Die Sterne

Wir rufen zu einem demokratischeren Verhalten auf!

Frank Spilker und Thomas Wenzel von Die Sterne über Rebellion, Kommerzialität, ihr neues Album "Das Weltall ist zu weit" und den Traum von einer demokratischen Weltregierung

Frank und Thomas, vor einer knappen Woche hatte Gerhard Schröder seinen 60. Geburtstag – hättet ihr ihm gratulieren wollen?
Spilker: Hatte der Geburtstag? Ich habe das gar nicht so mitbekommen. Ehrlich gesagt, wüsste ich auch gar nicht wie wir als Band ihm hätten gratulieren können!? Vielleicht per E-Mail? Nein, keine Ahnung! Er hat uns ja schliesslich auch nicht zu unserem Geburtstag gratuliert!

Oder wart ihr vielleicht vor ein paar Tagen auf der großen Demonstration gegen den Sozialabbau, bei der bundesweit über 500.000 Menschen ihren Unmut gegenüber der aktuellen Regierungspolitik geäußert haben?
Spilker: Nein. Ich sehe diesen gewerkschaftlich organisierten Protest auch sehr zwiespältig. Die Gewerkschaften sind für mich mit die konservativsten Organe der politischen Organisation in Deutschland, aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Inwiefern gibt es eurer Meinung nach eine Alternative zum momentan betriebenen Sozialabbau?
Spilker: Das Problem ist ja, dass die nationalen Regierungen überhaupt keine wirkliche politische Macht besitzen, während die Wirtschaft weltweit organisiert ist und die Regierungen dann der Wirtschaft ständig hinterher hinken. Es müsste eine Weltregierung geben um diese unterschiedlichen Kräfteverhältnisse auszugleichen. Das ist auch eine der Grundthesen unserer politischen Einstellung.

Wer könnte das Oberhaupt dieser Weltregierung sein?
Spilker: Es gibt ja de facto eine, nämlich die Weltmacht USA, die aber auch nur von einem Teil der Weltbevölkerung gewählt werden darf und somit auch keine wirkliche Demokratie darstellt. Und es gibt eine Reihe von weniger mächtigen Regierungen, die halt gegen globalorganisierte Unternehmen nicht richtig einstehen können, und somit immer im Nachteil sind.

Aber Amerika ist nicht die von euch bevorzugte Weltregierung, oder?
Spilker: Nein, auf keinen Fall, aber ich denke sowieso, dass wir uns da alle auf sehr utopischem Boden bewegen. So eine Weltregierung, auch wenn wir sie gerne unter demokratischen Richtlinen hätten, ist in dem jetzigen System einfach nicht möglich und darum wird es wohl ein persönlicher Traum von uns bleiben.

Ist die SPD, angesichts der derzeitigen Politik, eurer Meinung nach noch regierungsfähig?
Wenzel: Na ja, das werden wir ja spätestens bei der nächsten Bundestagswahl sehen. Ich kann da nicht wirklich ein Urteil drüber abgeben!
Spilker: Ich finde es interessant und auffällig, dass es meistens die linken Regierungen sind, die Sozialkürzungen vornehmen und nicht wie man eigentlich denken könnte, die rechtsorientierten Parteien. Das kann kein Zufall sein, aber ich habe da auch nicht wirklich eine plausible Antwort drauf.
Wenzel: Ist das wirklich so? Das ist doch eher die negative Darstellung der Gegenseite, oder?
Spilker: Nein, das gleiche hat ja auch Präsident Clinton in den USA gemacht. In den 30er Jahren gab es aufgrund der Weltwirtschaftskrise den sogenannten "New Deal" und die ersten Sozialgesetze in Amerika, weil die Leute einfach am verhungern waren. Das wurde damals von Präsident Roosevelt in’s Leben gerufen und anschliessend von Präsident Clinton wieder rückgängig gemacht. Clinton hat dann auch in seiner Amtszeit die grössten Sozialkürzungen in der Geschichte Amerikas vorgenommen.

Die linken Parteien handeln immer häufiger entgegen ihrer eigentlichen Grundsatzprogramme.
Spilker: Richtig, die tun was anderes als wofür ihr Image steht. Aber auf Programme guckt ja heutzutage sowieso kein Mensch mehr!

Inwiefern fühlt man sich da als Wähler von der Regierung verraten?
Spilker: Ich denke, dass die deutsche Regierung nicht wirklich viel Macht besitzt und in Sachen Kürzungen auch nicht wirklich eine andere Wahl hat. Kürzungen sind anscheinend wirklich notwendig, obwohl es da dann auch immer die Frage ist, in welchen Bereichen die Kürzungen vorgenommen werden. Da werden sicherlich einige Fehler begangen.

Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt hat vor kurzem in einem Interview gesagt, Deutschland sei ein Volk der Jammerer. Was sagt ihr zu diesem Statement?
Spilker: Ich finde, dass sich die Leute zu viel gefallen lassen, aber das ist auch nicht nur auf Deutschland bezogen. Viele schlucken ihren Ärger viel zu oft runter und irgendwann kocht der Topf dann über. Das Problem ist, dass Erfolg und Mißerfolg zunehmend individualisiert werden und das keiner mehr darauf kommt, einmal das System an sich zu hinterfragen. In Deutschland herrscht immer noch eine latente Untertan-Mentalität …

… die ihr mit euren Texten und eurer Musik zu brechen versucht.
Spilker: Ja, wir rufen zu einem demokratischeren Verhalten auf, wollen den Leuten aber nicht eine Partei oder politische Richtung vorgeben, die sie zu wählen und für die sie sich zu entscheiden haben. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Wir können immer nur einen kleinen Anstoß geben.

Ihr macht politischen unkorrekten Rock, scheut euch nicht zu polarisieren, "die wollen uns hier nicht haben. Das wollen sie uns nur nicht sagen. Jetzt nerven wir damit, dass wir hier sind. Wir rühren uns nicht vom Fleck", lautet eine Textzeile auf eurem neuen Album "Das Weltall ist zu weit". Welche gesellschaftliche Gruppe ist hier gemeint?
Spilker: Das ist eine hypothetische Situation und geht eigentlich von einer Sitzblockade aus, in der man sich mit anderen aus der Not heraus sozialisiert, die beispielsweise von der Polizei attackiert werden. Wir meinen hier keine spezifische gesellschaftliche Gruppe.

Zitiert

Ich bin ja kein Rebell im klassischen Sinne, aber ich glaube, dass es überhaupt keine Nachteile hat, wenn man den Mund aufmacht.

Die Sterne

Von wem gehen die politischen Impulse in den Texten aus?
Wenzel: Also, Frank schreibt die Texte und darum sind das auch größtenteils seine Gedanken und Ansichten die da einfließen. Ich kann das aber eigentlich immer mit gutem Gewissen unterschreiben und zwischen den restlichen Bandmitgliedern und Frank besteht da ein großes Vertrauensverhältnis.

Produziert habt ihr den Song "Wir rühren uns nicht vom Fleck" zusammen mit Tomte-Sänger Thees Uhlmann, Kristof Schreu, Pascal Fuhlbrügge, den Jungs von "Fettes Brot", Aeronauten-Chef Gauz, "Wir sind Helden"-Frontfrau Judith Holofernes und vielen anderen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit all diesen Leuten?
Spilker: Die Vision war eine Sitzblockade und wir wollten diese Idee durch diese bunt zusammengewürfelte Truppe visualisieren. Natürlich hing es dann auch davon ab, wer gerade Zeit fand, um in unser Studio zu kommen und außerdem kannten sich viele Künstler auch schon von verschiedenen Veranstaltungen. Somit herrschte auch von Anfang an eine entspannte und lustige Stimmung.

Könntet ihr euch vorstellen die ursprüngliche Idee mit der Sitzblockade einmal in die Tat umzusetzen und den Song auf einer Demo zu spielen?
Spilker: Unbedingt! Warum sollte man das nicht auf einer Demo spielen?
Wenzel: Klar, das wäre ein Traum und wird sicherlich auch demnächst Wirklichkeit werden. Da muss dann nur noch der richtige Anlass gefunden werden.

Würdet ihr euch eigentlich als Rebellen bezeichnen?
Spilker: Wenn man sich gegen etwas wehrt, ist das ja schon eine gewisse Art Rebellion und das finde ich auch sehr wichtig. Ich will durch meine Texte das Bewusstsein stärken, dass es sich lohnt und auch wahnsinnig wichig ist, gegen Mißstände die Stimme zu erheben.

Welche Nachteile hat das Rebellendasein?
Spilker: Ich bin ja kein Rebell im klassischen Sinne, aber ich glaube, dass es überhaupt keine Nachteile hat, wenn man den Mund aufmacht und seine Meinung sagt. Das ist sicherlich auch in Beruf und Karriere nicht schädlich, wenn man gelegentlich einmal die Rolle des Duckmäusers aufgibt.

Aber gerade diese unterwürfige Verhalten wird ja von vielen Musikacts gewünscht, die zum Beispiel durch die zahlreichen Casting-Shows im TV bekannt wurden und in Interviews immer nur das äußern dürfen, was der daneben sitzende Manager ihnen erlaubt.
Spilker: Das sind ja auch Marionetten, die zu "Superstars" gekrönt werden, obwohl sie faktisch eigentlich gar keine sind. Die sind alle austauschbar und erleben eine rein virtuelle Karriere, aber sicherlich keine echte. Da gibt es nur ganz wenige, wie zum Beispiel Robbie Williams, die als Star geboren werden – aber das ist wirklich eine große Ausnahme!

Seid ihr eigentlich durch Zufall kommerziell geworden oder war das von Anfang an geplant?
Spilker: Wir wollten immer schon Platten verkaufen, weil das eine gute Möglichkeit ist mit unseren gesellschaftskritischen Ansichten nach außen zu gehen und viele Leute zu erreichen. Das ist der Hauptgrund für diese Kommerzialität, die sich aber auch sehr in Grenzen hält.

Auf einem eurer ersten Alben singt ihr "Alles hält in dieser Welt, alles hängt ja nur am Geld. Wir sind alle nur Maschinen, die dazu da sind zu verdienen…" So eine Aussage steht ja eigentlich im Widerspruch zur Kommerzialität, oder?
Spilker: Das darf man ja nicht immer alles so wörtlich nehmen. Das ist einfach die momentane Einstellung des Songschreibers gewesen und in gewisser Weise spielen wir da mit gesellschaftlichen Haltungen. Das ist auch viel Theater!

Wie schreibt ihr eigentlich die Songs? Woher kommen die Ideen?
Spilker: Ideen kommen aus Situationen heraus und Inspiration kann aus allem möglichen heraus entstehen. Wenn du jetzt irgendetwas spannendes gelesen oder gehört hast, setzt du dich halt hin und versuchst diese neuen Erkenntnisse irgendwie in deinen Text einfließen zu lassen. Das ist oft reine Schreibtischarbeit.

Euer neues Album "Das Weltall ist zu weit" habt ihr in kompletter Eigenregie produziert. Welche Nachteile bringt das mit sich?
Spilker: Wenn man einen auswärtigen Produzent im Boot hat, fällt es dem immer ziemlich leicht konstruktve Kritik zu äußern und zu sagen: "Hey, das war noch nicht gut! Das müsst ihr nochmal aufnehmen!". Wenn man aber ganz alleine produziert, ist es nicht leicht sich untereinander zu solcher Kritik aufzuraffen. Aber letztendlich klappt es dann doch immer. Es war einfach ein Versuch und ich mag auch ein bisschen die Schlampigkeit dieser Platte.

Bei welchen Songs hört man die Schlampigkeit?
Spilker: Der Song "Das Weltall ist zu weit" war ursprünglich als Demotrack gedacht und wir fanden die Demoversion am Ende cooler als die ausgefuchste Variante und haben dann zugunsten einer geilen Ausstrahlung auf einen geilen Sound verzichtet.

Nach der Gründung von "Die Sterne" 1992 stand schon im Jahre 1993 das Debutalbum "Wichtig" in gutsortierten Plattenläden – ein schneller Einstieg ins Musikgeschäft.
Spilker: Wir hatten ja alle schon viele Jahre zuvor Musik in verschiedenen Bands gemacht. Meine erste Gitarre habe ich mir zum Beispiel 1983 gekauft. Du durchschaust irgendwann einfach die Mechanismen dieser Branche und siehst, wo du dich engagieren musst und wo du’s besser lassen solltest. Es war aber auch eine ganze Menge Glück dabei, dass der Weg den ich als Songschreiber verfolgt habe, so schnell auf fruchtbaren Boden und offene Ohren in Hamburg gestoßen ist. Wir waren nach einigen Auftritten irgendwann in einer Szene mit Bands wie "Kolossale Jugend" und "Blumfeld" und alle haben auf uns geschaut und unsere Arbeit beobachtet. Darüber haben sich dann schließlich auch die ersten Platten verkauft.

Kürzlich stand aber in einem Artikel, dass ihr mit der "Hamburger Schule", bestehend aus "Blumfeld" und anderen Bands, nicht mehr assoziert werden wollt.
Spilker: Das stimmt überhaupt nicht! Das wird immer sehr leicht missverstanden. Das ist ein Verhältnis, dass sich immer unterschiedlich beschreibt, weil es sich ständig entwickelt. Für uns gibt es nicht die eine "Hamburger Schule", sondern diverse Beziehungen zu verschiedenen Bands.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid ihr?
Spilker: Ich bin Lucky Luke – der Mann der schneller zieht als sein Schatten!
Wenzel: Ich bin Spiderman! Da fand ich die Comics schon immer ziemlich cool und abgedreht.

Ein Kommentar zu “Wir rufen zu einem demokratischeren Verhalten auf!”

  1. Voyeur Sex Neighbour |

    hm… informative ))

    emm.. strange ..

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