Herr Raacke, man kennt Sie sehr gut als "Tatort"-Kommissar, doch nun spielen Sie in der Sat.1-Komödie "Spezialauftrag: Kindermädchen" einen verwitweten Ingenieur, dessen elfjähriger Sohn via Internet ein neues Kindermädchen engagiert, aus Versehen aber auf der Website eines Rotlicht-Etablissements landet. Wider Erwarten steht dann plötzlich eine Domina vor der Tür – was hat Sie an dieser Geschichte gereizt?
Raacke: Ich habe in den letzten Jahren sehr viele "Tatort"-Krimis gedreht und wollte einfach mal wieder etwas anderes machen. Da kam die Anfrage zu diesem Film gerade recht, außerdem ist es eine unterhaltsame und gut gemachte Komödie für die ganze Familie!
Mögen Sie Komödien?
Raacke: Ja, absolut! In Komödien kann man sich gut mit anderen Menschen vergleichen und gucken, wie die Akteure mit den Problemen des Lebens fertig werden und dabei sogar noch lustig sind. Ich werde ja nun auch nicht jünger und viele Dinge, die das Alter so mit sich bringt sind einfach zum Lachen und oft wahnsinnig komisch. Das ist vielleicht auch ein Grund weshalb ich ab und zu gerne mal in einer Komödie mitwirke.
Man hört oft, dass eine gute Komödie viel schwerer und anspruchsvoller für einen Schauspieler zu spielen ist als ein Drama. Würden Sie das unterstreichen?
Raacke: Das ist so’n alter Spruch und der stimmt auch nur zum Teil. Sicherlich hat eine gute Komödie sehr viel mit Timing und guter Reaktionsfähigkeit zu tun und dahinter steckt natürlich auch ein gewisser Lernprozess, aber eine dramatische Szene glaubhaft darzustellen ist nicht unbedingt einfacher. Das hängt zum großen Teil auch von dem jeweiligen Schauspieler und dessen Fähigkeiten ab, aber ich für mich will und kann das nicht so verallgemeinern.
Wird am Set von Komödien mehr gelacht als bei den Dreharbeiten zu einem Drama?
Raacke: Nein, das kann man so nicht sagen! Für den "Tatort" hatten wir letztens eine Szene zu drehen, in der wir einer jungen Frau mitteilen mussten, dass ihr zukünftiger Bräutigam ermordet wurde. Wir haben uns bei dieser Szene halb totgelacht, weil wir einfach so gut drauf waren an diesem Tag. Die Stimmung hängt immer auch von der Beziehung zum Spielpartner ab und dem Team, mit dem man grade arbeitet. Manchmal erwischt man auch beim Komödiendreh einen schlechten Tag, das ist immer ganz unterschiedlich.
Was macht eine gute Komödie aus?
Raacke: Die Geschichte muss eine gewisse Wahrheit haben und der Zuschauer muss sich in der Handlung wiederfinden; das sollte nicht irgendwas total abgehobenes sein, sondern muss aus dem Leben kommen. Natürlich darf man auch mal mit dem dicken Pinsel malen, doch die Basis sollte immer das reale Leben sein.
Würden Sie sich als humorvollen Menschen beschreiben, der die Leute gerne zum Lachen bringt?
Raacke: Ja, obwohl ich mich jetzt nicht als typischen Entertainer beschreiben würde. Ich habe sicherlich eine gewisse Selbstironie und kann auch viel über mich selber lachen. Ich nehme viele Sachen nicht so todernst und gehe gerne mit etwas Humor im Gepäck durch’s Leben!
Kann man sich Humor Ihrer Meinung nach antrainieren oder ist das eine von Geburt an festgelegte Eigenschaft des Menschen?
Raacke: Man kann sicherlich verschiedene Techniken erlernen und trainieren, seinen Humor publikumswirksam zu präsentieren, doch die Veranlagung muss auf jeden Fall da sein, denn ohne die läuft gar nix! Oft kommt ja auch dazu, dass es komische Menschen gar nicht so leicht im Leben hatten, und sich erst durch ihre Komik einen Platz in der Gesellschaft erkämpft haben. Ich glaube, der Kern von Comedy ist immer sehr ernst!
Im bereits angesprochenen Film "Spezialauftrag: Kindermädchen" spielt das Internet, über welches Sohn Leon ein neues Kindermädchen samt Chaos ins Haus holt, eine zentrale Rolle. Haben Sie auch persönlich schon schlechte Erfahrungen mit diesem Medium gemacht?
Raacke: Ja, ich komm einfach nicht rein! Ich stehe absolut auf Kriegsfuß mit dem Internet, habe so’n alten Apple-Laptop und bin schon zufrieden wenn der so halbwegs läuft und ich wenigstens ein paar Zeilen oder eine Mail verschicken kann. Wenn ich dann unterwegs bin und im Hotel ins Internet will bin ich oft restlos überfordert und komme mir vor wie ein technischer Pflegefall, weil ich nicht weiß, wie ich dieses "Wireless Lan" zum Laufen kriege…
Aber beim Computer gibt es doch auch immer die so genannte "Hilfe"-Option.
Raacke: Ja, aber ich bin da immer viel zu ungeduldig und will mir das irgendwie auf dem schnellsten Weg selbst aneignen. Das Problem ist aber, dass ich die technische Systematik hinter diesen Apparaten nicht mehr durchschaue und dann auf kurz oder lang zum Technik-Krüppel mutierere!
Wenn ich im Garten stehe und Schnittlauch hacke bin ich ganz zufrieden.
Aber können Sie die große und stetig wachsende Faszination Internet trotzdem nachvollziehen?
Raacke: Das Internet ist schon ein faszinierendes Medium und bietet nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für jeden Nutzer. Ich google manchmal auch einfach blind drauf los und lande dann oft auf hochinteressanten Seiten und lese mich fest.
Was für Artikel lesen Sie dann?
Raacke: Neulich habe ich eine ganze Artikel-Serie über den Management-Streit im "Disney"-Konzern gelesen; das ist schon krass, wenn einem mal wieder bewusst wird, dass es bei "Disney" nicht allein um bunte Comicfiguren geht, sondern dass da ein knallhartes Business betrieben wird und kühl kalkulierte Geschäfte gemacht werden. Das war total interessant und ich habe gemerkt, wie toll das Internet sein kann, wenn man es nur bedienen kann.
Sie haben eben gesagt, dass Sie ein eher ungeduldiger Mensch sind. Welche Nachteile hat das?
Raacke: Ich bin im Allgemeinen gar nicht so ungeduldig, das beschränkt sich eher auf diese technischen Dinge des Lebens. Wenn ich im Garten stehe und Schnittlauch hacke bin ich ganz zufrieden und überhaupt nicht ungeduldig, weil die Gartenarbeit so schön überschaubar ist und mich auch sehr enspannt.
Sie wurden 1958 in Hanau in eine Künstlerfamilie hineingeboren; Ihr Vater war ein Althippie und arbeitete als Kunstprofessor, Ihre Mutter als Bildhauerin. Wie haben Sie als Jugendlicher das Leben in dieser Familie empfunden?
Raacke: Bei uns zu Hause herrschte immer ein künstlerisches Chaos und so habe ich dann meine Freunde unter den Spießern gesucht – und gefunden. Das war einfach wunderbar; um 19.00 lagen pünktlich die Brotbrettchen auf dem Tisch und mein Freund hat regelmäßig Katzenbilder aus der "Hörzu" ausgeschnitten und an die Wand gehängt. Der Vater kam jeden Tag pünktlich um 17.30 Uhr nach Hause und nach dem gemeinsamen Abendbrot wurden dann die Pantoffeln angezogen und der Fernseher eingeschaltet. Ich war damals total gerne in dieser Familie, weil da immer alles so klar und geregelt ablief. Dagegen, wenn man bei uns zu Hause Hunger hatte, ist man einfach an den Kühlschrank gegangen und hat sich was rausgeholt. Ich habe in dieser Zeit die Spießer geliebt und auch bis heute viel von dieser Spießigkeit übernommen. Natürlich bin ich in meiner Kindheit auch künstlerisch geprägt worden, sonst hätte ich sicherlich auch nicht den Weg in die Schauspielerei gefunden.
Haben Sie Ihre Eltern jemals für diesen Lebensstil bewundert?
Raacke: Ja, das tue ich auch heute noch! Ich habe regen Kontakt zu beiden Elternteilen und verbringe auch viel Zeit mit ihnen. Natürlich herrschte während meiner Kindheit viel Chaos zu Hause, aber jetzt mit dem nötigen Abstand kann ich das alles auch gelassener sehen. Ich bin meinen Eltern sehr dankbar für alles, was sie für mich getan haben und dass sie mir durch ihre oft unkonventionelle Erziehung auch viel gutes und wichtiges für mein späteres Leben mitgegeben haben.
Haben Sie sich jemals dabei ertappt, wie Sie Eigenschaften der Eltern unterbewusst übernommen und fortgeführt haben?
Raacke: Ja, total! Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich mich in bestimmten Situationen genauso wie mein Vater verhalte und das ist dann stellenweise schon sehr komisch, vor allem weil es oft auch jene Verhaltensweisen sind, die ich an meinen Eltern noch nie mochte.
Welche zum Beispiel?
Raacke: Mein Vater ist oft so’n Dummschwätzer und faselt nur um des Redens willen irgend etwas vor sich hin. Außerdem ist er ein begnadeter Besserwisser und kann stundenlang voller Inbrunst und Leidenschaft daherreden. (lacht) Ich bin oft genau so’n Klugscheißer und erzähle dann meiner Familie, wie man das Licht auszumachen hat und in welche Tonne nun der Biomüll kommt und wie das alles zusammenhängt und und und…Ich mache das dann aus voller Überzeugung und gebe natürlich auch nicht gerne zu, dass diese Verhaltensweisen teilweise von meinen Eltern stammen. Das ist schon verrückt! (lacht)
Glauben Sie, dass durch die momentane desolate gesellschaftliche Situation ein Rückzug der Menschen in die Spießigkeit erfolgt?
Raacke: In gewisser Weise ja, weil die festen Strukturen sich zunehmend auflösen. Viele Menschen müssen von heute auf morgen ein neues Leben beginnen und sich einem neuen Beruf widmen, weil der alte Beruf nicht mehr das nötige Geld nach Hause bringt oder einfach wegrationalisiert wurde. Um dann wenigstens ein bisschen Halt im Leben zu haben, flüchtet man sich in die Spießigkeit und ist froh, wenn wenigstens die Küche aufgeräumt ist und kein Staub auf den Regalen liegt.
Auf Ihrem Weg in den Beruf hatten auch Sie mit einigen Hindernissen zu kämpfen Vor dem Schauspielstudium am weltberühmten "Theatre Institue" von Lee Strasberg in New York wurden Sie von acht Schauspielschulen abgelehnt. Wie sind Sie damals mit diesen Rückschlägen umgegangen?
Raacke: Ich war damals noch sehr jung und vielleicht war es auch gar nicht so schlecht, dass ich schon so früh die Härte dieses Berufes kennen gelernt habe, denn Ich werde ja auch heute noch bei Castings für bestimmte Rollen abgelehnt. Ich habe irgendwann begriffen, dass diese Ablehnung nicht persönlich gegen mich als Mensch gerichtet ist, sondern nur auf rein beruflicher Basis stattfindet. Im Nachhinein bin ich auch sehr froh, dass ich in dieser schweren Anfangszeit so viel Rückhalt aus der Familie bekommen habe, die immer an mich geglaubt und mich unterstützt hat. Ich glaube, ohne diesen positiven Rückhalt hätte ich diese Absagen nicht so ohne weiteres wegstecken können.
Gab es in dieser Zeit einen Punkt, an dem Sie die Schauspielerei aufgeben wollten?
Raacke: Sicherlich gab es Situationen, in denen ich auf dieses ganze Theater keinen Bock mehr hatte und einfach nur fliehen wollte. Ich denke, man muss bestimmte Durststrecken aber auch aushalten können, sonst wird man sein ganzes Leben vor schwierigen Situationen davonlaufen! Ich mache diesen Beruf jetzt schon seit 20 Jahren und im Laufe der Zeit lernt man auch mit dieses Situationen umzugehen.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Raacke: Tolle Frage, denn Ich habe Comics schon immer geliebt und sogar selber mal kleine Strips gezeichnet! Früher wollte ich immer Gustav Gans aus Entenhausen sein, der zwar irgendwie ein Arschloch war, aber halt auch ein ausgebufftes Schlitzohr, dem das Glück so zugespielt hat. Ganz genial ist natürlich auch unser aller "Hero" Donald Duck, der ständig auf die Schnauze gefallen ist, aber trotzdem niemals aufgegeben hat.
….servus Herr Raacke.
sehe gerade einen uralt Tatort und erinnere mich daran, wie ich gegen Mitternacht und in Uniform mit Ihnen und Udo Lindenberg nach einem langen Arbeitstag im Hotel Atlantik, Eierlikör getrunken habe.
Sagt Ihnen das was?