Frau van Almsick, in Ihrem gerade erschienen Buch erzählen Sie die Geschichte von "Paul Plantschnase am Meer", der darin seinen ersten Schwimmversuche macht. Wie kam es zu diesem Kinderbuch?
van Almsick: Die Geschichte hatte ich schon seit fünf, sechs Jahren im Kopf. Ich war mir sicher, dass ich sie irgendwann aufschreiben werde und daraus ein Kinderbuch wird. Nachdem viele meiner Freunde mich in diesem Vorhaben bestärkt haben und ich einen Verlag dafür gefunden habe, ist nun dieses schöne Buch dabei herausgekommen.
Sie haben bereits nach dem Abschluss Ihrer Schwimmkarriere ein Buch veröffentlicht: "Aufgetaucht". Wie unterschied sich die Arbeit an den beiden Büchern?
van Almsick: Es sind letztendlich zwei ganz verschiedene Sachen. "Aufgetaucht" ist eine Biografie, wo ich versucht habe, die Wahrheit aufzuschreiben, wie für mich die Dinge sind oder waren. Bei der Arbeit an meinem Kinderbuch war vielmehr Kreativität von Nöten. Eine Figur wie das Treibholz Karl zum Beispiel, die muss ja erst einmal entwickelt werden.
In diesem Buch geht es vor allen Dingen um das Schwimmen. Steckt dahinter ein bestimmtes Anliegen?
van Almsick: Das Buch soll Lust machen auf das Schwimmen, auf das Plantschen und es soll auch zeigen, dass ein Urlaub am Meer viel mehr Spaß macht, wenn man richtig schwimmen kann. Dafür müssen Kinder natürlich einen Schwimmkurs machen, vom Buch alleine werden sie das nicht lernen. Plantschen ist toll, am Wasser spielen auch. All das, was Paul Plantschnase erlebt am Meer ist prima. Aber ein Schwimmkurs ist absolut unverzichtbar.
Nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft kann nur noch jedes dritte Kind im Grundschulalter schwimmen. Wie erklären Sie diese Entwicklung?
van Almsick: Ich denke, viele Eltern nehmen das Schwimmen auf die leichte Schulter. Sie geben sich zufrieden, wenn ihr Kind das Seepferdchen hat, was aber nur bedeutet: 25 Meter schwimmen – wie, ist unerheblich. Das heißt, Hauptsache die Kinder halten sich 25 Meter über Wasser und ertrinken nicht. Das ist aber nicht schwimmen lernen. Und man sieht anhand der Unfälle und der vielen Kinder, die nicht schwimmen können, die Notwendigkeit zu handeln. Im letzten Jahr sind 11 Kinder ertrunken, weil sie nicht schwimmen konnten, das sind definitiv 11 zu viel. Aber es gibt nicht genug Öffentlichkeit für dieses Thema. Deshalb kann es nicht schaden, wenn jemand wie ich die Türen öffnet und sagt: Wir müssen hier etwas tun! Schließlich geht es hier um lebensrettende Maßnahmen. Das ist nicht Fußball spielen, weil gerade Fußball irgendwie In ist. Jeder muss schwimmen lernen, weil das im Zweifelsfall sein Leben rettet.
Sie sind die Initiatorin und Schirmherrin des Projektes "Heidelberger Kids auf Schwimmkurs". Wie genau sieht denn die Schwimmförderung für Grundschüler im Rahmen dieses Projektes aus?
van Almsick: Wir unterstützen die Lehrer an den Grundschulen. Denn wenn wir die Lehrer unterstützen und diese dadurch besseren Unterricht geben, profitieren die Kinder davon. Wir haben 18, mittlerweile wahrscheinlich 19 Grundschulen in unserem Projekt und wir finanzieren drei Übungsleiter. Sie gehen in die Schulen, machen Seminare mit den Lehrern, um ihnen mehr über das Schwimmen beizubringen. Außerdem unterstützen sie auch den Unterricht selbst. Manche Grundschullehrer müssen ja mit 25 Kindern ins Schwimmbad gehen, die sind dann ausgesprochen dankbar für Hilfe. Allgemein erleben wir sehr viel positive Resonanz mit diesem Projekt, so dass es sich lohnen würde, es deutschlandweit umzusetzen. Leider ist das nicht so einfach, da der Erfolg von vielen Faktoren abhängt.
Sicher ist das Schwimmen auch eine bildungspolitische Fragestellung.
van Almsick: Genau. Es ist wichtig, dass man mit den Politikern darüber spricht, so dass Schwimmunterricht im Lehrplan manifestiert wird. Da es sich unter Umständen um eine lebensrettende Fertigkeit handelt, sollte schwimmen lernen keine freiwillige Aktion sein, sondern fest in den Lehrplan integriert sein.
Unabhängig von bildungspolitischen und finanziellen Fragestellungen, was glauben Sie, wie sich Kinder für das Schwimmen begeistern lassen?
van Almsick: Kinder sind anders zu motivieren als Erwachsene. Bei ihnen geht es darum, auch bildliche Motivation zu geben, sie müssen sich etwas vorstellen können. Außerdem muss bei Kindern alles immer ganz schnell funktionieren. Wenn es nicht funktioniert, dann ist es doof und dann lässt man auch die Finger davon. Also erklärt man: Mach das mal wie ein Motorboot oder wie ein Springbrunnen oder pruste mal das Wasser so aus, wie ein Elefant das machen würde, dann können sich Kinder etwas vorstellen.
Sie sind heute auch stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Welche Aufgaben genau nehmen Sie dort wahr?
van Almsick: Als stellvertretende Vorsitzende hat man recht allumfassende Aufgaben. Prinzipiell gibt der Chef, Werner Klatten, die Richtung vor. Ich versuche ihm den Rücken freizuhalten und vor allem wirtschaftliche Fragen für den Sport zu übersetzen. Werner Klatten ist ein unglaublich guter Wirtschafter, aber nicht alle Wirtschaftsmänner verstehen gleich unheimlich viel vom Sport. Da muss man sich auch erst einmal einarbeiten. Ihm dabei zu helfen, ist sozusagen mein Hauptjob. Das heißt zu erklären, was wirklich wichtig für einen Sportler ist.
Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit besonders wichtig?
van Almsick: Wichtig ist, dass wir uns als Menschen sehr gut verstehen. Wir können beide unheimlich viel voneinander lernen, das empfinde ich als sehr positiv. Außerdem ist die Stiftung Deutsche Sporthilfe eine Männerdomäne. Es ist schon schön, wenn man merkt, dass einen bisschen weibliche Intuition nicht schadet, wenn man sie in die Arbeit einbringt.
Viele Eltern geben sich zufrieden, wenn ihr Kind das Seepferdchen hat, was aber nur bedeutet: 25 Meter schwimmen - wie, ist unerheblich. Das ist aber nicht schwimmen lernen.
Herr Klatten sagte kürzlich in einem Interview, dass Sie als "wunderbar vorzeigbare Figur" wahrscheinlich viel besser geeignet sind für diesen Job, als er selbst. Wie bewältigen Sie die Vermittlung von Öffentlichkeit, sportlichen und wirtschaftlichen Interessen?
van Almsick: Man muss immer schauen, wo die eigenen Fähigkeiten liegen. Ich bin Sportler und ich bin durch meinen Sport sehr bekannt geworden. Ich kann im Endeffekt mehr Öffentlichkeit mobilisieren, als es Herr Klatten könnte. Aber dafür ist er ein unglaublich guter Unternehmer, der sich bravourös in der Wirtschaft auskennt. Wenn man beides vereint und jeder macht, was er am besten kann, dann ist das eine gute produktive Kombination. Vielleicht tanze ich dadurch mehr auf dem öffentlichen Parkett und nutze das, um für Wirbel zu sorgen. Das heißt, ich nehme einfach mehr repräsentative Aufgaben wahr und werbe für die Anliegen der deutschen Sporthilfe. Das ist für die Stiftung enorm wichtig, denn es gibt nur sehr wenig Leute, die wirklich wissen, was wir tun und warum wir das tun. Wir leben von Spenden und in dem Bereich ist nicht nur die Wirtschaft gefragt, sondern jeder einzelne Bürger.
… weil sie sehr viele Sportler finanziell unterstützen?
van Almsick: Genau. Ich finde, man hatte in der Vergangenheit immer den Eindruck, dass man als einzelner Bürger gar nicht so viel tun kann, weil es so eine große Stiftung ist. Aber wir müssen die normalen Bürger genauso erreichen wie große Sponsoren und große Firmen, von denen wir natürlich leben und dankbar sind, dass wir sie haben. Das Image der Sporthilfe muss nicht aufpoliert werden. Es geht aber darum, den Leuten zu erklären, was wir tun und warum wir das tun. Der olympische Sport ist zu 90 Prozent gelebt und gewonnen durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Es gibt natürlich viele Profisportarten, die sich selbst tragen. Aber unsere Olympiasieger sind größtenteils Mitglieder der Stiftung. Das wissen viele nicht.
Welche Vorzüge genießen Sie jetzt in Ihrer Arbeit im Vergleich zu der Zeit, als Sie Leistungssportlerin waren? Vermissen Sie manchmal Trainer und Trainingsplan?
van Almsick: Nein, überhaupt nicht. Der größte Vorteil ist, dass ich nicht mehr die Beste sein muss. Heute spreche ich mit Ihnen als Kinderbuchautorin, habe ein Buch gemacht, von dem ich sehr überzeugt bin und ich freue mich, dass es nach der langen Vorbereitungszeit jetzt endlich herausgekommen ist. Ich habe das Buch geschrieben, nicht weil ich die Beste sein will, sondern einfach, weil es mir wichtig war.
Die hohen Erwartungen aus Ihrer Zeit im Leistungssport sind also weg. Welchen Erwartungen fühlen Sie sich jetzt ausgesetzt?
van Almsick: Eigentlich nur meinen eigenen. Ich messe mich an meinen Ansprüchen. Das heißt, ich frage mich: Sind die Dinge so, wie ich sie mir wünsche? Bei Shootings oder Werbefilmen zum Beispiel entscheide ich mich nur für etwas, wenn ich das Gefühl habe, es läuft, wie ich mir das vorstelle. Identitäten prallen dabei immer aufeinander, der eine will das, der andere will das und manchmal funktioniert es nicht. Wichtig ist, dass ich am Ende des Tages sagen kann: Das war cool, dass ich das gemacht habe, ich kann mich damit identifizieren.
Und das klappt immer?
van Almsick: Ich habe noch nie Dinge in meinem Leben gemacht, über die ich im Nachhinein dachte: Na ja, das habe ich jetzt nur gemacht, weil es Kohle gab. Wenn ich mir das beibehalten kann, dann wäre das toll.
Wie sehen Ihre Wünsche für die Zukunft aus?
van Almsick: Ich wünsche mir erst einmal, dass das Buch gut ankommt. Ich meine, wenn man Freunde und Familie fragt, dann sind alle hellauf begeistert. Mich interessiert jetzt aber vor allem, wie die Kinder das Buch finden. Und wenn es gut ankommt, hätte ich auch Lust weiterzumachen, dann würde ich gleich noch eine Paul-Geschichte schreiben.
Wie kann man den Erfolg messen? Verkaufszahlen zeigen nicht unbedingt, ob es den Kindern gefallen hat oder nicht.
van Almsick: Einfach nachfragen. Durch unsere guten Verbindungen mit den Grundschulen in Heidelberg kann ich dort vorlesen. Auch in die Kindergärten werde ich gehen, ich mache in Sachsen eine Kita-Aktion für eine ernährungsbewusste Erziehung der Kinder, da werde ich auch Bücher verteilen und sagen: Schaut euch das mal an. Es wird nicht jedem gefallen. Es muss auch nicht jedem gefallen. Aber es wäre zumindest schön, zu wissen, dass Kinder damit etwas anfangen können.
Können Sie sich an Lieblingsbücher aus Ihrer Kindheit erinnern?
van Almsick: "Emil und die Detektive" war riesig. Das war so ein Buch, das ich mehrmals gelesen habe. Ich wollte als Kind immer Junge sein und fand Jungs viel cooler als Mädels, die irgendwelche Perlenketten aufgefädelt haben. Ich wollte immer lieber Fußball spielen, deswegen war "Emil und die Detektive" genau meins.
Wissen Sie schon, was Sie Ihrem Sohn vorlesen werden oder was er unbedingt später lesen soll?
van Almsick: Gott sei Dank ist er total interessiert und findet Bücher klasse. Manchmal sitzt er nur da, blättert so durch und studiert die Bilder. Aber was die Zukunft angeht, bin ich völlig entspannt. Kinderbuchangebote hat er in seinem Zimmer genug – und in welche Richtung es später lektüremäßig gehen soll, das muss er selbst entscheiden.