Herr Mayer, das vierte Grand-Slam-Turnier des Jahres steht kurz bevor. Reisen sie eher euphorisch oder pessimistisch zu den US Open nach New York?
Ich spiele zuvor ja noch die Turniere in Montreal und Cincinnati, bin also vier Wochen am Stück drüben, New York ist dann das letzte Turnier für mich. Einerseits ist es schön, andererseits ist es auch eine der anstrengendsten Reisen des Jahres. Die Bedingungen sind nicht einfach, es kann dort sehr heiß und schwül werden. Trotzdem ist ein Grand-Slam-Turnier immer ein Highlight für mich. Ich werde versuchen, alles zu tun, um dort so gut wie möglich zu spielen.
Haben Sie auch Angst, dass es wie bei den anderen großen Turnieren in diesem Jahr ein frühes Aus für sie geben könnte?
Daran darf ich nicht denken. Ich muss dieses Mal einfach einen Weg finden, um anders aufzutreten. Ich darf mich auch nicht mehr so sehr unter Druck setzen wie zuletzt in Paris und Wimbledon, dann wird es bestimmt auch klappen.
Bei den drei Grand Slams 2011 sind Sie nach guten Erstrundenmatches jeweils in der zweiten Runde gescheitert. Können Sie diese Aufs und Abs immer schnell verarbeiten?
Ja, schon. In der restlichen Zeit des Jahres habe ich ja auch richtig gutes Tennis gespielt. Natürlich sind frühe Niederlagen bei Grand Slam-Turnieren besonders enttäuschend, vor allem, wenn man in der zweiten Runde einen vermeintlich leichten Gegner hat. Aber aus Niederlagen lernt man immer, sie helfen für die Zukunft.
Ist der mediale Druck mit Schuld daran, dass Sie auf dem Platz manchmal den Kopf nicht ganz frei haben?
Dazu möchte ich nichts sagen.
Würden Sie nicht sagen, dass die Medien Sie stark beeinflussen? Teils sagen Sie ja nach gewonnenen Matches, dass Sie es Ihren Kritikern jetzt gezeigt hätten.
Das habe ich einmal in Hamburg gesagt. Aber ich möchte es nicht weiter kommentieren. Leider sind einige Medienvertreter in ihrer Berichterstattung tendenziell eher negativ. Das finde ich sehr schade, aber es hilft nichts, jeder muss seinen eigenen Weg finden, um damit klar zu kommen.
Zurück zur Vorbereitung auf die US Open. Es heißt, Sie würden derzeit besonders an Ihrer Fitness und mentalen Stärke arbeiten.
Ja, das stimmt.
Können Sie diese Vorbereitung ein bisschen näher beschreiben?
Ich habe das Turnier in Hamburg gespielt, war dann fünf Tage im Urlaub und hatte anschließend einen Einsatz in der Bundesliga. Zurzeit absolviere ich ein normales Trainingspensum und lege den Fokus dabei ein bisschen mehr auf das Fitnesstraining und weniger auf’s Tennis.
Und wie trainieren Sie Ihre mentale Stärke?
Ich habe jemanden, der mir dabei hilft. Aber ins Detail möchte ich hierzu nicht gehen.
Wenn Sie vor einem Turnier Ihre Ziele beschreiben, sagen Sie häufig, das alles denkbar ist, was auf dem Papier realistisch erscheint. So vorsichtig wären Ihre Vorbilder Boris Becker und Pete Sampras sicher nie in ein Turnier gegangen. Müssten Sie, bei Ihrem Potential, nicht selbstbewusster sein und sich höhere Ziele stecken?
Klar habe ich ein großes Potential – aber die Zeit von Becker und Stich ist vorbei, so etwas wird es in Deutschland auch so schnell nicht wieder geben. Jeder, der sich im Tennis auskennt, weiß, was ich leiste. Dort, wo ich jetzt stehe, das haben mir die wenigsten zugetraut. Und alles, was jetzt kommt, ist eine Zugabe. Natürlich gibt es die Möglichkeit, noch weiter nach vorne zu kommen. Aber ich muss mich dafür erst mal bei den großen Turnieren beweisen.
Dort, wo ich jetzt stehe, das haben mir die wenigsten zugetraut. Und alles, was jetzt kommt, ist eine Zugabe.
Trotzdem sind Ihre Zielsetzungen doch eher zurückhaltend formuliert.
Ich bin eben nicht der Typ, der sich hinstellt und beispielsweise sagt, dass ich in New York ins Halbfinale kommen werde. Solche Aussagen treffe ich einfach nicht.
Aber Sie glauben daran?
Natürlich. Wenn ich nicht daran glauben würde, dass ich es schaffen kann, bräuchte ich gar nicht erst dort hinzufliegen.
Das deutsche Herrentennis hat in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt durch Ihre Erfolge, immer mal wieder einen Hype erlebt, aber nie an die Glanzzeiten der 80er und 90er anknüpfen können. Nun sagen Sie, diese Zeiten wird es in Deutschland auch so schnell nicht wieder geben. Das Damentennis ist dem Herrentennis in dieser Hinsicht voraus …
Ja, natürlich. Die Damen haben geschafft, was die Herren nicht geschafft haben, nämlich bei den Grand Slam-Turnieren gut zu spielen. Das ist uns nicht gelungen, keiner der deutschen Herren war dieses Jahr bei einem Grand Slam-Turnier in der dritten Runde. Von daher ist es auch klar, dass die Damen derzeit mehr Aufmerksamkeit bekommen.
Dass dem deutschen Herrentennis die Typen fehlen, wie es Nicolas Kiefer kürzlich ausdrückte, ist dennoch falsch?
Das war eine Aussage von ihm, die ich persönlich nicht nachvollziehen kann.
Zumindest der Zusammenhalt scheint den deutschen Tennisherren nicht abhanden gekommen zu sein, das machte zuletzt Ihr Triumph beim World Team Cup deutlich.
Ja, wir sind eine gute Gemeinschaft, kommen alle aus Bayern und kennen uns gut. Ich glaube, einen Zusammenhalt wie in diesem Davis-Cup-Team gab es in Deutschland noch nie. Vielleicht ganz früher, aber es besteht auf jeden Fall ein deutlich besseres Verhältnis, als zu der Zeit, in der Haas und Kiefer zusammen gespielt haben.
Fühlen Sie sich als Teamspieler auch besonders wohl?
Ja, das macht sehr viel Spaß. Es ist mal etwas ganz anderes und in den wenigen Wochen im Jahr schon auch etwas besonderes.
Weil man auf der ATP-Tour eher als Einzelkämpfer unterwegs ist?
Das ist richtig, man ist dann auf sich allein gestellt. Ich bin allerdings auch jemand, der gerne sein eigenes Ding macht und seine Ruhe hat.
Wie sehen Sie denn die deutschen Einzelkämpfer bei den US Open abschneiden – mal ganz euphorisch eingeschätzt?
Das hängt auch von der Auslosung ab. Ich bin wahrscheinlich der einzige, der gesetzt sein wird, und der Rest muss auf eine gute Auslosung hoffen. Es wäre schon mal gut, wenn es jemand in die dritte Runde schafft.
Da sich der Altersdurchschnitt erfolgreicher Tennisspieler im Vergleich zu den 80er und 90er Jahren weltweit nach oben verschoben hat: Glauben Sie, dass die derzeit aktiven deutschen Tennisherren noch reifen und ganz nach vorne kommen können?
Auf jeden Fall. Wir sind jetzt im besten Tennisalter, zwischen 25 und 30. Wir haben viele Erfahrungen gesammelt und wissen, worauf es ankommt. Das weiß ein 20-Jähriger einfach noch nicht.
Sehen Sie sich selbst in den kommenden fünf Jahren in den Top 10 der Weltrangliste?
Das ist natürlich ein Ziel, und es wäre sehr schön, wenn ich dieses Ziel irgendwann erreichen könnte. Ich nehme es mir vor, aber es wird noch ein längerer Prozess sein, bis ich es schaffen kann.