Fettes Brot, könnt ihr mir als Mittzwanziger erklären, wie man mit fast Vierzig noch Party macht?
Björn Beton: Ich war schon auf Partys, auf denen nur 40-Jährige waren und auf Partys, wo nur 20-Jährige waren. Ich muss sagen: So groß ist der Unterschied gar nicht.
Doktor Renz: Die Unterschiede sind meistens erst am nächsten Morgen festzustellen.
Also könnt ihr die Formel „Alter mal Alkoholkonsum gleich Kater-Grad am nächsten Morgen“ bestätigen?
König Boris: Wein und Bier geht noch, aber wenn Schnäpse ins Spiel kommen tut es lange weh. Das ist meine Formel.
Björn Beton: Ich bin froh, dass ich mich schon lange nicht mehr mit Formeln auseinandersetzen muss – und ich werde sicherlich nicht mehr damit anfangen. Ich lebe lieber in dem jugendlichen Leichtsinn und Irrglauben, dass ich mein Leben lang immer wieder die gleichen Fehler machen kann… darf… muss.
Präferiert ihr am Abend vorher das stilvolle Ausgehen oder den Exzess?
König Boris: Das eine leitet gerne mal in das Andere über. Wir sind aber eher die Kneipengänger. Da gibt es bei uns auf Sankt Pauli natürlich genügend Auswahl.
Doktor Renz: Am Schönsten finde ich es, wenn man sich in einem Viertel rumtreibt, in dem sich ohne große Absprache der halbe Freundeskreis trifft, weil gerade alle in Ausgehwut sind.
Euer Album „3 is ne Party“ spielt mit vielen Musik-Einflüssen aus den 80ern und 90ern. Wolltet ihr den Sound wiederbeleben, zu dem ihr früher feiern gegangen seid?
Doktor Renz: Wir haben die Platte gar nicht so bewusst retrogewandt gesehen. Es ist tatsächlich ein natürlicher Prozess gewesen. Was uns von Anfang an geeint hat war das Ungestüme und die Wildheit nach vorne zu blicken. Das haben wir in dem Motto „3 is ne Party“ wiedergefunden.
König Boris: Natürlich fließt die Musik, die wir jetzt hören und auch früher gehört haben immer mit ein. Aber das ist nichts, was man sich bewusst vornimmt. Irgendwann im Produktionsprozess merkt man, welcher rote Faden dahintersteckt: Es knallt alles ordentlich und geht wieder ein bisschen mehr zur Sache.
Zelebriert ihr mit dieser Platte, dass Fettes Brot nach der Bandpause wieder zusammen sind?
Doktor Renz: Wir haben uns unserem Kern wieder angenähert, was Fettes Brot als Band, Gemeinschaft und Textfabrik ausgemacht hat. Da haben wir uns wahrscheinlich instinktiv unserer innerlichen Feiernatur zugewandt.
Aber wir müssen nicht den verspäteten Miley Cyrus-Abschiedsmoment vom Teenagersein befürchten?
Doktor Renz: (lacht) Wir hoffen es nicht. Ich glaube, wir versuchen mit jeder neuen Platte uns neu zu erfinden und drauf zu scheißen, was schon mal da war. Wir gucken, worauf wir jetzt Lust haben, worauf wir uns gemeinsam einigen können und vor allem worüber wir jetzt lachen können. Das war für uns ein wichtiges Motiv. Wenn wir drüber lachen können, dann kann auch die Welt drüber lachen. Wir hoffen, dieser teuflische Plan geht auf.
König Boris: Wir versuchen immer Langeweile und Wiederholungen zu vermeiden und zerschlagen auch gerne mal Dagewesenes und fangen wieder ganz von vorne an.
Björn Beton: Wir versuchen vor allem, Langeweile und Wiederholungen zu vermeiden.
Doktor Renz: Was uns tierisch annervt, sind Langeweile und Wiederholungen.
Fettes Brot: Kannste kommen (A capella)
Was habt ihr in der Bandpause persönlich für euch mitgenommen?
König Boris: Ich habe ja ein Soloalbum aufgenommen und dabei gemerkt, dass es schwieriger ist, alleine zu texten, als zu dritt. Insofern habe ich mich sehr gerne in die Arbeit zu dritt gestürzt. Der Wert der Pause war es, sagen zu können, wie geil es ist, gemeinsam Musik zu machen und Fettes Brot zu sein.
Doktor Renz: Der Wunsch, eine Pause zu machen, bildete sich nicht daraus, dass wir uns auf die Nerven gingen oder nicht mehr miteinander konnten. Wir wollten uns gegenseitig die Chance ermöglichen, was Anderes auszuprobieren. Aber natürlich kann das auch eine Sollbruchstelle für Bands sein, wenn die Mitglieder plötzlich mit Soloprojekten beginnen. Natürlich ist die Angst dagewesen, ob wir uns wirklich, wie geplant, später wiederfinden. So ist es dann gekommen, aber ganz sicher waren wir uns nie.
Die Pause war also auf unbestimmte Zeit?
Björn Beton: Genau. Das war aber auch das erste Mal, dass wir das nach außen so kommuniziert haben. Sonst haben wir einfach den Mund gehalten und sind nicht mehr aufgetreten.
König Boris: Aber wir standen immer in Kontakt. Die Jungs mussten mir ja ihre Schulden zurückzahlen. Wir haben uns irgendwann getroffen und haben drüber geschnackt, wann wir mal wieder eine neue Platte machen wollen. Aber es fühlte sich ganz natürlich an.
Wenn Schnäpse ins Spiel kommen tut es lange weh.
Seit eurem letzten Studioalbum vor fünf Jahren hat sich einiges getan im Deutschrap, mittlerweile hören wir immer mehr HipHop im Radio. Habt ihr diese Entwicklung verfolgt?
König Boris: Wir haben schon immer geguckt, welchen neuen Scheiß es gibt. Mittlerweile finden wir die Sachen aber auch gut. Ich habe das Gefühl, dass es mittlerweile von Gangstarap bis zu Leuten wie Cro oder Alligatoah eine immer größere Vielfalt gibt.
Wie erklärt ihr euch den Erfolg, den Deutschrap gerade genießt?
Björn Beton: Die heutige Generation denkt nicht mehr drüber nach, was man machen darf und was nicht. Die legen einfach los. Die sehen, es gab so etwas wie Fettes Brot, wie Advanced Chemistry, aber auch Bushido oder Kool Savas. Alles ist möglich.
Doktor Renz: Das finde ich sehr inspirierend an jemandem wie Cro. Der haut ein paar kostenlose Mixtapes raus, in denen er überhaupt keine Scham hat Instrumentals und Hooklines von anderen zu nehmen und sie ins Deutsche zu übertragen. Diese Open-Source-Idee wirkt für Ältere Rap-Nerds vielleicht etwas respektlos gegenüber den Quellen. Aber es ist erfrischend, wenn Leute kommen und sagen: Ich scheiße auf die ganzen Konventionen, ich mache mein Ding. Genau das gleiche Gefühl hatte ich auch bei Sido damals, der sich auch nicht um die Geschichte von Rap geschert hat.
König Boris: Das ist ja auch für uns inspirierend. Ich weiß nicht, ob wir nochmal so ein Album gemacht hätten, wenn Rap auf dem Level von vor zehn Jahren stehen geblieben wäre. Dadurch, dass es so viel gutes Zeug von links und rechts gibt, ist unser sportlicher Ehrgeiz groß, denen zu zeigen, wo der Frosch die Locken hat.
Ihr fühlt euch von den Cros, Caspers und McFittis noch nicht verdrängt?
König Boris: Ach, quatsch. Die beleben ja auch Einiges. Ich glaube, wenn ständig was Geiles rauskommt, werden sich die Leute eher wieder HipHop zuwenden und sich noch eine CD mehr als weniger kaufen.
Doktor Renz: Die können sich ja auch eine Cro-CD brennen und unser Album kaufen. Man kann seine Geldressourcen kreativ verteilen.
Nehmt ihr euch denn immer noch als Teil der HipHop-Szene war?
Doktor Renz: Wir haben uns immer als Teil dieser Gemeinschaft gesehen, auch wenn manche Protagonisten uns nicht immer als Teil davon akzeptiert haben. Wir waren jedenfalls schuld daran, dass zu früh zu viele junge Mädels auf den HipHop-Jams waren.
Sido sagte uns im Interview, er sehe Rap als eine Jugendkultur und dass er kein Album von einem 45-Jährigen KRS-One mehr hören will. Ihr geht ja auch auf die 40 zu…
Björn Beton: Wenn KRS-One ein Album machen würde, dass so revolutionär und neu ist, dann ist es mir egal, ob der 25, 45 oder 65 ist. Guck dir Jay-Z an. Der ist 45, geht immer neue Wege und dehnt die Grenzen aus.
Doktor Renz: Es gilt natürlich mit jeder Platte neu zu beweisen, dass man noch mitspielen will. Natürlich hat man hin und wieder Zweifel, ob die Leute das noch checken, und ob das zu weit entfernt von den Lebensumständen eines 15-Jährigen entfernt ist, damit er das noch verstehen kann. Aber schau dir die Ärzte an. Die schaffen es auch immer noch, Jugendliche mit ihren Songs zu berühren.
Björn Beton: Neue Überschrift: „Fettes Brot wollen Jugendliche berühren…und zwar untenrum“.