Dieter Thomas Heck

Die Quote wäre sicherlich fällig.

Am 23. August verstarb der TV-Moderator Dieter Thomas Heck. Wir führten mit ihm 2011 ein ausführliches Gespräch über Hits, deutsche Sprache im Radio, seine Biografie und ein vereiteltes Attentat.

Dieter Thomas Heck

[Ursprüngliches Erscheinungsdatum: 15. Dezember 2011]

Herr Heck, ich würde von Ihnen am Anfang gerne wissen, was ein Hit ist.
Heck: Ein Hit ist etwas, was eine große Masse an Menschen zur gleichen Zeit gerne hört, und sich aus diesem Grunde auch kauft.

Hatten Sie ein gutes Gespür für Hits?
Heck: Ja, aber ich habe mich auch genauso oft geirrt, habe gedacht, der Titel wird ein großer Erfolg, und es wurde keiner. Umgekehrt kam das natürlich auch vor.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Heck: Es hat sehr viele Sachen gegeben, wo ich dachte: „Um Gottes Willen, was ist das denn für eine Nummer?“ – und dann wurde es doch ein Erfolg, zum Beispiel „Geh’ nicht vorbei“ von Christian Anders. Da habe ich gesagt: „Das Ding hört ja nie auf: Fünf Minuten 27! Das kann nicht sein, dass das ein Erfolg wird!“ Aber es wurde ein Riesenerfolg.

Haben Sie ein Muster erkennen können, wann ein Song Hit-Potential hat?
Heck: Ja, wenn ein Titel eine eingängige Melodie hat, wo du sagst: „Das geht ans Herz, das packt an!“ Dann ist es meistens auch was geworden.

Und der Text muss möglichst einfach sein?
Heck: Nee, muss er nicht. Es gibt Titel, wo der Text gar nicht einfach ist, aber wo du trotzdem sagst: „Das ist gut gemacht, das packt an!“

Einer der ersten Hits Ihrer Sendung war damals Roberto Blancos „Heute so, morgen so“…
Heck: Ja, das ist ja auch eine Zeile, die man behält. Und das wurde ja nicht nur bei uns in der Hitparade sondern auch bei den Schlagerfestspielen Nummer 1, ein Titel von Jack White.

Sie sagen, ein Song muss „anpacken“, könnten Sie das noch anders erklären?
Heck: Es muss stimmig sein. Eine eingängige Melodie, ein Text, den man behält, das Arrangement muss passen. Es darf nicht zu kompliziert sein. Wobei es auch manche Sachen gibt, die gerade durch die Kompliziertheit interessant sind.

Haben Sie so etwas wie einen Lieblingshit von damals?
Heck: Nein, Es hat so viele verschiedene Sachen gegeben, da kann man nicht sagen: „Das war nun mein Lieblingsschlager.“ Vier Wochen später kam ja schon wieder ein anderer Ohrwurm, den du nicht rausgekriegt hast, und dann wieder ein neuer.

Aber was macht so einen Ohrwurm aus?
Heck: Es gab mal einen Titel von Hans Hee, den er zusammen mit Ronny Roloff geschrieben hat, „Sierra Madre del Sur“. Das war ein richtiger Hit, eine Nummer, die du sofort drin hattest. Die Schürzenjäger haben den später sehr erfolgreich gesungen.
Ich denke, es gehört einfach viel Erfahrung dazu. Wobei du nicht lernen kannst, Hits zu schreiben. Man könnte ja sagen: „Ich nehme immer wieder dieselben Zutaten und dann müsste eigentlich etwas dabei rauskommen.“ Aber das muss nicht stimmen. Am Ende muss es den kleinen Wurm im Ohr bewegen.

Ein bisschen fällt zumindest auf, dass viele Hits Emotionen und Gefühlsausbrüche in eine einfache Formulierung bringen, wie zum Beispiel im Refrain des größten Beatles-Hit „She loves you…
Heck: (singt) …yeah, yeah, yeah.” Tja, und da hatte niemand was dagegen, während bei deutschen Titeln jeder sagt: „Oh Gott, ist das doof!“, wenn ein Deutscher „Sie liebt dich, yeah yeah yeah!“ geschrieben und gesungen hätte.
Es gab ja eine deutsche Version, mir gefiel die auch. Aber es geschieht oft, dass die Leute bei Englisch sagen „Boah“ und bei Deutsch „nee, mag ich nicht.“ Das begreife ich immer nicht.

Zu Ihrer Zeit nahmen an der ZDF-Hitparade nur deutschsprachige Titel teil, bei Ihrem Nachfolger Viktor Worms kamen auch englischsprachige hinzu…
Heck: Ich habe immer gesagt: Man wird ja, Gott behüte, noch daran festhalten können, dass man einmal im Monat 45 Minuten nur deutschsprachige Musik spielt.

Warum hat man es dann anders gemacht?
Heck: Es gab zu der Zeit zum Beispiel einen Titel auf Englisch von Frank Farian, da hieß es dann, „das ist ein deutscher Titel, der darf in die Hitparade rein“.
Ich hatte Viktor Worms vorher aber noch gesagt: „Einen Fehler dürfen Sie nie machen: Nehmen Sie keine englischen Sachen rein. Das ist eine deutsche Sendung.“ Er hat dann geantwortet: „Ja, ja!“ Und „Ja, ja“ bedeutet für mich als Hamburger so viel wie „Leck mich am Arsch!“.

Es wurde hierzulande schon oft über eine Deutsch-Quote fürs Radio diskutiert. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Heck: Da bin ich der Meinung, dass wir uns irgendwann auch mal dem Ausland anschließen sollten, die alle sagen: „Irgendwann geht es um unser Geld, bei dem, was hier über den Sender geht.“ Wir schicken so viel Geld ins Ausland, nun auch noch beim Schlager oder der Musik überhaupt? Da muss man irgendwann eine Quote haben und sagen: „Jetzt ist Schluss!“ Diese Quote wäre sicherlich schon fällig.

Auch heute noch?
Heck: Ja, auch heute noch. Hören Sie sich mal manche Sender an, wenn sie mit dem Auto durch Deutschland fahren. Da haben Sie, egal bei welchem Sender, fast nur englischsprachige Lieder.

Zitiert

Ich habe immer gesagt: Man wird ja, Gott behüte, noch daran festhalten können, dass man einmal im Monat 45 Minuten nur deutschsprachige Musik spielt.

Dieter Thomas Heck

Stört Sie das?
Heck: Wenn es nur Englisch ist, ja. Wir leben in Deutschland. In keinem anderen Land würden sich die Leute das gefallen lassen, wenn man ihnen sagen würde: „Jetzt wird hier bei euch ständig Deutsch gesungen!“. Die würden doch fragen: „Habt ihr einen an der Waffel?“
Ich lebe in Spanien, da wird spanisch gesungen! Und in England wird englisch gesungen.

Bevor Sie zum Fernsehen gingen, haben Sie vier Jahre als Autoverkäufer gearbeitet. Sie meinten einmal, dass sei eine gute Schule für das spätere Moderatorendasein gewesen. Warum?
Heck: Du lernst da natürlich Formulierungen, du lernst richtig sprechen. Das ist sicherlich ein entscheidender Punkt gewesen, den ich in der Zeit als Autoverkäufer kennen gelernt habe.

Würden Sie auch sagen, das es Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Tätigkeiten gibt?
Heck: Nein.

Sie mussten im Fernsehen nicht ‚verkaufen’…
Heck: Wenn Sie so wollen, war das schon ein gewisses Verkaufen, aber es bedeutete, jedem die gleiche Möglichkeit des Verkaufens zu geben. Ich habe im Gegensatz zu vielen anderen Sendungen immer versucht, bei den Ansagen jedem die gleiche Chance, die gleiche Bahn zum Kunden zu geben. Dass die Leute bei dem ein oder anderen Titel von mir gedacht hätten „Oh, den mag aber er nicht!“ – so etwas gab es nicht.

Weil Sie einfach alles gut fanden, oder weil Sie höflich waren?
Heck: Du musst bei diesem Beruf einfach aufpassen, dass du niemanden bevorzugst. Du musst möglichst jeden so ansagen, dass keiner sagen kann: „Den hat er jetzt aber nicht so angesagt, wie alle anderen.“

Gab es denn Bands oder Künstler, wo Sie für sich insgeheim dachten: „Was läuft denn hier gerade wieder für eine Musik?“
Heck: Nee, in dem Augenblick der Sendung nicht. (guckt aus dem Fenster) Schauen Sie mal, da ist Udo Lindenberg. (Udo Lindenberg läuft durch den Garten des Hotel Atlantic.)

War der auch mal bei Ihnen in der Sendung?
Heck: Ja, aber nicht in der Hitparade, sondern erst später bei „Ihr Einsatz, bitte!“.

Warum kam es in der Hitparade nicht zu einem Auftritt?
Heck: Das weiß ich nicht mehr. Er wollte vielleicht auch gar nicht. Es wurde ja niemand gezwungen, zu uns zu kommen. Aber es sind viele gewesen, die dann nacheinander alle kamen, ob das ein Peter Alexander war, eine Mireille Matthieu, oder eine Nana Mouskouri – sie sind alle gekommen.

Auf der Videoplattform Youtube finden sich heute Hunderte Clips aus den alten Sendungen. Sehen Sie sich das manchmal an?
Heck: Ich habe davon gehört, es selbst aber noch nicht gesehen.

Was ist das Wichtigste für einen Moderator?
Heck: Ehrlichkeit. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Und man sollte sich selber nicht so wichtig nehmen, sondern sich als Transporteur zwischen den Zuschauern und den Interpreten verstehen. Das ist eine entscheidende Sache.

Müssen Moderatoren heute mehr drauf haben als zu Ihrer Zeit?
Heck: Nee, also soviel wie wir damals können mussten in einer Sendung – das ist heute gar nicht mehr der Fall. Die werden ja so trainiert, dass du sagst: „Das kann gar nicht wahr sein, was da alles angeboten wird, was dir vorher zugeschickt wird…“ Wir haben damals oft aus dem Nichts heraus das Eine oder Andere gemacht.

Sie erwähnen in Ihrer Biografie auch ein geplantes Attentat auf Ihre Person in Hamburg, welches Sie selbst vereitelt haben. Bei der polizeilichen Anhörung begründete der Attentäter seine Tötungsabsicht damit, dass Sie mit Ihren Sendungen „dazu beitragen, das kapitalistische System zu stützen und die Menschen einzulullen.“ Was haben Sie gedacht, als Sie das damals gehört haben?
Heck: Da habe ich gedacht: Ein Verrückter ist unterwegs. Dass der geistig ein bisschen gestört war, war ja klar. Der wollte mit einer Spritze auf mich losgehen. Mein damaliger Fahrer, der Herr Eck sprang dann von der Bühne und hielt ihn fest, bis die Polizei kam. Oben in der Regiekapsel standen ja schon fünf oder sechs Polizisten und am Schluss der Veranstaltung war die Halle von der Polizei rundherum umstellt.
Der Attentäter wurde dann festgenommen, war nach ein paar Tagen aber auch schon wieder draußen. Das ist in Deutschland eben so.

Haben sie später noch einmal über diesen Satz, dass der Moderator, dass das Fernsehen die Menschen einlullen würde, nachgedacht?
Heck: Solche Äußerungen sind schon leicht schizophren. Wenn du eine Sendung machst, die eine bunte Unterhaltungssendung ist, dann kannst du als Moderator ja nicht über Engels und Marx sprechen. Das passt da nun wirklich nicht rein.

Sie selbst haben auch nie am Medium Fernsehen gezweifelt?
Heck: Nein. Ich habe in diesem Medium immer sehr erfolgreich gearbeitet.

Haben Sie heute manchmal Sehnsucht nach dem Scheinwerferlicht?
Heck: Ich habe eher Sehnsucht nach Sonnenlicht, vor allem wenn ich mir das Wetter in Hamburg angucke, bei dem sich meine Frau gleich erkältet hat.
Nein, ich bin keiner, der unbedingt ins Scheinwerferlicht zurück muss. Wenn sich irgendeine Fernseh- oder Film-Idee für den Schauspieler Heck verwirklichen lässt, dann würde ich das gerne machen, aber das muss sich erstmal ergeben.

Und wenn es generell um Öffentlichkeit geht, Schlagzeilen…
Heck: Nein, das muss nicht sein. Ich habe das lange genug genossen und jetzt ist ein Punkt, wo ich sage: als Schauspieler gerne, aber der Hitparaden-Moderator oder Showmaster, der muss jetzt nicht wieder zurückkommen und sagen „Hallo, da bin ich wieder!“

In Ihrer Biografie geben Sie dem Leser auch einen sehr tiefen Einblick in Ihr Privatleben. Warum?
Heck: Wenn ich eine Biografie machen lasse, und es schreibt sie ein Mann wie Peter Lanz, einer der besten Journalisten, die ich kenne, dann setzen wir uns natürlich zusammen und überlegen. Und dann kommt er und sagt: „Ich habe dieses und jenes zusammengetragen.“ Ich finde, man kann bei einer Biografie nicht sagen: „Alles, was gegen mich geht, sage ich nicht.“ Wenn eine Biografie, dann bitte auch Ehrlichkeit.

5 Kommentare zu “Die Quote wäre sicherlich fällig.”

  1. ^^ |

    Pietätlos aus diesem Anlass mit einem Interview Geld zu scheffeln

    Antworten
    1. Fiete |

      Schlimm.

      Antworten
  2. wolfgang fubelkoma |

    Ich habe zwar auch manchmal geschimpft wenn ich den Guten Dieter Thomas Heck damals im Fernsehen gesehen habe, aber das war im Vergleich zu Heute
    ja gerade zu Bestes Fernsehen. Wenn ich mir diesen Abgrundtiefen Dreck dagegen ansehe der Heute über die Bildschirme flimmert, kann man nur noch
    kotzen!!

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  3. Frank Diron |

    Ein Song ist auf gut Deutsch einfach ein Lied ;-)
    Viele Grüsse aus Dänemark

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    1. Michael (RBB-Netz) |

      Sehe ich auch so…

      Antworten

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