Donots

Wir müssen uns dem Radio nicht anbiedern.

Die Fangemeinde der Donots ist in den vergangenen Jahren gewachsen, wohl auch weil sich die Punkrocker aus Ibbenbüren gerne klar politisch positionieren. Im Interview sprechen Frontmann Ingo und Bassist Jan-Dirk über das Album „Lauter als Bomben“, Mainstream-Radio, die Angst eines Fernsehsenders, gewalttätige Demonstranten und Frauen im Punk.

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© Dennis Dirksen

Ingo und Jan-Dirk, euer Album „Karacho“ von 2015 gibt es in einer deutsch- und einer englischsprachigen Version. Seid ihr jetzt eine zweisprachige Band?

Ingo: Also, das hat sich so ergeben. Als wir als Kids anfingen, Musik zu machen, haben uns Brit-Punk und kalifornischer Skate-Punk mehr gesagt, als Deutsch-Punk. Das war damals im Ibbenbürener Raum und in dem Jugendkulturzentrum (Scheune), wo wir uns bewegt haben, völlig en vogue, da war ganz klar, dass man Englisch singen würde. Am Anfang haben wir The Clash und die Sex Pistols gevocert, dann angefangen eigene Songs zu schreiben, so im Fahrwasser von NOFX, Rancid… Und trotzdem ist Deutsch-Punk auch immer ein Teil von uns gewesen. Mal haben wir zwischendurch die Kassierer gecovert, oder die Ärzte, die Toten Hosen. Und ich habe selbst eine Zeit lang in der Scheune Konzerte veranstaltet, da kamen zum Beispiel …But Alive oder die Terrorgruppe.

Karacho“ war euer erstes deutschsprachiges Album. Wird es das neue Werk „Lauter als Bomben“ nun auch wieder auf Englisch geben?

Ingo: Wahrscheinlich schon, die Texte habe ich bereits alle übersetzt. Das macht für uns einfach Sinn. Wir haben ja das große Glück, international touren zu können, in den USA, in Japan, das macht uns auch Spaß. Wir haben aber gleichermaßen gemerkt, als wir mit Flogging Molly auf einer US-Tour waren, wie das Publikum nochmal mehr durchgedreht ist, als Flogging Molly gespielt haben. Da ist uns der Gedanke gekommen, dass die Musik und die Texte durch die vertraute Sprache noch viel unmittelbarer funktionieren. Weil die Leute es nicht übersetzen müssen im Kopf. Deshalb haben wir angefangen auf Deutsch zu schreiben…

Wenn ihr nun über Nazis singt „Wo ihr marschieren wollt (werden wir) in eurem Wege stehen“, wie transportiert ihr so etwas ins Englische?

Jan-Dirk: Man kann natürlich nicht alles 1:1 übersetzen, bestimmte Metaphern und Bilder, die du im Deutschen benutzt, versteht man so im Englischen nicht.

Ingo: Zum Beispiel das klassische Bild „Jägerzaun“, dieses deutsche Biedermeiertum, das musst du anders beschreiben, denn Jägerzäune gibt es in den USA nicht. Da musst du Mittel und Wege finden, es anders aber ähnlich plakativ darzustellen. Zum Beispiel mit dem Bild, dass Leute sich zum Schlafen in die amerikanische Flagge einwickeln.

Zitiert

Du wirst keinen Fascho bekehren, in dem du sagst: Lass uns mal auf 'nen Kaffee treffen und mal drüber reden.

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Werdet ihr in Deutschland eigentlich viel im Radio gespielt?

Jan-Dirk: Also, wenn der Maßstab jetzt große deutsche Popstars sind: Nein. Aber für eine Punkrockband aus Ibbenbüren werden wir schon viel gespielt, ja. „Stop the clocks“ (2008) war einer der Songs, der viel im Radio lief.

Ingo: Wir schreiben nicht auf Radio, insofern ist es für uns ein Bonus, wenn ein Song von uns Airplay bekommt.Wenn es passiert, freuen wir uns, unsere Songs hatten ja auch schon immer einen gewissen Pop-Appeal. Wir müssen uns dem Radio aber nicht anbiedern. Wir sind eine Album-Band, wir brauchen nicht – wie eine Band wie Glasperlenspiel – einen Hit und wenn der nicht da ist, ist die ganze Album-Kampagne im Arsch.

Jan-Dirk: Uns ist es am wichtigsten, live zu spielen. Da ist so ein Hit nicht so ultra-wichtig. Es gibt Bands und Acts, die im Radio viel stattfinden, die live aber gar nicht viele Leute ziehen. Weil die Leute, die das dann hören, gar nicht zu Konzerten kommen. Und umgekehrt funktioniert es eben auch, siehe Broilers. Die kommen im Radio fast nicht vor, spielen aber riesige Hallen.

Aber warum gibt es dann diese Diskrepanz: Wenn klar ist, dass viele Leute diese Musik hören, warum spielt man sie dann nicht im Radio?

Ingo: Du hast natürlich die klassischen ‚Opinion-Leader‘, die dann sagen, das Radio-Programm ist so und so…

Jan-Dirk: Das Radio hat sich sehr formatiert. Es gibt ganz klare Regeln, was läuft und was nicht. Radios testen ja immer auch die Songs und ich glaube, dass viele Sender sehr abhängig von den Hörern sind. Wenn da irgendein Song schlecht testet, darf der halt nicht laufen, da hat man dann Angst vor. Früher haben Radio-DJs Leuten Musik nahegebracht, heute läuft nur noch so ein formatiertes Programm. In diese Situation sind wir irgendwie reingerasselt, und wir kommen da auch nicht mehr raus.

Ingo: Irgendein Radio-Mensch hat mal gesagt, dass das, was im Radio mainstream-mäßig gespielt wird, niemandem auffallen darf. Wenn du hinhörst musst du mitsingen können, aber es darf nicht passieren, dass du nach drei Sekunden entscheidest: Das nervt mich, ich schalte ab oder um.

Glaubt ihr, dass ein politischer Text so einen Umschaltreflex auslösen kann?

Ingo: Sicher, klar. Mir fällt da der Bundesvision Song-Contest 2015 ein, der bei Prosieben lief. Der wurde zwei Tage lang geprobt, wir waren also schon 48 Stunden vorher da und jeder Künstler musste all seinen Kram, den er auf der Bühne machen will, einmal präsentieren. Wir haben dann bei der Probe gesagt, dass wir in unserem Song auch eine Message abfeuern werden, in der Mitte des Songs. Als wir das dann während der Probe gemacht haben, wurden alle auf einmal sehr hektisch – und kurze Zeit später wurde eine Mitarbeiterin vorgeschickt, die uns sagte, es wäre die Ansage von Prosieben, dass wir unsere Ansage nicht machen dürfen. „Das ist eine Entertainment-Sendung, das soll nicht politisch sein“, so in der Art.

Jan-Dirk: Das wäre ja bei ein paar anderen Bands auch schon Thema und soll die Show nicht überlasten…

Ingo: …es würde ja schon reichen, dass Madsen ein „Refugees Welcome“-T-Shirt anhätten…

Jan-Dirk: …die Stimmung sollte nicht kippen.

Ingo: Für uns war das aber der Grund, überhaupt teilzunehmen. So eine Sendung ist ja nicht unbedingt unser erstes Austragungsfeld, wir wollten das machen, weil es eine Live-Sendung ist. Da meinte die Mitarbeiterin dann zu uns „Don’t kill the Messenger, wir als Redaktion finden das megageil“, aber es sei halt Ansage von der Chefetage von Prosieben.

Letzten Endes habt ihr eure Ansage ja gemacht bei dem Auftritt.

Ingo: Ja, die Mitarbeiterin meinte: „Wir haben es euch jetzt gesagt. Es ist eine Live-Sendung, macht was ihr wollt.“

Jan-Dirk: Sie wussten, dass sie es uns nicht verbieten können. Und im Nachhinein: Prosieben hat selber diesen Ausschnitt mit der Ansage auf Facebook geteilt. Drei Minuten nach unserem Auftritt.

Aber es ist schon so: Das politische Anecken ist im Mainstream immer schwierig.

Wart ihr enttäuscht, dass Ihr beim BuViSoCo nur Zweiter geworden seid, und auf der Eins reinster Pop landete?

Jan-Dirk: Nein, im Gegenteil, wir finden es Wahnsinn, dass wir zweiter geworden sind. Dass Mark Forster gewinnt, war uns vorher eigentlich schon klar.

Könnt ihr persönlich Pop-Musik etwas abgewinnen?

Jan-Dirk: Ja, klar. Es gibt doch gute Pop-Musik. Immer weniger zwar, aber ich finde, man muss nicht immer das Hirn kitzeln, es kann auch mal vor sich her plätschern.

Ingo: Ich höre im Moment die Werkschau von Tegan and Sara rauf und runter – sogar die letzten beiden Alben, die ja fast schon Schlager-Dance-Pop sind – und finde das super. Oder 80er Pop, Cindy Lauper… Der Kim Wilde-Fan in mir freut sich jedes Mal, wenn so was läuft.

Im HipHop brüsten sich viele Künstler damit, wenn sie mal wieder eine Nr.1 erreicht haben. In der Rock-Fraktion sieht man solche Prahlereien eher selten. Warum?

Jan-Dirk: Ich denke, das kommt aus diesem Punkrock-Ethos, da findet das irgendwie nicht statt, stolz darauf zu sein, wie viel man verkauft.

Ingo: Wir freuen uns eher darüber, wenn noch eine Show ausverkauft ist.

Jan-Dirk: Mich erinnert das ein bisschen an die USA und wie sie dort über ihren Job reden. Wenn da einer in eine Talkshow kommt und der Moderator sagt „Du hast gerade einen Coca-Cola-Deal über 2 Millionen abgegrast“ – dann drehen die Leute durch, die finden das geil. Bei den HipHoppern ist das ähnlich, „ich hab die dicksten Eier, hab wieder die Nr. 1 geflasht“. Im Rock herrscht dagegen eher Understatement.

Ingo: Es ist aber auch krass, wie viel die im HipHop immer noch verkaufen. Wenn ich mir deren Verkaufszahlen angucke – Kollegah und Farid Bang, 70.000 Vorbestellungen für ihre Deluxe-Box in der ersten Woche – da stehen wir als Rockband davor und wissen genau, dass können wir niemals mehr erreichen.

Jan-Dirk: Wir freuen uns natürlich, wenn ein Album sich gut verkauft, denn das bedeutet ja im Umkehrschluss, dass die Tour gut laufen wird – wenn die Leute vom Album nicht völlig enttäuscht sind.

© Dennis Dirksen

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Habt ihr eigentlich in euren Anfangsjahren Prügel bezogen – von Fans, bzw. aus der Punk-Szene – als Ihr bei einem Major-Label unterschrieben habt?

Jan-Dirk: Wir hatten damals die Wahl zwischen Epitaph/Burning Heart und der BMG. Und da haben wir uns praktischerweise und vernünftigerweise für die Plattenfirma entschieden, die in Bochum sitzt, und mit denen wir regelmäßig reden können (Supersonic Records, Tochterlabel der BMG), anstatt für ein Label, das in den Staaten bzw. in Schweden sitzt. Ich glaube schon, dass es da Leute gab, die gesagt haben: Vom DIY-Status zu einem Major, was soll das?

Ingo: Inzwischen ist aber dieses Denkschema – Major ist böse, Indie ist gut – ein bisschen aufgeweicht.

…und ein Major-Vertrag kein Widerspruch mehr zum Punk-Lifestyle?

Ingo: Ich finde, da kann man durchaus einen guten Mittelweg gehen. Ein Major-Vertrag bedeutet ja nicht automatisch, dass du Panzer verkaufst, sondern du kannst dadurch, dass du eine gewisse Reichweite hast, auch gute Sachen anschieben. Ich finde es zum Beispiel gut, dass wir mit einem Fuß im Radio stehen, oder im Mainstream, weil du dort Leute erreichst, in einer Diskussion, die sich noch nicht entschieden haben. Oder wenn wir Spenden sammeln: Wir haben auf der letzten Tour durch Gästelisten-Spenden 13.000 Euro eingenommen, die wir spenden konnten.

Und dann bringt ein Major-Deal natürlich auch mit sich, dass deine Platte im Laden zu haben ist. Davor hatten wir mit Indie-Distros gearbeitet, wo es schon mal vorkam, dass die Platte am Erscheinungstag nicht da war, weil vergessen wurde, die auszuliefern.

Das Aufkündigen eures BMG-Deals war dann allerdings schwierig, wie ich las.

Jan-Dirk: Genau, das war nicht so schön. Das war drei, vier Jahre eine Anwaltsquälerei, in der Zeit konnten wir keine neue Platte aufnehmen und deswegen auch nicht auf Tour gehen. Uns wurde die Grundlage genommen, das war schon eine ätzende Zeit.

Worin bestand das Problem?

Jan-Dirk: Um den Vertrag bei BMG zu erfüllen, hätten wir noch zwei Alben dort rausbringen müssen…

Ingo: …aber für uns stand fest: Statt dort noch eine Platte machen zu müssen, hören wir lieber auf, benennen uns um und machen alles neu.
Du nimmst eine Platte ja so auf wie du sie meinst. Und wenn du sie fertig hast, gibst du sie der Plattenfirma und sagst: ‚Hier ist mein Baby, pass gut darauf auf und trag es in die Welt hinaus.‘ Dann sind aber so Sachen passiert wie dass das Tracklisting geändert wurde, es kamen Songs auf eine Bemusterungs-CD, die gar nicht auf dem Album waren… da wurde versucht, den Pop-Punk-Appeal der Band größer zu machen.

Jan-Dirk: Oder ein Song, den wir als Single rausbringen wollten, hat das Label auf einen Vorabsampler gepackt, um zu verhindern, dass er noch eine Single wird. Das waren so kleine Machtspielchen.
Vielleicht hätten wir den Vertrag auch bis zum Ende erfüllen können, vielleicht wären wir klargekommen, aber damals waren wir noch ein bisschen naiv, jung und stur genug, um Nein zu sagen. Wir wussten in dem Moment ja auch nicht, dass da noch so ein Rattenschwanz von Problemen dranhängt.

Ich hab mir zur Vorbereitung auf unser Gespräch auch euer Musikvideo zu „Ich mach nicht mehr mit“ angesehen. Da laufen in einer Bildercollage im Hintergrund u.a. Bilder von Demonstrationen, man sieht Polizisten in Schutzanzügen, brennende Autos… Was haltet ihr in der realen Welt davon, wenn Demonstranten zum Beispiel Autos anzünden, was sagt ihr zu dieser Gewalt gegen Dinge?

Ingo: Das ist völlig bescheuert, ganz ehrlich. Wenn ich so Nummern sehe, wie die Proteste beim G20-Gipfel in Hamburg, wo dieser komische Asi-Tourismus betrieben wird, wo Dinge kaputt gemacht werden von irgendwelchen kleinen DIY-Läden, wo Schaufenster eingeschmissen werden, wenn da Läden geplündert werden, wenn kleine rostige Autos angezündet werden, wo klar ist, dass du damit nicht den Turbo-Kapitalisten triffst… Sondern du verbrennst da ein Auto von jemand, der in deinem Stadtteil wohnt, du benimmst dich wie das letzte Arschloch.

Jan-Dirk: Das ist so wie Hooligan-Randale beim Fußball, das kann es irgendwie nicht sein. Das sagt auch nichts aus, das ist Bock auf Gewalt – und die ist in jede Richtung scheiße. Und da finde ich es noch ärmer, wenn man sich als Deckmantel so ein Thema ranzieht.

Ingo: Mich hat an Punk immer interessiert, dass man Wut auch konstruktiv und positiv nutzen kann. In der Szene in Ibbenbüren, wo wir groß geworden sind, da ging es nie um blinde Zerstörungswut, sondern das war dieses Unity-Ding: zusammen Shows aufziehen, draußen Distros zu haben, die Fanzines verkaufen usw. Ich fand es auch immer geil, wenn Bands wie …But Alive hingegangen sind, und sehr realistisch gesprochen haben, aber trotzdem mit einer positiven Message. Also nicht einfach nur mit „Haut die Bullen platt wie Stullen“ – das ist mir zu einfach, das ist mir nicht tief genug. Da finde ich es viel geiler wenn man seine Wut für etwas benutzen kann.

In den Texten von „Lauter als Bomben“ taucht auch wieder das Thema Rechtsradikalismus auf. Gibt es eigentlich eine Form von Dialog mit der anderen Seite?

Ingo: Ich wüsste gar nicht, wie das funktionieren sollte, wo der Austragungsort für so etwas wäre. Ich kriege von Faschos immer am meisten mit, wenn so eine scheiß Deutschland Pro NRW-Demo in Köln-Deutz ist, wo ich wohne. Da kriegst du eigentlich immer nur das Gebölke von denen mit, und die kriegen unser Gegen-Gebölke mit. In einer realistischen Welt trifft man sich nicht. Andererseits: Mit Leuten, die Lebensbereiche anderer Leute einschränken wollen, muss ich nicht reden. Warum? Ich glaube nicht daran, dass ich die überzeugen kann, auf einmal von ihrem Standpunkt zurückzutreten. Du kannst in einer Diskussion nur die Leute erreichen, die sich noch nicht entschieden haben, die drum herum stehen, da kannst du klar für deine Sache einstehen. Aber du wirst keinen Fascho bekehren, in dem du sagst: Lass uns mal auf ’nen Kaffee treffen und mal drüber reden. Ich glaube nicht, dass du die erreichst.

Jan-Dirk: Vor allem wäre es für Leute wie uns schwierig, weil wir für die ohnehin schon ein rotes Tuch sind. Da wäre es nochmal doppelt so schwierig, als wenn zum Beispiel ein Nachbar, der keinen Anstecker mit durchgestrichenem Hakenkreuz trägt, zu einem Nazi sagt: Wie meinst du das denn?
Aber eigentlich hast du Recht, eigentlich ist es ein guter Gedanke.

Ich wüsste auch nicht was die Plattform für so einen Dialog sein könnte. In Thüringen haben Nazis wohl schon mal versucht, bei Punk-Konzerten ihre CDs zu verteilen, was wiederum zu Hausverboten geführt hat. Würdet ihr Nazis Hausverbote erteilen?

Ingo: Das kommt drauf an, wie du die als Nazis erkennen kannst. Allerdings: Wenn sich eine Band klar genug äußert, dann kommen die Turbo-Faschos erst gar nicht, weil die wissen, dass da Texte gesungen werden, die ein totaler Affront für die sind. „Kein Mensch ist illegal“, das wird dir kein Fascho lauthals entgegenbrüllen.
Wenn Leute mit Hakenkreuz oder Thor Steinar-Klamotte reinkommen, wenn sie das ausweist, die werden rausgeschmissen, klar. Wir haben einmal bei Leipzig auf einem Open Air eine Show gehabt, wo ich 20-30 Leute mit Thor Steiner Klamotte gesehen habe, da ist mir wirklich schlecht geworden.

Rein musikalisch bedient sich der Rechtsrock ja ähnlichen Mitteln wie der Punk.

Ingo: Klar, unbedingt.

Ärgert euch das manchmal?

Ingo: Nein. Das ist ja auch erwartbar, da kann man denen auch keinen Vorwurf machen. Punk ist halt eine sehr unmittelbare, einfache, sehr energetische Musik. Ich weiß auch, warum Leute auf Grauzone-Bands abfahren, das ist halt einfach und verständlich – und wird nochmal geiler, wenn du 3-4 Flaschen getrunken hast. Der Gestus ist klar, der will ja auch etwas. Das Gefühl hat Punk, das Gefühl hat eigentlich jede harte Gitarrenspielart, das kann ich schon verstehen. Aber es wird halt scheiße, wenn Bands linke Symbolik benutzen, um rattenfängermäßig die Kids abzugreifen, die nicht abstrahieren können, was da passiert.

Habt ihr eigentlich schon mal auf dem Wacken-Festival gespielt?

Jan-Dirk: Nein, noch nie. Das hat damit zu tun, dass wir im Punkrock verwurzelt sind, und weniger im Metal.

Ingo: Es gib ein paar Punk-Bands, die auch Metal-Shows spielen, The Exploited oder Betontod. Für uns ist es eher nichts. Wobei ich es als Metalhead schon ganz geil fände, in Wacken zu spielen.

Das hat also nichts mit eurer politischer Ausrichtung zu tun.

Ingo: Nein. Wobei ich auch sagen muss: So sehr ich Metal-Fan bin, muss ich kritisieren, dass Metal sich sehr oft sehr grauzonig gibt und keine klare Position bezieht. Da ist es dann wiederum total geil, wenn man Fan von Kreator ist. Weil deren Frontman Mille Petroza greift auch Themen auf, die im Metal nicht gerade en vogue sind. Auf der aktuellen Kreator-Platte ist ein Song („Side By Side“), in dem er sagt: Ich stehe auf der Seite von all den Leuten, die gegen Homophobie kämpfen. In einem Macho-Genre ist das nicht unbedingt gern gesehen, insofern freut es mich um so mehr, wenn eine meiner Lieblings-Metal-Bands so Stellung bezieht.

Stichwort Macho-Genre: Gibt es viele Frauen im Punk?

Ingo: Da gibt es schon viele. Tilt, Bad/Cop Bad Cop, The Baboon Show… Propagandhi, eine Polit-Punk-Band aus Kanada, hat jetzt eine Gitarristin. Also, das wird schon mehr.

Jan-Dirk: Trotzdem bin ich auch immer wieder überrascht, dass es nicht so viele sind. Ich verstehe es nicht so ganz.

Ingo: Vielleicht weil laute, harte Musik eher mit einem Macho-Gestus zu tun hat, vielleicht ist das ein bisschen Testosteron-schwangerer. Es ist aber zumindest schön zu wissen, dass da mehr kommt.

Noch eine ganz andere Frage: Ihr wart 2015 Botschafter der kirchlichen Stiftung Bethel. Was hatte es damit auf sich? Und: Können Punk und Kirche etwas miteinander zu tun haben?

Ingo: Nein, können sie nicht, meiner Meinung nach. Ich lasse mich auch nicht vor irgendeinen kirchlichen oder religiösen Karren spannen. Aber es kann in der Tat Berührungspunkte geben, wo man von einem menschlichen Standpunkt aus etwas Gutes tut, gemeinsam. Im Fall von Bethel war es so, dass wir gefragt wurden, ob wir Lust hätten, für behinderte Kinder zu spielen, in einer Schule in Bielefeld. Und bitte, wie viel mehr kannst du Gutes tun, mit deiner Arbeit? Also haben wir das gemacht. Das war eines der merkwürdigsten und besten Konzerte, die wir je gespielt haben. Der ganze Raum war voll mit glücklichen Kindern verschiedenen Alters, mit unterschiedlichen Behinderungen, denen wir erklärt haben: Das ist eine Rockshow, egal wie ihr es machen möchtet, ihr könnt zuhören, tanzen, auf die Bühne kommen, euch rumschubssen, jubeln – es ist alles ok. Das war Wahnsinn, was da auf einmal für eine Energie im Raum war.

Jan-Dirk: Nach der Show kam der Veranstalter zu uns und wollte sich bedanken, brach dabei in Tränen aus – und dann haben wir erstmal alle Rotz und Wasser geheult. Der Abend hat alles explodieren lassen.

Ingo: Von daher: Kirche nein, Religion nein. Aber wenn es eine soziale Agenda gibt, die Leute positiv zusammenbringt, unbedingt ja.

Zum Schluss: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid ihr?

Ingo: Wolverine. Weil der ein richtig geiler Asi ist. Der hat sich das nicht ausgesucht, die ganze Scheiße, er weiß, dass er ein Asi ist, er macht aber am Ende was richtig Gutes draus. Und wie geil ist allein die Film-Szene, wo sie die ganzen X-Men wieder zusammenholen wollen, alle X-Men sagen sofort „yeah, ich bin dabei“ und dann sitzt Wolverine am Tresen, trinkt einen Schnaps, Xavier und Erik Lensherr kommen von hinten an – und noch bevor sie ihn fragen können, sagt Wolverine: „Verpisst euch!“ Perfekt. Der ist der Punker, der ist super.

Jan-Dirk: Ich habe erst an Garfield gedacht, aber ich glaube ich bin Snoopy, weil er einfach immer auf seinem Haus liegt und pennt. Und wenn er nicht pennt, macht er so einen Scheiß, aber auch immer so gut. Und außerdem stellt er immer wieder gute Fragen.

Ein Kommentar zu “Wir müssen uns dem Radio nicht anbiedern.”

  1. Cialischeap |

    Guter Text und guter erster Kommentar von Minimalist! Exzentrisch schimpft sich das also. Ich dachte früher wohl auch zuerst an Eigenwilligkeit und Launen. Schade, dass dies so unserem Sprachgebrauch entspricht, der damit einen Mangel andeutet. Vielleicht ist es tatsächlich auf einen Mangel in uns zurückzuführen, wenn wir uns daneben benehmen“, uns aber Freiheiten nehmen, die sich andere weniger nehmen? Bestimmt ein Ja, wenn ich extrem intolerant wäre. Heute denke ich aber zuerst an das Sich Anbiedern“ und damit an die Entfremdung und Begrenzung meines Freiheits-Gefühls, wenn es um Anpassung oder Nicht-Anpassung geht. Also auch an meine Gesundheit. Sich Anbiedern oder auch mit viel Energie sich ins Zentrum rücken“ deutet für mich auch auf einen Mangel hin. Denn damit bin ich nicht in MEINER Mitte, wenn auch mehr in der Mitte von Menschen um mich. Eine Art des Sich-Verkaufens. Insofern hilft das Sich Vergleichen und das Dagegen Kämpfen auch nicht immer, ob in die ein oder die andere Richtung. Eher eine Bewusstheit oder Einschätzung, dass es Ursachen gibt und damit Grosszügigkeit mir Selber gegenüber. Am ungesündesten ist aber wahrscheinlich tatsächlich ein unstimmiges Angepasstsein mit den entsprechenden Energieblockaden als Folge. So meine Einschätzung. Die eigene Mitte besetze ich wohl zunehmend mit genug Authentizität, mit geeigneten Absichten und Meditation.

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