Felix Huby

Mein Ziel war es immer, die Leute zu unterhalten.

Felix Huby über über seine Anfänge als Schriftsteller, den immer härteren Konkurrenzkampf in der Fernsehbranche, seine Faszination fürs Theater und sein Leben als Schwabe in Berlin

Felix Huby

© Rainer Griese

Herr Huby, wie wäre Ihr Leben verlaufen, wären Sie nicht während der Abiturprüfung beim Schummeln erwischt worden und deshalb ohne Abschluss von der Schule geflogen?
Huby: Dann hätte ich Deutsch und Musik studiert und wäre Lehrer geworden. Ich hätte gerne an einem Internat unterrichtet, um möglichst viel mit den Schülern zusammensein zu können. Meine Vorstellung war es auch, einen Chor oder ein Orchester zu gründen. Ich denke aber, selbst wenn ich Lehrer geworden wäre, hätte ich irgendwann mit dem Schreiben angefangen. Das kann man zwar nicht sicher sagen, zumindest den Versuch hätte ich aber wohl gewagt, da ich auch in der Schule schon immer gerne geschrieben habe. Ob es dann so geglückt wäre, weiß ich nicht, denn die Schulung durch den Journalismus war natürlich schon sehr wichtig für mich. Ich habe am Anfang sehr holprig geschrieben und mir erst nach mehreren Jahren zugetraut, einen Roman zu schreiben.

Sie haben Ihr Talent fürs Schreiben in der Schule entdeckt?
Huby: Ja, schon dort habe ich gerne frei geschrieben. Ich hatte das große Glück, einen Lehrer zu haben, der Dialog- und Theaterübungen mit uns gemacht hat. Dieser Lehrer war es auch, der ein gewisses Talent fürs Dialogschreiben bei mir entdeckt hat. Ich habe dann ein kleines Theaterstück geschrieben, das ich mit meiner Jugendgruppe aufgeführt habe. Das waren also gewissermaßen meine Anfänge als Schriftsteller.

Als Journalist arbeiteten Sie auch mehrere Jahre für den „Spiegel“, gaben Ihren Posten dort jedoch 1979 auf, um ganz als freier Schriftsteller zu arbeiten. War das nicht ein sehr mutiger Schritt?
Huby: Nein, dieser Schritt war insofern nicht so mutig, wie man meinen könnte, weil ich ein Rückkehrrecht zum „Spiegel“ hatte. Der damalige Verleger Rudolf Augstein erklärte mir, er habe Respekt davor, wenn jemand als freier Autor leben wolle, aber für den Fall, dass es nicht klappen sollte, hätte ich die Möglichkeit, zum „Spiegel“ zurückzukehren – zwar nicht auf den Posten, den ich damals innehatte, aber immerhin als Redakteur irgendwo beim „Spiegel“. Das gab einem natürlich eine ungeheure Sicherheit.

1980 erhielten Sie Ihren ersten großen Drehbuchauftrag, Sie sollten zwei Pilotbücher für den damals neuen „Tatort“-Kommissar Horst Schimanski entwickeln. Wussten Sie damals überhaupt, wie man Drehbücher schreibt?
Huby: Ich hatte keine Ahnung, um ehrlich zu sein. Ich hatte zwar mal ein kleines Drehbuch für die ZDF-Krimireihe „Es muss nicht immer Mord sein“ geschrieben, das war’s dann aber auch schon. Das waren Filme mit einer Länge von 25 Minuten und es waren damals alle deutschen Kriminalschriftsteller aufgefordert, Drehbücher für diese Serie zu schreiben und sich auf diese Weise an einem Kurzkrimi fürs Fernsehen zu versuchen. Auch ich habe dann also ein Drehbuch für diese Reihe geschrieben. Das ist mir auch ganz gut geglückt, aber mehr Erfahrungen mit dem Fernsehen hatte ich nicht. Und dann kamen die Produzenten von der „Bavaria“ auf mich zu, weil sie meine Bienzle-Romane gelesen hatten und der Meinung waren, ich würde schon ziemlich filmgerecht schreiben. Sie fragten mich, ob ich nicht einen neuen Kommissar fürs Fernsehen mitentwickeln wolle – und das war dann Schimanski. Ich habe das Drehbuchschreiben also eigentlich dadurch gelernt, dass ich Drehbücher geschrieben habe.

Sie sind Ende der Achtzigerjahre von Stuttgart nach Berlin gezogen. Warum?
Huby: Da gab es verschiedene Gründe. Der Hauptgrund war eigentlich meine Frau, die aus Ostpreußen stammt. Sie hatte in Berlin studiert, kam mit den Schwaben eigentlich nie so richtig zurecht und hatte sich immer gewünscht, nach Berlin zu ziehen. Zudem fiel der Umzug in jene Zeit, in der ich anfing, sehr viel Geld durch meine Fernseharbeit zu verdienen. Ich habe in Baden-Württemberg damals über 50 Prozent Steuern bezahlt, in Westberlin lag der Steuersatz jedoch bei nur 38 Prozent. Auch das Steuernsparen war also ein Umzugsgrund (lacht). Der dritte Grund war, dass ich hauptsächlich mit Filmfirmen zusammengearbeitet habe, die in Berlin saßen. Ich bin also sowieso vier, fünf Mal im Monat für ein paar Tage nach Berlin geflogen. Dadurch hat es sich einfach angeboten, nach Berlin zu ziehen. Das haben wir dann auch getan – und prompt ist die Mauer gefallen und der Steuervorteil war weg, aber alles andere ist geblieben (lacht).

Die Mentalität von Berlinern und Schwaben gilt als sehr gegensätzlich. Hatten Sie am Anfang Schwierigkeiten, sich in Berlin heimisch zu fühlen?
Huby: Ja, das ist mir schon schwergefallen und eigentlich habe ich bis heute Probleme damit (lacht). Ich schreibe jetzt seit einigen Jahren ja auch Romane, die in Berlin spielen – auch, um den Berlinern auf diese Weise ein bisschen heimzuzahlen, was sie mir alles angetan haben. Es ist ein ambivalentes Verhältnis: ich liebe Berlin sehr, eigentlich genauso wie Schwaben, aber man muss sich an die Mentalität der Berliner erst gewöhnen – vor allem natürlich, wenn man, so wie ich, im pietistischen Württemberg aufgewachsen ist. Wenn man jedoch gelernt hat, mit den Berlinern so umzugehen, wie sie mit einem selbst umgehen, dann kommt man gut mit ihnen zurecht.

Über Ihre Arbeitsweise beim Schreiben sagten Sie einmal: „Ich schreibe so, wie ich lese.“ Wie meinen Sie das?
Huby: Wenn ich schreibe, habe ich zunächst eine Grundidee und erste Figuren im Kopf, die jedoch noch nicht ausgeformt sind. Es tritt dann relativ schnell ein Zustand ein, in dem die Figuren selbst handeln und vieles tun, womit ich gar nicht gerechnet hätte. Ich lasse mich also von der Handlung fortziehen, lasse geschehen, was die Figuren tun und brauche ihre Handlungen nur aufzuschreiben. Manchmal gehe ich wirklich nur an den Schreibtisch, um zu erfahren, wie es weitergeht. Das ist schwer zu vermitteln, das ist ein tranceähnlicher, sehr vergnüglicher Zustand. Und deshalb ist Schreiben so ein bisschen wie Lesen für mich – und dass man für dieses Vergnügen auch noch Geld bekommt, ist natürlich doppelt schön. (lacht)

Sie halten es also nicht wie der amerikanische Drehbuchlehrer Syd Field, der allen Autoren rät, erst mit dem Schreiben zu beginnen, wenn man meint, alles über seine Figuren zu wissen?
Huby: Nein, bei mir entwickeln sich die Figuren vollkommen frei. Am Anfang weiß ich gar nichts über sie, am Ende alles. Ich habe ohnehin nie nach Syd Field gearbeitet, ich bin nicht der Typ, der analytisch an Dinge herangeht. Ich kenne Field aber natürlich, habe ihn gelesen und bei ihm auch vieles theoretisch bestätigt gefunden, was ich praktisch mache, aber nie bewusst gelernt habe. Zu mir hat einmal eine junge Redakteurin gesagt, ich hätte die Grundbegriffe der Dramaturgie nicht verstanden. Darüber war ich natürlich sehr verärgert. Als ich meiner Frau von diesem Vorfall erzählte, meinte sie ganz gelassen: „Die Redakteurin hat ja eigentlich recht. Du hast einfach immer aus dem Bauch heraus alles richtig gemacht.“ Ich habe also von Natur aus gewusst, wie das Drehbuchschreiben funktioniert, ohne die Dramaturgie gelernt zu haben. Das ist so etwas wie eine Naturbegabung, für die man eigentlich nur dankbar sein kann.

Sie arbeiten immer wieder mit Co-Autoren zusammen. Wie muss man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?
Huby: Das ist ganz unterschiedlich, es kommt auf den jeweiligen Co-Autor an. Es gibt Co-Autoren, die haben Fähigkeiten, die ich nicht habe. Ich habe mit Gunther Scheuthle zum Beispiel jahrelang einen Co-Autor gehabt, der solche skurrilen Dialoge schreiben konnte wie Karl Valentin – das konnte ich nicht. Ich habe ihn dann gebeten, bestimmte Segmente des Drehbuchs zu übernehmen, was wunderbar funktioniert hat. Es gibt andere Co-Autoren, die im Erfinden von Plots hervorragend sind, im Dialogschreiben jedoch eher schwach. Ich selbst bin eher schwach, wenn es um das Erfinden von Gefühlsdingen in Geschichten geht, da arbeite ich dann mit solchen Autoren zusammen, die in diesem Bereich stark sind. Und meine Drehbücher sind meist zu sehr dialogorientiert. Man kann vieles in Bildern ausdrücken, ohne dass geredet wird. Auch da lasse ich mir von Kollegen, die besser filmisch denken können als ich, helfen.

Und wie läuft die Zusammenarbeit dann praktisch ab?
Huby: Ich gehe mit dem jeweiligen Co-Autor in Klausur. Wir sitzen uns dann gegenüber und entwickeln Szene für Szene. Ich sitze am Computer, wir spielen die Dialoge hin- und her, diskutieren die Szenen und ich schreibe sie dann auf. Entscheidend bei all diesen Dingen ist jedoch, dass ich der Headwriter bin, dass also ich schreibe, nicht der andere. Ich überarbeite dann am Ende auch noch mal alles und übernehme die Verantwortung.

In der Presse hieß es immer wieder, Sie würden eine „Schreibfabrik“ betreiben und Ihre Co-Autoren ausbeuten…
Huby: Ich habe aufgehört, dagegen vorzugehen, aber Tatsache ist, dass jeder Autor, der mit mir zusammenarbeitet, auch genannt wird und selbstverständlich am Honorar beteiligt ist. Das ist ein faires System. Aber natürlich sind es Co-Autoren, als diese werden sie ja auch ausgewiesen.

Sie sagten einmal, dass Sie beim Schreiben „lieber fabulieren statt recherchieren“, also lieber auf Ihre Phantasie zurückgreifen als große Recherchen anzustellen. Warum? Man könnte Ihnen Faulheit vorwerfen…
Huby: Das muss man im Kontext sehen. Ich war so lange Zeit Journalist und musste recherchieren, was wirklich Knochenarbeit war. Das war auch eine andere Zeit, heute kann man vieles ja einfach im Internet nachschlagen. Als ich dann anfing, Romane und Fernsehspiele zu schreiben, hatte ich große Lust, nicht mehr zu recherchieren, sondern nur noch zu fabulieren. Das habe ich nach meiner langjährigen Arbeit im Journalismus sehr genossen, allerdings habe ich schon recht bald bemerkt, dass es ganz ohne Recherche doch nicht geht. Und dann habe ich eben in Gottes Namen wieder angefangen, zu recherchieren. (lacht) Wobei ich mir da auch immer wieder Hilfe geholt und manchmal Rechercheaufträge an junge Kollegen vergeben habe.

Zitiert

Ich bin ein Unterhaltungsschriftsteller und habe nie behauptet, Günter Grass oder Martin Walser zu sein.

Felix Huby

Ihr Kollege Horst Bosetzky sagte über Sie, Sie schrieben Fernsehspiele so, wie andere Leute ihre Einkaufszettel. Können Sie sagen, wie viele Seiten Text Sie am Tag schreiben?
Huby: Ich schreibe nicht mehr ganz so viel wie früher, aber ein Tagessatz von 30, 35 Drehbuchseiten ist durchaus normal. Beim Drehbuch ist aber natürlich auch viel Luft drin, manchmal stehen auf einer Seite nur zwei Dialogsätze. Beim Roman müsste man es umrechnen, für einen 400-Seiten-Roman brauche ich sicher ein Vierteljahr. Allerdings mache ich zwischendurch auch immer noch andere Dinge, schreibe also zum Beispiel mal einen Artikel für eine Zeitung oder ein Theater-Programmheft. Diese kleineren Dinge entstehen dann parallel zu einem Roman oder einem Drehbuch. Ich habe zum Beispiel gerade ein Hörspiel für den ARD-Radio-Tatort geschrieben, das im kommenden Jahr produziert wird. Wenn ich in diesem bereits erwähnten, tranceartigen Zustand bin, dann kann wirklich ziemlich viel entstehen. Schreibblockaden hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht und darüber bin ich natürlich sehr glücklich.

Es würde den Rahmen sprengen, würde man hier alle Serien aufzählen, die Sie erfunden und für die Sie Drehbücher geschrieben haben. Aber gibt es eine Serie oder eine Figur, auf die Sie besonders stolz sind?
Huby (wie aus der Pistole geschossen): Ja! Am stolzesten bin ich sicherlich auf meinen Bienzle – sowohl auf die Romane, als auch auf die 25 „Tatort“-Folgen. Sehr stolz bin ich auch auf den Pfarrer Wiegandt aus „Oh Gott, Herr Pfarrer“. Diese Serie war in den Achtzigerjahren extrem erfolgreich, da hatten wir bei einer Folge eine Einschaltquote von 48 Prozent. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Auch „Abenteuer Airport“ mit Hansjörg Felmy und Ezard Haußmann bedeutet mir noch viel und auch auf die Schimanskis bin ich natürlich stolz, daran war ich ja aber nur kurze Zeit beteiligt.

Und gibt es eine Serie, die Sie gerne noch länger geschrieben hätten?
Huby: Ja. „Oh Gott, Herr Pfarrer“ hätte ich gerne noch weitergeschrieben, die Serie war damals eigentlich auch von Seiten des Senders auf längere Sicht angelegt. Da hätte man sicherlich noch drei, vier oder mehr Staffeln machen können, aber da hat dann der Hauptdarsteller, also Robert Atzorn, schon nach der ersten Staffel gesagt, dass er aufhören will. Da waren wir, die an der Serie beteiligt waren, sehr frustriert, aber Atzorn war nicht umzustimmen und ohne ihn konnte man natürlich nicht weitermachen. Wir haben dann versucht, die Serie auf eine andere Weise fortzusetzen – mit einer Pfarrerin. Da waren die Bücher meiner Meinung nach zwar besser, die Filme aber schlechter. Und vor allem wurde die Serie vom Publikum nicht angenommen.

Sie haben alles erreicht, was man als Drehbuchautor erreichen kann. Haben Sie trotzdem noch Träume oder gibt es Herausforderungen, die Sie reizen würden?
Huby: „Träume“ oder „Herausforderungen“ fände ich jetzt zu hochgegriffen, aber es gibt schon noch ein paar Dinge, die mich interessieren. Ich schreibe momentan an einem Drehbuch für einen Kinofilm mit Horst Krause und Marianne Sägebrecht. Das ist ein Stoff, der mir sehr gut gefällt und bei dem ich hoffe, dass er umgesetzt wird. Und die anderen Pläne, die ich jetzt mit 70 noch habe, beziehen sich eigentlich mehr auf die Bereiche Roman und Theater. Da gibt es einige Projekte, die ich gerne noch machen würde.

Schon vor zehn Jahren erzählten Sie in einem Interview, dass Sie davon träumen würden, einen Roman zu schreiben, der die Geschichte eines Dorfes über einen Zeitraum von 100 Jahren erzählt. Ist dieser Roman immer noch geplant?
Huby: Ja, diesen Roman will ich tatsächlich noch in Angriff nehmen und die Recherchen dafür sind eigentlich schon seit einiger Zeit abgeschlossen. Das ist wirklich noch ein großer Traum von mir, diesen 1000 Seiten-Roman über ein Dorf im Schwäbischen zu schreiben. Vielleicht schaffe ich es noch – das hängt davon ab, wie viel Kraft mir noch bleibt. Im Augenblick arbeite ich eigentlich nicht viel weniger als vor zehn, fünfzehn Jahren und die Leute nehmen mir meine Sachen auch noch gerne ab, insofern ist da kein Einbruch zu erkennen. Ich möchte es jetzt in nächster Zeit aber eher ein bisschen langsamer angehen lassen.

Seit einigen Jahren schreiben Sie wieder verstärkt fürs Theater, im September feierte Ihr Stück „Die Nibelungen vom Killesberg“ in Stuttgart Premiere. Was reizt Sie am Theater?
Huby: Das Reizvolle am Theater ist die kreative Zusammenarbeit mit den Leuten, die das Theater machen, dass man im Grunde zusammenarbeitet, bis der Vorhang am Premierenabend hochgeht und dass man alle Beteiligten gut kennt. Beim Film ist es so: ich gebe mein Drehbuch ab und irgendein Regisseur wird damit beauftragt, es zu verfilmen – da sitze ich dann aber schon längst wieder an einem anderen Drehbuch und habe den Stoff eigentlich schon fast wieder vergessen. Und dann inszeniert der Regisseur das Buch womöglich auch noch völlig anders, als man sich das beim Schreiben vorgestellt hatte. Beim Theater hingegen entsteht eine richtige Künstlerfreundschaft; das finde ich faszinierend und gefällt mir sehr. Ich mag es, mit Regisseuren und Dramaturgen, denen ich vertraue und mit Schauspielern, die ich mag, einen Stoff weiterzuentwickeln und bis zu einer gewissen Reife zu bringen. Und selbst bei der Hauptprobe kann man im Prinzip noch Sätze ändern, Szenen streichen oder umbauen. In die Inszenierung selbst mische ich mich nicht ein, aber in das Inhaltliche.

Mit der Figur des Berliner Kommissars Peter Heiland entwickelten Sie 2005 eine weitere populäre Krimifigur, die es mittlerweile auch ins Fernsehen geschafft hat. Wie entstand die Figur Peter Heiland?
Huby: Als ich mit meinen Romanen von Rowohlt zu Fischer gewechselt bin, habe ich mich mit dem Verlagsleiter getroffen und wir haben Pläne geschmiedet. Ich habe dann erklärt, dass ich gerne auch Hardcover-Bücher machen würde, nicht nur Taschenbücher. Der Verlagsleiter Peter Lohmann war einverstanden und meinte, man könnte für diese Hardcovers doch einfach eine neue Figur erfinden. Wir haben dann gemeinsam die Figur Peter Heiland und die Grundkonzeption der Reihe entwickelt. Ich habe jetzt gerade das Manuskript für das vierte Buch abgeschlossen.

Worum geht es in diesem vierten Heiland-Roman?
Huby: Es geht um Jugend- und Bandenkriminalität. Alle Spielorte des Romans habe ich übrigens gemeinsam mit meiner Frau aufgesucht. Wir sind immer sonntagmorgens aufgebrochen und sind zu den Plätzen gefahren, die im Roman eine Rolle spielen und wo sich die Kriminalität, über die ich im Buch schreibe, auch real abspielt. Das war natürlich unglaublich spannend und dadurch nimmt man die Stadt auch wieder ganz anders wahr, von einer anderen Seite.

Liest man die Heiland-Romane, erscheinen Sie einem rauer und trister als die Bienzle-Bücher. Inwiefern spielt auch Berlin als Kulisse hierbei eine Rolle?
Huby: Berlin spielt dabei eine große Rolle, ein Berlin-Roman ist schließlich ein Großstadtroman. Eine Großstadt hat ein anderes Tempo, einen anderen Sound, man muss die Geschichten also anders erzählen. Das mache ich nicht bewusst, das ergibt sich einfach ganz automatisch beim Schreiben, indem ich meine Berlin-Eindrücke verarbeite.

Sie haben in den letzten Jahren auch mehrere Familienfilme für die „Degeto“ geschrieben. Die „Degeto“-Produktionen werden häufig als „Schmonzetten“ und „dramaturgischer Einheitsbrei“ verspottet. Ärgert Sie so etwas?
Huby: (lacht) Überhaupt nicht, solche Bemerkungen lassen mich vollkommen unbeeindruckt. Ich bin ein Unterhaltungsschriftsteller und habe nie behauptet, Günter Grass oder Martin Walser zu sein. Wenn Leute sagen, meine Kriminalromane hätten eine gewisse literarische Qualität, freut mich das, aber ich bin nicht angetreten, um ein großer, gefeierter E-Schriftsteller zu werden. Mein Ziel war es immer, die Leute zu unterhalten. Als die „Degeto“, die Produzentin Regina Ziegler und ich dann angefangen haben, gewissermaßen den Heimatfilm neu zu erfinden, habe ich das mit sehr großem Vergnügen getan. Ich habe ja beispielsweise auch die ersten 260 Folgen von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ geschrieben. Wenn so etwas auf mich zukam und ich fand die Aufgabe spannend, dann habe ich es gemacht. Inzwischen habe ich mich aber auch wieder ein bisschen von den Heimatfilmen abgewendet. Ich denke, jetzt, wo meine Zeit langsam zu Ende geht, möchte ich nur noch ernsthafte Sachen machen – wobei so eine Schmonzette, bei der man bis zu den Ellbogen in die Gefühle hineingreift, natürlich auch Spaß macht (lacht).

Können Sie ein Beispiel für so ein ernsthaftes Projekt nennen?
Huby: Ich schreibe gerade ein Drehbuch über eine historische Figur, nämlich die erste Waschfrau von Köpenick, die im 19. Jahrhundert zur Unternehmerin wurde. Das ist eine unheimlich faszinierende Frau und die Arbeit an diesem Projekt macht mir viel Spaß. Das ist im Gegensatz zu einem „Degeto“-Heimatfilm natürlich eine ganz andere Dimension, auch in finanzieller Hinsicht. Aber wohl gemerkt: Auch dieser Film wird von der „Degeto“ produziert, in diesem Fall zusammen mit dem RBB.

Ist das Fernsehgeschäft härter geworden?
Huby: Ja, das Fernsehgeschäft ist extrem viel härter geworden. Das hat zum einen damit zu tun, dass der Wettbewerb am Markt für die Fernsehanstalten härter geworden ist und dass sich die Öffentlich-Rechtlichen dummerweise auf diesen Wettbewerb eingelassen haben, was eigentlich nicht notwendig wäre. Das Problem liegt aber zum anderen auch darin, dass es immer weniger Fernsehspiel-Sendeplätze gibt, dafür umso mehr Talkshows und Reality-Formate – und dafür braucht man natürlich keine versierten Drehbuchautoren. Hinzu kommt, dass ich selber mit anderen dazu beigetragen habe, dass man eine gute Ausbildung für Drehbuchautoren entwickelt. Es gibt inzwischen mehrere sehr gute Drehbuchschulen in Deutschland und tolle junge Kollegen. Problematisch ist eben, dass immer mehr Autoren um einen immer schmaleren Markt kämpfen. Und dieser Konkurrenzkampf gibt wiederum den Redakteuren in den Sendeanstalten die Möglichkeit, oft mit sehr viel Hochmut und Selbstbewusstsein mit den Autoren umzugehen. Nicht alle Redakteure haben das Pulver erfunden, da gibt es sicherlich welche, die hätten besser einen anderen Beruf ergreifen sollen, haben dann aber plötzlich die Macht, Geld auszugeben – und dieses Machtgefühl spielen sie bisweilen gerne gegenüber den Autoren aus. Diese Entwicklung finde ich schade.

Schauen Sie sich eigentlich privat viel im Fernsehen an?
Huby: Immer weniger, weil ich mich nicht mehr als Teil des Systems begreife. Früher war das anders, aber jetzt verbringe ich meine freien Abende lieber im Theater, im Kino oder mit Freunden. Ich gucke natürlich auch fern, es dauert manchmal nur eben eine Weile, bis ich etwas finde, was mich interessiert, auf Arte zum Beispiel. Fußballspiele gucke ich mir auch regelmäßig an, ich bin ein bekennender Fußball-Fan. Aber natürlich gibt es ab und an auch in ARD und ZDF noch erstklassige Fernsehspiele, das darf man nicht bestreiten. Aber das sind dann immer Perlen, die man suchen muss. Ich versuche, auf dem Laufenden zu bleiben, aber man kann mich heute nicht mehr fragen, wie ich diese oder jene Folge einer bestimmten Serie gefunden habe. Das war früher anders.

Im kommenden Jahr erscheint ein neuer Bienzle-Roman. Haben Sie beim Schreiben eigentlich Ihren ursprünglichen Roman-Bienzle oder Dietz-Werner Steck vor Augen?
Huby: Das ist eine interessante Frage, denn das macht mich wirklich fertig. (lacht) Ich habe ja zunächst den Roman-Bienzle geschaffen und erst dann kamen die Verfilmungen mit Dietz-Werner Steck, den ich auch selbst für die Bienzle-Rolle vorgeschlagen hatte. Aber Steck sieht ja nun ganz anders aus als der Bienzle im Roman, wo er ein bisschen wie ich aussieht – 1,90 Meter groß, ein bisschen füllig… (lacht) Und dann war also plötzlich der Schauspieler da, und man kommt beim Schreiben gar nicht drum herum, immer an den Schauspieler aus den Filmen zu denken. Und so hat sich der Roman-Bienzle mit der Zeit immer mehr dem Film-Bienzle angenähert – zwar nicht an den Schauspieler, aber an die Figur aus den Filmen. Dem kann man sich gar nicht entziehen. Aber ich denke, auch für die Leute ist es gut. Die Bienzle-Filme hatten bis zu zehn Millionen Zuschauer und die Menschen, die einen Bienzle-Roman kaufen, kennen in aller Regel natürlich die Fernsehfigur. Für mich war es aber auch umgekehrt blöd. Ich habe so viele Bienzle-Drehbücher geschrieben, dass dann mein erster Bienzle-Roman nach langer Zeit immer so eine Art Drehbuch geworden ist.

Obwohl Ihre Bienzle-Romane häufig politisch brisante Themen wie illegale Atommüllentsorgung, Obdachlosigkeit oder kriminelle Politiker behandeln, werden sie von Kritik und Publikum eher als Unterhaltungskrimis wahrgenommen. Stört Sie das?
Huby: Nein, das hat mich nie gestört. Die Dinge, die ich sagen will, kann ich ja sagen – und sage ich auch. Unterhaltung ohne eigene Haltung ist nicht möglich, da soll man es lieber gleich lassen oder Lore-Romane schreiben. Ich habe meine politische Haltung nie verheimlicht und habe sie immer wieder in meine Romane oder auch in meine Filme einfließen lassen, sofern es die Fernsehleute zugelassen haben. Ich war von Anfang an von den Soziokrimis beeinflusst – als ich zu schreiben begann, gab es ja bereits Sjöwall/Wahlöö, –ky , Michael Molsner und Irene Rodrian. Das waren sicherlich Vorbilder für mich. Für mich war aber auch Friedrich Glauser mit seinem Wachtmeister Studer und seinen heimatbezogenen Romanen ein Vorbild. Glausers Romane, die ja auf eine gewisse Weise auch Regionalkrimis sind, haben mich noch viel mehr fasziniert als die Gesellschaftskritik, die ich üben konnte. In dieser Tradition sehe ich mich. Es gab Leute, die haben mir vorgeworfen: „Du bist ja nur so erfolgreich, weil du Heimatromane schreibst.“ Und dann habe ich geantwortet: ja, sicher, ich will ja auch gar nichts anderes machen, als Heimatromane zu schreiben. Dazu bekenne ich mich auch und so soll es bleiben.

2 Kommentare zu “Mein Ziel war es immer, die Leute zu unterhalten.”

  1. Karl Homeier |

    Co-Autoren

    Schade, dass er mit keinem Atemzug seinen Co-Autor Dieter de Lazzer nennt, obwohl Planet wenigstens das große Huby-Portrait aus dessen Feder erwähnt. An vielen der genannten Erfolge, wie den Bienzle Tatorten oder Oh Gott Herr Pfarrer war de Lazzer als Co-Autor beteiligt.

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  2. myheadphones |

    Interessant, aber…

    … was an Schimanski hat er entwickelt und was ist ein Heimatroman?

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