Herr Horn, mit bürgerlichem Namen heißen Sie Horst Köhler – wie der Bundespräsident. Finden Sie es gut, dass Ihr Namensvetter für eine zweite Amtszeit kandidiert?
Guildo Horn: Also, er hat zunächst einmal einen sehr schönen Namen. Aber ich muss ganz ehrlich sagen: Mit dem Präsidenten habe ich mich noch gar nicht so viel auseinandergesetzt. Das geht relativ vielen Leuten so, vermute ich mal. Ich habe ihn persönlich ja auch noch nicht kennen gelernt.
Haben Sie überhaupt keine Meinung zum Bundespräsidenten – wo Sie nun schon beide den gleichen Namen tragen?
Horn: Er ist mir nicht negativ aufgefallen. Insofern: Bevor man jemanden ins Amt springen lässt, der anschließend unangenehm auffällt, ist mir ein Unauffälliger lieber.
Klingt nicht so, als seien Sie ein Fan von Gesine Schwan.
Horn: Naja, die kenne ich genauso wenig. Bevor man ein Urteil über einen Menschen fällen kann, muss man ihm mindestens einmal persönlich begegnet sein. Die Eindrücke, die man über das Fernsehen oder aus Zeitungen von jemandem hat, sind kein Indikator, um ein valides Urteil über jemanden abgeben zu können. Gesine Schwan ist jedenfalls nicht auf den Kopf gefallen.
Lassen Sie uns über Ihr Engagement für geistig behinderte Menschen sprechen. Sie moderieren nicht nur die Talksendung „Guildos Gäste“ im SWR, in der Sie geistig behinderte interviewen, sondern treten auch gemeinsam mit ihnen auf und unterstützen Veranstaltungen von geistig Behinderten. Was motiviert Sie dabei?
Horn: Ich stehe einfach auf authentische Menschen. Für mich muss ein Mensch immer authentisch sein. Wo Sie mich eben nach Horst Köhler und Gesine Schwan gefragt haben: Gerade in der Politik ist das doch eine ganz große Crux, weil dort das Authentische eigentlich überhaupt nicht gefragt ist. Wenn behinderte Menschen auf mich zukommen, weiß ich hingegen: De sind eins zu eins so, da ist nichts vorgetäuscht. Das finde ich persönlich sehr angenehm.
Sind behinderte Menschen ganz besonders authentisch?
Horn: Ja, zwangsläufig. Aus der Not ist halt eine Tugend geworden. Auf Grund der Tatsache, dass sie ein bisschen weniger vernünftig sind, sind geistig Behinderte manchmal allerdings ein bisschen distanzlos. Bei einer Veranstaltung habe ich kürzlich ein Mädchen wiedergetroffen, das mal zu Gast in meiner Sendung war. Wir hatten uns über ein Jahr lang nicht gesehen. Als sie mich dann wiedersah, kam sie so stürmisch auf mich zu, dass ich keine Chance hatte zu entfliehen. In solchen Situationen muss man Grenzen setzen. Aber ich komme damit gut zurecht.
Wie weit ist die Gesellschaft generell, was den Umgang mit behinderten Menschen angeht? Sehen Sie noch Integrationsschwierigkeiten?
Horn: Das es hier und da Probleme gibt, ist doch ganz normal. Vor dem, was man nicht kennt, hat man nun mal ein bisschen Angst, deshalb weiß man nicht, wie man damit umgehen soll. Ich finde es jedoch immer wichtig, dass man nicht nur die Defizite aufzeigt, sondern dass man auch mal die positiven Aspekte betrachtet. Ich arbeite schließlich nicht aus rein karitativen Gründen mit Behinderten zusammen, sondern weil es mir einfach Spaß macht. Das gibt meinem Leben eine Qualität, eine Frischheit und man erlebt Dinge dabei, die man sonst nirgendwo erlebt. Behinderte denken zum Beispiel oft noch mal um die Ecke und sorgen dafür, dass man manches mit ganz anderen Augen sieht.
Für wie wichtig halten Sie es, dass bei Veranstaltungen wie Kulturfesten, wo auch Sie regelmäßig auftreten, behinderte Menschen in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden?
Horn: Eine Schwierigkeit bei Behindertenarbeit ist immer, dass nicht Behinderte einen Teil der Organisationsarbeit übernehmen müssen. Es stellt sich dann immer die Frage: Wie viel kannst du die Leute selbst machen lassen? Denn wenn man sie zu viel machen lässt, wird es chaotisch, andererseits sind es ihre Veranstaltungen und sie sollen eigentlich möglichst viel selbst in die Hand nehmen. Was ich enorm wichtig finde: Als nicht Behinderter muss man sich auch mal zugestehen über behinderte Menschen zu lachen. Viele denken jedoch: Das ist eine heilige Kuh, Lachen über Behinderte ist ein Tabu, das darf man nicht. Manchmal kommen da aber eben Klötze raus, die einfach zum Lachen sind. Ich finde das total genial.
Man muss sich auch mal zugestehen, über behinderte Menschen zu lachen.
So wie Sie es sagen, gibt es jedoch oft einen ziemlich gehemmten Umgang mit Behinderten.
Horn: Ja, sicherlich. Bei jemandem, der keine Erfahrungen im Umgang mit Farbigen hat, ist es genauso. Wenn man dann in Kontakt mit jemandem kommt, weiß man einfach nicht, wie man damit umgehen soll. Ein anderer wichtiger Punkt: Mir ist ja auch nicht immer jeder Behinderte sympathisch. Es kann ja auch sein, dass ich ihn überhaupt nicht mag, weil er ein richtiges Arschloch ist. Und ich finde: Auch ein behinderter Mensch hat das Recht dazu, ein Arschloch zu sein.
Derzeit machen Sie für „Guildos Gäste“ Hausbesuche, zum Beispiel in Einrichtungen für Behinderte, ab September werden dann im Studio neue Folgen aufgezeichnet. Sie beschreiben „Guildos Gäste“ als Unterhaltungsshow – daher die Frage: Eignen sich Behinderte für Unterhaltungssendungen?
Horn: Ja, auf jeden Fall. Denn behinderte Menschen können eine Menge, und wenn sie auf der Bühne stehen, können sie die Leute super unterhalten. Ich finde solche Sachen spannend. Abgeschmackte Sachen mag ich nicht. Letztens habe ich mir auf 3sat ein Madonna-Konzert angetan. Das war so dermaßen durchchoreografiert, alles kam vom Band, so dass da nichts mehr passierte. Bei Behinderten ist genau das Gegenteil der Fall. Die anfängliche Idee der Sendung war es, einen Gegenpool zu Sabine Christiansen zu schaffen. Und seien wir doch mal ehrlich: Ich finde, was meine Gäste von sich geben, hat genauso viel – oder genauso wenig – Hand und Fuß, wie das, was Christiansens Gäste von sich gegeben haben. Nur mit dem Vorteil, dass meine Gäste ehrlich sind.
Das Konzept Ihrer Sendung hat sich also bewährt?
Horn: Ja, und nach Aussage des Intendanten, machen wir weiter, so lange wie die Quote stimmt und ich noch Lust habe. Im Moment ist beides der Fall. Die Quoten waren zuletzt echt der Hammer.
Selbst bei einem solchen Thema kommt es also auf die Quote an?
Horn: Ja, natürlich.
Man könnte ja auch denken, dass ein Sender, eine solche Sendung aus anderen Gründen ins Programm nimmt.
Horn: Nee, aber mal davon abgesehen: Ich habe überhaupt keine Angst davor, mich an den Quoten messen lassen zu müssen. Genau aus dem Grund, die ich vorhin genannt habe: Behinderte sind grandiose Unterhalter.
Wird aus Ihrer Sicht generell zu wenig mit behinderten Menschen gesprochen, zu viel nur über sie?
Horn: Das ist sicher noch so, aber in der Tendenz wird’s schon bisschen besser. In Werkstätten gibt es zum Beispiel Werkstatträte, und auf Bundesebene gibt es Behinderte, die ihre Interessen vertreten. Wobei es für die Leute auch total schwer ist, sich mit solchem bürokratischen Zeug zu befassen. Ich finde es generell immer total schwierig, wenn man hingeht und guckt, was negativ ist. Klingt jetzt hart, aber wenn ich mir andere Länder anschaue, können wir einfach mal stolz sein, was wir diesbezüglich haben. Wir sind eine moderne Gesellschaft, hier tut sich einiges. Natürlich gibt es auch viel, was falsch läuft, aber man darf den Glauben nicht aufgeben. Ich bin zum Beispiel viel in Asien gewesen. Wenn man sich die Behindertenarbeit in China ansieht, stehen wir im Vergleich dazu in Deutschland ziemlich gut da. Meine Einstellung ist immer, nicht gegen etwas zu sein, sondern für etwas zu sein. Und dann die Sachen zu machen, an die ich glaube.
Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Horn: Donald Duck war auf jeden Fall immer mein Lieblingscomic, weil er einfach so ein schön menschlicher Looser ist, der es doch immer irgendwie schafft.
Das sind sie auch?
Horn: Das ist jeder. Ich glaube nicht an Gewinnertypen, ich glaube eher an die menschlichen Schwächen.
Sehr geehrter Herr Horn,
Ihre Musik ist nicht die meinige, aber umso begeisterter bin ich von Ihrer Aktion zum Aufdecken der Mängel in der Zugänglichkeit von Behörden, speziell jetzt von Wahllokalen. Meine Frau war bis zu ihrem Tode im Februar dreizehn Jahre lang querschnittgelämt und Rollstuhlfahrerin. Wie oft mussten wir Passanten bitten, uns die fünf Stufen zum Eingang eines Wahllokals hinaufzuhelfen! Ihnen gehört nicht nur ein großes Lob wegen des Aufdeckens solcher Mängel, sondern auch das Bundesverdienstkreuz. Das erhalten manche Bürgermeister schon, nur weil sie ihre Pflicht tun. Weiter so!
Herzliche Grüße
Wolfgang Grieb
Absender:
Prof. Dipl-Ing. Wolfgang Grieb
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