Goran Bregovic

Für die Filmindustrie bin ich zu schlecht.

Komponist und Bandleader Goran Bregovic über Filmmusik, Heimatgefühle und die Seele des Balkan

Goran Bregovic

© Maika Gregori

Herr Bregovic, dem deutschen Publikum sind Sie vor allem als Filmmusikkomponist bekannt. Und obwohl erst vor kurzem "27 Missing Kisses" mit ihrer Musik in die deutschen Kinos gekommen ist, haben Sie sich in jüngster Zeit von diesem Genre distanziert.
Bregovic: Richtig, ich mache eigentlich keine Filmmusik mehr. Die Ausnahme sind höchstens kleine Produktionen wie eben "27 Missing Kisses". Aber ich bin kein Komponist für die Filmindustrie. Ich bin vielleicht auch ein bisschen zu schlecht für die Filmindustrie und ich fühle mich bei der Arbeit an Filmmusik nicht besonders wohl. Ich werde versuchen, mehr im Theaterbereich zu arbeiten, wie letztes Jahr zum Beispiel am Hamburger Thalia-Theater, wo wir Dantes "Göttliche Komödie" gemacht haben. Das hat mir sehr gefallen, weil es im Theater heute viel menschlicher zugeht als im Kino.

Haben Sie noch Kontakt zu Emir Kusturica?
Bregovic: Nein, überhaupt nicht. Wir haben innerhalb von 10 Jahren drei gute Filme zusammengemacht. Aber auch während dieser Zusammenarbeit haben wir uns kaum gesehen. Vielleicht waren wir am Anfang so ein romantisches Paar wie Nino Rota und Ennio Morricone. Aber heute verhält sich so etwas anders, für den Film herrschen alles andere als romantische Zeiten, Filme haben einfach einen Produktcharakter angenommen und für große Freundschaften ist das Arbeitsklima einfach zu kühl.

Was für Filme mögen Sie persönlich?
Bregovic: Ich finde, heute ist die Chance einen guten Film zu sehen sehr gering, weshalb ich auch äußerst selten ins Kino gehe. Bei hundert Filmen ist heutzutage vielleicht ein guter dabei. Das ist allerdings genauso beim Komponieren von Filmmusik. Du musst schon hundert Filmmusiken komponieren um die Chance zu haben, ein guter Filmkomponist zu werden. Man muss sich vorstellen, dass Ennio Morricone über 300 Filmmusiken geschrieben hat. Er scheint sich wohlzufühlen in diesem Genre und er ist ein guter Komponist – ich bin das nicht. Ich habe bei Filmmusik das Gefühl, viel Zeit zu verschwenden. Dafür ist das Leben einfach zu kurz.

Ihre Musikkarriere begannen Sie als Rockgitarrist bei der Band "Bijelo Dugme". Könnten Sie sich vorstellen die Rockgitarre noch mal in die Hand zu nehmen?
Bregovic: Nein, auf keinen Fall. Ich denke auch mit "Bijelo Dugme" habe ich viel Zeit vergeudet. Aber damals in Zeiten des Kommunismus war es wichtig in Jugoslawien solche Impulse zu setzen. Was wir damals gespielt haben, war mit die einzige Musik, die sich von der ‚offiziellen‘ Musik absetzte. Als es dann zum Krieg kam hatte ich mich schon lange zurückgezogen in ein Haus an der Adria, habe angefangen zu fischen – wohl eine typische Rock’n’Roller-Karriere. Dann kam der Krieg und ich verlor sehr viel von meinem Vermögen bei einer jugoslawischen Bank. Da habe ich wieder angefangen zu arbeiten und habe gemerkt, dass mir die Arbeit viel Spaß macht. Ich arbeite jetzt etwa acht Stunden jeden Tag und hoffe natürlich auch ein paar gute Sachen zu schreiben.

Gehen Sie neben der Musik zur Zeit noch anderen Hobbys nach?
Bregovic: Nein, zur Zeit mache ich gar nichts anderes. Ich habe früher jede Menge Dinge gemacht, ich bin viel Ski gefahren, gesegelt und ich war Präsident eines Boxvereins. Ich hatte damals viel Freizeit, aber jetzt arbeite ich eigentlich nur.

Wo leben Sie zur Zeit?
Bregovic: In Paris, aber in Belgrad arbeite ich.

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Filme haben einfach einen Produktcharakter angenommen und für große Freundschaften ist das Arbeitsklima einfach zu kühl.

Goran Bregovic

Können Sie sich vorstellen, wieder in Ihre Heimat nach Sarajewo zurückzukehren?
Bregovic: Sicher ist das meine Heimat. Aber dorthin zurückzukehren wäre eine schwierige Entscheidung, weil man dann ja auch über das Schicksal seiner Kinder entscheidet. Es ist doch gut, wenn die Kinder nicht das erleben müssen, was die Eltern erlebt haben. Natürlich werden sie eine Verbindung zu meiner Heimat haben, aber meine beiden Töchter werden wohl in Frankreich aufwachsen. Ich finde es auch schwierig ein Land wie meine Heimat zu lieben. Da ist es sicher leichter ein Land wie Deutschland zu lieben, wo die soziale und wirtschaftliche Situation wesentlich besser ist. Trotzdem gehört ein Teil meines Herzens nach Belgrad, ich kann auch nur in Belgrad arbeiten, nicht aber in Paris.

Wie würden Sie die Seele des Balkan beschreiben?
Bregovic: Ich finde, wir sind ein bisschen wehleidiger als andere Europäer. Und ich finde wir sind manchmal zu sehr gefühlsbetont. Wir bewegen uns eigentlich nur in Extremen, entweder es gibt zu viel Freude oder eben zu viel Tränen, aber nichts dazwischen.

Nicht ohne Grund heißt also das Orchester, welches Sie begleitet "Wedding and Funeral Orchestra".
Bregovic: Ja, diese eigentlich sehr gegensätzlichen Momente, Hochzeit und Beerdigung, liegen bei uns emotional gesehen sehr nah beieinander. Auch musikalisch ist das nur eine kleine Gradwanderung.

Würden Sie Ihre Musik als "Weltmusik" bezeichnen?
Bregovic: Das kommt darauf an wie man "Weltmusik" definiert. Für mich ist Weltmusik das, was zum Beispiel Peter Gabriel macht, jemand der musikalische Elemente aus verschiedenen Erdteilen zusammensammelt und sie zusammen in ein westliches Kostüm steckt. Meine Musik könnte auch eins dieser Elemente sein. Meine Musik ist die einer kleinen eigenen Welt, die des Balkans, Musik die zwischen Budapest und Istanbul entsteht, Musik entlang der Grenze zwischen Moslems, Katholiken und Orthodoxen. Diese Kulturen haben zwar viel gegeneinander gekämpft, aber sie haben sich auch gegenseitig beeinflusst.

Angenommen die ganze Welt bestünde aus einem Orchester – welches Instrument wären Sie?
Bregovic: Einerseits wäre ich wohl die Gitarre. Bei uns findest du auf einer Hochzeit eigentlich immer jemanden der Gitarre spielt und die Leute zum tanzen bringt. Ich finde, jedes meiner Konzerte ist eine kleine Hochzeitsfeier und ich habe sehr viel Spaß dabei. Andererseits wäre ich auch der Dirigent, da ich auf der Bühne natürlich für Ordnung sorgen muss.

Goran Bregovic, geboren 1950 in Sarajewo im ehemaligen Jugoslawien wurde sowohl als Filmkomponist als auch als Beandleader weltbekannt. Live ist er insbesondere mit seinem "Wedding & Funeral Orchestra" in Erscheinung getreten, mit dem er eine mehr

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