Elaiza

Wir freuen uns den Arsch ab!

Ela Steinmetz, Yvonne Grünwald und Natalie Plöger von Elaiza sprechen im Interview über neue Songs, Playback, das ESC-Finale und ihr buntes Publikum.

Elaiza

© Eurovision/Sander Hesterman

Elaiza, es gibt euch nun grob seit einem Jahr. Wie viele Konzerte habt ihr schon gegeben?

Yvonne: Ich denke, es waren bisher noch unter 20.

Ela: Wir haben eigentlich immer irgendwie gemuckt. Aber eher in kleinen Clubs oder Cafés, auch auf der Straße oder sogar mal in einem Bonbonladen.

In Berliner Clubs?

Ela: Ja, in der „Trompete“, im „Grünen Salon“…

Yvonne: Oder im „Sally Bowles“ in Berlin-Schöneberg, auch im „Privatclub“, der Bar „Tausend“, „Circus Hotel“…

Wie entstanden die Songs dafür?

Ela: Ich schreibe einen Song am Klavier, dann stelle ich ihn den Mädels vor und der Prozess geht los. Ich biete quasi die Grundlage. Viele Songs, die jetzt auf unserem ersten Album „Gallery“ sind, habe ich schon vorher geschrieben.

Nun habt ihr aber auch Produzenten an eurer Seite – wie läuft da die Arbeitsteilung?

Ela: Wir spielen alles ein wie wir wollen. Wir sagen ganz klar: Da eine Balalaika! Da eine Tuba! Wir haben unsere klare Vorstellung und lassen uns die auch nicht nehmen.

Ich kenne die Produzenten auch schon sehr lange. Das Gebäude in dem wir hier sitzen (Valicon Studios, Anm. d. Red) kenne ich schon, seit ich 16 bin. Die Leute hier sind auch extrem stolz – und wir sind froh über dieses kleine Team. Das ist überschaubar, es sind unsere Leute, ich kenne die hier sogar schon länger als Natalie und Yvonne. Mir ist es wichtig, dass wir den Leuten, mit denen wir zusammen arbeiten, vertrauen können und denen auch ganz klar unsere Meinung reinhauen können.

Zitiert

Man kann alles zu dritt teilen. Nicht nur die Klamotten, sondern auch die Niederlagen und die Freude.

Elaiza

Ihr wirkt sehr bodenständig. Jetzt fahrt ihr für Deutschland zum Eurovision Song Contest, was viel Trubel bedeutet. Wie geht ihr damit um?

Natalie: Wir freuen uns den Arsch ab!

Yvonne: Das ist einfach total krass!

Ela: Also, ich verfolge den Contest schon sehr lange. Ich habe auch schon mal für die Ukraine abgestimmt. Ich fand es immer spannend, wer dort wen hinschickt. Auch weil ich diese Verbindung zu den Ländern habe. Und ich fühle mich schon sehr geehrt, dass wir Deutschland in Kopenhagen vertreten dürfen. Aber wir vertreten eben auch ein bisschen Polen und die Ukraine. (Lacht)

Ihr habt beim ESC-Vorentscheid Künstler ausgestochen, die erfahrener und länger im Business sind als ihr. Wie erklärt ihr euch das?

Natalie: Eigentlich ist es unlogisch. Ich kann es mir nicht richtig erklären, dass die Leute wirklich für uns angerufen haben. „Santiano“ oder „Unheilig“ haben ja viel mehr Fans als wir.

Yvonne: Eine Freundin meinte zu mir: „Ich habe 90 Mal angerufen!“ Es sind aber nicht nur unsere Freunde, die allein würden diese Zahl nicht zustande bringen. (Lacht)

Natalie: Wer weiß.

Ela: Detmold Homies. (Lacht)

© Ben Wolf

© Ben Wolf

Liegt es vielleicht auch daran, dass euer Sound nichts mit dem Plastikpop zu tun hat, den man sonst von den Charts gewohnt ist?

Natalie: Also, da muss ich sagen, dass es beim Vorentscheid nicht wirklich Plastikpop war, zum Beispiel was „The Baseballs“ dargeboten haben. Und „Fiddler on the Deck“ von „Santiano“ finde ich auch gut.

Euer Sound erinnert an die norwegische Frauen-Band „Katzenjammer“. War das ein Vorbild?

Natalie: Nein. Ich habe die erst nach unserer Bandgründung entdeckt. Weil mir jemand gesagt hat, dass wir so klingen wie „Katzenjammer“.

Yvonne: Deren Musik ist aber ganz anders. Wir werden nur mit denen verglichen, weil wir mit Instrumenten handgemachte Musik machen. Auch wenn wir eine ähnliche Instrumentierung haben, unterscheiden wir uns vom Sound her.

Ela: Die haben noch mehr Zirkusmelodien dabei, da sind wir ein bisschen poppiger. Und während bei denen jede mal singt, sind bei uns die Rollen klar verteilt.

Ela, gibt es für deinen Gesang bestimmte Vorbilder?

Ela: Ich bin mit unterschiedlichen Stilrichtungen groß geworden, auch mit Opern- und Jazzgesang, weil meine Mutter anfing, das zu studieren. Mein leiblicher Vater hat in einer Rockband gespielt und als Kind habe ich auch viel „Queen“ gehört. Meine allererste Kassette war von „The Offspring“. Die liefen damals bei uns in der Ukraine im Radio und da habe ich dem Verkäufer im Laden dieses „Give it to me Baby“ vorgesungen. Der fand das so lustig, dass er mir die Kassette geschenkt hat. (Lacht)

Als ich nach Deutschland gekommen bin und den Fernseher eingeschaltet hab, habe ich als erstes „Pink“ entdeckt. Und aktuell finde ich „Miss Platnum“ ganz toll. Eine gute Braut, die ihre Songs auch selbst schreibt. Also, ich lass mich von sehr vielen Sachen inspirieren.

Worum geht es in euren Texten? Vor allem um Liebe?

Ela: Nicht nur. In „Thank you“ geht es darum, danke zu sagen. „Goodbye“ steht für einen Neuanfang. Bei „Is it right“ geht es um Entscheidungen. In „Miracle“ darum, dass das Leben ein Wunder ist. Und „Invisible Line“ ist ein Song über zwischenmenschliche Beziehungen im Allgemeinen – die müssen ja nicht immer etwas mit Liebe zu tun haben. Jeder Song hat einen anderen Gestus.

Ihr absolviert im Moment die große TV-Tour, von Frühstücksfernsehen, „Carmen Nebel-Show“, Markus Lanz bis hin zu Stefan Raab ist da alles dabei. Wie war es im „Fernsehgarten“?

(Gelächter)

Natalie: Wir haben auf einer Poolbühne gespielt. Hinter uns das Meer.

Ela: Fuerteventura. Unsere Koffer sind verloren gegangen. (Lacht) Das war lustig und auch sehr entspannt.

Aber komplett Playback oder?

Yvonne: Ja, na klar.

Ela: Das geht ja auch nicht anders.

Aber wie geht ihr als Musiker und Instrumentalisten damit um?

Yvonne: Es ist schon sehr komisch.

Ela: Ich spiele und singe eh immer mit, weil ich es nicht faken kann. Und wir bemühen uns bei solchen Shows auch darum, dass wir wenigstens ein Halbplayback draus machen können.

Natalie: Also, immer dann, wenn man uns im Fernsehen zu dritt sieht und keine anderen Instrumente im Hintergrund zu hören sind, dann ist es komplett live.

Und wie wird es beim ESC sein?

Yvonne: Halbplayback. Wir singen alle drei, aber das, was wir spielen, hört man nicht, sondern man hört die Produktion.

Ela: Wenn du so viele Länder hast, wo jeder für sich einen Soundcheck braucht, versteht man das.

Yvonne: Der Punkt ist auch, dass es oft darum geht den Song so zu präsentieren, wie er auf dem Album ist. Darum geht es ganz oft im Fernsehen.

Geht es euch darum?

Ela: Uns ist das eigentlich egal. Wir können ein Lied auch a-capella anstimmen oder spontan die Instrumente auspacken und loslegen. Einfach aus der Emotion heraus.

Yvonne: Wir können das komplette Album mit unserer Formation zu dritt spielen, das funktioniert. Und dann ist es natürlich ausbaufähig, man kann ein Schlagzeug dazu holen, einen Gitarristen, Keyboarder…

Ela: Am geilsten wäre es, wenn wir mal mit einem riesigen Orchester spielen könnten.

Die Orchester gab es ja tatsächlich beim ESC, in den 50ern und 60ern…

Ela: Damals gab es die Regelung noch nicht, dass höchstens sechs Personen auf der Bühne mitwirken dürfen. (Lacht) Der ESC geht mit der Zeit. Damals war Nicole zeitgemäß und hatte eine ganz tolle Message, heutzutage wird die Musik moderner und auch anders produziert.

© Sander Hesterman/Eurovision

© Sander Hesterman/Eurovision


Ist das Publikum bei der „Carmen Nebel-Show“ denn auch das Publikum, das ihr ursprünglich erreichen wolltet?

Ela: Wir haben so viele unterschiedliche Fans, das fängt bei kleinen Mädchen an, die ein Autogramm wollen und geht bis hin zur Oma, die uns sagt: „Ich hab für euch angerufen!“

Natalie: Wir haben uns nie vorgenommen eine bestimmte Zielgruppe zu erreichen.

Yvonne: Wir freuen uns über alle, die etwas aus unserer Musik mitnehmen können. Die Altersgruppe ist egal.

Bei euch gibt es auch einen großen Altersunterschied. Ela ist 21, ihr anderen beiden seid 28 bzw. 29 Jahre alt…

Yvonne: Musik verbindet. Beim Musikmachen merkt man die Altersunterschiede nicht.

Ela: Seitdem wir uns kennen, hat es einfach sehr gut funktioniert. Wenn die Chemie nicht stimmt, dann kannst du die Musik auch nicht richtig rüberbringen.

Yvonne: Wir können uns auf einander verlassen.

Ela: Der Vorteil ist auch: Man kann alles zu dritt teilen. Nicht nur die Klamotten, sondern auch die Niederlagen und die Freude.

Habt ihr manchmal Sorgen, vom Trubel überrollt oder in eine Schablone gepresst zu werden?

Natalie: Nein, wir sind halt wie wir sind. Und wenn wir mit etwas nicht einverstanden sind, sagen wir das auch deutlich.

Ela: Ich finde es immer komisch, wenn Leute zu mir kommen und sagen: „Ich habe gewettet, dass ihr unter die ersten fünf kommt!“ Tja. Schön. (Lacht)

Yvonne: Aber wenn sie dann das Geld verlieren sind wir nicht dran schuld…

Ela: …weil ihr wolltet, dass wir euch vertreten!

Yvonne: Es ist eben ganz anders als beim Fußball. Dort ist das Ergebnis eindeutig bewertbar, anhand der Bälle, die im Tor liegen. Musik hingegen ist nicht bewertbar.

Dabei sein ist alles?

Yvonne: Genau. Es ist ja so geschmacksabhängig! Man weiß nie, wie gerade der Geschmack der einzelnen Länder ist. Und sicher werden auch welche kommen und sagen, die „Baseballs“ waren doch beim Vorentscheid viel geiler. Es werden nie alle zufrieden sein.

Wisst ihr, wie teuer euer Auftritt wird?

Ela: Ich will nicht dran denken. (Lacht)

Also Choreographie, Kostüme…

Natalie: Was für eine Choreographie?

Ela: Keine Ahnung, es kann auch sein, dass wir einfach irgendwas aus dem Koffer anziehen.

Habt ihr 100 Prozent Einfluss auf die Gestaltung eures Auftritts?

Ela: Na klar. Wir entscheiden, wie es sein soll. Was Klamotten betrifft, lass ich mich gern von Leuten beraten oder inspirieren, die mehr Erfahrung haben als ich. Was nicht heißt, dass ich immer alles anziehe. Vielleicht werden wir einfach zu dritt nochmal shoppen gehen.

Natalie: Alles andere würde auch keinen Sinn machen. Denn wir waren wie auf der Bühne, bei den Club-Konzerten, in der Köln-Arena – warum sollten wir uns da jetzt verkleiden?

Ela, du hast ukrainische Wurzeln – wie erlebst du einerseits den ESC-Trubel und gleichzeitig die Krisensituation in deiner Heimat?

Ela: Ich bin 1992 in der Ukraine geboren und habe mit meiner Familie in der Nähe von Kiew gelebt. Aber seit ich sieben bin, lebe ich nicht mehr dort. Als mein Vater gestorben ist, war es nicht mehr so leicht, zurückzukehren. Aber ich habe noch einen Kontakt dorthin. Und ich finde es erschreckend, wenn ich im Fernsehen die krassen Bilder sehe, wie sich gerade die Ost-Ukraine spaltet. Davor habe ich Angst. Und ich finde, das sollte uns alle etwas angehen, weil das nicht so weit weg ist von uns. Ich glaube, Diplomatie und Kommunikation wäre der richtige Weg.

Glaubt ihr denn, dass beim ESC die politische Situation Einfluss haben könnte auf das Abstimmungsverhalten bestimmter Länder?

Yvonne: Das kann man nicht sagen, wir können ja nicht in die Leute reingucken.

Ela: Ganz ehrlich: Das wäre Quatsch. Der ESC sollte nicht politisch sein. Es geht um die Musik! Das ist das, was uns Menschen verbindet, egal welche Kriege es gibt und welcher Nationalität du angehörst.

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