Fabian und Ferry Heilemann, haben Sie vor der Gründung von DailyDeal schon mal einen Gutschein verschenkt?
Ferry: Ja, diverse. In der Regel allerdings eher selber gebastelte, als gekaufte (lacht).
Fabian: Da kann ich mich nur anschließen. Wir haben unseren Eltern einige Gutscheine geschenkt, auch für Reisen! Aber keine erlebnisorientierten oder rabattierten Gutscheine, wie wir sie heute haben. Die gab es damals einfach noch nicht.
Wie würden Sie Ihr eigenes Kaufverhalten im Internet beschreiben?
Ferry: Oh, das ist eine schwierige Frage, denn ich kaufe verhältnismäßig wenig spontan ein, außer bei uns selbst. Wir haben ja Einfluss darauf, welcher Deal gerade ansteht, und ich besitze auch einen DailyDeal-Account. Eigentlich habe ich aber zu wenig Zeit zum Shoppen, weil ich viel arbeite.
Fabian: Ich nutze DailyDeal auch selber aktiv, beispielsweise um neue Restaurants in Berlin kennen zu lernen. Ansonsten kaufe ich online insgesamt extrem wenig. Ich bestelle, wenn überhaupt, Bücher bei Amazon.
Wie entstand die Idee zu DailyDeal? Mit welcher Motivation haben Sie das Portal gestartet?
Ferry: Das hat sich über mehrere Jahre aufgebaut, durch unsere erste Firmengründung. Wir waren mit einem Anhänger unterwegs und haben Kaffee und französische Gebäckspezialitäten verkauft. Da haben wir schon gemerkt, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert und wir uns nicht nur als Brüder gut verstehen. Das haben wir dann so neun Jahre lang betrieben, bis zum Start von DailyDeal. Wir haben während unseres Studiums festgestellt, dass die typischen Lebensentwürfe – mein Bruder als Jurist und ich als Unternehmensberater – uns nicht besonders liegen würden. Aufgrund dessen haben wir uns dann im Sommer 2008 entschieden, ein eigenes Unternehmen zu gründen und hier unsere Fähigkeiten voll einzubringen.
Und es kam Ihnen gleich eine Geschäftsidee?
Fabian: Wir haben ein Jahr lang Ideen gesammelt und generiert, so dass wir am Ende ungefähr sechzig Stück auf einer Liste hatten. Auf die Idee von DailyDeal bin ich dann durch einen Studienaufenthalt an der Stanford Graduate School of Business im Silicon Valley gekommen. Zu der Zeit gab es in den USA verschiedene Player, die sich erfolgreich in den Bereich Online-to-Offline-Commerce hineingewagt haben. Mein Bruder und ich haben uns dann in einem relativ elaborierten Prozess für diese Idee entschieden.
Was hat Sie an der Idee überzeugt?
Fabian: Da gab es diverse Gründe: Attraktiv war vor allem die die Vorstellung, einen in Deutschland und Europa zuvor schlicht und ergreifend nicht existenten Markt komplett neu zu schaffen, von dem Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen profitieren. Verbraucher haben dank der stark vergünstigten Kennenlernangebote die Chance, neue Locations in ihrer Stadt zu erleben und einen vielfältigen, gleichzeitig aber bezahlbaren Lifestyle zu pflegen. Für Unternehmer ist das Couponing-Modell eine echte Alternative zu traditionellen Werbeformen wie der Anzeige in Zeitungen oder dem Radiospot: Sie profitieren davon, dass sie nur für die Kunden zahlen, die sie auch wirklich gewinnen. Das gesamte Werberisiko tragen wir als Mittler zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Nicht zuletzt wollten wir selbstbestimmt arbeiten und etwas zusammen machen.
Warum waren Sie sich sicher, beim Couponing-Modell auf das richtige Pferd zu setzen?
Fabian: Wir haben ein so genanntes internes Bewertungssystem für unsere Ideen gebaut und uns die Kriterien angesehen. Dazu gehören zum Beispiel die Markteintrittsbarrieren, der Kapitalbedarf und die Frage, welche Fähigkeiten auf nicht technischer Ebene wir überhaupt mitbringen. Da hat die Idee DailyDeal sehr gut abgeschnitten!
Im Nachhinein können wir sagen, dass wir Glück gehabt haben. Denn wir haben etwas angepackt, was nicht nur auf dem Papier funktioniert, sondern auch in der Realität.
Und was entgegnen Sie Kritikern, die das Geschäftsmodell der Einkaufs-Coupon-Portale anzweifeln?
Ferry: Dazu muss man erläutern, wo das Geschäftsmodell seinen Ursprung hat. Wir haben es ja nicht erfunden, sondern die Idee kommt aus den USA und ist aus einer Internet-Seite entstanden, die für soziale Zwecke gedacht war, thepoint.com. Dort haben sich Gruppen zusammengeschlossen, um gemeinsam etwas zu verbessern. Sei es, dass sich 50 Leute zusammentun, um beispielsweise den Park aufzuräumen. Aus dieser Gruppendynamik heraus entstand schließlich die Idee, sich auch beim Kauf eines Produktes zusammenzutun, um einen Mengenrabatt zu erhalten. Das Ganze hatte also erst mal keinen kommerziellen Hintergrund. Es ging vielmehr darum, gemeinsam neue Dinge zu entdecken.
Doch nun gerät vor allem der kommerzielle Aspekt in den Fokus, nicht zuletzt durch den Börsengang von Groupon. Rechnet sich ein Rabattportal wirklich?
Ferry: Ja, es rechnet sich – vorausgesetzt, man schafft die Balance zwischen Nutzen für den Kooperationspartner, für den Endverbraucher und für die Plattform selbst. Dann ist es eine Win-win-win-Situation.
Fabian: Wir haben deshalb unsere Konditionen zugunsten der Kooperationspartner verbessert. Wir schütten 100 Prozent der auf den Partner entfallenen Einnahmen sofort aus, das heißt auch die Einnahmen der nicht eingelösten Gutscheine. Weiterhin schütten wir diese Einnahmen sehr schnell aus. Beides ist europaweit einzigartig. Die meisten unserer Wettbewerber behalten die Einnahmen der nicht eingelösten Gutscheine ein. Das haben wir eine Zeit lang auch gemacht, dann aber erkannt, dass dadurch berechtigterweise Kritik an dem Modell geäußert wird. Wir verzichten lieber auf dieses Geld und sind unseren Businesspartnern gegenüber transparent. Das steht auch in einer Linie mit der Google-Philosophie. Insofern gehen wir sehr offen mit dieser Kritik um und haben das betriebswirtschaftlich in harten Zahlen manifestiert.
Sie erwähnten bereits den Ursprung des Geschäftsmodells in den USA. Wie stehen Sie zu der Diskussion, dass Deutschland im Online-Bereich eine ideenlose Copycat-Industrie ist?
Fabian: In der Vergangenheit war es in der Tat so, dass die erfolgreichsten deutschen Unternehmen Geschäftsmodelle kopiert haben, die überwiegend aus den USA kamen. Diese Kultur ist sicherlich ein bisschen unglücklich, das resultiert aber vor allem aus einem gewissen „Sicherheitsdenken“: Für Modelle, bei denen es ein so genanntes „Proof of Concept“ gibt, hat man auch leichter Finanzierungen bekommen. Demnach ist die Investorenszene auch ein Grund, warum kopiert wird. Das wiederum ist auch verständlich, denn der Investor setzt eher auf Modelle, die schon mal funktioniert haben, als auf super kreative und unerprobte Ideen. Aktuell gibt es hier in Berlin aber einige sehr innovative Unternehmen, wie die Spieleschmiede Wooga oder das Musiknetzwerk Soundcloud. Die betreten weltweit neues Terrain und werden wiederum in den USA kopiert. Also, es gibt gerade eine Umbruchsstimmung und auch bei den Investoren ist ein Umdenken zu beobachten.
Und Sie meinen, man bräuchte einfach nur mutigere Investoren, um mit der Ideenlosigkeit hierzulande aufzuräumen?
Fabian: Man muss fairerweise dazu sagen, dass die Copycat-Mentalität auch mit den persönlichen Umständen der Gründer zusammen hängt. Wenn ich als Gründer mit einem Studienkredit unterwegs bin und von meinen Eltern keine 5.000 Euro monatlich zum Verprassen auf mein Konto überwiesen bekomme, dann habe ich einen ganz anderen Erfolgsdruck. Dadurch sind viele Gründer natürlich eher geneigt, etwas zu machen, was Erfolg verspricht, als wenn sie „sponsored by Daddy“ sind und sich erst mal fünf Jahre austoben können. Das sind eher amerikanische Settings. In Deutschland ist das anders. Die Frage, die sich jedem Gründer am Anfang stellt, lautet: Welches Risiko gehe ich ein?
Wir haben etwas angepackt, was nicht nur auf dem Papier funktioniert, sondern auch in der Realität.
Nun hat sich Ihre Strategie im wahrsten Sinne ausgezahlt, DailyDeal wurde von Google übernommen. Wenn Sie ein großer Internetkonzern wären, in welches Start-Up, in welche Bereiche würden Sie heute investieren?
Ferry: Diese Frage ist ziemlich hypothetisch. Vom „großen Internetkonzern“ sind wir ja noch ein kleines Stück weit entfernt (lacht).
Fabian: Natürlich gibt es verschiedene Themen, die zurzeit besonders heiß Gehandelt werden. Man sollte sich hier aber einfach überraschen lassen. Fest steht nur eins: Es bewegt sich wieder einiges in der Internetbranche – nicht nur, aber vor allem auch in Berlin!
Was können Sie über die weitere Entwicklung bei DailyDeal verraten?
Fabian: Für DailyDeal wird das Thema Mobile immer wichtiger werden. Wir haben auch schon angefangen in Verbindung mit Kartendiensten und Push-Notifikationen zu arbeiten, die wir in unseren Apps für Android, iPad und iPhone abbilden. Wir suchen jetzt in allen Bereichen nach Synergien mit unserem neuen Gesellschafter Google, damit DailyDeal die Möglichkeit hat, weiter zu wachsen.
Welche Visionen haben Sie beim Thema Einkaufen im Internet?
Fabian: Das Einkaufen wird sich immer mehr vom Web auf das mobile Endgerät verschieben. Wahrscheinlich wird es auch in absehbarer Zeit nichts mehr geben, was es nicht auch online gibt. Dieser Trend zwingt den stationären Handel in die Offensive. Er muss kämpfen, um konkurrenzfähig zu bleiben, und seine Vorteile gegenüber dem Online-Handel klar ausspielen – also zum Beispiel persönliche Beratung, lokale Präsenz und direkte Kaufmöglichkeit.
Sie haben für DailyDeal auch TV-Werbespots produzieren lassen. Hat sich nach der Schaltung etwas verändert?
Fabian: Na klar. Wir haben schon im Voraus Prognosen getroffen und natürlich auch im Nachhinein über unsere Business Intelligence Abteilung die Traffic-Bewegung auf dailydeal.de und die Anmeldungen für Newsletter gemessen. Diese Zahlen setzen wir dann ins Verhältnis zu den Kosten – sonst wären wir ja schlechte Kaufleute.
Sie glauben als Onliner also noch an das Medium klassische Werbung?
Ferry: Das eine schließt das andere mit Sicherheit nicht aus. Wobei es immer auf den Werbenden ankommt. Wir als Internetplattform haben das große Problem des so genannten „Medienbruches“. Wenn ich ein DailyDeal-Plakat an die Bushaltestelle hänge, ist es noch eine Minderheit, die dann sofort mit dem Smartphone online geht. Der Werbeweg von TV, Radio oder Plakat ist in der Regel sehr teuer, die reine Online-Werbung ist für ein Online-Portal effizienter, weil die Leute nur einen Klick entfernt sind. Dennoch muss man unbedingt auch ein gewisses Budget in Offline-Werbung investieren, um möglichst viele Menschen zu erreichen.
Muss man als erfolgreicher Internetunternehmer eigentlich auch Workaholic sein?
Fabian: Das kann man wohl so sagen. Besonders wenn man in einem sehr wettbewerbsorientierten Unternehmen arbeitet und viel Konkurrenz hat. Gerade im Business-to-Consumer-Bereich hat man es mit sehr fähiger und hart arbeitender Konkurrenz zu tun. Wenn man dann glaubt, man sei schlauer als die anderen, und weniger hart arbeitet, dann hat man sich schwer geschnitten. Die Mitbewerber sind auch alle hoch qualifiziert und arbeiten ihre 14 bis 16 Stunden am Tag. Das viele Arbeiten gehört in den ersten Jahren als Unternehmer auf jeden Fall dazu und ist eine unabdingbare Voraussetzung, wenn man überleben will.
Sie haben zum Teil an privaten Hochschulen gelernt. Sind solche vielversprechenden Abschlüsse heute ein Schlüssel zum Erfolg? Können staatliche Träger bzw. Lerninstitute so etwas nicht mehr leisten?
Fabian: Das hat nichts mit staatlich oder privat zu tun, es gibt schließlich auch schlechte Privatakademien. In unserem Fall war es aber schon der Schlüssel zum Erfolg, weil es bei Ferry mit der WHU in Vallendar und bei mir mit der Bucerius Law School in Hamburg die beiden besten Schulen in dem jeweiligen Fachbereich sind. Das öffnet einem natürlich eine Menge Türen, nicht zuletzt bei Investoren.
Die Ausbildung hat aber vor allem auch unsere persönliche Entwicklung stark beeinflusst. Wir haben wirklich sehr hart und sehr lange dafür gearbeitet. Du kannst ja auch nicht erfolgreich durchs Studium kommen, wenn du ständig grillst und den ganzen Tag im Park rumhängst – das geht eben nicht. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass WHU Absolventen praktisch 80 Prozent der erfolgreichen Gründer stellen – die kommen alle von einer klitzekleinen Uni!
Wie funktioniert die Arbeit im Bruder-Team? Wie ergänzen Sie sich gegenseitig?
Ferry: Wir ergänzen uns sehr gut! Am Anfang haben wir beide natürlich alles gemacht, heute bin ich für den Sales-Bereich zuständig und Fabian ist geschäftsleitend tätig.
Durch unsere unterschiedlichen Studiengänge ergänzen wir uns gut: Jeder bringt andere, wichtige Fähigkeiten mit. Von unserer Weltanschauung, dem Lebensstil und den Ansprüchen her sind wir uns sehr ähnlich. Das ist auch der Grund, weshalb wir überhaupt so gut und so eng miteinander arbeiten können. Natürlich haben wir auch mal Differenzen, die werden mitunter auch mal lautstark ausgetragen, aber drei Minuten später ist das wieder geregelt. Wir haben eine gute Streitkultur – nicht nachtragend, dafür aber sachlich. Und da wir beide sehr ergebnisorientiert sind, schaffen wir auch schnell Ergebnisse (lacht).
Man hat Sie schon mit den Samwer–Brüdern verglichen. Hinkt der Vergleich?
Fabian: Das hängt ganz davon ab, von welchem Blickwinkel aus man sich der Frage nähert. Objektiv gibt es natürlich einige Parallelen, teilweise haben wir die gleichen Universitäten besucht und sogar die gleichen Studiengänge – einer BWL, einer Jura. Die Samwer-Brüder sind auch in sehr wettbewerbsorientierten Märkten unterwegs, so wie wir. Wir haben aber unterschiedliche Philosophien und Ansätze.
Sie haben den Grundstein für DailyDeal in Hamburg gelegt. Welcher Standort ist Ihrer Meinung nach der beste für die Gründerszene im Online-Bereich?
Ferry: Berlin, mit Abstand! Die Hauptstadt hat eine ganz andere Mentalität, die Leute sind hier offen für Neues. Und in Berlin gibt es keinen einzigen DAX-Konzern. Hier wurde eine komplett neue Industrie aufgebaut, die sehr leistungsgetrieben ist, auch durch die relativ hohen Arbeitslosenzahlen.
Zum Schluss: Vor knapp zehn Jahren erfand Saturn den Slogan „Geiz ist geil“ – Wie schätzen Sie die Kaufmentalität der Deutschen zum heutigen Zeitpunkt ein?
Fabian: Das sind volkswirtschaftliche Größen, die wir nicht einschätzen können. Doch ich denke, im internationalen Vergleich sind die Deutschen nur mittelmäßig affin für Schnäppchen-Themen. Die Franzosen und Polen sind da deutlich offener, die Deutschen sind noch sehr misstrauisch und skeptisch. Wir setzen deshalb sehr auf Qualität. Die Wertigkeit der Angebote ist letztlich entscheidender als der Preis.