Frau Köster, nachdem Sie mit dem Buch über Ihren Schlaganfall einen Besteller landeten, erscheint nun Ihr Roman „Die Chefin“. Welches Buch hat Ihnen mehr Spaß gemacht?
Gaby Köster: Beim ersten Buch konnte ich mir vieles von der Seele schreiben, ich musste es vor der Veröffentlichung aber natürlich auch selber x-mal lesen. Und wenn man die Krankheitsarie immer wieder und wieder vor sich hat – da war ich froh, als ich damit fertig war und es endlich rauskam.
Jetzt, beim zweiten Buch, konnte ich mir die Geschichte ausdenken und das hat großen Spaß gemacht.
Wie anstrengend sind für Sie die Lesereisen?
Köster: Nicht so anstrengend. Ich bin bin ja durch meinen Beruf sowieso eine Rampensau. Und es ist jetzt für mich natürlich besonders schön, wieder unterwegs und unter Menschen zu sein, außerhalb von Physiotherapie und Krankheitstheater.
In „Die Chefin“ begegnet die im Rollstuhl sitzende Marie zwei rumänischen Kindern, die auf der Flucht vor Menschenhändlern sind. Wie kam diese Geschichte zu Ihnen?
Köster: Man hat in Köln sehr viel mit Klaukindern zu tun, mit Einbrüchen, Taschendiebstählen usw. Und mich nervt immer, wenn der Mensch nur meckert und nicht guckt, was dahinter steckt.
Haben Sie das Thema besonders recherchiert?
Köster: Ja, mir war wichtig, dass die Fakten in meinem Buch Hand und Fuß haben. Wir haben vor Ort geguckt, wie Roma in Berlin oder Duisburg leben, zum Teil in verschimmelten Kellern für horrende Mieten, wo man auch schnell versteht: das kann kein normaler Mensch mit ehrlicher Arbeit leisten. Wir sind auch mit einem Dolmetscher nach Rumänien gefahren, haben dort mit Leuten gesprochen, die sehr lieb und gastfreundlich sind, die in erbärmlichen Wellblech-Hütten leben, die mit Plastiktüten geflickt sind.
Was konnten Sie über die Kinder erfahren?
Köster: Man hat uns bestätigt, dass Kinder verschleppt werden, Eltern und Großeltern haben uns erzählt, dass sie nicht wissen, wo sie sind. Die Kinder sehen jahrelang ihre Familien nicht, sie versuchen ihren Lebensunterhalt zusammenzukriegen und geraten auf die kriminelle Laufbahn.
Sind Sie da auch in kriminelle Spähren vorgedrungen?
Köster: Also, wo wir in Duisburg waren, das war wirklich Rotlichmilieu und dort hat man uns auch komisch angeguckt. Aber ich habe grundsätzlich erstmal vor nichts Angst. Ich bin da rein, habe mit den Leuten geredet, habe denen erklärt, dass es mir darum geht, in meinem Buch die Wahrheit zu schreiben – und das fanden die auch in Ordnung. Es geht ja auch nicht nur um die Roma, es geht genauso um die Deutschen, die viel Kohle damit verdienen, dass sie diese schrecklichen Hütten vermieten.
Selbst ich bin nicht in der Lage, im Koma zu reden.
Wie stehen Sie zu der Debatte um Armutszuwanderung, die in Deutschland läuft?
Köster: Das Thema sehe ich jetzt mit anderen Augen. Das Doofe ist die Unwissenheit der Bürger über die Zustände und die Situation dieser Menschen.
Wie ließe sich das ändern?
Köster: Ich bin da auch am überlegen, was man machen kann. In Köln leben ja sehr viele verschiedene Kulturen, Afrikaner, Roma usw. aber die sind viel unter sich und haben keine Verbindung. Da könnte man zum Beispiel ein Festival gemeinsam organisieren. Wenn man sich bei der Kultur näher kommt, sich mal ein bisschen Mühe gibt und öffnet, dann bringt man natürlich auch ein anderes Verständnis für die andere Seite auf.
Was denken Sie über die PEGIDA-Märsche?
Köster: Ich kann verstehen, dass die ältere Bevölkerung, die noch zum Teil Kriegsgeneration ist, dass die eine gewisse Angst hat. Aber nicht nachvollziehen kann ich diejenigen, die zuhause mit der Chipstüte vor dem Flatscreen sitzen, sich selbst gesellschaftlich überhaupt keine Mühe geben, dann aber am allermeisten die Klappe aufreißen.
Wie haben Sie sich gefühlt, als im Oktober 2014 in Köln die „Hooligans gegen Salafisten“ randalierten?
Köster: Da mache ich mir immer furchtbar einen Kopf. Mit diesem ganzen Rechtspack kann ich nichts anfangen, konnte ich nie und das wird in diesem Leben auch nicht mehr passieren. Demokratie ist eine hübsche Idee, aber diese Rechten-Demos würde ich, wenn ich Chefin wäre, überhaupt nicht zulassen.
Wäre das mal ein Job für Sie gewesen, Politikerin?
Köster: Nein, ich glaube, dafür bin ich nicht abgebrüht genug. Ich denke, dass die Politik herzensgerne um sich selber kreist und einfach nicht sieht, wo der Hammer hängt.
Gab es denn neben Komikerin noch andere Berufsideen?
Köster: Ja, ich habe zum Beispiel sehr viel gemalt. Vielleicht wäre ich Künstlerin geworden, mit vielen Ausstellungen usw. Ich male heute aber inzwischen auch wieder.
Kann man Ihre Bilder irgendwo sehen?
Köster: Nein, ich habe noch nicht genug zusammen. Aber ich denke schon daran, irgendwann mal wieder eine Ausstellung zu machen. Ganz früher in den 80ern hatte ich Ausstellungen, als an die Fernsehkarriere noch nicht zu denken war.
Abstrakte Malerei?
Köster: Ja, abstrakt. Damals kamen die älteren Leute zu mir und sagten: „Frau Köster, wir lieben Ihre kosmische Malerei.“ Für die war das kosmisch, weil sie nichts erkennen konnten.
Haben Sie mit der Kunst etwas verdient?
Köster: Nein. Außer bei meiner letzten Ausstellung: Da wurden Bilder von mir geklaut und der Aussteller war versichert. Da habe ich die Bilder erstattet bekommen, das war schon schön. (lacht)
Sie waren dann als Komikerin überaus erfolgreich. Ging es Ihnen dabei um mehr als nur um Unterhaltung?
Köster: Ich finde es natürlich am besten, wenn der Zuschauer auch ein bisschen grübelnd aus dem Saal geht, wenn er sich hinterher Gedanken macht und dann vielleicht merkt: Ah, das hat sie damit gemeint. In erster Linie bin ich natürlich in der Unterhaltungsbranche tätig, aber wenn man damit was ausrichten kann, umso schöner. Es ist mir auch wichtig, mit diesem Buch eine Diskussion anzustoßen. Wenn man die Möglichkeit hat zu sprechen – und das ist in meinem Beruf durchaus gegeben – dann muss man das auch für gute Sachen nutzen. Weil es auf der Welt viele Menschen gibt, die diese Möglichkeit nicht haben, die sich nicht einfach Luft machen und über ihre Ängste und Nöte reden können.
Sie haben eine sehr direkte Art, kennen kaum Berührungsängste…
Köster: Ich habe grundsätzlich vor fremden Sachen keine Angst, sondern finde das erstmal interessant. Man kann ja viel voneinander lernen. Und man sollte wertschätzen, was man hat. Wenn in Deutschland gejammert wird, passiert das ja immer auf höchstem Niveau.
Diese grundpositive Einstellung, woher haben Sie die?
Köster: Die habe ich mir erarbeitet. Ich bin etwas chaotisch aufgewachsen und musste sehr früh improvisieren lernen, das hat mir im Leben viel geholfen. Ich war immer Freiberuflerin, hab Musik gemacht, mich mit Kneipenjobs über Wasser gehalten – und bei jeder Nebenkostenabrechnung war wieder Alarm! Aber Motzen ist mir zu einfach. Jammern über den eigenen Zustand, stagnieren… das will ich nicht. Natürlich habe ich jetzt auch mal bewölkte Tage. Aber dann versuche ich, da rauszukommen, knalle mit den Farben rum, male quietschbunte Bilder, oder ich mache mir schöne Musik an, afrikanische Musik, Reggae…
Haben Sie deshalb eine Zeit lang Dreads getragen?
Köster: Ich fand das irgendwie lustig und wollte unbedingt mal Dreads haben. Leider habe ich naturgemäß nicht die Haarstruktur, die es erlaubt, dass man mit den Haaren wüst umgeht. Und als vor einem Jahr ein Friseur die Blondierung nicht hinbekam, hat sich mein Haupthaar der Chemie ergeben und die Dreads landeten auf meiner Schulter.
Was sagen Ihnen aktuell die Ärzte? Werden Sie vielleicht eines Tages vollends genesen?
Köster: Meine Ärzte halten sich bedeckt, was noch kommt und was nicht. Es gibt aber Fälle, wo nach zehn Jahren plötzlich alles wieder funktioniert. Sollte also mein linker Arm plötzlich wieder hochschnellen – ich würde es begrüßen.
Männer haben mit so einer Behinderung ja aber noch ein größeres Problem als Frauen.
Ist das so?
Köster: Ja, so etwas geht erstmal heftig an die Macho-Abteilung. Der Mann ist dann nicht mehr Alphatierchen sondern nur noch beta und schiebt erstmal schlechte Laune. Da sind Frauen meiner Erfahrung nach überlebensfähiger. Sie finden sich schneller mit Gegebenheiten ab während der Mann noch rumsitzt und jammert.
Sie dagegen machen das Beste draus…
Köster: Ja, ich glaube, das ist bei mir irgendwie genetisch bedingt, dass ich in bestimmten Situationen die Welt einfach anders sehe. Kennen Sie das, wenn man was kochen will, aber nicht einkaufen war? Ich gehe dann an den Kühlschrank und gucke: Was haben wir noch und was machen wir draus. Da kommen oft die leckersten Sachen bei rum. Und so ist praktisch mein ganzes Leben. Oft wird es dann auch viel schöner als geplant.
Gibt es den Wunsch, ins Fernsehen zurückzukehren?
Köster: Im Moment geht es mir gut, so wie es ist. Fernsehen habe ich ja lange gemacht und die Sender sind heute nicht mehr so mutig, dass sie etwas Neues selber erfinden. Die kaufen lieber fertige Formate für teuer Geld. Und es muss alles immer jünger und schneller sein – aber jünger werde ich ja nun auch nicht mehr.
Grundsätzlich ist bei mir aber mit allem zu rechnen. Ich bin praktisch ein Überraschungs-Ei.
Schauen Sie sich auf Youtube Ihre alten Auftritte an?
Köster: Nein, warum? Ich war ja selber dabei. Neulich hat ein Fernsehsender ein Portrait über mich gemacht, die haben da auch ältere Sachen von mir ausgegraben, da habe ich nicht schlecht gestaunt, was es so alles gibt von mir. Aber ich muss mir das nicht nochmal angucken. Höchstens wenn ich meinem Sohn etwas erzähle und ihm das dann zeigen will.
Sind Sie traurig im Rückblick?
Köster: Ja, doch. Ich denke schon hin und wieder: Schade, wärste früher vielleicht doch besser noch eine Runde gejoggt – wenn ich gewusst hätte, dass ich es irgendwann nicht mehr kann. Aber ich gebe nicht auf und ich glaube ja auch, dass die komplette Funktion meines Körpers wiederkommt.
Wenn ich die Hoffnung nicht hätte, könnte ich mich ja gleich auf den Friedhof setzen und warten bis ich drankomme. Also, die Hoffnung hilft mir, und natürlich auch mein Humor.
Lassen Sie uns noch über Michael Schumacher sprechen. Ähnlich wie Sie vor ein paar Jahren lebt er nach seinem Unfall nun medial komplett abgeschottet.
Köster: Ich nehme an, dass er schlimm verletzt ist und erstmal genesen muss. Leider vergisst die Presse oft sehr schnell, dass jeder Mensch ein Recht darauf hat, zu genesen, bevor etwas in die Öffentlichkeit geht. Ich finde es gut, dass man ihn jetzt Ruhe lässt. Auch die Familie muss man in Ruhe lassen, für die ist so ein Fall schlimm genug. Da muss man nicht drauf rumtreten und spekulieren. Ich denke, wenn Schumi wieder fit ist, wird er sich selber zu Wort melden. Es ist wichtig, dass die Leute das freiwillig tun und nicht von außen genötigt werden. Das müssen auch die Fans verstehen, dass sich der Mensch erst dann meldet, wenn ihm danach ist. Das war bei mir ja auch sehr schwierig. Und ob man es glaubt oder nicht: Selbst ich bin nicht in der Lage, im Koma zu reden.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von dem Unfall Schumachers erfuhren?
Köster: Ich dachte: „Hilfe, bitte nicht noch einer, das muss nicht sein.“ Ich kenne den langen Weg, den man nach so einem Unfall hat, ehe man überhaupt wieder zu etwas fähig ist. Da mache ich mir bei ihm aber keine Sorgen. Sportler haben bei so etwas einen großen Ehrgeiz.
Wäre es für Sie eine Option gewesen, sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen?
Köster: Nein, das hätte ich auch nicht gut gefunden. Ich habe eine so tolle Fanbase, die mich über Jahre und Jahrzehnte treu begleitet. Da war mir wichtig, dass die erfahren, was mit mir wirklich los ist.
Als Buchautorin möchte ich Sie zum Schluss fragen: Gibt es in der Literatur eine Figur, in der Sie sich wiedergefunden haben?
Köster: Ja, auf jeden Fall Pippi Langstrumpf. Das war praktisch meine Kinderbibel.
Was hat Sie an der fasziniert?
Köster: Die war frech und wenn ihr etwas nicht gepasst hat, hat sie das Maul aufgemacht. Das fand ich schon als Kind super.
Wer mich auch beeindruckt hat, war die Malerin Frida Kahlo. Sie hatte ja einen Höllenunfall, der mit unfassbar schlimmen Schmerzen verbunden war. Sie hat aber auch nicht aufgegeben und sogar im Bett noch gemalt. Das fand ich klasse.
Was haben Sie zuletzt gemalt?
Das war ein halb abstraktes Bild. In Köln ist es ja oft bewölkt und mieses Wetter, da habe ich mir einfach ein karibisches Bild mit Palmen, Meer und Sonne gemalt. Das hängt an meinem Bett, quasi wie ein Fenster. Damit der Tag nicht scheiße anfängt, auch nicht, wenn es draußen bewölkt ist. Da bin ich wie Pippi Langstrumpf und mache mir die Welt so wie sie mir gefällt.