Frederick Lau

Die Jugendlichen bilden keine Gemeinschaft mehr.

Frederick Lau über das Erwachsenwerden, seine Rolle in Sven Regeners „Neue Vahr Süd“, Reizüberflutung und warum er Facebook und Co. für Zeitverschwendung hält

Frederick Lau

© WDR/Thomas Kost

Frederick, wie verlief dein erster Kontakt zur Welt des Frank Lehmann, die der Autor und Musiker Sven Regener durch seine Romane geschaffen hat?
Frederick Lau: Ich hatte die drei Bücher von Sven Regener gelesen bevor überhaupt klar war, dass ich die Rolle des jungen Frank Lehmann in „Neue Vahr Süd“ spielen würde. Ich fand die Figur schon damals sehr skurril und interessant und in vielen Dingen auch nachvollziehbar.

In welcher Hinsicht nachvollziehbar?
Lau: Er versucht sich selbst zu finden, und dann sind da die Frauen, seine Kumpels und das ist alles nicht so ganz leicht für ihn. Er weiß nicht so richtig was er will, wohin die Reise gehen soll. Er ist ja auch nur beim Bund gelandet, weil er einfach vergessen hat zu verweigern. (lacht)

Warum fällt ihm das so schwer seinen eigenen Weg zu finden?
Lau: Ich glaube es liegt gar nicht so sehr an ihm, es ist halt einfach schwer. Manche Leute sind offener, gehen auf die Leute zu, sind extrovertierter, und dann gibt es Leute, die sich noch nicht so trauen, die noch nicht genau wissen wie das geht. Daran liegt aber auch eine große Liebenswürdigkeit. Er ist ja ein toller Kerl. (lacht)

Du wusstest im Gegensatz zu Frank schon sehr früh, was du machen willst. Seit deinem zehnten Lebensjahr stehst du vor der Kamera, bist mit 16 in deine erste eigene Wohnung gezogen. Es scheint als hättest du das Gefühl von Orientierungslosigkeit nie kennen gelernt…
Lau: Ich hatte das Glück, sehr früh zu wissen, was ich will. Das ist wirklich ein Glück und ich bin sehr dankbar dafür. Das sehe ich bei meinen Freunden, man kommt aus der Schule, hat so viele Möglichkeiten, aber weiß nicht so richtig womit, also mit welchem Beruf man glücklich werden kann, womit man sein Leben ausfüllen möchte. Das ist eine unglaublich schwere Frage, gerade für Leute in meinem Alter.

Inwiefern suchen deine Freunde Rat bei dir?
Lau: Wenn sie mich fragen versuche ich ihnen zu sagen: „Jungs, ich verstehe nicht, warum ihr eine Ausbildung anfangen wollt, in einem Bereich, der euch eigentlich gar nicht interessiert. Nehmt euch doch erst mal ein Jahr Zeit, probiert euch aus, arbeitet irgendwo, fahrt mal weg, versucht euch selbst zu finden, um heraus zu kriegen was ihr wirklich wollt!“ Das ist ja auch ein Prozess, der nach der Schule erst mal wirken muss. Da passiert wahnsinnig viel in dieser Zeit. Aber ich bin ja kein Elternteil, und die wollen natürlich, dass man sofort nach der Schule eine Ausbildung oder ein Studium anfängt. Das kann ich ja auch verstehen, aber man sollte immer auf seine innere Stimme hören. Und manchmal dauert es eben länger bis man seinen Weg gefunden hat. Man sollte es auf jeden Fall immer versuchen und sich auch nicht verrückt machen lassen.

Wie hast du denn diese Jahre erlebt, als Kind in einer Welt zu arbeiten, die doch schon sehr von Erwachsenen geprägt ist?
Lau: Ich habe immer gerne mit Erwachsenen zusammengearbeitet. Es gibt Schauspielkollegen, die das im Nachhinein als schlecht empfunden haben, aber ich habe da nie schlechte Erfahrungen gemacht. Ich habe so gerne mit denen zusammen geredet, habe ihnen zugehört, was die für Ansichten über diesen Beruf, über das Leben haben. Daran reift man ja auch, indem man eben nicht nur mit gleichaltrigen Menschen zu tun hat.

Du hast mal gesagt: „Erwachsen bin ich noch nicht und vielleicht werde ich das ja auch nie.“ Was zeichnet denn Erwachsensein für dich aus?
Lau: Es ist halt nicht mehr so ein Probieren, wie es damals war. Man durfte sich Fehler erlauben, war das Küken, aber dann wirst du in etwas geworfen, wo du konstant deine Leistung bringen musst. Du musst dich in der Gesellschaft zurechtfinden und Verantwortung für dein eigenes Leben übernehmen. Das ist alles andere als leicht. Vielleicht kann man das als Erwachsensein bezeichnen. Aber letztendlich ist es auch nur ein Wort, eine Bezeichnung. Was zählt ist ja dein Leben und dass du das irgendwie gut auf die Reihe kriegst und den Anforderungen, die so kommen, gewachsen bist.

Du trägst in deinem Beruf eine große Verantwortung, viele Leute verlassen sich auf dich und deine Leistung, eine Menge Geld ist im Spiel…
Lau: Ja, das tun sie. Und ich würde todtraurig sein, wenn ich diese Leistung nicht bringen würde. Ich nehme das alles sehr ernst und das sollte man auch. Ansonsten kommt man auch nicht weit.

Zitiert

Man sollte immer auf seine innere Stimme hören. und sich nicht verrückt machen lassen.

Frederick Lau

Ich würde gerne noch mal auf dein frühes Ausziehen im Alter von 16 Jahren zurückkommen. Wie hast du den ersten Abend in deiner eigenen Wohnung verbracht?
Lau: Ich saß auf dem Boden, mit einem kleinen Laptop und einem guten Freund. Wir haben eine Zigarette geraucht und Musik gehört – in einer komplett leeren Wohnung. (lacht) Nur eine Glühlampe hat ein bisschen Licht gebracht.

Wie hat sich die Wohnung im Laufe der Zeit verändert?
Lau: Bei mir ist es eigentlich immer chaotisch. (lacht) Meine Auffassung von Gemütlichkeit ist nicht so steril, sondern ich brauche ganz viel um mich herum, Farben, Erinnerungsstücke, also die Wohnung wächst immer weiter. (lacht)

Frank Lehmann wohnt an den Wochenenden in einer politisch linken Chaos-WG. Hast du dich damals bewusst gegen eine WG entschieden?
Lau: Ja, das war nie ein Thema. Wenn ich arbeite, mich auf neue Rollen vorbereite, brauche ich ganz viel Ruhe, da kann ich keine Mitbewohner um mich herum haben. Dann könnte ich mich nicht hundertprozentig auf meine Arbeit konzentrieren. Also diese ganz bewusste Ruhe ist mir schon sehr wichtig, aber natürlich kommen auch oft Freunde zu Besuch. In so einer chaotischen WG wie im Film „Neue Vahr Süd“ würde ich auf jeden Fall nicht wohnen wollen. (lacht)

Der Film spielt Anfang der 80er Jahre in Bremen. Du bist erst 1989 geboren. Was hast du für ein Bild von dieser Zeit?
Lau: Ich glaube gerade die Studenten haben in dieser Zeit politischer gedacht, waren engagierter. Das fehlt heute ein bisschen. Die Leute sind damals als Gruppe, als Gemeinschaft, als Kommune gegen die Macht, gegen den Staat auf die Straße gegangen. Heute gehen die Jugendlichen eher untereinander auf sich los. Da findet weniger Gemeinschaft statt.

Kann man sagen, dass das, was damals noch als Gemeinschaft, also physisch erlebt werden konnte, heute mehr online in sozialen Netzwerken stattfindet?
Lau: Das hat in meinen Augen vor allem mit Reizüberflutung zu tun. Man wird so überfrachtet, dass man gar nicht mehr weiß, was wirklich wichtig ist. Man lässt sich nur noch berieseln, warum auch nicht? Man hat einfach keine Lust mehr sich die ewigen Reden der Politiker anzuhören. Viele Menschen sind müde geworden. Ich kann das zum Teil auch nachvollziehen. Trotz dieser ganzen Online-Netzwerke sind die Jugendlichen aber unter sich keine Gemeinschaft mehr, sie stehen nicht mehr zueinander. Das ist schade, aber so empfinde ich das. Ich würde mir wünschen, dass sich das verändert, aber viele Menschen haben so viel mit ihren eigenen Problemen zu tun, dass sie gar nicht mehr die Zeit und Lust haben sich als Gemeinschaft für etwas einzusetzen. Ich habe das Gefühl, dass das damals schon anders war.

Welche Rolle spielen Social Communities in deinem Leben?
Lau:
Ich habe vor zwei Monaten meinen Facebook-Account gelöscht. (lacht) Das Internet benutze ich nur für meine Mails, habe ein ganz altes einfaches Handy, und am liebsten hätte ich gar keins, aber da hätte meine Agentur was dagegen. (lacht) Im Grunde ist das alles nur Zeitverschwendung. Das ist wirklich so. Ich hab‘s gemerkt. Chatten und diese ganzen Anwendungen sind nur Stress für den Kopf. Ich spreche lieber persönlich mit Menschen.

Aber warum ist es für so viele junge Menschen so wichtig?
Lau: Es ist ja interessant zu erfahren was andere Menschen gerade so machen, man schreibt sich, aber das Persönliche geht da irgendwie verloren. Das ist irgendwie alles ziemlich oberflächlich. Das ist ja schon so ein Automatismus – man geht ins Internet und klickt direkt erstmal auf Facebook. (lacht) Ich finde das nicht schlimm, aber im Grunde ist es Nonsens und ich brauche es nicht mehr.

Kommen wir zu einem anderen Thema. Die Zeit in der Kaserne nimmt in Buch und Film einen großen Raum ein. Du bist jetzt 21 Jahre alt und wurdest bisher nicht eingezogen. Bisher lag die Einzugsgrenze bei 23 Jahren. Nun soll der Wehrdienst nach Plänen des Verteidigungsminister zu Guttenberg (CDU) allerdings ausgesetzt werden- bist du erleichtert?
Lau: Ja, auf jeden Fall! Das wäre ja nicht gerade karrierefördernd, wenn ich jetzt erstmal ein halbes Jahr zum Bund müsste. Wenn man seinen Beruf gefunden hat, ist es doch paradox, dass man da wieder rausgenommen wird, nur um seinen Wehrdienst abzuleisten. Ich habe aber auch Freunde erlebt, denen die Zeit beim Bund geholfen hat, Disziplin zu erlangen. (lacht)

Wärst du denn bereit dich in dieser Institution Militär unterzuordnen?
Lau: Nein, ich glaube ich hätte da schon extreme Schwierigkeiten. Aber wenn du da erstmal drin bist, musst du das ja tun, sonst wirst du bestraft. Ich habe im Vorfeld der Dreharbeiten einen Hauptmann kennengelernt, der war auch echt nett, und der hat uns so die Grundzüge beigebracht. Als Schauspieler war das schon ganz lustig und interessant, aber dann überlegt man sich wie skurril das eigentlich ist, wenn man da steht und angeschrien wird. Also ich bin froh, dass ich den Wehrdienst nur schauspielerisch ableisten musste. (lacht)

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