Fritz Kalkbrenner

Ein Werkzeug, um Kreativität zu beschneiden.

Fritz Kalkbrenner über die GEMA, Techno-Gesang und HipHop

Fritz Kalkbrenner

© Torben Conrad

Fritz, viele Konzerte deiner aktuellen Tour sind ausverkauft, das Album „Sick Travellin’“ schaffte es Ende 2012 in die Top10. Bist du noch gelegentlich überrascht über diesen Erfolg?
Fritz Kalkbrenner: Also, ich falle heute nicht mehr aus allen Wolken deswegen. Aber ich bin natürlich erfreut darüber, das ist ja eine Wertschätzung, die ich erlebe. Erfolg ist etwas, worauf man hoffen kann, was man aber nicht voraussetzen sollte. Bei mir ist es ein Endergebnis von vielen kleinen Schritten und ich bin froh, dass diese Anstiegskurve doch sehr gemächlich dahingeht. Es gibt ja auch Musiker, wo es innerhalb eines Jahres so nach oben schießt, die das dann oft nicht handhaben können.

Du hast früher als Runner im Berliner Club Pfefferbank (heute Bassy Club) gearbeitet. Wie gefällt dir momentan die Clubszene in Berlin?
Kalkbrenner: Ich nehme die Entwicklung kaum wahr, weil ich selten da bin. Ich weiß, dass sich Einiges verändert hat, aber das ist normal, da muss man mit der Zeit gehen. Es bringt nichts, wenn alle heulen, dass es früher mal besser war.

Suchst du manchmal noch Orte von früher auf?
Kalkbrenner: Nein, wozu? Ich weiß wo das E-Werk war, aber ich trauere dem nicht nach. Das ist im Wandel der Zeiten inbegriffen, dass die alten Läden jetzt zu sind, das ist nicht so schlimm. Wenn es möglich ist, gehe ich mal ins Watergate, aber auch das kommt nicht so häufig vor. Was ich aber sehe, ist, dass das Publikum jünger und internationaler geworden ist.

Beeinflusst das die Stimmung auf einer Party?
Kalkbrenner: Ich glaube nicht. Die Feierkultur ist etwas Kosmopolitisches, was derjenige aus Barcelona genauso gut beherrscht, wie ein Berliner. Insofern können die auch gerne mal die Plätze tauschen.

Du produzierst eine sehr melodiöse Techno-Variante. Wie kam es zu diesem Stil?
Kalkbrenner: Melodie ist für mich ein intergraler Bestandteil, ohne Melodie würde etwas fehlen, genauso wie ohne die anderen Dinge etwas fehlen würde. Zwölftonmusik ist nicht mein Fall.

Viele Techno-Produktionen verzichten ja auf Melodie…
Kalkbrenner: Ja, dann geht es in eine funktionale Richtung. Ab und an finde ich das auch gut. Aber bei mir drängt sich dann früher oder später eine Melodie in der Produktion auf.

Verhält es sich mit deinem Gesang ähnlich?
Kalkbrenner: Das ist ein zwingender Ausdruck, das kommt so aus dem Inneren Glühen, was da in der Brust schlägt. Ich versuche, die Vocals nicht nur als reine Klangfarbe zu benutzen – was in der Tanzmusik des Öfteren vorkommt, wo ein „uh yeah“ halt nur so ein Beiwerk ist – sondern das Ganze auch mit Inhalt zu füllen. Das ist sozusagen diese bardenhafte Qualität, die da ein bisschen mit hineinfließt. Da mache ich mir auch einen Kopf und freue mich, wenn das zusätzlich rezipiert wird. Das kann man nicht immer verlangen, aber es wäre schön.

Wie ist es mit dem Gesang bei deinen Live-Auftritten?
Kalkbrenner: Ich habe ein Mikro an der Backe, einen In-Ear-Monitor, die Produktion wird abgefahren und bei den jeweiligen Parts wird dann gesungen.

Im Techno-Bereich ist es selten, dass ein Musiker selbst zu seinen Tracks singt.
Kalkbrenner: Ja, das hat auch bei mir ein bisschen gedauert. Erst dachte ich, dass ich das zusätzlich zur Live-Performance nicht schaffen könnte, aber irgendwann kriegt man es hin, so dass man es auch recht flüssig beherrscht. Man wächst mit seinen Aufgaben.

In bestimmten Techno-Kreisen sind Vocals allerdings verschrien, gelten zu sehr als Mainstream. Warum?
Kalkbrenner: Es gibt so viele unterschiedliche Strömungen innerhalb der Techno-Szene. Und ehrlich gesagt sind Vocals im Moment so en vogue wie nie, nur, dass es nicht durch Sänger sondern auf Sample-Basis, irgendwie geloopt und gefiltert, stattfindet.
Genauso gibt es aber auch Verfechter, die unken, wenn sie Vocals hören. Doch die Szene ist eben sehr weit gefächert: Die Vorstellung, dass das ein einmütiger Strom ist, wäre so, als wenn man Lemmy Kilmister und Carlos Santana vergleichen würde, weil sie beide eine Gitarre in der Hand halten. So eine Einmütigkeit herzustellen ist im Techno schon lange nicht mehr möglich. Dieser Szenerie-Gedanke ist einfach nicht mehr erfüllbar, sondern der aktuelle Ausdruck zersplittert sich in viele viele Farben, die auch kaum noch etwas miteinander zu tun haben müssen.

Ein gemeinsamer Nenner sind für viele zumindest die ‚beats per minute‘. In welchem Tempo sind die Stücke auf deinem aktuellen Album?
Kalkbrenner: So zwischen 120 und 126 bpm.

Warum diese Festlegung auf das klassische House-Tempo?
Kalkbrenner: Das ist halt Tanzmusik. Es gibt gewisse psychische Schemata, die da funktionieren, und von denen, die nicht funktionieren, lässt man die Finger.

Zitiert

Die Vorstellung, dass die Techno-Szene ein einmütiger Strom ist, wäre so, als wenn man Lemmy Kilmister und Carlos Santana vergleichen würde, weil sie beide eine Gitarre in der Hand halten.

Fritz Kalkbrenner

Was ist mit HipHop, der Musik deiner Teenager-Zeit?
Kalkbrenner: Da gibt es den großen Schlüssel Tanzbarkeit. HipHop ist nicht tanzbar. Und wenn, dann nur in so komischen Gruppenklassen, wo die Leute so Formationen abhalten. Dem kann ich keine wirkliche Dancefloortauglichkeit nachsagen, das funktioniert in einem anderen Rahmen, das ist ein Fakt.

Aber es gibt doch HipHop-Partys.
Kalkbrenner: Ja, aber die haben keinen richtigen Dancefloor, sondern eine Schwoof-Ecke und eine starke Ausrichtung zum DJ.
Jede Musikrichtung hat halt so ihre Spezifika, die sie erfüllen kann und welche, die sie nicht erfüllen kann. Dafür kann Clubmusik einige Dinge nicht erfüllen, die zum Beispiel eine HipHop-Produktion erfüllen kann.

Wie beurteilst du es, dass die GEMA in Zukunft DJs zur Kasse bitten möchte, wenn sie im Club GEMA-pflichtige Musik spielen wollen?
Kalkbrenner: Das ist eine ziemlich zerfaserte Geschichte. Ich habe mir die Organigramme schon angeguckt, wann zum Beispiel eine Tonträgerkopie abführungswürdig ist und wann nicht. Das ist sehr durcheinander und kein Mensch versteht das. Dann habe ich erfahren, dass die GEMA sich mit dem Deutschen DJ-Verband auseinandersetzt, was in der Kultur der Sache vollkommen unüblich ist. Da sind Leute wie ‚DJ Klaus‘ und ‚DJ Rainer‘, die bei Hochzeiten mit 15-20 Nummern auskommen und die sind jetzt anscheinend der Gesprächspartner, der dort für uns alle sprechen soll. Das bereitet mir ehrlich gesagt ziemlich große Sorgen.

Was könnte die Regelung für Konsequenzen haben?
Kalkbrenner: Die Vermutung liegt nahe, dass ein DJ, der sich das nicht leisten kann, 13 Cent pro Stück abzuführen, auf ein bestimmtes Repertoire verzichtet. Im Endeffekt ist das ein Werkzeug, um Kreativität zu beschneiden. Deswegen kreuze ich meine Finger und hoffe, dass sich das noch irgendwie auflöst, zum beidseitigen Verständnis. Aktuell ist es kein Zustand.

Bist du als Live-Act, der keine Tonträger abspielt, bei der Angelegenheit denn fein raus?Kalkbrenner: Ja, ich bin da fein raus, für mich trifft das nicht zu. Aber mal gucken, ob sie versuchen werden, es mir trotzdem anzuhängen.

Wie nimmst du die GEMA denn wahr, auch angesichts der neuen Regulierungen?
Kalkbrenner: Die GEMA vertritt meine Belange.

Aber besonders clubaffin tut sie das nicht.
Kalkbrenner: Das ist nun mal so. Wenig ist perfekt. Wie gesagt, mir würde ein gütliches Auseinander kommen sehr gefallen.

Sind für dich als Künstler die GEMA-Einnahmen denn eine wichtige Einnahmequelle?
Kalkbrenner: Da meine Musik auch im Radio läuft und es Verkäufe gibt, sind das keine Cent-Beträge. Es ist nicht die Welt, aber es findet schon statt, in einem Maß, dass man denkt: Es ist gut, dass man da Mitglied ist.

Bevor du mit der Musik dein Geld verdient hast, warst du Kulturjournalist. Was genau hast du gemacht?
Kalkbrenner: Ich war TV-Autor und habe für die Deutsche Welle, für MTV, den RBB und MDR gearbeitet, Themen erarbeitet und der Redaktion vorgeschlagen, Drehs disponiert, Interviews geführt, mit einem Kamerateam Szenen einfangen, geschnitten und dann die Beiträge getextet.

Was waren das für Themen?
Kalkbrenner: Alles mögliche, ich habe mal einen Beitrag über Jeff Cascaro gemacht, oder über Polarkreis 18. Bei MTV war es viel Tagesgeschäft, Interviews mit Hinz und Kunz.

Gab es Interviews die dir in Erinnerungen geblieben sind?
Kalkbrenner: Llyod Banks, Ashanti, Liam Gallagher, 50 Cent, Maximo Park und andere. Aber das ist alles professionell und mit Abstand durchgezogen worden.

Das klingt nicht so, als hätte dich der Job fasziniert?
Kalkbrenner: Nein. Das ist ja nicht immer superlustig, sondern das ist Arbeit. Ich habe da mit meinen Kollegen viel Spaß gehabt, aber bei den Interviews, warum sollte da etwas Besonderes passieren? So ein Künstler aus den USA kommt mit einer Entourage von 20 Leuten und zwei Presseagenten da rein, dann gibt es das vereinbarte Zeitfenster für das Interview und fertig.

Keine überraschenden Momente?
Kalkbrenner: Nein, da erfährt man nichts Überraschendes. Die werden sich nicht verquatschen. Das ist ein einfaches Geben und Nehmen, Frage und Antwort, als ob eigentlich schon alles vorher passiert ist, das ist Teil des Spiels. Warum sollte ein US-Künstler die Hosen runterlassen, in einem Land, dass er kaum kennt?
Ich habe einmal Questlove interviewt. Das war ziemlich nett, ist allerdings nie gesendet worden. Aber ich hätte es auch sein lassen können. Dafür, dass er ein Idol von mir ist, spielte das keine Rolle, dass ich mal ein Interview mit ihm geführt habe.

Zum Schluss: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Kalkbrenner: Ich bin der ‚Comedian‘ aus „Watchmen“.

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.