Herr Kuhn, eine Kopie ist normalerweise immer schlechter als das Original. Warum braucht die Schlagerszene einen wie Sie?
Ich weiß nicht, ob der Schlager uns braucht. Es gibt uns halt. Seit fast 20 Jahren mit kurzer Unterbrechung. Wir bringen das Schlagertum sicher nicht viel weiter. Wir fördern es nicht und schaden ihm auch nicht, das spielt sich ganz woanders ab. Wir sind fast ein eigenständiges Genre geworden, es gibt nichts Vergleichbares. Heute gibt es ja viele junge Wilde: Tomte, Kettcar, die Sportfreunde Stiller – das ist eine eigenständige Szene. Die haben wir nicht, wir stehen zum Glück relativ allein da. Damals waren wir eine Marktlücke, die sich bis heute gehalten hat. Es gab immer mal Nachahmer, aber die haben niemanden interessiert.
1994 haben sie Dieter Thomas Kuhn erfunden, 1999 war zunächst Schluss. Warum hat diese erste Phase nur fünf Jahre gedauert?
Diese fünf Jahre waren eine starke Phase. Wir waren fast die ganze Zeit voll auf Tour, das war sehr anstrengend. 1999 hatte ich dann das Gefühl, dass die Figur nicht mehr viel zu sagen hat. Dann habe ich fünf Jahre nachdenken können und gemerkt, dass es doch noch nicht zu Ende ist.
Ging Ihnen die Figur „Dieter Thomas Kuhn“ auf die Nerven?
Dieter Thomas Kuhn war nie nur eine Witzfigur, sondern personifiziert. Selbst in der Zeit, in der wir nicht gespielt haben und ich ganz normal unterwegs war, war ich für die Leute immer er. Aber wir hatten Lust, etwas anderes zu machen und das haben wir auch getan. „Dieter Thomas Kuhn“ und „Thomas Kuhn“ haben sich vermischt. Die Bühne ist ein Stück von mir. Es ist auch nicht anstrengend, mich in DTK zu verwandeln. DTK ist keine Kunstfigur mehr, wie ich das am Anfang gerne gesagt habe. Nach so vielen Jahren wächst man zusammen. Die Figur hat mir das gute, unbeschwerte Leben beschert, das ich habe. Dem 70er Jahre Schlager haben wir mehr verdankt, als wir mit anderer Musik je hätten erreichen können.
Es heißt, die „singende Föhnwelle“ sei aus einer Laune heraus entstanden. Mögen Sie selbst eigentlich die Musik, die Sie singen?
Ich werde öfter gefragt: Ist das musikalisch gesehen wirklich das, was du machen möchtest? Ja, das möchte ich. Wir haben einen einzigartigen Stil entwickelt, etwas Eigenes. Wir haben die Lieder verändert, entdeckt für uns. Es gibt in der Richtung nichts Vergleichbares.
Trotzdem haben Sie in den Jahren 2000-2005 einen anderen musikalischen Weg eingeschlagen, der sich allerdings nicht durchgesetzt hat. Deshalb die Rückkehr zum „alten Kuhn“?
Die Platte Kuhn null/eins von 2001 ist schön. Es ist auch nicht so, dass die Leute sich nicht mehr für uns interessiert haben, obwohl für uns schon im Vorfeld absehbar war, dass wir nicht an den alten Erfolg anknüpfen würden. Aber man muss auch sagen, dass wir durch DTK die Möglichkeit hatten andere Dinge zu tun, wie beispielsweise die „Dreigroschenoper“ oder Country. Ich würde alles nochmal ganz genauso machen. Alles ist aus Leidenschaft passiert. Aber Dieter Thomas Kuhn bedeutet für die ganze Band ein Stück Leben. Er hat mir in den fünf Jahren gefehlt.
Ihr großer Erfolg beruht auf „Live-Konzerten“. Die Platten verkaufen sich im Vergleich nicht so gut. Wollen die Leute im Plattenschrank doch lieber das Original?
Das war von Anfang an so. Platten waren für unseren Erfolg nie so wichtig. Man muss die Show gesehen haben. Wir haben CD’s immer nur als Souvenir gemacht. „Mein Leben für die Musik“ und „Gold“ haben dann Gold-Status erhalten. Es freut uns natürlich, dass die Leute uns trotz Einbruch der Tonträgerbranche live sehen wollen. Und Fans die uns gesehen haben, und sich dann eine Platte kaufen, brauchen das Original gar nicht. „Über den Wolken“ und „Und es war Sommer“ haben wir auch als Musikvideo gedreht. Aber da gab es nicht das Zielpublikum für uns, wir waren vielleicht auch schon etwas zu alt für diese Art MTV Format.
Sie müssen ja ein große Fan von „Dieter Thomas Heck“ gewesen sein, wenn Sie sich seinen Vornamen aussuchen …
Ein Fan wäre zu viel gesagt, aber er war und ist eine unglaublich populäre Figur. Heck ist ein Mann, den ganz Deutschland kannte, und als wir uns entschieden haben, 70er-Jahre Schlager zu machen, haben wir uns an ihm orientiert. Nicht alles in der „Hitparade“ hat mich fasziniert, aber das war halt eine Sendung, die man als Kind sehen durfte. Das einzige jugendfreie Programm am Samstagabend. (lacht)
Angeblich haben Sie „Und es war Sommer“ von Peter Maffay sehr geliebt, so ganz jugendfrei ist das aber nicht!
Der Text bietet viel Traum- und Zündmaterial für einen Heranwachsenden. Ich habe mir das auch so vorgestellt, als 16-jähriger mit einer 31-jährigen. Ist aber leider nicht auf diese Art und Weise passiert. (lacht)
Wann hatten Sie selbst das Gefühl, dass DTK mehr als nur Spaß ist, nämlich eine eigenständige Marke?
Am Anfang bestand immer eine Diskrepanz zwischen der eigenen Wahrnehmung und der der Leute. Im Laufe der Jahre ist das verschmolzen. Die Band hat die ironische Sichtweise auf sich selbst nicht verloren, auch wenn wir mit großer Ernsthaftigkeit und Respekt vor der Musik und dem Publikum arbeiten. Am wenigsten Respekt haben wir vor uns selbst. Wir sind immer noch die humorvolle Truppe, die abends im Tourbus sitzt, genau wie am Anfang.
Kommen die Leute zu Ihren Konzerten, weil sie den Schlager lieben oder über Schlager lachen wollen?
Beides. Unsere Interpretation ist das Besondere, das Event, die Power, das Tempo. Unsere Konzerte sind eigentlich keine Schlager-, sondern Rockkonzerte, richtige Events. Vielleicht ist das auch die Legitimation für das, was wir tun.
Mögen Sie Ihre Stimme?
Ich kenne wenige Künstler, die ihre eigene Stimme oder ihr eigenes Schauspiel mögen, und dazu gehöre ich auch. Ich hasse sie aber nicht, sonst könnte ich das nicht machen. Irgendwann denkt man nicht mehr drüber nach. Manche meiner Platten, wie zum Beispiel die „Dreigroschenoper“ gefallen mir aber richtig gut.
Wie hat eigentlich die Branche auf Sie reagiert? Stichwort Urheberrecht …
Mit der neuen Branche und Künstlern wie Andrea Berg oder Claudia Jung habe ich so gut wie gar nichts zu tun. Die alten wie Howard Carpendale, Udo Jürgens usw. habe ich alle mal kennen gelernt, da gibt es aber wenig Feedback. Reinhard Mey haben wir damals unsere Version von „Über den Wolken“ vorbei gebracht. Er hat lange nicht reagiert, bis wir gedacht haben, dann machen wir’s einfach. Irgendwann hat er uns rechtliche Konsequenzen angedroht, aber es kam dann nichts. In manchen Interviews findet er unsere Version ganz schrecklich, in anderen sagt er, „wunderbar, meine Nichte tanzt drauf“. Ich glaube, so richtig erfreut war er trotzdem nicht. (lacht)
Viele Fans glauben sicher, die Lieder stammen von Ihnen und kennen die Originale gar nicht.
Ja klar, die junge Generation hat sich mit dem 70er-Jahre Schlager nicht beschäftigt, bis wir aufgetaucht sind, deshalb verbinden die meisten die Musik mit uns. Man könnte vielleicht grob sagen, zu Howard Carpendale oder Udo Jürgens gehen eher die Älteren und zu uns die Jungen. Aber ich bin auch nicht mehr so jung. Wenn man eine Karriere startet, denkt man, dass man die ewige Jugend gepachtet hat, ein totaler Trugschluss. Die Fans von damals sind jetzt auch schon im mittleren Alter, und ich find es schön, wenn manche ihre Oma mitbringen. In den ersten Reihen stehen auch oft Teenager, das gibt uns natürlich Aufwind.
Platten waren für unseren Erfolg nie so wichtig. Man muss die Show gesehen haben.
Was an Ihnen ist Kitsch und was ist Kunst?
Wir selbst finden nichts an uns kitschig. Kitsch und Trash waren die Umschreibungen, als wir losgelegt haben. Da wusste die Medienwelt nicht, was sie mit Typen wie uns anfangen sollte. Der Schlager war totgesagt, keiner wollte den mehr hören.
Aber jeder, der die weich gezeichneten Bilder zu „Schalala“ gesehen hat, Sie im Negligée mit Federkiel, nur mit Brusthaartoupet nackt vor dem Spiegel, würde sagen, das sei im höchsten Maße kitschig.
Oh ja, das ist wohl wahr. Die Bilder triefen vor Kitsch und Homoerotik. Wir haben bewusst damit gespielt. Aber in Wirklichkeit geht das natürlich absolut in Richtung Kunst! (lacht)
Wie wäre es denn mal mit einem Auftritt als Frau, so im Stile von Uschi Blum, der Schlagerrolle von Hape Kerkeling?
Nein, mein schauspielerisches Talent hält sich in Grenzen. Ich wollte zwar 1995 mit meinem Film „Der Trip – Die nackte Gitarre 0,5“ den Gegenbeweis antreten, aber das war ein einmaliger Ausflug, ich hatte nie Ambitionen in dieser Richtung. Wir haben mit Dieter Thomas Kuhn eine Figur kreiert, die eine ganze Zeitepoche widerspiegelt. Wir wollten sagen: Schaut her, es war lustig, und es war gut.
Verfolgen Sie Schlagersendungen im Fernsehen?
Nein, natürlich nicht. Wenn ich Schlager zu Hause höre, dann ausschließlich meine eigene CD. Natürlich höre ich die Originale nicht. (lacht) Ich lade total viel bei itunes runter. Im Moment finde ich Brent Cash super, ein ziemlich unbekannter Typ aus Amerika, seine Musik hört sich fast nach Filmmusik an.
Haben Sie Lena beim Grand Prix die Daumen gedrückt?
Ich verfolge den Grand Prix nur am Rande. Ich habe ihn nicht gesehen, als sie gewonnen hat, und in diesem Jahr nur mal kurz reingezappt. Ich halte es fast nicht aus. Mir ist die ganze Geschichte zu aufgeblasen und hat qualitativ null Potential. Wann haben wir „Satellite“ danach nochmal gehört? Gar nicht mehr. Keine Ahnung, warum die ganze Welt darauf anspringt. Eine völlig überflüssige Veranstaltung.
Vielleicht könnten Sie „Satellite“ in Ihre Show nehmen und zu neuer Blüte verhelfen?
Kommt nicht in Frage. Aktuell haben wir vier neue Songs in der Show, zum Teil unbekannte Lieder, B-Seiten, die hoch interessant sind. Zum Beispiel „Der Teufel und der junge Mann“ von Paola, das war mal in der Hitparade, aber nie in den Charts.
Der Titel der aktuellen Tour lautet: „Die Zeit macht nur vor dem Teufel halt“. Das Plakat zeigt Sie als Teufel, mit bösem Blick und Dreizack. Wird das jetzt ein Imagewechsel?
Nein, nein. Die Fans erwartet auch keine höllische Show, der Kuhn ist, wie er immer ist. Wir kennen einen Zeichner, der hat mich aus Spaß mal als Teufel gemalt, das hat uns richtig gut gefallen. Wir haben dann zwei „teuflische Songs“, die der Schlager hervorgebracht hat, ins Programm genommen. Ich plane keinen Imagewechsel ins diabolische Fach.
Das traut man einem echten Schwaben auch nicht zu. Warum sind Sie nie aus Tübingen weggegangen?
(lacht) Man könnte wirklich meinen, es sei ein bisschen arm, dass ich nie den Sprung in die Großstadt geschafft habe. Vielleicht liegt es daran, dass wir auf Tour alle Großstädte kennen gelernt haben. Meine Lebensgefährtin und ich haben öfter diskutiert, den Standort zu wechseln. Mein geheimer Wunsch war immer, mal nach Hamburg zu ziehen, sie möchte aber auf keinen Fall weg, obwohl sie gar nicht aus Tübingen kommt. Dann ist meine Tochter auf die Welt gekommen, und wir finden, dass das hier der richtige Ort für uns ist.
Findet Ihre Tochter den Papa als DTK eigentlich cool oder peinlich?
Sie wird sechs Jahre alt und findet den Papa noch cool. Im CD-Regal stehen meine Platten nur für sie. Meine Tochter singt auch mit mir, wenn ich neue Songs probe.
Sie wohnen in der „grünen Hölle“. Haben Sie gegen Stuttgart 21 protestiert?
Leider bin ich kein aktiver Protestant …nee, Protestierer wollte ich sagen. Ich bewundere die Leute, die da täglich mitgemacht haben. Ich bin auch früher nicht auf die Straße gegangen. Das Einzige, an das ich mich erinnere, war mal eine Demo gegen ein AKW und Pershing-Raketen in den 80er Jahren. Aber mir schwebt immer noch eine Protestliederplatte vor. Da wären dann so Lieder drauf wie „Sind so kleine Hände“ oder „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“.
Würden Sie sich selbst als konservativ bezeichnen?
Nicht im klassischen Sinne. Ich bin eher open-minded, als an alten Werten festzuhalten.
Für was würden Sie richtig viel Geld ausgeben?
Für alles Mögliche. Ich gebe fast mehr aus, als reinkommt. Da bin ich nicht sehr schwäbisch.
Seit mein alter Porsche in der Stadt und im „Spiegel“ zum Politikum geworden ist, muss ich auch damit nicht mehr hinterm Berg halten: Ich habe ein Faible für Oldtimer! Ich habe noch einen zweiten. Das reicht dann aber auch, da bin ich schon fast überfordert.
Einen könnte ja Ihre Lebensgefährtin fahren.
Nein, nein. Das geht nicht. Die Autos haben so ihre Eigenarten.
Das klingt sehr nach Macho!
Eine eigene Einschätzung ist immer schwierig, vielleicht sagen das andere von mir, ich selber würde das nicht so sehen.
Udo Jürgens hat im Interview mal gesagt: „Oft sind Sänger auch sehr dümmliche Leute. Sänger sind oft irrsinnig mit ihrem Aussehen beschäftigt. Musiker sind viel interessanter. Ich wollte Musiker werden.“ Würden Sie das auch sagen?
Das würde ich nicht unterschreiben. Meine Leidenschaft war immer das Singen. Ich habe damals nur Gitarre gelernt, weil ich mich beim Singen begleiten wollte. Eine gewisse Musikalität muss man ja auch als Sänger mitbringen, auch wenn man nicht virtuos Instrumente spielen kann.