsingen kann und so natürlich auch einen erheblichen Anteil an dem Erfolg der neuen Lieder hat. Mein allergrößter Fan ist momentan aber der zweijährige Paul, der Sohn meiner Lebensgefährtin. Es ist einfach wunderbar zu sehen, wie er in die Hände klatscht und zu strahlen beginnt, wenn die ersten Töne erklingen.

Inwiefern ist es schwer, Karriere und Großfamilie miteinander zu vereinbaren?
Jöcker: Mir war es von Anfang an immer sehr wichtig, autark und selbstbestimmt zu arbeiten, und aus diesem Grund habe ich auch den "Menschenkinder Verlag“ gegründet. So kann Ich selber bestimmen, wann ich anfange und aufhöre zu arbeiten und muss mich vor niemandem dafür rechtfertigen oder Befehle ausführen. Außerdem arbeiten wir sehr erfolgreich mit anderen Firmen wie "Unversal Music" zusammen, die sich unter anderem um die Platzierung unserer Produkte im Tonträgerfachhandel kümmert. Des weiteren organisieren wir unsere Konzerte größtenteils auch selber, weil wir einfach am besten wissen wo unsere Klientel sitzt und wie wir sie erreichen können. Das ist alles eine Frage der Organisation und wenn man es richtig anstellt, dann bleibt auch viel Zeit für die Familie übrig.

Würden Sie sich als Workaholic bezeichnen?
Jöcker: Nein, überhaupt nicht! Ich habe Spaß an meiner Arbeit und hatte natürlich auch schon Phasen in meinem Leben, in denen ich 12-14 Stunden am Tag gearbeitet habe, aber das hat sich mittlerweile relativ gut eingependelt. Immer wenn ich merke, dass es für meinen Körper und die Nerven zu viel wird, dann strecke ich alle Viere von mir, mache eine Fahrradtour oder gehe Salsa tanzen. Ich finde immer Möglichkeiten zu entspannen und möchte nicht als Opfer meiner Arbeit enden, sondern sehr, sehr alt werden und noch vieles erleben.

Ihre neueste CD "Das weiß Professor Superschlau!" versucht in 14 Wissensliedern Kinderfragen wie "Was ist mit den Dinosauriern passiert?" oder "Wie funktioniert mein Körper?" zu beantworten – auch ein Versuch, der Bildungsmisere in Deutschland entgegentreten?
Jöcker: Ich bin wahnsinnig neugierig, informiere mich gerne über das tägliche Weltgeschehen und gerade als Vater bekomme ich ja einen guten Einblick in das derzeitige Bildungssystem. Ich denke, je früher Kinder lernen den Wissenserwerb mit Spaß zu verbinden, umso besser werden sie sich entwickeln und gestärkt in ihre Zukunft gehen. Eine große Bereitschaft, etwas zu erfahren und wissen zu wollen ist immer auch etwas sehr kommunikatives, weil man sich ständig im Austausch mit anderen befindet und Informationen austauscht. Die neueste CD wird auch sehr gerne im Schulunterricht benutzt und die Kinder kommen über die Lieder miteinander ins Gespräch.

Ihr Sohn Aaron Jöcker wirkt auch bei einigen Songs des neuen Albums mit. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Sehr anstregend, weil er noch genauer ist als ich! Ich gucke bei der Zusammenarbeit mit Kindern auch mal über ein paar Unebenheiten hinweg und bügele das dann durch Pitchen aus, aber als Aaron im Studio stand hat er von sich aus bei falschen Tönen aufgehört zu singen und wollte die Aufnahme nochmal neu starten. Ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut, dass er so einen großen Ehrgeiz besitzt und seine Sache gut machen will, und seine Begeisterungsfähigkeit spiegelt sich ja dann letztendlich auch in den Songs wider. Ich erinnere mich noch sehr genau an seinen ersten Fernsehauftritt vor einem Jahr in der Show "Immer wieder Sonntags". Wir standen hinter der Bühne und ich war wie immer total aufgeregt. Da nahm er meine Hand und sagte ganz liebevoll zu mir: "Papa, das schaffen wir schon!" Das war ein wahnsinnig schöner Glücksmoment!

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Jöcker: Ich war immer ein großer Fan von Donald Duck, denn der ist trotz aller Niederlagen immer wieder aufgestanden und hat weiter gemacht. Das finde ich bewundernswert!

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.