Fünf Sterne deluxe

Kultur subventionieren anstatt Hochkultur

Nach 17 Jahren Pause hat die Hamburger HipHop-Formation Fünf Sterne deluxe ein neues Album veröffentlicht. Mirko Bogojevic alias „Das Bo“ spricht im Interview über „Flash“, junge und alte Rapper, Nostalgie-Gefühle, seinen Ärger über Hamburgs neues Wahrzeichen und das Schweigen des HipHop zur Bundestagswahl.

Fünf Sterne deluxe

© Warner Music

Bo, als im Jahr 2000 das letzte Album von „Fünf Sterne deluxe“ erschien, warst du 23 Jahre alt. Jetzt, mit 40, kommt ein neues Fünf Sterne-Album. Ist HipHop nicht eigentlich Jugendkultur?
Das Bo: Ich sehe das eher rational. HipHop ist heute keine Subkultur mehr, sondern eine musikalische Instanz. Rock’n’Roll gibt es doch auch immer noch und die Stones machen immer noch Stadien voll. Warum soll es mit HipHop nicht ähnlich gehen? Wenn ein Künstler älter wird in dem Genre und trotzdem der Musik noch was geben kann, warum soll das nicht eine Relevanz haben?

Sido sagte einmal dazu: „Wenn Grandmaster Flash heute ein neues Album rausbringt – das würde ich mir nicht mehr kaufen. Der hat nichts über die Jugend zu sagen. HipHop ist am Ende des Tages eine Jugendkultur.“
Das Bo: Natürlich ist es eine Frage, wenn man wie Sido mit dem „Arschficksong“ anfängt, wie das dann weitergeht und ob man dann am Ende bei „analem Liebemachen“ landet. Es kommt drauf an, was man für eine Eigendefinition für seine Musik hat. Wir als Fünf Sterne deluxe haben uns zeitlich nie gebunden gesehen. Wir haben einfach festgehalten, was wir in dem Moment empfunden haben und das kreativ umgesetzt. Das ist auch bei dem neuen Album nicht anders.

Hast du denn früher HipHop als Jugendkultur betrachtet?
Das Bo: Ich habe damals ganz wenig reflektiert, das war alles so ein Tunnel, da war ich drin, als es passiert ist. Zehn Jahre war das eine sehr intensive Zeit und Reise.

Richtig aufgelöst haben sich Fünf Sterne deluxe ja nie.
Das Bo: Es war aber irgendwann überreizt. Und weil wir in der Gruppe auch sehr stark unterschiedliche Persönlichkeiten waren, wo jeder einen Antrieb hatte, sich selber zu verwirklichen, wo auch zwei Leute in anderen Städten gelandet sind, hat sich das so ‚rausgefaded‘. Es gab aber nie die Situation, dass wir gesagt hätten: Das bringt doch alles nichts mehr.
2013 haben wir dann ein Konzert auf der Hamburger Trabrennbahn gegeben, das hat sich so gut angefühlt, dass wir gesagt haben: Lass doch mal wieder ins Studio gehen! Wir haben dann über die letzten drei Jahre immer wieder sporadisch an dem Album gearbeitet.

Zitiert

Grau meliert lebt es sich ungeniert.

Fünf Sterne deluxe

Auch die Hamburger „Beginner“ haben letztes Jahr nach langer Pause wieder ein Album veröffentlicht. Hat euch das ermutigt?
Das Bo: Nein, zu dem Zeitpunkt waren wir ja schon in der Produktion. Bei uns hat es nur etwas länger gedauert, zum Glück. Denn sonst hätten die Medien sicher ein „Beginner gegen Fünf Sterne“-Duell daraus gemacht.

Wie stehst du zu jungen Rappern, wie beispielsweise der 187 Strassenbande, die ebenfalls aus Hamburg kommen?
Das Bo: Ich kenne die ‚187‘-Jungs schon über zehn Jahre. Die sind bei mir in der Hood, die haben immer ihr eigenes Ding gemacht, sie haben ohne großen Plattenvertrag losgelegt, sind groß geworden ist, bekamen dann den großen Deal und jetzt fahren sie diese übertriebene Erfolgswelle.
Klar gibt es jetzt andere, bestimmte Strömungen und Attitudes, die für die Jugend heute zusprechend sind, auch weil sich die soziale Struktur komplett verschoben hat. 187 ist so ein bisschen die moderne Boygroup, eine Gruppe von Jungs, die untereinander tight sind, die stark und doll sind, die als Einheit alles „wegficken“, wie man im Jugendslang sagt – das ist natürlich spannend für die Kids.

Und seid ihr noch spannend für die Kids?
Das Bo: Ach, warum sollte ein 20-Jähriger heute, bei dem ganzen Druck und medialen Stress und bei der Kontrollsucht, die von einem verlangt wird, warum soll der nicht auch auf etwas flashen können? Natürlich, jemand der sich von vornherein von alten Leuten abgrenzt, wird sich unsere Sachen nicht anhören und der wird dann auch nicht flashen können. Aber das können wir nicht beeinflussen. Von daher machen wir uns da gar keinen Kopf drüber.

Ein Rezensent schrieb über die neuen Songs: „Flowlich und textlich klingt es original wie in den 90ern.“ Nimmst du das als Kompliment?
Das Bo: Natürlich haben wir jetzt nicht versucht, uns komplett neu zu erfinden. Die Sachen, die wir früher gemacht haben, dienen uns weiterhin als Basis. Und unsere letzten Songs liegen halt 17 Jahre zurück, also fast in den 90ern, von daher ist es schon angemessen, das so zu sagen. Wir sind jetzt nicht die neuen Typen, die den neuesten Flow reinbringen, aber wir sind auf jeden Fall gereift. Wir sind besser geworden, was die Produktion angeht und textlich sind wir auch noch mal ein Level weitergekommen.

Bedient ihr trotzdem auch ein bisschen die Nostalgie-Gefühle Ihrer Fans?
Das Bo: Also, wir haben mit dem Album keinen bestimmten Plan verfolgt. Deshalb passt auch „Flash“ als Titel, weil wir einfach gemacht haben. Weil es zum Teil sehr verspielt ist. Es hat die alte Handschrift, wir haben auch Oldschool-HipHop-Samples benutzt – das könnte für Nostalgiker interessant sein. Es ist aber kein nostalgisches Album, wir haben uns ja auch nicht gescheut, moderne Sachen als Stilmittel miteinzubauen.

Tourdaten Fünf Sterne deluxe:
09.11. Köln, 10.11. Wiesbaden, 23.11. Berlin, 24.11. Leipzig, 25.11. Münster, 30.11. Stuttgart, 01.12. CH-Zürich, 02.12. München, 14.12. Hannover, 20.12. Hamburg

Bei Solo-Projekten hast du dich zuletzt als „Gentlemanrapper“ bezeichnet. Wie definierst du das?
Das Bo: Da gibt es keine reine Definition, allerdings finde ich, dass heute, wo alles immer doll und hart sein muss, man sich als entspannter Gentleman gut abgrenzen kann. Grau meliert lebt es sich ungeniert. Meine Attitude ist, dass ich positiv und offen rangehe, auf Menschen zugehe, dass ich nicht kategorisch irgendwas ablehne. Unser neuer Song „Moin Bumm Tschack“ ist natürlich nicht so Gentleman-like, aber ich habe viele Facetten. Und der Gentleman, der ist auf jeden Fall ein Teil von mir.

Du hast beim Rap auch einen sehr eigenen Style entwickelt. Wer waren die Vorbilder dafür?
Das Bo: Inspiriert haben mich die großen flashigen Künstler, Pharcyde zum Beispiel, oder Redman. Ich habe ja alles gehört, HipHop war meine große Leidenschaft, eine Zeit lang war das in meiner isolierten Einzelgängerwelt das Einzige was ich hatte. Aber so ein richtiges Idol gab es für mich nicht. Ich fand immer Sachen faszinierend, weniger Personen. Ich würde auch sagen, dass ich nicht so einen klaren Style habe wie andere Rapper, den ich überall durchziehe. Ich bin eher so, dass ich die Musik fühle und dann dazu schreibe. Das heißt, es kann auch mal ein Flow anders sein als gewohnt. Das macht mich für die Leute weniger definierbar, auch inhaltlich. Und deshalb bin ich auch immer noch da: Weil mein Style nicht out-dated ist, der morpht irgendwie noch mit.

Du bist Hamburg sehr verbunden, hat dich jemals eine andere Stadt gereizt?
Das Bo: Ich bin ja viel unterwegs, das heißt ich bin sowieso viel in anderen Städten. Aber aus Hamburg wegziehen, das kam nie infrage. Ich fahr gerne weg, komme aber auch gerne wieder. Es gibt überall coole und überall beschissene Menschen – das ist unabhängig von Orten, Gesinnungen oder Musikrichtungen. Und Hamburg habe ich immer im Herzen, egal wo ich bin.

Warst du eigentlich schon in der Elbphilharmonie?
Das Bo: Nein, das interessiert mich auch nicht.

Du hattest dich ja schon vor der Eröffnung verärgert gezeigt…
Das Bo: Die Elbphilharmonie ist eine komplette Verarschung. Eigentlich müsste jemand anders diese Summen bezahlen, die zu den ursprünglichen Kosten hinzugekommen sind. Stell dir mal vor, du bestellst einen Handwerker, der dir einen Kostenvoranschlag macht und dann sagt: Wenn es länger dauert als geplant, kriege ich mehr Geld. Da sagst du doch auch: Bist du bescheuert?! Also, wenn so eine Baustelle länger dauert, zehn mal mehr kostet und es dann mit Steuergeldern bezahlt wird – das ist alles Quatsch!

Sollte man mit dem Geld besser Popmusik subventionieren?
Das Bo: Generell Kultur subventionieren anstatt Hochkultur. Klar, im Endeffekt wird es sich rechnen, jetzt haben sie ihr Wahrzeichen, jetzt kommen die Leute, der New Yorker findet auf einmal Hamburg cool. Aber wenn man sich das Gemauschel drumherum anguckt, das ist ja mittlerweile eine richtig korrupte Veranstaltung – in Deutschland, was ja den Ruf hat, immer sehr ordentlich und bürokratisch zu sein. Was ist in Hamburg denn los? Richter Gnadenlos zum Beispiel, ein kokainsüchtiger, selbstdarstellerischer Psychopath, der Leute verknastet hat, nur damit er einen Ruf hat. Was wir in Hamburg schon alles für einen Quatsch hatten!

Singst du auch darüber?
Das Bo: Nein. Das Niveau ist mir zu low, darauf lasse ich mich nicht herab. Ich versuche den Menschen lieber ein gutes Gefühl zu geben, als diese ganze Scheiße… Da gibt es andere Künstler, die das machen sollten, die das auch hätten machen können, es aber nicht gemacht haben. Weil sie sich jetzt zu wohl fühlen, in ihrer Position – was schade ist. Überhaupt finde ich beim HipHop schade, dass die Macht, die HipHop als Sprachrohr hat – nicht nur für die Jugend sondern generell – auch die Macht als Kapitalmarkt, dass die nicht genutzt wird. Jeder guckt nur für sich selbst, wo er bleibt. Gerade in Bezug auf die Bundestagswahl: HipHop hätte, wenn er sich zusammengetan und geschlossen agiert hätte, die Wahl mit ins Positive entscheiden können.

Hättest du doch auch probieren können.
Das Bo: Ich alleine? Nö.

Du hättest zumindest einen Beitrag leisten können.
Das Bo: Ich muss ja ein Album produzieren, das ist ja ein Aufwand. Du musst jemand haben, oder jemand sein, der sich die Zeit nimmt, um die Leute zusammenzutrommeln.
Man hätte die HHUD gründen können, die „HipHop Unity Deutschland“, um geschlossen für eine bestimmte Sache stehen – ob das jetzt eine Partei ist oder nicht. Und wenn es nur ist, dass wir sagen, alle HipHop-Fans, alle Künstler, egal ob 187, Casper oder Cro, wir wählen alle „Die Partei“. Das wäre ein Statement gewesen und das hätte auf jeden Fall Einfluss gehabt. Aber es ist ja heute so: Teile und herrsche, Brot und Spiele. Olé!

Ein Kommentar zu “Kultur subventionieren anstatt Hochkultur”

  1. Bettstrolch |

    Ihr habt vergessen die Antworten zu schwärzen und lustigen Text dazu zu schreiben *loooool*

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