Franka Potente

Eine Doppelrolle ist auch doppelte Arbeit.

Schauspielerin Franka Potente über die Arbeit am Kinofilm "Blueprint"

Franka Potente

© Ottfilm

Frau Potente, was ist das für ein Gefühl, wieder in Deutschland zu drehen?
Potente: Die Journalisten stellen oft so Fragen wie "Mensch, Sie kommen bestimmt gerade aus L.A. …" – Nein, ich bin eigentlich die ganze Zeit hier, wenn ich in Deutschland drehe. Ich habe immer in Deutschland gewohnt, ich mache hier Filme, alles andere war eigentlich nur ein Ausflug – das wird nur immer umgekehrt dargestellt. Insofern ist es völlig normal für mich, hier zu arbeiten, wo ich die letzten acht Jahre mehr oder weniger auch gearbeitet habe.

Sie werden in "Blueprint" erstmals in einer Doppelrolle zu sehen sein, die der Mutter Iris, und der ihrer Tochter Siri, einem geklonten Mutterzwilling. Was ist das Besondere an der Vorbereitung auf eine Doppelrolle?
Potente: Das ist doppelte Arbeit. Ich bin erst mal von der Mutterfigur ausgegangen, weil die ist ja quasi das Original. Die Tochter Siri ist die Kopie, eben der "Blueprint". Ich habe das Pferd also von der Mutter her aufgesattelt und das ging eigentlich ganz gut. Es hat sich bei mir dann mehr ein Faible für die Tochterfigur entwickelt, die Mutter mochte ich nicht immer so gerne leiden.

Hat das vielleicht mit dem Alter zu tun?
Potente: Ich denke, dass die Tochter in der Darstellung für mich persönlich einfacher ist. Es ist schwieriger für mich, die Mutter zu sein und deren Beweggründe, bestimmte Dinge zu tun, moralisch nachzuvollziehen.
Ich fand es eine Herausforderung, zwei Figuren zu spielen. Und dann handelt es sich bei "Blueprint" um ein Drama, was mir vom Geschmack sehr liegt. Es ist eigentlich ein Psychogramm zweier Figuren, die ich eigentlich fast wie eine Figur mit zwei Köpfen sehe. Es gibt eine psychologische Entwicklung dieser Figuren, die ja altersmäßig weit auseinander liegen. Da ist es interessant, einerseits die Schnittmenge der beiden zu finden, aber andererseits auch die Unterschiede.

Haben Sie beim Dreh Schwierigkeiten, immer wieder in die andere Haut zu schlüpfen?
Potente: Ja, vor allem, weil es manchmal so ist, dass man an einem Drehtag beide spielen muss, in sehr komplizierten Motion-Control-Einstellungen. Da arbeitet man mit einem Double, das jeweils mich in der anderen Rolle ‚anspielt‘. Man muss also vorhersagen, was man als die andere Figur tun wird. So habe ich bisher noch nie gearbeitet.

Iris ist eine weltberühmte Pianistin. Sie müssen daher im Film Klavier spielen. Ist Ihnen das leicht gefallen?
Potente: Ich habe eigentlich relativ früh mit der Klaviervorbereitung angefangen. Ungefähr vor einem halben Jahr habe ich Klavierunterricht genommen, und dann mit einer Pianistin zusammengearbeitet. Ich habe früher Geige gespielt, von daher kann ich Noten lesen. Dann kam der Bassschlüssel dazu und die Unabhängigkeit der Hände ging ganz gut wegen der Erfahrung mit der Geige. Wir haben am Anfang richtig klassischen Klavierunterricht gemacht, sind aber dann dazu übergegangen, die Film-Stücke reinzutrimmen, da gibt es fünf, sechs Stücke mit den wir arbeiten, Beethoven und vor allem Mozart. Das hat Spaß gemacht und am Anfang habe ich gedacht, ich spiele auf jeden Fall weiter Klavier nach dem Film. Im Moment allerdings weiß ich nicht, vielleicht gehe ich wieder zu meiner Geige zurück.
Am Anfang dachte ich auch, ich bekomme die Stücke auf dem Klavier nie hin. Aber je öfter man das dann macht – das ist so ein bisschen wie bei "Lola rennt", wo ich auch gedacht habe, ich würde es nicht schaffen, so viel zu rennen. Dann rennt man halt jeden Tag und irgendwie klappt es dann.

Nun ist Iris nicht nur Pianistin, sie ist auch erkrankt an Multipler Sklerose.
Potente: Ja, aber wir setzen im Film nicht den Schwerpunkt auf diese Krankheit. Man muss halt wissen, dass Multiple Sklerose eine Krankheit ist, die man überhaupt nicht vorhersagen kann. Man kann eigentlich überhaupt nicht vorhersagen, wie sie sich äußert, man weiß nicht, wann man "Schübe" haben wird – da ist eigentlich alles möglich. Ich habe viel darüber gelesen, einen riesigen Berg Videos angeguckt, wir haben auch am Set, wenn wir bestimmte Szenen drehen, medizinische Berater, die Hilfestellungen leisten.

Und so eine schwerkranke Frau zu spielen, macht Sie das nachdenklich?
Potente: Es ist natürlich beklemmend, vor allem in der Vorbereitung war es das. Ich habe damals einen ganzen Nachmittag vier Stunden lang Videos angeguckt, weil ich auch vorher nicht so wahnsinnig viel über die Krankheit gewusst habe. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass die Krankheit auch junge Leute befallen kann. Und ich glaube, dass diese Unsicherheit, dass du halt überhaupt nicht weißt, wann dich die Krankheit wieder hinterrücks überfällt, dass das auch die Angst wäre, die ich hätte, wenn ich an MS erkranken würde. Das war auch das, was ich bei der Figur der Iris am wichtigsten fand.

Siri ist die geklonte Tochter von Iris. Wie ist Ihr Standpunkt zur Gentechnologie?
Potente: Ich finde es schwierig, da einen Standpunkt zu beziehen, moralisch finde ich das Klonen sehr bedenklich. Ich kann aber auch Leute verstehen, die sagen, Gentechnologie und damit auch das Klonen ist wichtig, weil man so Krankheiten bekämpfen kann. Ich denke, wenn man eine Krankheit wie MS hat, dann guckt man sicher aus einer ganz anderen Perspektive auf diese Diskussion. Aber nichts desto trotz denke ich, muss man das Klonen irgendwie einschränken. Aber auch das ist sehr schwierig.

Sie drehen hier in Hamburg auf einem Friedhof. Ein besonderer, schwieriger Drehort?
Potente: Ich finde schon. Es ist ja so, wo immer man als Filmteam hinkommt, egal ob Haus, Strasse oder Bäckerladen – es ist halt Set. Das heißt, es werden Pappbecher rumgeschmissen, man schmeißt seine Kippen überallhin, labert laut. Und ich bin hier heute aufs Klo gegangen, da standen davor haufenweise Särge herum. Wenn man hier zur Maske geht, kommt man auch durch einen Raum voller Särge. Man geht dann automatisch langsamer und redet leiser – schon ein besonderer Ort zum Arbeiten.

Wenn Sie einmal die US-Erfahrungen vergleichen mit den Drehs in Deutschland?
Potente: Von den wenigen Erfahrungen im Ausland ausgegangen, gefällt es mir bisher zu Hause besser. Zum Beispiel bei "Bourne Identity" – was sich eigentlich mehr so europäisch angefühlt hat, weil wir komplett in Europa gedreht haben – fand ich den Dreh wahnsinnig chaotisch. Das lag vielleicht daran, dass dort jeder Assistent noch einen Assistenten hat – ich weiß es nicht. Vielleicht ist es auch, dass man sich zu Hause besser auskennt, dass dann die Dinge eben einfacher sind.

Beeinflusst die ernste Thematik von "Blueprint" die Atmosphäre am Set? Oder wird auch mal gelacht?
Potente: Das ergibt sich so, wir arbeiten sehr viel und da muss man auch mal Späßchen machen. Mein Kollege Justus von Dohnanyi ist manchmal echt tierisch albern, genau wie ich auch. Wenn es einem beim Dreh gut geht miteinander, dann nutzt man zwischendurch auch die Gelegenheit und ist mal richtig albern.

Eine Frage an den Regisseur Frank Schübel: Bezieht der Film am Ende eine eindeutige Position zur Gentechnologie?
Schübel: Nein, es gibt keine eindeutige Meinung, die der Film vertritt. Aber es ist durchaus ein sehr kritischer Film. Er stellt mitunter die Frage, die ich selbst am spannendsten finde: das erste geklonte Wesen, das Schaf Dolly, hat kein menschliches Bewusstsein und konnte uns daher nicht sagen, wie es ihm geht, was in seinem Kopf vorgeht. Aber der erste geklonte Mensch wird dieses Bewusstsein haben und da finde ich es sehr spannend, sich zu überlegen, wie sich jemand fühlt, der aus einer Zelle einer anderen Person hergestellt worden ist.

Ein Kommentar zu “Eine Doppelrolle ist auch doppelte Arbeit.”

  1. Nina |

    Film

    Ich fand das Interview wirklich klasse.
    In der Schule lesen wir gerade das Buch Blueprint, bzw. wir sollten es über die Ferien lesen. Ich habe es seit ein paar Tagen durch und fand es super spannend. Seit kurzem habe ich nun auch den Film, und habe ihn gestern zum zweiten Mal gesehen. Er hat mir sehr gut gefallen und ich kann mir gut vorstellen das es für Franka Protente sehr schwer gewesen sein muss eine Doppelrolle zu spielen. Aber ich bin der Meinung das sie es sehr gut hin bekommen hat.

    Ich fand es toll nach dem ich den Film gesehen hatte nun auch ein Interview von ihr zu lesen.

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