Mr. Benson, wenn man sich Ihr Album „Songs and Stories“ anhört und mit Ihren Aufnahmen aus den 70ern vergleicht, stellt man große Unterschiede fest. Der Sound damals wild und funky, heute ruhiger Soul mit Pop-Einflüssen….
Benson: Ja, ich bin nicht mehr so nervös. Damals war für mich alles aufregend, ich war ein Kind, ich hatte ein Leben vor mir – heute weiß ich, wo ich im Leben hingehöre. Deswegen bin ich viel gelassener.
Und ich weiß jetzt viel mehr über die Dinge, die ich spiele und singe – das macht mich entspannter. Meine Haltung ist heute reifer, das erwarten die Leute auch von mir, dass ich ein gewachsener Musiker bin, der viel Zeit unterwegs war und ein paar wunderbare, unglaubliche Dinge erlebt hat.
Aber welche Konstante würden Sie sagen, gibt es in Ihrer Musik, damals wie heute?
Benson: Ich denke immer über die Geschichte nach. Seit dem ich Charlie Parker vor vielen, vielen Jahren gehört habe – damals war ich noch ein Teenager – bedeutet Musik etwas anderes für mich. Ich wollte von dem Moment an mit meinem Spiel immer eine Geschichte erzählen. Also nicht spielen um einfach nur zu musizieren, oder zu zeigen, wie schnell man die Finger bewegen kann.
Dieser Wille ist konstant in allen Aufnahmen, die ich gemacht habe. Manchmal ist es mir gut gelungen, eine Geschichte zu erzählen, manchmal weniger gut – aber es ist immer das Ziel.
Wie erklären Sie parallel dazu Ihre musikalische Entwicklung?
Benson: Über die vielen Jahre bin ich natürlich musikalisch gewachsen, es gibt so viele Dinge, die ich gelernt habe und die mein Spiel hineinfließen: Die vielen Musiker, die ich getroffen habe, die Musik, die ich gehört habe – das musste ja einen Effekt auf mich haben. Nehmen Sie das Album „Tenderly“ das ich mit McCoy Tyner gemacht habe, oder die Aufnahmen mit dem Count Basie Orchestra – ich denke, dass man da diese Entwicklung sehr gut hören kann.
Sie sind zuerst als Gitarrist bekannt geworden, später dann auch als Sänger…
Benson: Wobei ich ganz am Anfang nur Sänger gewesen bin. Dafür war ich in meiner Heimatstadt Pittsburgh auch bekannt. Aber dann hat Jack McDuff (einflussreicher Organist und Bandleader, Anm. d. Red) aus mir einen Gitarristen gemacht. Er mochte keine Sänger, also wollte er von mir, dass ich in seiner Band nur Gitarre spiele. Das habe ich dann auch drei Jahre getan. Und auf einmal fingen die Leute an, mich den „Gitarristen George Benson“ zu nennen. Ich war bis dahin ja gewohnt, der kleine singende George Benson zu sein. Aber „der Gitarrist George Benson“ – wow, das hatte viel Prestige. Und so fing ich an, diesen Weg weiter zu verfolgen.
„Sänger“ hätte nicht das Prestige gehabt?
Benson: Für mich damals nicht, ich war als Sänger zu der Zeit noch eine zu kleine Nummer. Deswegen war ich überhaupt froh, etwas zu sein, besser als nichts. Ich war froh, dass die Leute sich wenigstens etwas von dem anhörten, was ich machte.
Irgendwann nannten sie mich dann auch den besten Gitarristen der Welt, da war ich 25. Ich wusste aber, dass niemand bis zum Ende seines Lebens die Nr.1 ist. Eigentlich wartest du nur darauf, dass jemand kommt und dich vom Thron stößt. Sobald der nächste da ist, mit Fingern die ein bisschen schneller sind als deine, ist das der neue King. Ich wollte also nicht rumsitzen und auf den Tod meiner Karriere warten – weshalb ich später wieder angefangen habe auf meinen Platten zu singen.
Dann allerdings mit großem Erfolg.
Benson: Ja, auf einmal hatte ich große Hit-Alben. Der Song „This Masquerade“ zum Beispiel war viel größer als jedes Instrumental, das ich je aufgenommen hatte. Wir haben zehn Millionen davon verkauft, das war phänomenal. Kein Instrumental kann da mithalten.
Aber warum ist das eigentlich so? Warum erreicht man die Masse in der Regel nur mit Songs, nicht mit Instrumentals?
Benson: Das ist einfach zu beantworten: Ich kann zum Beispiel kein Deutsch. Wenn ich Englisch oder Französisch mit einem Deutschen spreche, und er mich nicht versteht, dann kann ich ihm meinen Standpunkt nicht klarmachen. Wenn Sie aber einen Song auf Englisch singen, wird jeder, der Englisch kann, verstehen was Sie sagen.
Die Gitarre spricht aber nicht Englisch sondern sie spricht Gitarre. Und die Sprache der Gitarre verstehen nur wenige Menschen. Es ist alles eine Sache der Kommunikation.
Seit dem ich Charlie Parker gehört habe bedeutet Musik etwas anderes für mich.
Sie meinen im Ernst, nach so einer langer Gitarristen-Laufbahn, dass nicht viele Leute die Sprache der Gitarre verstehen?
Benson: Natürlich. Wenn das der Fall wäre, dann wäre ich ja heute wahrscheinlich ein Megastar (lacht).
Was brauche ich denn, um diese Sprache zu verstehen?
Benson: Oh, das braucht Jahre, bevor die Leute verstehen, was Musiker versuchen zu sagen. Dafür müssten sie eigentlich selbst Gitarrespielen lernen. Das ist so wie mit den Sprachen: um sie zu verstehen, muss ich sie selber sprechen können.
Dabei wird die Musik doch oft als Universalsprache bezeichnet.
Benson: Sie ist universal bis zu einem bestimmten Grad. Klar, das ist so, wie vielleicht jeder ein paar Brocken Englisch versteht. Aber es ist eben etwas anderes, die Sprache auch selbst zu sprechen. Es gibt natürlich viele Länder, in denen Englisch gesprochen wird – aber insgesamt ist das auch nur ein kleiner Teil dieser Erde.
Mein Fazit ist aber trotzdem ein gutes: Ich habe über 60 Millionen Platten verkauft, nur eben nicht allein mit der Gitarre, sondern es war zum einen die Kombination mit der Stimme und zum anderen auch die Vielfalt der Platten.
Heute findet man Sie in den USA häufig in der Kategorie „Smooth Jazz“ – wie stehen Sie zu dieser Bezeichnung?
Benson: Ja, das hat das Radio sehr populär gemacht, irgendwann hieß ich auch der „King of Smooth Jazz“, weil ich im Radio so populär war, sie haben meine Musik Tag und Nacht gespielt.
Aber dieses Label ist für mich nicht so wichtig. Natürlich müssen die Leute im Radio einer Musik, die neu ist, die anders klingt, einen Namen geben, das machen sie immer. Aber ich mache Musik für die Leute, nicht für das Radio. Wenn ich eine Platte mache, dann mache ich das für das allgemeine Publikum und denke dabei nicht daran, ob ich damit in irgendeine Playlist eines Radiosenders hineinpasse.
Musiker wie JackMcDuff oder Charlie Parker sind nicht mehr unter uns – glauben Sie an die heutige Jazz-Generation?
Benson: Ich bin optimistisch. Ich habe über die Jahre, die ich auf Tour war, großartige Musiker gehört. Natürlich ist nicht jeder ein John Coltrane. Aber selbst Coltrane war nicht Charlie Parker. Er war groß, aber eben nicht so groß wie Charlie Parker. Trotzdem hat er seiner Generation die gleiche Art Inspiration gegeben, wie früher Charlie Parker und davor Lester Young – jede Ära produziert ihre eigenen Superstars.
Und an wen denken Sie da heute?
Benson: Chick Corea zum Beispiel, oder Wynton Marsalis. Und ganz besonders natürlich Herbie Hancock, der von der Klassik zum Jazz gekommen ist, der so vielseitig ist, und der uns gezeigt hat, dass das Klavier ein sehr persönliches Instrument ist.