Hannelore Elsner

Nonne bin ich nicht geworden.

Hannelore Elsner über den Film "Mein Herz in Chile", ihre Kindheit im Kloster und die 68er-Bewegung

Hannelore Elsner

© Mota Montero/ZDF

Frau Elsner, Sie haben Ihren neuen Film zum großen Teil in Chile gedreht. Welchen Eindruck hat dieses Land auf Sie gemacht?
Elsner: Irgendwie kannte ich Chile schon von allen möglichen Büchern und ich kannte natürlich seine Geschichte. Es war also wie ein Ankommen in etwas Bekanntem. Es war trotzdem sehr schön, es zum ersten Mal in Wirklichkeit zu sehen.

Was ist Santiago für eine Stadt?
Elsner: Die ist riesig. Sie hat sogar etwas von einer europäischen Metropole. Befremdlich war sie überhaupt nicht. Das ist in meinem Beruf sowieso so. Man kommt irgendwo hin, trifft gewissermaßen immer die gleichen Leute, die dem gleichen Beruf nachgehen. So ist man immer irgendwie verbunden.

Sie spielen die Hamburgerin Laura Hansen. Was treibt sie nach Chile?
Elsner: Sie ist auf dem Weg in ihre Vergangenheit. Sie hat einen großen Schmerz in sich, den will sie erkennen und auflösen, sich von ihm befreien. Sie ist ja Chilenin und ging vor über 30 Jahren nach Deutschland ins Exil. Seitdem hat sie nicht über ihre Vergangenheit gesprochen, auch mit ihren Kindern nicht. Und nun will sie, und parallel auch ihre Tochter, endlich erfahren, was damals wirklich passiert ist.

Was ist so chilenisch an Ihnen?
Elsner: Mein Gott, ich sehe halt chilenisch aus, wenn man so will. Auf der Straße haben mich alle auf spanisch angesprochen, die haben gedacht, ich bin Chilenin.

Laura Hansen sagt ihrer Tochter, die von Bettina Zimmermann gespielt wird: „Das ist kein Land für dich, hier ist die Vergangenheit noch überall präsent.“ Hat so gesehen die Zerstörung Deutschlands im zweiten Weltkrieg und der Neuaufbau danach das Leben hier erleichtert?
Elsner: Nein. Die neuen Bauten sind ja auch Spuren der Vergangenheit, weil sie einen erinnern, dass das Alte kaputt ist. Aber das Gute an „Mein Herz in Chile“  ist, dass anhand einer persönlichen Geschichte die Zeitgeschichte erzählt wird, damit sich das Publikum besser damit identifizieren kann. In Deutschland gibt es auch viele Menschen, die noch die Last der Vergangenheit in sich tragen. Da braucht es keine Gebäude um sich daran zu erinnern.

Sie haben Ihre Schulzeit in Klostern verbracht. Konnten Sie dort eigentlich ein politisches Bewusstsein entwickeln?
Elsner: Im Kloster hat man über Politik wenig erfahren. Als Kind sowieso nicht. Da wurde überhaupt nichts über die Vergangenheit erzählt. Das musste man sich schon alles selber aneignen. Ich bin ja in einem katholischen Kloster gewesen und da habe ich immer gesagt: man wird entweder Anarchistin oder man wird Nonne. (lacht) Also, Nonne bin ich nicht gewonnen.

Haben Sie das Gefühl, damals am falschen Ort gewesen zu sein?
Elsner: Nein, das war schon richtig zu der Zeit. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es anders gewesen wäre. Als Kind nimmt man ja alles hin, was mit einem geschieht. Wie man das überlebt und verarbeitet, erfährt man ja erst im Laufe des Lebens. Auf jeden Fall konnte ich da sehr viel Fantasie entwickeln. Die katholische Erziehung war eher wie eine Zwangsjacke, aus der ich mich befreien musste. Und das habe ich dann auch getan.

Raus aus dem Kloster und gleich rein in die Schauspielschule?
Elsner: Ja, aber nicht als Rebellion. Das war eher Zufall, ein Ausprobieren und dann bin ich dabei geblieben.

Aber ihre ersten Erfolge hatten Sie doch in den 60ern in Filmen, die wenig später als „Opas Kino“ verlacht worden sind?
Elsner: Das wird immer ein bisschen übertrieben. Ich habe vielleicht zwei oder drei solcher Lausbubengeschichten gemacht, die jetzt immer noch im Fernsehen laufen. Ich hab in der Zeit eigentlich mehr Theater  gespielt und auch ein paar schöne Kinofilme gedreht. Die anderen Geschichten habe ich eher gemacht, um Geld zu verdienen. Es gab da also keinen großen Eingriff (lacht) in meinem Leben.

Zitiert

Auch neue Bauten sind Spuren der Vergangenheit - weil sie einen daran erinnern, dass das Alte kaputt ist.

Hannelore Elsner

Sind Sie immer schon politisch interessiert gewesen?
Elsner: Interessiert war ich schon. Natürlich habe ich mich, als ich jung war, nicht nur darum gekümmert. Ich musste ja erstmal mein Leben einrichten.

Was verbinden Sie mit den „68ern“?
Elsner: Es ging darum, alte Muster abzulösen, eine Freiheit wiederzugewinnen, die man eigentlich sowieso haben müsste. Die einen haben das eben öffentlich und politisch gemacht und die andern für sich selbst. Ich fühlte mich schon immer ziemlich frei, und auch nicht verhaftet in irgendwelchen Konventionen. Im Gegenteil.

Woran merkt man, dass die eigene Freiheit auch mal abhanden kommen könnte?
Elsner: Ach Gott, was für eine schwierige Frage. Meistens wahrscheinlich zu spät. Also mir ist sie nicht abhanden gekommen; sie hat sich eigentlich immer weiterentwickelt. Das Gefühl, das zu tun, was ich für richtig halte und auch das zu sagen, was ich meine und so zu sein, wie ich bin, das verstehe ich eigentlich unter Freiheit.

Einer der Regisseure, die 1978 im Film „Deutschland im Herbst“ die Zeit des RAF-Terrors reflektierten war Alf Brustellin, Ihr damaliger Lebensgefährte. Haben Sie dadurch auch eine größere persönliche Nähe zu dem, was gerade in „Baader Meinhof Komplex“ nacherzählt wird?
Elsner: Ja, natürlich. Ich hab das alles miterlebt. Für mich war das nicht Geschichte, diese schrecklichen Ereignisse gehörten fast zum normalen Alltag.

Ist für Sie das Thema RAF noch mit ungelösten Fragen verbunden?
Elsner: Es war damals vieles ungelöst. Auch wir waren angewiesen auf Nachrichten und die Zeitungen. Natürlich wusste man auch, dass man nicht alles glauben kann, was geschrieben wird. Aber genau wusste man natürlich nicht, was da wirklich passiert ist, wie deren Behandlung in Stammheim wirklich war, ob sie sich umgebracht haben, oder umgebracht worden waren. Und wenn diese Leute nicht so mörderisch gewesen wären, und wirklich Verbrecher und Terroristen geworden wären, dann hätte man ja sogar ein klein wenig Sympathie für sie haben können.

Ihre Rolle Laura Hansen in „Mein Herz in Chile“ verdient mehr, als ein klein wenig Sympathie.
Elsner: Sie ist 1973 mit ihrer großen Liebe in Chile auf die Straße gegangen, um zusammen zu demonstrieren. Es ging um die Demokratie, ganz einfach gegen die Diktatur. Das ist immer ein ganz großes Thema. Und dieser Film ist ja ganz aktuell. Die Zeitung, in der Laura liest, dass wieder Pinochet-Anhänger, Mörder und Mitverantwortliche nach 35 Jahren verhaftet worden sind, ist ja eine echte Zeitung vom vorigen Herbst.

Die Vergangenheit lässt einen nicht los?
Elsner: So ist es. Wenn man lange genug lebt. (lacht)

Für Laura Hansen spielt ein Satz eine wichtige Rolle: „Liebe mich, Du! Verletzt dich nicht an mir, es wäre unnütz…“
Elsner: Das ist ein Satz von Pablo Neruda. Es war sogar meine Idee, dass der sozusagen zum Codewort für dieses Liebespaar wird. Das sagten sich Laura und ihre große Liebe schon in ihrer Jugend und wenn sie sich wieder sehen, schließt sich mit ihm der Kreis. Das finde ich sehr schön.

Die zweite Hälfte des Satzes heißt: „Verletz nicht mich, du verletzt sonst dich.“ Das heißt: Liebe ist nichts für Weicheier?
Elsner: Das Stimmt. Liebe ist nichts für Feiglinge. (lacht) In der Liebe muss man schon etwas aushalten können.

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