Sandra Nasić, Ihre Band Guano Apes hat sich 2010 nach rund sieben Jahren Pause offiziell reformiert und ist seitdem wieder regelmäßig unterwegs. Wie haben Sie nach der Pausenzeit auf die großen Veränderungen im Musikgeschäft reagiert?
Nasić: Wir haben uns ja schon sehr früh in unserer Karriere mit dem Thema Internet auseinandergesetzt und haben damals schon interagiert. Von daher war es für uns nicht so ein großes Problem, dass die Plattenfirmen da sehr lange gepennt haben. Die hatten noch die Vorstellung, dass sie weiter auf der alten Schiene fahren könnten und sich das Internet schon irgendwie von selbst regulieren würde – was es natürlich nicht getan hat. Da musste man sich anpassen und auch neue Wege suchen, was speziell in Deutschland ziemlich lange gedauert hat.
Aber Sie sind optimistisch, was die neuen Wege anbelangt?
Nasić: Ich bin zuversichtlich, dass es für Musiker auch auf dem veränderten Markt in Zukunft funktionieren wird. Wir als Band sind da jedenfalls sehr anpassungsfähig. Wenn wir immer nur von den Plattenverkäufen abhängig gewesen wären, hätten wir wahrscheinlich auch Probleme bekommen. Aber da wir vor allem eine Live-Band sind, sind unsere Haupteinnahmequelle nach wie vor die Konzerte.
Miley Cyrus ist definitiv kein Opfer!
Ihr aktuelles Album „Offline“ geht thematisch auf den derzeitigen Informations-Overkill in der Gesellschaft ein. Können Sie und die Band sich dem persönlich überhaupt entziehen, als Teil des Unterhaltungsgeschäfts?
Nasić: Schwer, das ist eigentlich kaum machbar, aber wir versuchen es. Ich habe für mich da sehr strikte Regelungen getroffen: Es gibt Zeiträume, wie zum Beispiel das Wochenende, wo ich überhaupt nicht online bin. Ich versuche auch, meine Freunde und meinen Bekanntenkreis anzurufen und eben nicht alles auf Facebook zu posten. Man muss in dem Zusammenhang ja schon von einer Art Droge reden, weil man quasi nonstop online sein muss. Wenn man es nicht schafft, hin und wieder ein wenig Abstand davon zu gewinnen und den Konsum zu dosieren, kann es schnell zu viel werden. Ich wollte diese Entwicklungen auf dem Album thematisieren, weil es viele gesellschaftliche Bereiche gibt, wo wir alle von der neuen Technik ein bisschen überrollt wurden.
Ihnen geht es vor allem um die Schattenseiten des Internet-Zeitalter?
Nasić: Es ist in erster Linie eine wahnsinnig spannende Zeit. Wenn ich da beispielsweise an Edward Snowden denke, der sein Leben riskiert, um uns ein Stück Wahrheit nahe zu bringen – so etwas wäre vor ein paar Jahren doch gar nicht vorstellbar gewesen. Ich möchte mit dem Thema und Albumtitel „Offline“ vielleicht einfach nur eine Diskussion anregen, darüber, wohin das alles führen könnte, oder führen sollte, und was vorstellbar wäre. Die Frage lautet: Was muss passieren, damit alles noch ein bisschen besser wird, als es jetzt ist?
Wie wohl fühlen Sie sich denn als Frau im Musikgeschäft? Katharina Franck von den Rainbirds hat die Musikwelt in einem Interview von 2006 mal als „Machobranche“ bezeichnet. Trifft das noch zu? Muss man als Frau immer noch hart kämpfen, um sich den nötigen Respekt zu verschaffen?
Nasić: Man muss selber Macho sein, dann geht das auch, wenn ich das jetzt so sagen darf (lacht)! Aber grundsätzlich stimmt das natürlich nach wie vor. Je höher man kommen will, desto härter wird es – aber das ist ja überall so, nicht nur in der Musikwelt. Um das zu erreichen muss man über eine gesunde Portion Egoismus und Zielstrebigkeit verfügen und vor allem mutig sein. Ich setzte immer sehr viel auf eine Karte, obwohl ich dabei auch viel verlieren könnte, weil ich weiß, dass ich nur so weiterkomme und sonst bloß unten rumdümpele.
Ist für die Entwicklung, hin zur Gleichberechtigung, jemand wie beispielsweise Miley Cyrus mit ihren freizügigen und aufreizenden Auftritten eher förderlich oder hinderlich?
Nasić: Es gibt genug Beispiele von Sängerinnen, nehmen wir Beyoncé oder Lady Gaga, von denen ich nicht glaube, dass die nach der Pfeife von irgendwelchen Macho-Männern tanzen, im Gegenteil. Ich glaube, die Frauen sind mittlerweile schlau genug, um auch mit ihren Werkzeugen zu spielen.
Ist damit auch Miley Cyrus gemeint?
Nasić: Auch Miley Cyrus macht das meiner Meinung nach alles völlig bewusst, sie ist definitiv kein Opfer! Ich glaube eher, dass sie eine sehr gerissene Geschäftsfrau und gute Sängerin ist, die einfach das macht, worauf sie gerade Bock hat. Ihre letzte Platte war leider eher halbgar, eine Art schlechte Kopie von Britney Spears, deswegen weiß sie glaube ich mittlerweile sehr genau, dass sie jetzt mal richtig auf den Putz hauen muss. Das ist aber nur ein Beispiel, wie man es machen kann. Natürlich gibt es auch viele, bei denen es ohne „Sex Sells“ funktioniert, Robyn oder früher Amy Winehouse. Die haben das schlichtweg gar nicht nötig.
Betrachtet man die Karriere der Guano Apes, scheint es, dass die „Sex Sells“-Strategie für Sie als Frontfrau keine Rolle spielte…
Nasić: Ich bin ja gerade ein Beispiel dafür, dass es auch ohne Sex-Appeal funktioniert hat (lacht)! So wie ich früher mit meinen Baggypants und Turnschuhen rumgelaufen bin, das war völlig natürlich.
Sich so darzustellen war also eine bewusste Entscheidung?
Nasić: Nein. Ich war ja viel zu jung, um überhaupt irgendetwas zu planen. Der Kleidungsstil war eben absolut mein Ding. Ich glaube, man konnte sich darüber früher auch gar nicht so den Kopf zerbrechen. Bei No Doubt war es vielleicht alles ein bisschen geplanter, Gwen Stefani war ja schon sehr sexy, ich war eher das genaue Gegenteil. Es hat aber trotzdem funktioniert. Ich habe mich früher nicht gerne sexy dargestellt und finde das im Nachhinein als Gegenentwurf auch wichtig.
Müssen Sie sich eigentlich jedes Mal vor einer Tour wieder an den rauen Touralltag gewöhnen, oder können Sie versiffte Festivals und vollgestellte Backstageräume nicht mehr schocken?
Nasić: Das ist alles nicht mehr so, wie es früher mal war, bei uns ist jetzt quasi alles „First Class“ (lacht). Um die Festivals hat sich mittlerweile eine riesige Maschinerie strukturiert, da kümmert man sich wahnsinnig gut um die Künstler, versiffte Ecken gibt es eigentlich kaum noch. Aber es gibt natürlich immer noch Länder und Städte, wo das ganze Drumherum noch sehr viel „Rock’n’Roll“-Atmosphäre versprüht. (Überlegt) Ich finde das Tourleben sehr schön, es ist natürlich immer eine anstrengende Reise, aber ich habe da mittlerweile meine speziellen Ruheräume gefunden. Und natürlich habe ich auch mal einen Sonderwunsch, Ausruhen im Hotel oder etwas Besonderes zu essen – das wird dann auch realisiert.
Haben Sie als Musikerin mit internationaler Tour-Erfahrung mittlerweile einen anderen Blick auf das deutsche Publikum bekommen? Oder gibt es zwischen Russen, Franzosen, Spaniern und deutschen Fans keine Unterschiede?
Nasić: Die südländischen Gegenden, die etwas mehr Sonne abbekommen, geben immer richtig Gas, da spürt man das Temperament. Da kann man froh sein, wenn man auf der Bühne mithalten kann. Die Fans in den kälteren Regionen wie Skandinavien oder Deutschland sind nicht ganz so heißblütig, aber die genießen mehr. Und die Russen sind wieder ganz anders, das ist so eine Mischung. Wenn die mal feiern gehen, dann bleibt kein Stein auf dem anderen.
Was glauben Sie, ist der Grund dafür, dass so wenige deutsche Bands es im europäischen Ausland, oder gar in den USA zu größerer Bekanntheit schaffen?
Nasić: (Überlegt) Es ist machbar, aber viele Bands aus Deutschland singen nun mal auf Deutsch und dann ist es natürlich wahnsinnig schwierig. Nur Rammstein haben das geschafft, mit deutschen Texten. Bei ihnen funktioniert das glaube ich aber auch nur, weil sie dieses typisch-deutsche, diese marschierende Maschine ausgeschlachtet und zu einer Art von Musical umfunktioniert haben.
Sie waren dieses Jahr bei der neuen Musikshow „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ dabei. Hat Sie der Erfolg dieses TV-Formats überrascht?
Sandra Nasić: Schwierig zu beantworten, denn das kann man ja vorher nie wissen, aber natürlich freut es mich, dass die Sendung jetzt solch einen Erfolg hat. Ich habe mich aber fast noch mehr gefreut, dass der Sender den Mut hatte, solch ein Format zu starten. Weil eben im deutschen Fernsehen doch recht wenig Musik stattfindet.
Sie singen normalerweise auf Englisch, haben im Rahmen der Show aber zum ersten Mal einen Song auf Deutsch gesungen. Wie erging es Ihnen dabei?
Nasić: Es hat mich wirklich um eine Erfahrung reicher gemacht. Ich habe mich da vorher nie hinleiten lassen, obwohl es durchaus Anfragen für deutschsprachige Gesangsparts gab, für einen Rio Reiser-Sampler beispielsweise. Aber letztlich habe ich mich nie getraut, weil man bei deutschen Texten eben auch anders arbeiten und ganz anders denken muss, das ist überhaupt nicht gleichzusetzen mit englischen Texten. Durch die Sendung konnte ich die Erfahrung nun machen, und es war tatsächlich ein tolles Gefühl, deutsch zu singen. Ich habe festgestellt, dass ich dabei auch komplett anders singe, auf eine andere Art und Weise. Das hat mich als Künstlerin durchaus weitergebracht.
Ja, toll, das Album von den Guano- Apes, „Offline“, kenne ich, das hat mir wirklich sehr gut gefallen. Innovativer Cross- Over, wirklich klasse. Frau Nasic hat auch eine echt klasse Stimme, finde ich, für die Apes sage ich nur : Weiter so!, und „Viel Erfolg weiterhin!“