Frank Bethmann

Ich sehe bei Transparenz eher die Vorteile.

Frank Bethmann ist Wirtschafts-Experte des ZDF. Für sein Buch "Über Geld reden" hat er mit Prominenten und Profis Gespräche über deren Finanzen geführt. Im Interview spricht Bethmann über Transparenz, mangelnde Finanzbildung, Gehaltsunterschiede, Geldanlagen, die Vorstände der Sparkassen – und ab welchem Jahresgehalt man sich privat eine gute Altersvorsorge einrichten kann.

Frank Bethmann

© Rico Rossival / ZDF

Herr Bethmann, für Ihr aktuelles Buch „Über Geld reden“ haben Sie sich mit mehreren Prominenten über deren Finanzen unterhalten. Wie sind Sie vorgegangen bei diesem nicht ganz einfachen Thema?
Frank Bethmann: Als ich die verschiedenen Gesprächspartner anfragte, hat erstmal niemand gesagt „Super, lassen Sie uns über Geld reden“. Es ist ja normalerweise ein Tabu-Thema. Aber dann haben wir uns hingesetzt – und die meisten haben sich gewundert, wie sie sich doch so viel über das Thema haben unterhalten können. Ich bin natürlich nicht mit der Tür ins Haus gefallen und habe direkt nach dem Gehalt gefragt, sondern man hat sich dem Thema langsam genähert.

Das Spektrum Ihrer Gesprächspartner reicht von Gunter Gabriel bis Sahra Wagenknecht. Gab es Gemeinsamkeiten?
Bethmann: Bei vielen hatte das Verhältnis zu Geld mit der Kindheit zu tun, damit wie man groß geworden ist. Wir haben im Grunde ja das Problem, dass über Geld einerseits relativ wenig geredet wird, dass in den Schulen dazu aber auch wenig unterrichtet wird. Woraus folgt, dass viele relativ sorglos und teilweise schlecht mit dem Geld umgehen, insbesondere was Geldanlage anbelangt.
Für mich zeigte sich durch die Gespräche auch, dass die Prominente mit den gleichen Problem umgehen müssen, die auch der Durchschnittsbürger im Alltag hat.

Welcher Gesprächspartner hat Sie überrascht?
Bethmann: Rainer Voss, ein ehemaliger Investmentbanker, sagte auf meine Frage nach der Geldanlage, dass er sein Geld vor allem in Unternehmensanleihen angelegt hat, von BMW, VW usw. Denen leiht man Geld und bekommt es nach einer gewissen Laufzeit mit 7% Zinsen zurück. Aktien dagegen waren bei seinen Anlagen überhaupt nicht dabei. Dabei kennt er das Geschäft sehr gut und weiß natürlich, was Aktien bieten. Das hat mich überrascht, dass er da so gar nicht risikoaffin war.

bethmann-coverSie haben also auch mit Profis gesprochen.
Bethmann: Ja, dadurch, dass ich mich mit „Wissenden“ unterhalten habe, hat das Buch sein Fundament bekommen. Friedrich von Metzler (Bankhaus Metzler) und sein geschäftsführender Vorstand Emmerich Müller haben zum Beispiel erklärt, dass im Moment durch den Niedrigzins keine Anlageklasse noch wirklich mit einem richtigen Risiko behaftet ist. Anders gesagt: Es gibt überall Blasenbildungen, rund um den Globus, in fast sämtlichen Anlageklassen, ob Staatsanleihen, Immobilien oder Aktien. Das führte uns im Gespräch auch zur Altersvorsorge, wo von Metzler der Ansicht ist, dass viele Leistungsversprechen in Zukunft nicht eingehalten werden können.

Viele Bürger vertrauen dagegen auf die Altersvorsorge.
Bethmann: Ja, in Deutschland gibt es generell ein großes Vertrauen in den Staat und ein Verständnis, dass der Staat sich kümmern muss. Das ist auch eine Erklärung dafür, warum wir in Deutschland so wenig Eigenheimbesitzer haben. In Südeuropa beispielsweise sind es viel mehr, weil dort das Vertrauen in den Staat geringer ist, man vertraut viel mehr auf das, was man selbst mit Arbeit schaffen kann. Ich denke, dass uns hierzulande ein bisschen mehr Eigeninitiative gut tun würde.

Apropos Rente: Ab welchem Jahresgehalt kann man sich privat eine gute Altersvorsorge einrichten?
Bethmann: Ich denke, wenn man 60.000 brutto hat, kann man das schon gut managen. Aber auch wenn es weniger ist: 25 oder 50 Euro hat jeder im Monat irgendwo über, selbst wenn das Geld extrem knapp ist. Wenn ich so etwas in einen Sparplan anlege, das sehr früh mache und den Zinsenzins effektiv berücksichtige, dann kommen da am Ende relativ gute Summen bei raus.

Haben sich die Promis von den Profis unter Ihren Gesprächspartnern stark unterschieden?
Bethmann: Es gab eher Parallelen. Jemand wie Harald Schmidt oder Birgit Schrowange – die wissen ja auch, was Aktien sind. Sie sind am Produktivkapital von Unternehmen beteiligt, es geht nicht immer nur aufwärts, da ist auch ein bisschen Spekulation drin – da unterscheiden sie sich beim Umgang mit Geld nicht so sehr von den Profis. Man muss aber dazu sagen, dass es bei den Prominenten genauso eine Lernkurve gibt. Die haben auch mal Dinge in den Sand gesetzt, etwas falsch gemacht mit Aktien zum Beispiel. Harald Schmidt sagte, er habe 30% in Aktien angelegt, sei dadurch aber schon etwas gefährdet, weshalb er er sich einen hohen Betrag „weggebunkert“ habe, damit er da gar nicht erst rankomme.
Generell gibt es bei Aktien zwei Lager: Die einen befürworten es als Geldanlage, die anderen können sich damit weniger identifizieren und setzen dann eher auf Immobilien. Das ist in meinem Buch letztlich nicht anders als im Querschnitt der Bevölkerung.

Zitiert

Wenn die Frage des Gehalts nicht verschleiert wäre, dann würde es vermutlich nicht die großen Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen geben.

Frank Bethmann

Man erfährt in Ihrem Buch viel über den Umgang mit Geld, keiner beziffert jedoch sein Gehalt.
Bethmann: Birgit Schrowange zum Beispiel sagte von sich aus: „Sie dürfen mich aber nicht fragen, wie viel ich verdiene.“ Im gleichen Atemzug sagte sie jedoch auch „Warum eigentlich nicht? – Ist doch blöd.“

Wie ist Ihre Meinung dazu?
Bethmann: Also, wenn die Frage des Gehalts nicht verschleiert wäre, dann würde es vermutlich nicht die großen Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen geben. Es gibt ja Leute in der Gesellschaft, die ein Interesse daran haben, dass es verschleiert ist.

Zum Beispiel?
Bethmann: Unternehmen können mit dieser Intransparenz sehr gut leben. Dagegen ist beim Profi-Fußball mein Eindruck, dass es sehr viel transparenter ist. Da ist durch Zeitungsveröffentlichungen und die Berater-Szene mehr oder weniger bekannt, wo bei einem begehrten Spieler die Benchmarks sind. Und wenn ich so einen Spieler habe und behalten möchte, muss ich ihm frühzeitig ein höheres Gehalt anbieten, was seinem Marktwert entspricht. Da hat eine gewisse Transparenz durchaus Vorteile, die wir in der breiten Bevölkerung so nicht haben.

Welche Nachteile hat Transparenz für die Gesellschaft?
Bethmann: Ich sehe eher die Vorteile. Bei allen Dingen, die Sie kaufen, wird ja mittlerweile viel dafür getan, dass Angebote nicht mehr so leicht vergleichbar sind – damit ich als Anbieter eine gewisse Taxe, eine Gebühr erwirtschaften kann. Ich glaube, mit einer verstärkten Transparenz wären die volkswirtschaftlichen Preise für die Gesellschaft gerechter.
Oder wenn man das Thema Geldanlage nimmt, wo ist da die Transparenz? Es gibt 1,2 Millionen Finanzprodukte – die versteht kein Mensch. Da führt die Verschleierung nicht zu guten Ergebnissen.
Wobei die Menschen sich natürlich auch damit beschäftigen müssen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sind die Rufe nach Verbraucherschutz laut, aber ein Stückweit bester Verbraucherschutz ist es, wenn ich mich selbst vorher informiere. Das tun die Leute bei Geldanlagen noch viel zu wenig und spielen damit denen in die Hände, die den Markt verschleiern wollen. Deswegen ist für mich auch das Thema Finanzbildung sehr wichtig, damit sich die Leute selbst ein bisschen mehr schützen. Es ist nicht so schwierig, sich zu informieren, man muss halt nur einmal damit anfangen.

Welche Rolle spielt dabei das Fernsehen? Das ZDF zeigt einmal pro Woche das 50-minütige Magazin „WiSo“ – reicht das?
Bethmann: Es könnte immer mehr sein. Wobei die Dritten Programme beim Thema Wirtschaft ja auch einen ganz guten Job machen. Ich muss allerdings feststellen: Die Aufklärung durch die Verbrauchermagazine, die seit 20 Jahren läuft, hat nicht unbedingt dazu geführt, dass die Leute finanzmäßig aufgeklärter sind. Sie können Angebote machen, ein Stückweit müssen die Leute sich aber auch selbst bewegen. Sie müssen sich von selbst mit der Geldanlage beschäftigen, oder mit dem Thema Gehaltsverhandlung.
Sicher, es gibt genügend Scharlatane am Markt, deswegen ist es gut, dass wir einen starken Verbraucherschutz haben und dass das Fernsehen aufklärt. Doch das alleine reicht nicht. Auf der Gegenseite muss jemand sein, der sagt: OK, ich schaue mir das jetzt an und überlege, ob ich meinen Strom- oder Handyanbieter wechsele.

Und ein größeres Angebot zu Wirtschafts- bzw. Verbraucherfragen im TV würde nichts ändern?
Bethmann: Ich denke nicht. Es zeigt sich ja über die Jahre, dass sich da nichts ändert. Vielleicht ist es auch eine Frage der Mentalität.
Wir leben auch ein Stückweit in einer Neidgesellschaft, was dazu führt, dass sich die Menschen bei Geldfragen stark abschotten. Wenn jemand Schulden gemacht hat, wird nicht darüber geredet, denn sich damit gegenüber anderen zu öffnen, ist schwierig. Man muss aber aus solchen Dingen lernen. Und das kann ich eigentlich nur, wenn ich es verarbeite und verstehe.

Die Neidgesellschaft, die Sie ansprechen: Ist das vielleicht ein Nachteil der Transparenz? Dass es zu mehr Neid führt?
Bethmann: Bei mir persönlich ist es nicht so. Ich war immer jemand der sich gesagt hat: Was kann ich selbst erreichen, was kann ich selbst beeinflussen? Und wenn andere mehr verdienen: Man muss auch jönne könne.

Angenommen Ihr Gehalt wäre transparent – würde das für Ihre Arbeit vor der Kamera irgendeine Rolle spielen?
Bethmann: Nein, das würde mich nicht beeinflussen oder beeinträchtigen. Wenn ich selbst Neymar beim Fußball zuschaue, dann spielt es für meine Beurteilung keine Rolle, ob er 20 oder 40 Millionen im Jahr verdient. Danach taxiere ich Menschen nicht. Es gibt das natürlich in der Neidgesellschaft, manche Menschen neigen dazu, andere danach zu taxieren. Und besonders in der Spitze führt es zu Neiddiskussionen. Doch in der breiten Masse würde mich eine Transparenz nicht stören.

Angenommen ich würde Ihnen einen Arbeitsvertrag anbieten, geknüpft an die Bedingung, dass Ihr Gehalt öffentlich einsehbar ist – wäre solch eine Bedingung ein Hindernis für Sie?
Bethmann: Nein, das wäre für mich überhaupt kein Hindernis. Das ist eine Transparenz, die ich gut finden würde.

Lassen Sie uns noch über eine Berufsgruppe sprechen, die auch lange Zeit nicht über ihre Gehälter gesprochen hat: Die Vorstände der Sparkassen. Gibt die öffentliche Hand an der Stelle zu viel aus für die hohen Gehälter und die Altersversorgung der Vorstände?
Bethmann: Es ist – hinter vorgehaltener Hand – eigentlich Common Sense, dass es viel zu viele Vorstände gibt. Wir haben ca. 390 Sparkassen in Deutschland, die haben alle Vorstände, oft mehrere, und die haben alle auch irrsinnige Gehälter. Diese Situation mit so vielen ‚Regionalfürsten‘ hätte man nicht, wenn man mehr Fusionen anstreben würde.

Die Gehälter der Vorstände sind heute in drei Bundesländern bekannt (Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein), seit die Landesparlamente entsprechende Gesetze beschlossen haben.
Bethmann: Ja, da führt Transparenz in die richtige Richtung, weil man sich dort öffentlich rechtfertigen muss. Am Ende des Tages kann das den Sparkassen-Kunden zugute kommen, wenn mehr Geld zum Beispiel für die Kreditvergabe zur Verfügung steht. Eine Stärke der Sparkassen ist ja, dass sie auch in der Fläche präsent sind. Allerdings wird dort im Zweifelsfall am ehesten gespart. Personal wird abgebaut, Öffnungszeiten verringert – da würde ich sagen, sollten sich die Sparkassen aber eher die Kosten leisten, als bei den Gehältern der Vorstände.
Es hat für mich auch ein Geschmäckle, wenn man bei den Sparkassen für Einlagen ab einer bestimmten Höhe keine Zinsen mehr bekommt sondern ‚Verwahrentgelte‘ zahlen muss. Die Sparkassen waren auch mit die ersten, die an den Bankautomaten Gebühren eingeführt haben, für Fremdkunden bzw. für eigene Kunden, die nur ein abgespecktes Giro-Produkt haben. Da denke ich, ist es wie in vielen anderen Bereichen auch: Es wäre besser, wenn man oben abspecken würde, statt unten bei den Kunden zu sparen.

Sie beschreiben die Deutschen in Ihrem Buch als „seltsames Völkchen“, das viel arbeitet, aber es nicht schafft „das Ersparte clever anzulegen“. Können Sie zum Schluss noch einen Tipp geben, für eine clevere Anlage?
Bethmann: Die Zinsen werden wahrscheinlich weiterhin relativ niedrig bleiben, was bedeutet: Ohne Risiko ist nichts mehr zu kriegen, zumindest nichts was oberhalb der Inflationsrate ist. Dem kann man Rechnung tragen in dem man seine Anlage streut. Auch ein bisschen in Gold anzulegen, ist nicht verkehrt.
Wer ganz wenig hat, dem empfehle ich einen ETF, beispielsweise einen, der den DAX oder den MSCI World abbildet. Also einen Fonds, der die Entwicklung eines großen Aktienindex nachbildet bei gleichzeitig geringen Kosten.
Den kann man als Sparplan machen, mit 25 oder 50 Euro im Jahr. Und wer ein bisschen mehr hat, kann gucken, ob er in Richtung Immobilie anspart.

Und man ist gut beraten, mehr über Geld zu reden als weniger?
Bethmann: Da würde ich auf jeden Fall zustimmen. Ich selbst habe mir immer überlegt, wenn ich etwas nicht verstanden habe, mit wem ich mich darüber unterhalten kann: Wenn es meine Eltern nicht waren, habe ich halt Freunde gefragt. Im Zweifelsfall bringt es immer etwas. Man kann ein bisschen recherchieren, sich mit Freunden unterhalten, man kann zur Verbraucherzentrale gehen, es gibt genügend Möglichkeiten, um sich ein Bild zu machen. Meine Botschaft wäre: Kommt, übernehmt für dieses Thema, was kein unwichtiges ist, ein bisschen mehr Selbstverantwortung. Das ist definitiv besser, als sich dem Thema Geld zu verschließen und am Ende zu klagen, wenn wieder irgendwas schiefgelaufen ist.

Das Interview fand Ende September 2017 in Mainz statt. Folgende zwei Fragen waren ebenfalls Teil des Interviews:
– Sie sprachen für Ihr Buch auch mit der Politikerin Sahra Wagenknecht. Auf deren Website findet man sehr detailliert, was sie wo verdient. Nun wird Ihr Gehalt ebenfalls vom Bürger bezahlt, doch es wird von Ihrem Arbeitgeber nicht öffentlich gemacht. Warum dieser Unterschied?
– Warum ist es Ihrer Meinung nach richtig so, dass Ihr Arbeitgeber eben nicht sämtliche Gehälter transparent macht?
Da Interviewer und Interviewter sich im Zuge der Autorisierung nicht einig darüber wurden, ob die hierauf gegebenen Antworten ‚off the record‘ waren, werden die Antworten hier nicht veröffentlicht.

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