Herr Huby, mal über den Daumen gepeilt: Wissen Sie, wie viele Tage Ihres schriftstellerischen Lebens Sie mit Kriminalhauptkommissar Ernst Bienzle von der Stuttgarter Mordkommission verbracht haben?
Huby (lacht): Das weiß ich leider nicht, das kann ich noch nicht einmal schätzen. Aber ich denke, zusammengerechnet komme ich da schon auf etwa fünf Jahre. Ich habe als Drehbuchautor neben Bienzle ja auch noch viele andere Figuren entwickelt – die „Tatort“-Kommissare Schimanski und Palu beispielsweise oder den Pfarrer Wiegandt aus „Oh Gott, Herr Pfarrer“ –, Bienzle ist jedoch ohne Frage meine Hauptfigur, meine Lieblingsfigur und somit natürlich auch die Figur, mit der ich mich am meisten und über den längsten Zeitraum hinweg beschäftigt habe.
Seit 1977 haben Sie 18 Bienzle-Romane geschrieben, zwei Bienzle-Kurzgeschichtenbände, ein Bienzle-Theaterstück, 24 Drehbücher für Bienzle-„Tatorte“ und fünf Bienze-Hörspiele.Nun erschien mit „Adieu Bienzle“ nach 34 Jahren der letzte Bienzle-Roman. Warum ist Schluss mit Ihrer Lieblingsfigur?
Huby: Bienzle hat nun einfach die Pensionsgrenze erreicht, im Unterschied zu anderen Romanhelden ist er ja auch innerhalb der Romane immer älter geworden. Er stirbt nicht, sondern geht am Ende des letzten Romans ganz normal in Pension, das kann ich verraten. In seinem letzten Fall beschäftigt er sich aber sehr – und das ist auch autobiographisch – mit der Frage, was mit einem Menschen passiert, wenn er nicht mehr berufstätig ist, in den Ruhestand geht, alt wird und die letzten Runden seines Lebens vor ihm liegen. Mit diesen Gedanken beschäftige ich mich momentan natürlich ebenfalls und so war es für mich auch durchaus spannend, darüber zu schreiben.
Könnte Bienzle nicht auch als Pensionär weiterermitteln – so wie beispielsweise Bella Block in der gleichnamigen ZDF-Krimireihe?
Huby: Ich will nicht komplett ausschließen, dass er vielleicht in zwei Jahren aus dem Ruhestand heraus noch einmal einen Fall löst, aber ich glaube eigentlich nicht, dass ich noch einen weiteren Roman mit ihm schreiben werde. Ich denke, Bienzles Zeit ist nun vorbei. Es gibt ihn schon seit vier Jahren nicht mehr als „Tatort“-Kommissar und folglich sind natürlich auch die Auflagenzahlen der Romane rückläufig. Wir haben bei den Büchern längst nicht mehr die Riesenauflagen, wie wir sie früher hatten – natürlich auch dank Bienzles Popularität als „Tatort“-Kommissar. Der letzte Roman erregt nun noch einmal eine gewisse Aufmerksamkeit und ich finde es selbst erstaunlich, wer sich alles dafür interessiert. Es gibt Anfang Dezember in Stuttgart und Berlin zwei große Buchpremieren, Harald Schmidt hat mich zu sich in die Sendung eingeladen, Journalisten interessieren sich. Darüber freue ich mich natürlich.
Aber es schwingt doch sicherlich auch Wehmut mit?
Huby: Natürlich, mit dem letzten Bienzle-Roman geht etwas zuende. Aber mein ganzes Leben geht ja zuende (lacht).
Aber doch hoffentlich noch nicht so bald!
Huby: Das hoffe ich, aber zumindest mein Autorenleben neigt sich nun dem Ende zu – wenngleich ich natürlich trotzdem noch sehr viel arbeite, auch abgesehen von Bienzle. Aber irgendwann merkt man einfach, dass die Kraft nicht mehr so da ist wie noch vor ein paar Jahren. Auch mit Peter Heiland, meinem zweiten Roman-Kommissar, geht es leider nicht weiter. Ich hätte noch einen schönen Stoff, aber der Verlag will die Reihe nicht fortführen und ich wiederum möchte den Verlag nicht noch einmal wechseln, deshalb bleibt’s jetzt bei den vier Heiland-Romanen, die seit 2005 erschienen sind.
Im Grunde ist es ja auch legitim, wenn Sie mit 72 Jahren nicht mehr so viel arbeiten, andere Menschen sind in diesem Alter längst im Ruhestand. Erinnern Sie sich eigentlich noch an den Moment, als Sie den letzten Satz des letzten Bienzle-Romans geschrieben haben?
Huby: Es war ehrlich gesagt kein besonderer Moment, sondern ich war froh, dass ich fertig war, so wie immer (lacht). Ich bin dann – ebenfalls wie immer – mit meiner Frau abends schön Essen gegangen, um den Abschluss des Romans zu feiern. Insofern hat sich das Schreiben des letzten Romans nicht von der Arbeit an den vorangegangenen Romanen unterschieden. Man muss ja ohnehin sagen, dass ein Roman mit dem Schreiben des letzten Satzes noch längst nicht fertig ist, weil ich ihn anschließend ja auch noch einmal mit meiner Lektorin überarbeite, bevor er dann endgültig in den Druck geht.
Im ersten Bienzle-Roman „Der Atomkrieg von Weihersbronn“ von 1977 taucht Bienzle nur am Rande auf, im Mittelpunkt der Geschichte steht der Journalist Hans Kilper. War Kommissar Bienzle damals dennoch bereits als Serienfigur geplant?
Huby: Ja. Dazu muss man allerdings wissen, dass „Der Atomkrieg von Weihersbronn“ gar nicht mein erster Bienzle-Roman gewesen ist. Er ist zwar als erster Bienzle-Krimi erscheinen, doch geschrieben hatte ich ihn als zweiten Roman. Mein erster Bienzle-Krimi war „Tod im Tauerntunnel“. Ich war damals in der Kur, weil ich ein paar gesundheitliche Probleme hatte, und habe aus Langweile angefangen, die Geschichte zu schreiben – übrigens auf einer Reiseschreibmaschine, was mir dann noch Ärger mit meinem Nachbarn in der Kurklinik eingebracht hat, weil er bei meinem Krach nicht schlafen konnte (lacht).
Sie haben sich aber trotzdem nicht vom Schreiben abhalten lassen?
Huby: Selbstverständlich nicht (lacht)! Den fertigen Roman habe ich schließlich dem Rowohlt-Verlag angeboten, die wollten ihn auch veröffentlichen, haben aber gleich gefragt, ob ich noch weitere schreiben möchte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich tatsächlich schon mit meiner Recherche für den „Atomkrieg von Weihersbronn“ begonnen und habe Richard K. Flesch, dem Lektor bei Rowohlt, davon erzählt – und er war gleich hellauf begeistert: „Diese Geschichte ist ja ein Knüller, lass uns damit anfangen, dann haben wir gleich einen Kracher am Anfang“. Und so war es dann ja auch, „Der Atomkrieg von Weihersbronn“ war ein sensationeller Erfolg.
Stimmt es eigentlich, dass Bienzle seinen Namen einem Stuttgarter Metzger zu verdanken hat?
Huby: Das stimmt tatsächlich. Ich habe für meinen Kommissar nach einem schwäbischen Namen gesucht und wir haben unser Fleisch damals immer bei einer Metzgerei Bienzle in Stuttgart-Vaihingen gekauft – und von dieser Metzgerei habe ich mir den Namen ausgeliehen. Das ist insofern interessant, als dass ich den Namensgeber nie persönlich kennengelernt habe, er sich aber wohl irgendwann einmal bitter darüber beschwert hat, dass wir uns nie begegnet sind. Es gab übrigens zu jener Zeit auch noch einen Lokalchef bei den Stuttgarter Nachrichten, der Bruno Bienzle hieß. Auch er hat eine Zeit lang gemeint, er wäre der Namensgeber. Aber darauf war ich gar nicht gekommen; es war wirklich der Metzger, der Bienzle seinen Namen gegeben hat.
Erinnern Sie sich noch, wie Sie vorgegangen sind, als Sie die Figur Ernst Bienzle entwickelt haben?
Huby: Ich habe immer aus dem Bauch heraus geschrieben und so hat Bienzle natürlich vieles von mir. In die Figur sind bei der Entwicklung sehr viele meiner eigenen Charaktereigenschaften eingeflossen; ich habe ihr allerdings auch Eigenschaften mitgegeben, die ich selbst nicht habe, die ich aber gerne hätte, zum Beispiel Schlagfertigkeit oder Erfolg bei Frauen. Insgesamt ist Bienzle aber dennoch eine sehr autobiographische Figur. Wir haben die gleiche Statur, er stammt aus dem gleichen schwäbischen Dorf wie ich, sein Vater war Lehrer, mein Vater ebenfalls. Und so sind natürlich auch Bienzles Kindheitserinnerungen in den Romanen immer meine eigenen Kindheitserinnerungen.
In „Adieu Bienzle“ spielen diese Kindheitserinnerungen noch einmal eine besondere Rolle, denn Bienzles Fall führt ihn zurück in seine eigene Vergangenheit.
Huby: Ja, Bienzle erhält zu Beginn des Buches einen Anruf von seiner Tante Gerlinde, die in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb lebt und die die Leser schon vor sechs Jahren im Roman „Bienzle und die letzte Beichte“ kennengelernt haben. Die Tante ist am Telefon ganz aufgeregt und sagt: „Ich glaube, ich habe etwas Dummes gemacht, du musst unbedingt kommen“. Etwas später erfährt Bienzle dann, dass seine Tante gestorben ist. Er fährt auf die Schwäbische Alb und stellt dort fest, dass sie ermordet wurde. Natürlich beginnt Bienzle gleich zu ermitteln. Seine Ermittlungen führen ihn dabei zurück bis in seine Kindheit, in die Jahre 1947 bis 1950, als Bienzle als Kind immer bei seiner Tante gewesen ist. Es gibt im Roman also zwei Zeitebenen und Bienzle ermittelt so lange, bis ihm die Zusammenhänge klar werden und der Tod seiner Tante aufgeklärt ist.
„Adieu Bienzle“ ist der 19. Bienzle-Roman. Haben Sie unter Ihren Büchern eigentlich einen Roman, den Sie selbst besonders gerne mögen?
Huby: Besonders mag ich immer noch den „Atomkrieg von Weihersbronn“. Und „Null Chance“, den vierten und letzten Fall von Peter Heiland. In diesem Roman steckt auch sehr viel Arbeit; zwar nicht allein meine Arbeit, weil ich mich beim Schreiben auf die Recherchen meines Freundes Zoran Solomun stützen konnte, aber die ganze Geschichte ist sehr authentisch, es stimmt alles und ich glaube, mir sind schöne Figuren gelungen.
Wie sieht heute Ihr Tagesablauf aus? Sitzen Sie immer noch jeden Tag am Schreibtisch?
Huby: Ja, daran hat sich nicht viel geändert. Ich mache zwar insgesamt weniger, habe aber trotzdem immer noch gut zu tun. Im Moment arbeite ich an einem Hörspiel für den Südwestrundfunk, das ist fast fertig. Eine schwäbische Mundart-Komödie. Und ansonsten schreibe ich sehr viel fürs Theater. Mit meinem Co-Autor Hartwin Gromes sitze ich gerade an einem Musical für die Freilichtbühne Schwäbisch Hall, Arbeitstitel: „Die zweite Flucht des Casanova“. Casanova war mal – das steht in seinen Memoiren – für sieben Tage in Stuttgart und wollte dort eigentlich eine Spielbank gründen, wie er es zuvor auch bereits in Paris getan hatte. Die schwäbischen Offiziere, die selbst heimlich Spielhöllen betrieben haben, wollten das allerdings verhindern und es gelang ihnen auch, Casanova fix und fertig zu machen und ihn in die Flucht zu schlagen. Diesen authentischer Stoff bearbeiten wir als Musical und die Musik dazu soll der Jazzkomponist Wolfgang Dauner schreiben.
Haben Sie mittlerweile denn auch Ihren „Jahrhundert-Roman“ in Angriff genommen? Vor drei Jahren haben Sie in einem Interview erzählt, dass Sie davon träumen, die Geschichte eines Dorfes und seiner Bewohner über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten zu erzählen.
Huby: Mit diesem Roman habe ich in der Zwischenzeit tatsächlich angefangen (lacht)! Da arbeite ich mich gerade rein. Es gibt bis jetzt 100 Seiten, aber die Arbeit erweist sich als viel schwieriger, als ich gedacht hatte. Es soll eine richtige Saga über ein schwäbisches Dorf werden, die den Zeitraum der Jahre 1944 bis in die heutige Gegenwart abdeckt.
Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich mit Sicherheit wieder genauso viel arbeiten.
Fürs Fernsehen schreiben Sie mittlerweile nicht mehr so viel?
Huby: Doch, ich arbeite zum Beispiel nach wie vor fürs „Großstadtrevier“, dafür habe ich gerade mit großem Vergnügen eine weitere Folge geschrieben. Und dann habe ich noch für Horst Krause und Marianne Sägebrecht eine Komödie mit dem Titel „Der Mond von Lübbenau“ verfasst und ich hoffe, dass sie demnächst gedreht wird. Aber ansonsten läuft meine Fernseharbeit aus, das ist ganz klar. Das sagen mir jetzt auch die Redakteure – ich höre immer häufiger das Argument, ich sei langsam zu alt fürs Drehbuchschreiben.
Kränkt Sie das nicht?
Huby: Ich war ja früher genauso und wollte auch nichts mit den alten Säcken zu tun haben. Insofern finde ich es durchaus verständlich, dass die Redakteure in den Fernsehspielredaktionen, die alle nicht älter als 30 oder 40 sind, lieber mit Leuten in ihrem Alter zusammenarbeiten möchten.
Gibt es auf dem Gebiet der Drehbuchautoren denn Ihrer Meinung nach guten Nachwuchs? Als Zuschauer hat man oft den Eindruck, die Filmstoffe im deutschen Fernsehen würden immer seichter und beliebiger.
Huby: Eigentlich haben wir guten Nachwuchs. Ich habe ja selber Kurse für angehende Drehbuchautoren gegeben und kann sagen, dass allein aus meinen Kursen im Laufe der letzten zehn, zwölf Jahre sechs, sieben hervorragende Autoren hervorgegangen sind. Man muss in diesem Zusammenhang aber auch ehrlicherweise zugeben, dass das ganze seichte Zeug, das produziert wird, ja zum größten Teil von älteren Autoren geschrieben wird. Vielleicht lassen viele Produktionsfirmen die jungen Autoren also auch gar nicht ran. Gerade bei den oft kritisierten Schmonzetten der „Degeto“ ist das ganz sicher so.
Über 30 Jahre lang haben Sie unheimlich viel geschrieben, Romane, Hörspiele, fürs Fernsehen. Denken Sie im Rückblick manchmal, Sie hätten weniger arbeiten und lieber mehr Zeit mit der Familie, Freunden oder Hobbys verbringen sollen?
Huby: Überhaupt nicht. Gut, meine Familie hätte vielleicht ein bisschen mehr von mir erwartet, aber meine Freunde haben sich beispielsweise immer gewundert, dass ich so viel Zeit für sie hatte und habe. Ich glaube, ich könnte gar nicht anders leben. Ich kann mir ein Leben ohne das Schreiben überhaupt nicht vorstellen, zumal das Schreiben ja auch gleichzeitig mein größtes Hobby ist. Und alle anderen Hobbys – Reisen, Wandern oder Skifahren – sind dennoch nicht zu kurz gekommen, die habe ich immer gut mituntergebracht. Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich mit Sicherheit wieder genauso viel arbeiten.
Wenn Sie an Ihre Anfangszeit als Journalist und später dann als Schriftsteller zurückdenken, erinnern Sie sich dann auch an Versagensängste oder Pannen?
Huby: Nein – und es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts anderes erzählen kann (lacht). Mein Selbstbewusstsein war, was mein Talent und meinen Beruf anbelangt, immer sehr ausgeprägt. Ich habe mir stets alles zugetraut und habe nach dem Motto „Es muss doch mehr als alles geben“ immer wieder etwas Neues ausprobiert. Ich konnte etwas und habe mich dann sofort gefragt, was als nächstes kommen könnte.
Nach den Romanen waren es die Hörspiele und Drehbücher, dann ein Musical, Theaterstücke.
Huby: Genau. Jetzt mache ich wieder etwas völlig Neues, was ich aber mit großer Freude angehe, nämlich Kinder- und Jugendtheater. Die Leiterin des Kinder- und Jugendtheaters Böblingen möchte in drei Jahren, wenn sie in Rente geht, ein Stück im Freien inszenieren, an dem alle Schauspieler, die jemals mit ihr gearbeitet haben, noch einmal mitwirken sollen – das können 100 sein, vielleicht auch nur 40. Und dafür soll ich die Geschichte schreiben. Das Ganze wird in einer Kleingartenkolonie spielen und dort wird nun schon die Kulisse angelegt und bepflanzt, damit das Bühnenbild in drei Jahren fertig ist. Auch auf meine alten Tage mache ich also noch einmal etwas ganz Neues und so war es eigentlich immer bei mir.
Ich würde trotzdem noch einmal gerne kurz auf das Thema Versagensängste zurückkommen, denn dass Sie gar keine hatten, glaube ich Ihnen nicht so recht. Es gibt ja die Geschichte, dass Sie als junger Journalist nach Terminen immer erst zu sich nach Hause sind, um den Text für Ihren Artikel vorzuformulieren, damit es später in der Redaktion so aussah, als würden Sie ihn mühelos heruntertippen.
Huby: Das stimmt, das war ein Trick. Ich habe meinen zuhause in Steno vorformulierten Text in der Redaktion als Notizen ausgegeben und wollte dadurch Eindruck schinden. Es sollte so aussehen, als würde ich innerhalb kürzester Zeit aus meinen Notizen den fertigen Text formulieren. Manchmal habe ich mich sogar absichtlich am Kopf gekratzt, damit es so aussah, als müsste ich nachdenken (lacht). Als ganz junger Journalist hatte ich tatsächlich Versagensängste, das muss ich zugeben und insofern muss ich meine Aussage von eben revidieren. Ich hatte ja zum Glück ein Volontariat bekommen, obwohl ich nicht einmal das Abitur hatte. Die anderen Volontäre waren alle Akademiker und ich habe immer gedacht: „Das kann doch eigentlich gar nicht sein, dass du das trotzdem auch kannst“. Ich bin dann auch tatsächlich einmal zu meinem Chef und habe gesagt: „Jetzt sagen Sie’s doch, dass ich es nicht kann“. Der ist aus allen Wolken gefallen und von da an ist mein Selbstvertrauen zunehmend größer geworden.
Gibt es, wenn Sie auf Ihre Autoren-Karriere zurückblicken, Gefühle der Dankbarkeit? Haben Sie bestimmten Personen etwas zu verdanken?
Huby: Oh ja, da gibt es eine ganze Reihe an Personen. Zunächst Richard K. Flesch, mein erster Lektor beim Rowohlt-Verlag. Dann zwei Filmproduzenten: Wolf Bauer von der UFA und der verstorbene Otto Meissner von der Novafilm. Mit beiden gab es auch mal Krach, weil sie mich übers Ohr gehauen hatten, aber insgesamt war das eine unheimlich gute Zusammenarbeit. Sowohl Bauer als auch Meissner waren Produzenten, die gewusst haben, dass man ohne gutes Drehbuch keinen guten Film machen kann – das ist heute leider gar nicht mehr Allgemeinwissen.
Beide haben sich also vor ihre Autoren gestellt?
Huby: Ja, für sie waren die Drehbuchautoren immer unglaublich wichtig und sie haben sie immer geschützt. Beide hatten auch sehr gute Dramaturgen angestellt, um die Qualität der Bücher noch weiter zu optimieren. Bauer und Meissner habe ich wirklich eine ganze Menge zu verdanken. Sicher vergesse ich jetzt auch den einen oder anderen, aber diese drei Figuren sind für mich im Laufe meines Autorenlebens sehr wichtig gewesen. Oder auch Karl Wieder, mein Chef bei der Schwäbischen Donau Zeitung, der mich sehr gefördert hat.
Man braucht zum Schreiben eine gute Beobachtungsgabe und gerade bei Ihren Geschichten hat man oft den Eindruck, sie sind direkt aus dem Leben gegriffen. Beobachten Sie viel in der wirklichen Welt?
Huby: Ich bin wie ein Schwamm, was das angeht. Ich bin immer mit offenen Augen und Ohren unterwegs. Aber das Beobachten geschieht ganz automatisch, ich lege es nicht drauf an. Ich gehe also nicht vorsätzlich in eine Kneipe und mache dort lange Ohren, aber ich gehe natürlich in die Kneipe und wenn ich dort etwas Interessantes aufschnappe, nehme ich es mit. Ich sauge alles auf. Insofern verstehe ich auch Kollegen nicht, die in südlichen Ländern oder auf Inseln leben und dort schreiben. Michael Baier ist zum Beispiel ein hervorragender Serienautor, der erst in Boston gelebt hat und jetzt in Florida wohnt. Er hat Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen, schreibt aber trotzdem fürs deutsche Fernsehen einen Serienhit nach dem anderen.
„Um Himmels Willen“, „Adelheid und ihre Mörder“ oder „Samt und Seide“.
Huby: Das könnte ich nicht, ich könnte nicht in einem anderen Sprachraum leben. Ich werde auch immer wieder gefragt, ob ich denn nach über 20 Jahren in Berlin überhaupt noch Schwäbisch sprechen könne. Aber selbstverständlich kann ich das noch! Ich bin ja noch oft in Stuttgart und spreche auch mit meiner Familie und mit Freunden Schwäbisch, das verlernt man nicht.
Haben Sie in Berlin trotzdem manchmal Heimweh nach Stuttgart, nach Ihrer Heimat?
Huby: Richtiges Heimweh nicht, aber manchmal fehlt mir schon etwas. Meine Frau und ich haben im September eine Radtour durch das Kochertal und das Jagsttal in Baden-Württemberg gemacht, acht Tage lang, alles in allem so um die 300 Kilometer. Dort gibt es eine zauberhafte Landschaft, die habe ich wirklich sehr genossen. Und damit kann das ewig flache Brandenburg natürlich nicht mithalten (lacht). Aber ich bin sehr gerne in Berlin und fühle mich hier auch schon seit vielen Jahren heimisch. Ich werde häufig gefragt, wann ich für immer nach Baden-Württemberg zurückkehre, aber das ist sehr unwahrscheinlich.
Gibt es in Berlin Orte, an denen Sie sich besonders gerne aufhalten?
Huby: Ich bin sehr gerne am Stuttgarter Platz in Charlottenburg. Dort haben meine Frau und ich an der Windscheidstraße auch unsere Lieblingskneipe, in die wir nach dem Theater oder nach dem Kino immer gerne gehen. Im Sommer kann man dort auch schön draußen sitzen. Da ich in den letzten Jahren ein leidenschaftlicher Radfahrer geworden bin, finde ich aber natürlich auch den Grunewald wunderschön. Wir fahren oft zum Teufelsberg, zum Grunewaldturm oder zum Teufelssee, wo wir auch schwimmen gehen. Das sind Orte, an denen ich wirklich gerne bin. Im Gegensatz zu vielen anderen Leuten mag ich aber auch den Potsdamer Platz, dort halte ich mich ebenfalls gerne auf. Und ansonsten versuche ich, nach und nach einen Berliner Kiez nach dem anderen kennenzulernen – und da gibt es natürlich viel zu tun, weil sich ständig alles verändert.
Über viele Jahrzehnte haben Sie das deutsche Fernsehen mit unzähligen Fernsehserien, Einzelfilmen und „Tatort“-Folgen geprägt. Gibt es denn heute im Fernsehen etwas, was Sie sich in Ihrer Freizeit selbst gerne ansehen?
Huby: Ich gucke immer noch hin und wieder den „Tatort“, allerdings habe ich da auch meine Vorlieben und muss zugeben, dass mir nicht alle Kommissare gefallen. Wie die meisten Menschen mag ich den „Tatort“ aus Münster sehr gerne, wobei der letzte im September zugegebermaßen eine Katastrophe war. Normalerweise mag ich die Komik in den Filmen, aber beim letzten Mal ging es mir dann doch zu weit. Ansonsten sehe ich auch die Münchner Kommissare Batic und Leitmayr sehr gerne und ich mochte immer die „Polizeiruf 110“-Folgen mit Edgar Selge und Michaela May, die habe ich mir wirklich alle angesehen. Und ansonsten sind es vor allem politische Sendungen, Dokumentationen und Sportübertragungen, die mich interessieren. Ich bin Fußball-Fan und wenn beispielsweise die Champions League läuft, schaue ich sie mir nach Möglichkeit an. Allerdings gucke ich immer weniger fern, was ich als Fernsehautor eigentlich gar nicht zugeben dürfte.
Berlin bietet ja auch genügend Möglichkeiten, die Abende anderweitig zu verbringen.
Huby: Das stimmt, meine Frau und ich gehen oft ins Theater, werden auch hin und wieder zu Veranstaltungen eingeladen. Im Schnitt sind wir sicher ein Mal in der Woche im Theater, gehen ansonsten viel ins Kino oder treffen uns mit Freunden – und damit sind dann schon einmal zwei, drei Abende in der Woche weg. Ich sehe eigentlich nur fern, wenn ich abends müde und abgespannt bin und mich ein wenig entspannen möchte. Manchmal hat man Glück und findet einen schönen Film auf arte oder zdf.kultur, aber im Großen und Ganzen gibt es im Fernsehprogramm selten Überraschungen. Oftmals fühle ich mich auch unterfordert – und zwar bei Filmen, wie ich sie früher selber manchmal geschrieben habe (lacht). Wenn der Film anfängt und ich dann schon weiß, wie er ausgeht, langweile ich mich. Ich bin deshalb gerade dabei, mir eine kleine Videothek mit DVDs zusammenzustellen; zum Beispiel habe ich mir kürzlich die „Thriller-Bibliothek“ der Süddeutschen Zeitung besorgt. Diese Videothek möchte ich auch im Hinblick auf das weitere Alter ausbauen, sodass ich mich abends mit meiner Frau auch mal hinsetzen und ganz bewusst einen bestimmten Film sehen kann.
Haben Sie denn ein Lieblingstheater in Berlin, wenn Sie so oft ins Theater gehen?
Huby: Am liebsten gehe ich in die Schaubühne am Lehniner Platz, wahrscheinlich hat das aber auch mit der Nähe zu unserer Wohnung zu tun, dorthin können wir ganz gemütlich mit dem Fahrrad fahren. Ich gehe auch gerne ins Berliner Ensemble und ins Deutsche Theater, ins Gorki-Theater kommen wir komischerweise nur ganz selten. Wir sind zudem auch Opern-Liebhaber, in die Deutsche Oper gehen wir gerne, noch lieber allerdings in die Komische Oper. In letzter Zeit haben wir auch angefangen, uns die Off-Theater anzugucken, da gibt es ebenfalls tolle Sachen. Im Grunde kommt man gar nicht nach.
Das Interview entstand im September 2011.