+++ Das folgende Interview entstand am 18.04.2018 in Erfurt. Ein paar Anmerkungen dazu habe ich hier aufgeschrieben. +++
Philipp, Jonas, Jochen und Christian: Ich war noch nie in Brixen, ist es dort wirklich so idyllisch wie es auf Postkarten aussieht?
Jochen: Genauso.
Jonas: Und noch besser live.
Philipp: Natürlich haben wir auch eine hässliche Hauptstraße, aber so eine gibt es überall. Es gibt viel Verkehr, viel Tourismus und Transit auf der Autobahn, aber ansonsten haben wir eine wunderschöne Stadt und tolles Wetter, ein tolles Klima.
Ihr habt nie überlegt dort wegzuziehen?
Jochen: Ich war schon mal ein Jahr weg und habe in Rosenheim gelebt.
Philipp: Ich war auch weg, als Monteur unterwegs, zum Teil viel in München. Aber Fakt ist: Die Zelte in Brixen komplett abzubrechen, würde uns das Herz brechen. Das geht aber sehr vielen Südtirolern so. Zum Schluss kommen die meißten wieder zurück.
Nun klingen viele Songs von euch sehr zornig. Auf dem aktuellen Album „Rivalen und Rebellen“ singt ihr über Krieg und Fronten, andere Leute sollen sich „verpissen“, „Heute spüre ich Zorn“ und es gibt den Wunsch „nie wieder ein Leben mit dir“. Wie bringe ich das zusammen mit der wunderschönen Gegend, aus der ihr kommt?
Philipp: Das hat damit nichts zu tun. Der Mensch hat diese Befindlichkeiten in sich drin, egal ob Eskimo, Indianer oder Zentraleuropäer. Ich finde auch, dass solche Gefühle in diese Art von Musik gehören. Diese Spielart von Musik war immer schon das Ventil, um seine Gedanken und Emotionen zu verarbeiten und diese in drei Minuten auf musikalische Art und Weise umzusetzen. Nur fällt das den Leuten bei uns heute mehr auf, weil Punk tatsächlich tot ist. Ganz ehrlich: Für mich ist in Deutschland die Aggression von Punk nicht mehr vorhanden. Vielleicht erscheint auch deswegen ein Lied wie „Fick dich und verpiss dich“ so grob. Dabei ist das ganz klar der Duktus vom ursprünglichen Punk.
Wir haben vermutlich nicht mehr und nicht weniger Wutgefühle, oder auch Dankes- und Zufriedenheitsgefühle, als die Menschen da draußen. Songs wie wir sie singen, gibt es in fast milliardenfacher Ausführung auf der ganzen Welt. In der Kombination mit verzerrten Gitarren, mit den Drums, mit der Lautstärke und mit meiner Stimme sticht es vielleicht mehr heraus – aus Mangel an Vergleichsmöglichkeiten.
Ich hatte zumindest vermutet, dass ihr in Brixen nicht so schnell jemand auf der Straße trefft, dem ihr ein „Fick dich und Verpiss dich“ entgegenschleudert.
Philipp: Doch, logisch. Arschlöcher gibt es überall auf der Welt. Egal ob in der Schule oder auf dem Arbeitsplatz: Man trifft immer wieder Menschen, die nicht unbedingt positiven Einfluß auf einem nehmen können. Sei es aus purem Egoismus, aus Neid, Gier, Machtstreben oder weil sie ihre schlechten Erfahrungen einfach weitergeben. Davor darf und soll man sich auch schützen und eine klare Aussage ist manchmal auch angebracht und notwendig.
Wem zeigt ihr den Stinkefinger auf dem aktuellen Albumcover?
Philipp: Es sind zwei Stinkefinger: Einen zeigen wir uns selber, weil wir auch nicht heilig sind. Und den anderen zeigen wir denjenigen, die die Geschichte von Frei.wild nicht mit Rückenwind segnen, sondern eher mit einer Anti-Haltung.
Aber diese Anti-Haltung, ist die nicht auch wichtig für Frei.Wild? Weil sie etwas bei euch bewegt?
Philipp: Ja, die ist sauwichtig. Stell dir mal vor, man schafft es mit einer Band ‚everybody’s darling‘ zu sein. In dem Moment stellst du dir doch die Frage: Bist du nur noch Unterhaltungskünstler, wie etwa eine Coverband? Wäre es nicht ehrlicher, wenn man in seinen Texten auch Dinge sagt, die vielleicht manchen Leuten nicht passt. Ich weiß doch, dass wir mit bestimmten Aussagen für Diskussionen sorgen. Das finde ich gut, dieser Hebel der Provokation und der Diskussionsentfachung ist ein sehr wichtiger. Das bedeutet nicht, dass wir nur um der Provokation Willen provozieren, sondern man benutzt diesen Hebel, um Menschen dazu zu bringen, sich über Themen auszutauschen. Das ist das Schönste auf der ganzen Welt. Eine Diskussionskultur – wenn sie anständig gepflegt wird – ist total wichtig, sei es auf dem Schulhof oder am Arbeitsplatz in der Kaffeepause. Weil dadurch etwas in Bewegung gesetzt wird.
Angenommen ihr erreicht irgendwann mal den „Everybody’s Darling“-Status – hört ihr dann auf?
Philipp: Ja, dann hören wir auf. Aber das wird nicht passieren. Dafür müsste man alle Menschen am Computer resetten und mit einem Frei.Wild-Plugin impfen – aber selbst das würden wir nicht wollen. Es ist schön, dass es viele Meinungen gibt und dass sich die Menschen daran auch reiben. Das ist ganz wertvoll in der Menschheit, das unterscheidet uns vom Stein: Der liegt nur rum und sagt nichts.
Welche Bands haben euch eigentlich besonders in musikalischer Hinsicht geprägt? Waren da auch Die Ärzte und Die Toten Hosen dabei?
Philipp: Sicher. Da waren viele dabei. Wobei man sagen muss, dass die Antwort auf diese Frage heute anders aussieht als in unserem ersten Bandjahr. Die Hosen, Ärzte oder die Böhsen Onkelz waren nicht die Inspirationsquelle der letzten Jahre. Heutzutage inspirieren mich ganz andere Bands. Zum Beispiel gibt mir ein Peter Maffay-Album jetzt persönlich mehr als ein Punk-Album aus dem Jahr 2001.
Warum?
Christian: Weil es tiefgründiger ist.
Philipp: Es ist individueller, teilweise. Es ist risikobereiter, es sind mehr Instrumentierungen drin, es gibt zum Teil extravagante Harmoniebögen, die sich dann in Akkorden wunderschön auflösen.
Mich inspiriert auch Bruce Springsteen, oder S.T.S., Singer-Songwriter-Musik. Auch Metallica, bei denen es gewisse Parts gibt, die wir unterbewusst in Lieder einbauen: wenn man in den Offbeat bzw. den 3/4-Takt geht, oder in den Double-Bass-Style.
Für welche Platte in eurer Sammlung schämt ihr euch heute? Wovon wollt ihr den anderen lieber nicht erzählen?
Jochen: Also, ich hatte früher zwei Kassetten von David Hasselhoff zuhause.
Jonas: Ich wusste gar nicht, dass er zwei rausgebracht hat. (lacht)
Philipp: Ich habe früher tierisch gerne Wolfgang Petry gehört. Das war vermutlich eine Best-Of-CD, die ich in meinem Piaggio-Dreirad gehört habe. Da musste ich mir teilweise auch Kommentare anhören a la „Was hörst du da für einen Scheiß!“. Bis ich irgendwann verstanden habe, dass alles, was ein bisschen melodisch und mitsingbar ist, zur Schlagerfamilie gehört. Das gibt man nur nicht zu, insbesondere als junger, rock-affiner Mensch. 2008 kam einmal unser Manager Stefan zu uns und sagte: Eure Songs sind eigentlich Schlager, nur anders instrumentiert und mit anderen Texten.
Siehst du die Bezeichnung Schlager denn als ein Kompliment?
Philipp: Es ist nicht schlimm. Es ist melodische Musik, die alle mitsingen können. Da ist Pop nicht weit weg, und da sind auch Deutschrock und Punk nicht weit von weg.
Der Begriff Schlager hat im Laufe der Musikgeschichte viele Begrifflichkeiten bekommen und ist fälschlicherweise nicht nur ein Musikgenre mit welchem die meißten Menschen heutzutage gewisse Künstler und Musik assoziieren. Unter dieser Begrifflichkeit sind wir natürlich keine Schlagermusiker, sondern ganz klar Rockmusiker. Aber von der Melodieführung her ist ja generell vieles ähnlich im Rock, wie im Pop, wie im Schlager. Stile vermengen sich auch immer mehr, egal, ob das manchen passt oder nicht.
Warum sollte ein Nazi überhaupt aussteigen, wenn er eh keine zweite Chance kriegt?
In Sachsen wird gegen Muslime demonstriert, die es dort nicht gibt und es gab Demos gegen Frei.wild-Konzerte, obwohl ihr euch gegen Rechts- und Linksextremismus aussprecht. Sind die Deutschen Hypochonder?
Philipp: Nein. Deutschland ist ein Volk aus extrem denkenden Menschen. Das war es früher schon und ist es heute noch. Das sieht man doch an unserem Beispiel: Es reicht nicht, dass wir uns öffentlich gegen jedes extreme Denken stellen. Wir finden, dass es selbstverständlich ist, dass man politisch übermotivierte Haltungen, insbesondere Antisemitismus und Rassismus, nicht gut heißt.
Genauso sollte es auch selbstverständlich sein, dass man nicht gutheißt, wenn Leute von linker Coleur Polizeiautos anzünden, fremdes Eigentum zerschlagen, Leute terrorisieren oder diffamieren, Menschen jagen oder vermummt als schwarzer Block auftreten.
Doch es reicht vielen Menschen nicht aus, wenn ich sage: Ich stelle mich gegen jedes Extreme. Sondern von mir wird gefordert, extrem gegen rechts oder auch extrem gegen links zu sein. Dieses Verhaltensmuster, dass finden wir in Südtirol, in Italien, oder auch in vielen anderen europäischen Ländern. Und das ist eine Sache, die schon ängstlich macht. Wir wissen alle, was wir in Europa für eine unfassbar scheiß Vergangenheit haben – die Muster heute sind dem aber sehr ähnlich, diese „Ganz oder Gar nicht“-Haltung. Sehr viele Menschen sagen heute, ich bin ultra gegen Nazis. Zu Recht. Doch ich glaube, diese Leute wären die ersten, die damals mitmarschiert wären.
Und denkst du auch, die Leute sind in Sachsen mit Pegida auf die Straße gegangen, weil sie das Gefühl hatten, sich diesem Extrem anschließen zu müssen?
Philipp: Es gibt eine Dynamik, wo man das Gefühl hat: Menschen kommen unter Zugzwang. Sprich „wenn ich mich jetzt nicht aktiv beteilige, unterliege ich der Vermutung, nicht dabei zu sein und diese vermeintlich böse Geschichte gut zu finden.“ Dabei spielt auch Angst eine Rolle. Man macht den Angriff nach vorne, mit dem Strom gegen das vermeintlich Böse – und dabei vergisst man, die Sache etwas differenzierter zu sehen.
Wie verhält sich das nun beim Echo: Werdet ihr euch all denen anschließen, die aus Missfallen an den Texten von Kollegah bzw. Farid Bang ihren Echo zurückgeben? *
Philipp: Wir werden den Echo jetzt erst Recht nicht zurück geben.
Wie bereits in unsere Echo- Rede erklärt, sahen wir dieses Irrsinns- Denkmal zwar als Anerkennung an unsere Fans aber auch als DAS Symbol von tendenziöser Angriffslust und Ausgrenzung auf der einen Seite, auf der anderen Seite aber auch als DAS Symbol von Scheinheiligkeit und vor allem Doppelmoral in der Deutschen Musikindustrie. Der Echo war einst der gerechteste Preis weil auf reinen Verkaufszahlen basierend, deswegen hatte ihn Frei.Wild auch verdient. Und dennoch: Wenn die Deutsche Musikvertretung bei positiv besetzen Liedern über unsere Südtiroler Heimat schier ausnahmslos auf die Barrikaden geht und sich bei „Major“- Künstler mit glasklaren antisemitischen, frauenfeindlichen, rassistischen Inhalten ausschweigt und dafür auch noch Preise vergibt, ist der Echo nicht mehr tragbar. Antisemitismus hat genau wie jede andere Form von Ausgrenzung, Faschismus, Extremismus auf keiner Bühne dieser Welt was verloren, basta.
Was ist mit den Journalisten, die kritisch über euch berichtet haben: Tun die das nur, weil sie sich dem Strom anschließen?
Philipp: Das würde ich gar nicht sagen. Es ist so, dass der überwiegende Teil der Journalisten in Deutschland links geprägt ist – das ist auch nicht schlimm. Links ist genauso wenig schlimm wie rechts, vom Wort her. Das Problem entsteht dadurch, dass ‚rechts‘ oft mit rechtsextrem gleichgesetzt wird, mit Neonazis und Hitler-Fans. Alles, was in Deutschland nach der Mitte kommt, wird als rechts geoutet. Deswegen hat das Wort ‚rechts‘ so eine schlechte Prägung.
Ich habe viele Freunde, die von sich sagen, dass sie eine absolut linke Einstellung haben – und mit denen komme ich gut klar, ich kann mit denen diskutieren.
Es gibt super seriöse, ihren Job gut ausführende, geistig sehr bewanderte Journalisten. Und es gibt welche, wo man eine tendenziöse und launische Haltung bemerkt.
Jonas: Wir halten von Journalisten etwas, wenn sie bereit sind, sich mit uns zu treffen, sich mit uns auseinander setzen und so weit es menschlich möglich ist objektiv, offen und vorbereitet in das Gespräch mit uns gehen. Es gibt viele, die wir einladen, aber die nicht kommen, weil sie sich sagen: Ich habe meine Meinung, basta. Das ist schade. Journalismus heißt ja eigentlich, sich mit einer Sache auseinanderzusetzen.
Philipp: Das ist der Auftrag.
Was ist eure linkeste Position?
Philipp: Schutz der Minderheiten. Das ist eine absolut linke Einstellung. Wir sind in Italien eine kleine deutschsprachige Enklave und gelten auch, laut Pariser Vertrag, als ethnische Minderheit. Das ist total links.
Ich habe vor kurzem mit einem Freund gesprochen, der in Mannheim Mitglied in der Partei „Die Linke“ ist. Der hat mir Teile ihres Parteiprogramms vorgelesen – und da steht tatsächlich vieles drin, was wir auch so besingen. Schutz der Minderheiten, auch Gerechtigkeitsfragen, wo wir genauso sagen: Natürlich gehört sich das so. Und das sind klar linke Positionen.
Ich denke, man sollte sich nie stur an diese beiden Himmelsrichtungen halten, sondern viel mehr auf den Inhalt schauen. Die zwei Worte sind einfach scheiße. Weil sie ablenken vom eigentlichen Inhalt.
Gibt es denn im Moment eine Partei, mit der ihr euch vielleicht mal in ein Boot setzen würdet?
Philipp: Nein, sicher nicht. Weder in Italien noch in Deutschland.
Jochen: Wir wollen ja Musiker sein, keine Politiker. Allerdings geht es bei uns in jedem Interview mehr um Politik als um Musik.
Was ja aber auch damit zu tun hat, dass eure Texte nicht unpolitisch sind.
Jochen: Nein, das sind vielleicht fünf oder sechs Songs. Der Rest handelt vom Leben. Dann wird es für manchen dann halt schnell wieder gesellschaftspolitisch. Jeder zieht auch ein wenig aus der Kunst, was er daraus machen möchte. Das macht die Kunst ja auch so spannend und besonders.
Philipp: Also, es stimmt schon, dass Frei.Wild nicht unpolitisch ist, teilweise ist Frei.Wild sogar sehr politisch. Aber nie parteipolitisch. Ich muss auch sagen: Es gibt in jeder Partei so viele Spinner, so dermaßen falsche Aussagen und nicht nachvollziehbare Geschichten. Es sind Menschen, aber überall findet man auch einen Sauhaufen. Und ich wüsste nicht, warum ich mich da reinsetzen sollte.
Zu einem Songtext, den ich auch als politisch empfinde und in dem ihr konkret über einen Journalisten singt: In „Schlagzeile groß, Hirn zu klein“ formuliert ihr „Frei.Wild hinter Mauern mit kubanischen Gittern “…
Philipp: Der ist ja kein Journalist.
Gemeint ist Thomas Kuban (Pseudonym), der undercover Aufnahmen bei Rechtsrock-Konzerten gemacht hat. Ich kann verstehen, wenn ihr verärgert seid über das, was er durch Aussagen über euch ausgelöst hat. Aber er hat – meiner Meinung nach unter Einsatz seines Lebens – Dinge an die Öffentlichkeit gebracht, die dort vorher nicht sichtbar waren. Habt ihr dafür zumindest auch Respekt?
Philipp: Nein, habe ich nicht. Was soll daran schwer sein? Warum unter Einsatz des Lebens? Weil er dort gefilmt hat, mit einem Knopf? Wer soll das checken? – Das ist ein totaler Witz!
Ich gehe ja immer schon offen damit um, dass ich mal für kurze Zeit in der rechten Szene war und ich kann mich nicht erinnern, dass mir irgend jemand mal erzählt hat, dass auf einem Konzert gefilzt wurde. Laut Klaus Farin sind es zwei Konzerte, die Kuban gefilmt hat, Farin sagt, das sei eine Witz-Reportage, weil immer die gleichen Szenen zu sehen sind.
Ich finde, wenn man sich als erster Mensch auf den Mond schießen lässt, ja, dann geht es um Leben und Tod. Was Kuban gemacht hat… Natürlich ist es mutig. Aber die Frage ist: Aus welchem Grund hat er das gemacht? Aus welchem Grund hat er aufgehört? Und vor allem: Warum hat er uns mit reingezogen? Er war ja nie auf einem Konzert von uns. Bei seinen Aufnahmen ist kein Video von uns zu sehen. Und weil er uns benutzt hat, in einem Kontext, in dem wir sicherlich nicht reingehören und uns als Steigbügel für seine Promotion und Aufmerksamkeit benutzt hat, hat er keinerlei Respekt dafür verdient. Ich gehe sogar weiter und sage, dass sein perfider Ansatz in diesem Fall eine absolute Sauerei darstellt und er hiermit eigentlich eine Straftat begangen hat. Falschaussagen und Behauptungen bei so einem sensiblen Thema zu tätigen ist böse, verantwortungslos und abgründig. Mit „Undercover“-Journalismus hat das nichts zu tun. Unsere Aussage zu dieser mittlerweile abgetauchten und völlig unglaubwürdigen Person haben wir mit einem Song zum Ausdruck gebracht.
Wir haben damals außerdem das Gespräch mit ihm gesucht, wir hätten mit ihm geredet, das hat er aber nie gemacht.
Ich habe gelesen, es sei andersherum gewesen: Er hat euch in eine Radio-Show eingeladen und ihr habt gekniffen.
Philipp: Nein, es war so: Wir hätten zum Radiosender gehen sollen und er hätte seine seine Aussagen zugeschickt. Wir wollten aber mit ihm an einem Tisch mit offenem Visier reden. Das muss nicht ausgestrahlt werden, das wäre mir egal, aber wir wollten ihm mal in die Augen schauen. Das hat er nicht gemacht.
In euren Texten taucht immer wieder das Wort Krieg auf. Also, Pazifisten seid ihr vermutlich nicht, oder?
Philipp: Wir sind zumindest alle nicht beim Militär gewesen, wir sind alle nur Zivildiener.
In unseren Texten ist Krieg das Gegenteil von Liebe, das hat nichts mit Waffen zu tun. Auch nicht mit Mord und Totschlag, sondern es das Gegenstück zu Liebe. Und Liebe ist das absolut reine, schönste Glücksgefühl, was wir auf der Welt haben.
Es gibt natürlich Schattenseiten. Diese sind in der Geschichte von Frei.Wild immer wieder vorhanden. Was uns sehr beschäftigt, auch sehr trifft: Wenn unsere Fans und auch teils die eigenen Kinder auf dem Schulhof blöd angemacht werden, weil in der Zeitung Sachen über den Vater stehen, die nicht stimmen. Da wird sozusagen ‚geschossen‘ auf uns. Wir können das zwar etragen, aber ich muss auch sagen: Andere Menschen brecht ihr damit.
Ich jammere aber nicht rum, wir könnten uns ja auch zurückziehen, dann hört das auf. Allerdings macht uns die Band sehr viel Spaß, dafür haben wir auch zu lange für diese Sache gekämpft. Es ist doch ein schöner Auftrag, als Band zu sagen: Wir haben echt Spaß dabei, und machen immer weiter, egal was kommt.
Die Deutschen kriegen jetzt ein Heimat-Ministerium. Brauchen wir das eigentlich?
Philipp: Nein, das ist ein Witz. Weil es das in einem normalen Land nicht braucht. Man hat vorher auf Biegen und Brechen versucht, zu verhindern, dass man über dieses Wort spricht – und plötzlich muss man dann den Leuten ein Ministerium geben, damit sie still sind. Das ist ein Witz.
Jonas: Man könnte auch das Wort „zuhause“ nehmen, das ist das Gleiche.
Philipp: Oder Vertrautheit.
Jonas: Dort, wo die Menschen sind, die man liebt, das gewohnte Umfeld.
Anders gefragt: Braucht es Politiker, die sich um Heimat um Brauchtum kümmern?
Philipp: Man muss sich ein bisschen mehr fragen, was den Menschen immer eingetrichtert wird. Wenn man nach Afrika schaut, nach Griechenland oder Israel: Dort tragen die Menschen dieses Gefühl automatisch in sich, weil es ein schönes, ein einendes, ein vertrautes Gefühl ist. Dagegen wird in Deutschland dieses Wort teilweise behandelt wie ein Hitlergruß. Da muss sich die Politik die Frage stellen: Was genau ist daran jetzt eigentlich schlimm? Darum geht es, um den Diskurs. Es geht immer ums reden.
Was waren für euch denn die wichtigsten Inspirationen, die ihr außerhalb der Heimat, außerhalb des eigenen Horizonts bekommen habt?
Philipp: Zuletzt hat uns die Reise nach Israel sehr inspiriert, aber auch unfassbar bestärkt in unseren Ansichten. Ich glaube, es gibt kein Land, wo ich bisher gewesen bin – nicht mal eine Region – wo ich dieses Gefühl, das wir für Südtirol empfinden, in der dortigen Kultur wiedergefunden habe. Wenn du in Israel und Palästina mit den Menschen sprichst: Sie haben alle das schöne Gefühl: All das, was ihnen das Leben verschönert, finden sie dort, wo sie sich zuhause fühlen, in der Heimat.
Und musikalisch gesehen: Es kann schon vorkommen, dass man in einem Londoner Pub einen Straßenmusiker hört, der dort vor 400 Leuten alles an die Wand spielt, mit einer Musik, mit der wir überhaupt nicht groß geworden sind – und dass uns dann trotzdem inspiriert.
Christian: Für mich war zum Beispiel Brasilien sehr inspirierend. Dort ist übrigens das Heimatgefühl auch stark ausgeprägt, jeder hat eine Brasilienfahne vor dem Haus hängen oder am Auto – das ist doch schön und die Symphatie zu Brasilien und den Brasilianern als Volk ist auf der ganzen Welt riesengroß.
Philipp: Ich finde übrigens eine Fahne auch gar nicht ausgrenzend. Sondern sie ist Symbol einer Zugehörigkeit. Wenn man zum Beispiel Vereinsmitglied ist, ein Bayern-Trikot trägt, oder eine Schalke-Fahne, dann weil man sich mit diesem Verein identifiziert, weil man geile Menschen kennen gelernt hat, weil man als Mensch immer auch das Bedürfnis hat, irgendwo mitzuwirken, im Verein mitzuhelfen usw. Das ist auch wichtig in einem Land, weil man dann auch seinen Beitrag leistet dafür, dass es dem Land gut geht.
Zwischen 1996 und 2008 war ich viel als Zimmermann auf Montage, von Italien bis nach Nordirland hoch. Oft habe ich bei den Leuten zuhause gegessen – und da ist mir aufgefallen: In jedem Land gehört für die Leute zum Wohlfühlen auch dazu, dass man die Sprache hochhält, zum Beispiel in der Musik, wenn die Kinder mit den Omas singen. Oder dass man die Kulinarik, die Feiern und Bräuche lebt. Das hat ja auch immer was mit Zusammentreffen zu tun, mit Reden und Feiern und Lachen.
Was ist eure italienischste Eigenschaft?
Philipp: Der Wein.
Jonas: Das Essen.
Jochen: Die Frauen.
Philipp: Das Meer. Wir kleiden uns auch eher italienisch.
Und was ich ein bisschen vom Italiener habe, ist das Aufbrausende.
Jochen: Fluchen tun wir nur auf Italienisch.
In Deutschland haben einige Menschen und Organisationen wie der Zentralrat der Juden die Befürchtung, dass viele Deutsche sich nochmal dazu bewegen lassen würden, eine Volksgruppe zu vertreiben. Ist diese Gefahr eurer Meinung nach real?
Philipp: Es gibt so eine Gefahr. Aktuell geht die aber meiner Meinung nach von fanatischen Moslems aus, in Bezug auf Juden. Es gibt viele Menschen, die an der Scharia festhalten und die Antisemitismus jeden Tag propagieren, leben und die es als normal ansehen, sich gegen jüdische Menschen zu äußern. Wir haben viele Freunde die jüdischen Glaubens sind, viele Freunde die Christen sind, auch Freunde die Moslems sind. Aber blöde Witze haben wir von Christen oder Juden noch nie gehört. Ich glaube, es gibt zu viele Menschen, bei denen man es durchgehen lässt, wo man sagt: Die wissen es nicht besser. Aber Antisemitismus ist nicht zu tolerieren. Auch gegen Christen oder gegen Moslems zu sein, ist nicht zu tolerieren. Die Welt sollte doch bitte schon so weit sein, dass es scheißegal ist, woran jemand glaubt.
Und die Deutschen, sind die jetzt immun dagegen, dass nochmal eine Hasswelle gegen eine Volks- bzw. Religionsgemeinschaft losbricht?
Philipp: Nein, weil es überall Idioten gibt. Insofern ist es wichtig, dass Menschen immer erfahren, was passiert ist. Dass Menschen daran erinnert werden. Geschichte ist dazu da, einen Fehler nicht nochmal zu machen und daraus zu lernen.
Genauso sollte man aber auch nicht ins andere Extrem verfallen, weil man denkt: Ich muss jetzt Wasser mit Feuer löschen. Ich finde: Diskussion ist das Wichtigste, und Respekt vor den Menschen. Das besingen wir auch so.
Ihr besingt ja auch das „Land der Vollidioten“.
Philipp: Ein Evergreen von uns! (lacht)
Was war die letzte Situation, wo Ihr dachtet: Da zeigt sich wieder das ‚Land der Vollidioten‘?
Jonas: Beim Flughafen in Berlin.
Philipp: Rentenpolitik in Südtirol. Da hatten wir echt einen Skandal. Wenn man sich das anschaut, merkt man, dass man als Bürger echt verarscht wird. Wo die Politiker auch nicht imstande sind, das zu korrigieren.
Christian: Als in Italien die Impfpflicht eingeführt wurde, habe ich mir das gedacht.
Philipp: Oder Glyphosat, dass man darüber in der Landwirtschaft überhaupt noch diskutiert, wo man wirklich weiß, was es für Nebenwirkungen hat und wie viele Fehlbildungen es hervorgerufen hat. Dass man trotzdem den Einsatz weitere zwei oder vier Jahre genehmigt, anstatt dagegen aufzustehen, das hat auch der Bauernbund nicht getan.
Euch werden die Themen also nicht ausgehen.
Philipp: Nein, solange es Menschen gibt, gibt es Themen. Das ist auch schön so. Der Mensch ist an sich nicht perfekt. Aber man sollte imstande sein, das Lenkrad, wenn man es in die falsche Richtung gerissen hat, zu schauen: Wo fährt es sich besser? Nicht nur für mich, sondern wo fährt es sich für alle besser? Wenn man das schafft, wäre es auf der Welt ein Ticken geiler.
Im vorhin schon mal zitierten Song „Schlagzeile groß, Hirn zu klein“ wettert ihr auch gegen „Feindbildjäger“. Doch auch ihr ‚jagt‘ in manchen Songs Feindbilder: In „Böse und Gemein“ heißt es u.a. „denn du bist für mich ein Schwein … es ist besser wenn du gehst“ usw.
Philipp: Den Text haben wir geschrieben? (lacht)
Zehn Jahre später singt ihr mit „Fick dich und verpiss dich“ einen ganz ähnlichen Song. Seid ihr da auch ein Stückweit Dienstleister? Ihr schreibt, sozusagen als Service für die Fans, Songs, bei denen sie ihren Frust rauslassen können?
Philipp: Nein. Wir sind nie Dienstleister. Wir haben immer das gemacht, was wir wollten, ohne Rücksicht auf Verluste und ohne auch nur eine Sekunde daran zu denken, wie es anderen gefällt. Wir haben immer darauf hingearbeitet, dass es uns selbst gefällt. Und wir können heute, nach so vielen Jahren, mit ruhigem Gewissen sagen: Wir sind so weit gekommen, dass wir niemandem mehr etwas beweisen müssen. Es gibt so viel, dass uns dankbar stimmt, wo wir sagen können: Was haben wir für ein Glück! Was haben wir für eine unfassbar schöne Zeit erlebt! Eine Diskussion, ‚das machen die nur, um die Fans zu beglücken‘ – die hat es nie gegeben. Wird es auch nicht geben. Das wäre dann wirklich Industriemusik.
Eine Fan-Frage zu „Böse und Gemein“: Ein Kommentar auf Youtube wollte wissen, was die Songzeile „Bananen und Zucchini kommen hinten rein, deshalb bleibst du auch ein Schwein“ bedeutet?
Jochen: Keine Ahnung.
Jonas: Das weiß ich auch nicht, das ist so lange her.
Philipp: Gut dass du es sagst, so haben wir die Möglichkeit, mal über unseren eigenen Schwachsinn zu lachen! (sucht den Text an seinem Handy raus und liest ihn vor) Keine Ahnung, was uns da geritten hat. Der Alkohol.
Philipp, du gehst ja regelmäßig in die Kirche, in die katholische, die ja ein großes Problem mit Homosexuellen hat. Hat die Textzeile damit zu tun?
Alle: Nein.
Philipp: Was die Kirche betrifft: Wir gehen alle 1-2 Mal im Monat hin. Ich finde es als Vater meine Pflicht, dass man einem Kind, wenn man es schon tauft, die Möglichkeit gibt, einen Zugang zu finden. Ich glaube auch, dass dieses ‚ich kann auch zuhause beten‘ eine schlechte Einstellung ist. Denn wenn das jeder denkt, kannst du alle Kirchen zumachen. Dann braucht es keinen Priester mehr und dann stirbt ein großer Teil der Kulturgeschichte, überall dort, wo es christlich geprägt ist.
Ich finde auch, dass man als Kind mit der Kirche einen fixen Punkt hat. In dieser einen Stunde fährt man alles runter, man geht mit der Familie dort hin, danach die Weißwein-Kultur auf dem Dorfplatz, oder Kartenspielen, Menschen treffen, die man sonst nicht sieht – das ist schon eine schöne Geschichte.
Ich fühle mich auch sehr als Christ, weil ich denke, dass zum Beispiel die 10 Gebote ein sehr guter Weg wären, wenn man sich dran halten würde.
Eine Frage, die ich vorhin vergaß: Glaubt ihr, es gibt noch Kriege, die geführt werden müssen – oder sind die Politiker alle auf dem falschen Dampfer?
Philipp: Man bekämpft Krieg grundsätzlich nie mit Waffen, aber ich glaube, es gibt Notsituationen, wo es Eingreiftruppen braucht. Es wäre allerdings viel wichtiger, dass man mit anderen Sachen aufhört: Mit Ausbeutung von Ländern, mit falsch betriebener Landwirtschaft aus Profitinteressen, mit Zurückhalten von Bildung. Wasser ist auch ein großes Thema. Es wäre viel besser, wenn die Politik bei diesen Dingen ansetzen würde, anstatt die nächsten Raketen auf die nächsten, bereits zerbombten Städte zu schießen, wo eh nur die Ärmsten der Armen getroffen werden.
Inwiefern kann auch Musik in unser Gesellschaft Gutes bewirken?
Philipp: Musik kann die Leute präventiv nachdenken lassen. Ich glaube schon, dass viele Künstler es geschafft haben, mit ihren Liedern nicht nur Menschen aus Krisen zu ziehen, sondern ihnen auch Denkanstöße zu geben. Diese Denkanstöße können sich wiederum auf das eigene Leben auswirken – und vielleicht auch auf andere Menschen übertragen. Deswegen finde ich es auch wichtig, als Musiker Aussagen zu treffen. Generell ist mir die deutsche Musiklandschaft zu unpolitisch. Wie es Jan Böhmermann gesagt hat: Mit „Menschen Leben Tanzen Welt“ kann man sich zwar einen schönen Abend machen… aber in Deutschland vermissen die Leute auch ein wenig das Politische. Früher war das schon anders mit Künstlern wie Lindenberg, Westernhagen, Grönemeyer und Maffay. Es wäre schön, wenn sich das wieder ändern würde. Dann wäre der Auftrag der Rockmusik zumindest anders erfüllt.
Wenn Deutschland in Zukunft noch mal eine Welle von Fremdenfeindlichkeit erleben sollte und angenommen, es startet eine neue „Rock gegen Rechts“-Initiative: Wärt ihr dabei, wenn man euch anfragt?
Philipp: Wir haben ja schon mal angeboten, bei so einem Festival zu spielen, das war im Rahmen eines Nürnberger Festivals geplant, das dann leider – allein durch unsere Zusage – von allen anderen Künstlern abgesagt wurde, noch bevor die Plakate gedruckt waren . Wir haben auch der Organisation „Exit“ angeboten, zu spenden, aber es hat jedes Mal Rote Karten gegeben: Mit euch machen wir nichts. Auch der Verein „Kein Bock auf Nazis“ – die haben auch kein Bock auf uns. Das ist halt so. **
Menschen, die eine bestimmte Biografie haben, wie ich… Also, wenn mir jemand sagt: Ich finde es scheiße, was du gemacht hast – das ist OK. Aber eine zweite Chance wollen sie einem dann auch nicht geben. Daraus ergibt sich dann natürlich die Frage: Warum sollte ein Nazi überhaupt aussteigen, wenn er eh keine zweite Chance kriegt? Das ist doch komisch! Normalerweise sollte man zu dem sagen: Schön dass du raus bist, ich helfe dir jetzt dabei, andere zu warnen.
Und wenn doch, wider Erwarten, jemand bei euch anklopft, für „Rock gegen Rechts“?
Jonas: Dann sind wir dabei. Ein Problem ist nur, dass dann alle anderen Bands sagen: Ich mache nicht mit, weil ich mit Frei.Wild nicht auf einer Bühne stehen will.
Philipp: Wobei das für mich ein Zeichen von fehlendem Selbstbewusstsein ist. Ich verkörpere unsere Band und die anderen werden hoffentlich imstande sein, sich zu verkörpern. Aber zu sagen: ‚Ich spiele nicht mit denen‘ – das ist Sandkastenniveau.
Wir sind Mitorganisatoren vom Alpen Flair, dem größten Volksfest Südtirols, es ist auch das größte Open-Air in Norditalien. Dort haben wir Bands aus allen Musikrichtungen, von Schlager über Deutschrock bis Electro. Alle Leute die bei uns waren, hatten mit uns einen Dialog. Auch diejenigen, die vorher meinten, sie wollen mit uns nichts zu tun haben. Das gilt übrigens auch für die Journalisten: Selbst wenn jemand uns zehn Mal verrissen hat, wir haben immer gesagt: Komm wieder!
Ich habe vorhin mitbekommen, dass von euch nicht alle zufrieden sind, wenn sich Interviews in erster Linie um Politik drehen. Doch wenn Philipp sich in Statements immer wieder politisch äußert, sich positioniert, löst das ja auch bestimmte Fragen aus.
Philipp: Es ist ein Trieb in mir, wenn mir etwas auf den Nerv geht, das auch zu sagen. Ob das jetzt immer die schlaue Entscheidung ist, oder ob man besser eine Nacht drüber schläft, ist eine andere Frage. Ich finde es schon wichtig, dass man eine Meinung hat, und diese auch äußert. Insbesondere wenn man Musiker ist.
Ist es denn noch deine Meinung, dass Angela Merkel ein „heuchlerisches Individuum“ ist?
Philipp: Das kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass ich die Art und Weise, wie Merkel andere Leute in der Politik nicht hochkommen lässt, auch wie sie dafür gesorgt hat, dass viele EU-Mitgliedsstaaten gestritten haben und sich verbal attackiert haben, nicht gut finde. Mir fehlt da der Dialog. Und ich finde auch: Viele Menschen, die berechtigte Sorgen, oder auch unberechtigte Sorgen haben, sollte man mehr in den Dialog holen. Das ist für mich eine Sache, die besser gemacht werden könnte.
Auch in Bezug auf die Flüchtlingspolitik?
Philipp: Ja klar, in Bezug auf alles. Wenn schon Tausende Menschen in sozialen Netzwerken ihre Sorgen, Ängste und Fragen äußern, dann müsste man mehr darauf eingehen. Denn sonst werden viele Leute sich vernachlässigt fühlen und sich radikalisieren. Und das ist sehr gefährlich.
Hat Merkel das aber nicht bereits erkannt?
Philipp: Ja, aber zu spät. Wohl auch, weil sie ein bisschen beratungsresistent ist.
Seid ihr in Deutschland zuversichtlich mit Blick auf die politische Landschaft?
Philipp: Ich glaube, man muss jetzt den Politikern eine Chance geben, zu schauen, wie es alles läuft. Jeder Mensch hat eine Chance verdient. Immer im Vornherein zu sagen ‚Du kannst es nicht‘ halte ich für falsch.
Jonas: Politische Wechsel hat es immer gegeben, und das tut auch gut.
Zum Schluss: Uri Geller hat mal gesagt: „Es ist egal, was in der Presse über mich steht, Hauptsache mein Name ist richtig geschrieben.“ Trifft das auch auf Frei.Wild zu?
Philipp: Nein. Denn wenn man gewisse Artikel liest, erfreut uns das nicht. Es ist nicht so, dass wir uns über jeden Artikel freuen, egal was drin steht.
Uri Geller sagt damit ja: ‚Auch schlechte Publicity ist Publicity. Auch selbst wenn die Leute mich entzaubern, ist es noch gut für mich, weil ich ja dadurch in der Presse bin‘. Wenn ihr aus der Presse, aus der Diskussion raus wärt, das wäre doch schlecht für euch, oder?
Philipp: Das stimmt. Weil dann auch die Chance weg wäre, dass wir uns seriösen Journalisten stellen. Wir haben viele tolle, fleißige, engagierte, interessierte, professionelle Pressevertreter kennen gelernt, die sich der Sache Frei.Wild sehr tiefgründig angenommen haben. Und die kamen auch zu einem anderen Ergebnis als diejenigen, die die Arschkarte hatten und innerhalb von anderthalb Stunden einen Bericht über unsere komplette Bandgeschichte schreiben mussten. Insofern habe ich teilweise auch Mitleid mit dieser Sorte von Journalisten.
Jonas: Wir haben in der Band auch schon oft diskutiert, ob wir überhaupt noch Presse einladen, ob wir on Tour noch Interviews geben. Letztendlich sind wir zum Schluss gekommen, dass es gut für uns ist. Unsere Türen sollen immer offen stehen und wir sind auch für jede Diskussion offen.
Und wenn es schlechte Publicity gibt, ist die für euch scheinbar auch ‚gut‘, weil sie euch anspornt weiterzumachen. So singt ihr es in „Schlagzeile groß, Hirn zu klein“ und so steht es auch auf Frei.Wild-T-Shirts. Ohne die Negativ-Presse hättet ihr vermutlich ein paar Texte weniger.
Jonas: Das stimmt.
Philipp: Aber dann hätten wir andere Texte. Schau mal in die Nachrichten, egal wohin. Wir haben so viel Input auf dieser Welt, worüber man schreiben kann. Eines wird nie passieren: Dass der Welt die Lieder ausgehen. Und euch Journalisten werden die Themen auch nie ausgehen (lacht).
Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic, welche Figur seid ihr?
Jochen: Daltons, der größte von denen.
Christian: Rantanplan, der Hund.
Philipp: Jonas ist Daniel Düsentrieb, das ist bei uns der Erfinder. Und ich? – Das ist schwer. Keine Ahnung. Da habe ich noch nie darüber nachgedacht.
* Die Echo-Frage haben Frei.Wild nachträglich schriftlich beanntwortet, jedoch noch bevor bekannt wurde, dass der Echo-Preis komplett abgeschafft wird.
** Die Organisation Exit dementiert diese Darstellung, in einer Mail vom 25.04. schreibt sie: „Von einer „Roten Karte“ ist hier nichts bekannt. Es gab in der Tat Kontakte, die nicht von uns aus eingestellt worden sind. Zur Band hat sich der Gründer von EXIT-Deutschland Bernd Wagner im Buch von Klaus Farin geäußert, was nicht von Ablehnung geprägt war. Es ist jeder Zeit möglich, mit EXIT-Deutschland Kontakt aufzunehmen, um bestehende Gemeinsamkeiten zu erörtern.“