Frau Hoger, haben Sie jemals das Gefühl von Rache verspürt?
Hoger: Ja, ich bin ja auch nur ein Mensch! Meine Rache sitzt aber nie so tief. Sie taucht gelegentlich auf und verzieht sich dann schnell wieder.
Glauben Sie, dass ein Rachegefühl in jedem Menschen steckt?
Hoger: Ich glaube, dass das Gefühl von Rache nichts unnatürliches ist. Der Wunsch nach Gerechtigkeit und Sühne gehört zum Menschen dazu, nur sollte man den Wunsch nach Rache eher kleinhalten und sich nicht voll und ganz diesem Gefühl hingeben. Das hat auch sehr viel mit Erziehung zu tun, ob man eben Konflikte auf dem vernünftigen Weg lösen kann oder nur durch Gewalt.
Warum verstecken wir dieses Gefühl im allgemeinen? Ist es die Angst vor der Strafe durch das Gesetz?
Hoger: Na ja, das Gesetz hat ja bekannterweise noch keinen von einer Straftat abgehalten. Natürlich muss man hier auch die verschiedenen Formen eines Racheaktes berücksichtigen. Wenn jemand im Affekt eine Gewalttat begeht, wird das weniger hart geahndet als eine geplante Tat.
Seit 12 Jahren verkörpern Sie die Kriminalkommissarin "Bella Block" im ZDF und sind damit zu einer festen Krimi-Institution im Fernsehen geworden. Der neueste "Bella Block"-Film "…denn sie wissen nicht, was sie tun" thematisiert emotionale Folgen und Verwicklungen einer Entführung und macht deutlich, dass Rache und Selbstjustiz keine Lösung sind, sondern zu einem gefährlichen Irrweg führen. Wurde dieses Thema ihrer Meinung nach, in Medien und Gesellschaft bisher genügend thematisiert?
Hoger: Dieses Thema wird ja in Filmen, Serien und Zeitungen sehr oft behandelt und dargestellt. Das finde ich gut, allerdings darf Selbstjustiz nicht verherrlicht werden und somit direkt zur Nachahmung anregen. Eine Aufklärung eines Verbrechens ist Sache der Polizei und sollte nicht vom Opfer selber in die Hand genommen werden. Ich denke, dass wir durch den neuesten „Bella Block“-Film auch sehr genau deutlich machen, dass diese Art der Verbrechensaufklärung in den meisten Fällen nicht zum Erfolg führt.
Im neuen Film treffen sie auf eine Schülerin, die nach einer Entführung Rache an ihren Kidnappern nehmen will. Wie wären sie, als Hannelore Hoger, mit diesem Mädchen umgegangen?
Hoger: Ich würde versuchen, dem Mädchen diese Tat auszureden, weil sie ja die Täter auch gar nicht richtig kennt. Sie soll die Ermittlungsarbeit der Polizei überlassen und vor Gericht gegen die Täter aussagen, wie diese großartig mutigen Mädchen in dem Prozess gegen den schrecklichen Mörder Marc Dutroux in Frankreich. Diese Mädchen haben durch ihre Gerichtsaussagen beispielhaft bewiesen wie man auch auf friedlichem Wege für Gerechtigkeit sorgen kann und letztendlich haben Sie den Prozess ja auch gewonnen und Marc Dutroux wurde verurteilt.
Neben den Ermittlungen kümmert sich Bella liebevoll um ihren Midlife-Crisis geplagten Lebensgefährten Simon Abendroth. Passt das denn zu der sonst eher kühl wirkenden Bella Block?
Hoger: Ich finde nicht, dass Bella eine besonders kühle Ausstrahlung hat. Bella kann sehr liebevoll sein und hat einen großen Sinn für Gerechtigkeit. Natürlich kann sie bei der Polizeiarbeit nicht ständig ihr Mitgefühl zeigen; ein Arzt muss am OP-Tisch ja auch konzentriert und sachlich vorgehen und kann sich nicht in irgendwelchen Emotionen verlieren.
In "…denn sie wissen nicht was sie tun" steht Ihnen erstmals Devid Striesow als Partner Jan Martensen zur Seite – sind Sie zufrieden mit der neuen Kombination?
Hoger: Ja, Devid und ich verstehen uns glänzend und haben sehr viel Spaß an der gemeinsamen Arbeit. Wie sich das Verhältnis von Bella Block und Jan Martensen nun allerdings innerhalb der Filme entwickeln wird, kann ich noch nicht sagen, da die nächsten Bücher noch nicht fertiggestellt sind. Aber es wird sicherlich eine interessante Entwicklung stattfinden.
In einem Interview haben Sie vor kurzem geäußert, dass Sie noch nie eine Rolle über eine so lange Zeit gespielt haben, wie eben die "Bella Block". Wann sind Sie denn fertig mit „Bella Block“?
Hoger: Das Publikum will "Bella Block" weiterhin sehen, das ZDF hat Interesse an weiteren Fortsetzungen und Bellas neuer Partner ist gerade erst hinzugekommen. Warum sollten wir da aufhören?
Als Schauspieler ist man oft in fremdem Städten unterwegs und an den Abenden nach dem Dreh oft. Wie gehen Sie in solchen Momenten mit der Einsamkeit um?
Hoger: Ich schaffe das meistens ganz gut, gehe dann in ein Lokal, verschicke SMS, lese ein Buch oder gucke einfach nur Fernsehen. Ich bin oft auch sehr gerne mit mir allein und brauche nicht immer jemanden um mich herum.
Die Ablenkung durch Massenmedien wie Fernsehen oder Internet ist sehr groß und auch die vorgelesenen Märchen am Bett des Kindes fallen häufig weg.
Ein wichtiger Bestandteil in Ihrem Leben, so scheint es, sind Bücher. Was lieben Sie am Lesen?
Hoger: Bücher können einem unheimlich viel mitteilen, einen trösten, überraschen und erweitern den eigenen Horizont. In vielen Geschichten merkt man, dass viele andere Menschen die gleichen Probleme haben, wie man selber und dass es anderen auch nicht besser geht als mir.
Passiert es auch, dass Sie ein Buch schon nach den ersten 20 Seiten zur Seite legen, weil es Ihnen nicht zusagt?
Hoger: Ja, vielleicht krame ich es dann aber Jahre später wieder hervor oder erfahre durch eine Freundin, dass dieses oder jenes Buch erst nach 20 Seiten spannend wird und fange dann wieder an zu lesen. Wenn es dann allerdings nach weiteren 10 Seiten immer noch nicht interessant für mich ist, lege ich es endgültig weg.
Haben die Menschen in der heutigen Gesellschaft das Lesen verlernt?
Hoger: Ich glaube, sie sind gerade wieder dabei das Lesen zu lernen und zu lieben. Natürlich ist die Ablenkung durch Massenmedien wie Fernsehen oder Internet sehr groß und auch die vorgelesenen Märchen am Bett des Kindes fallen häufig weg. Dies alles führt zu einer geistigen Verarmung, da viele Jugendliche überhaupt keinen Zugang mehr zur Dichtung und zu großen Werken der Literaturgeschichte haben. Das ist sehr bedauerlich!
Was kann man unternehmen, um diese Tendenz zu stoppen und die Lust am Lesen zu wecken?
Hoger: Ich persönlich veranstalte viele Lesungen und nehme Hörbücher auf. Oft passiert es mir, dass Leute danach zu mir kommen, begeistert von der Geschichte sind und sich dann das Buch kaufen, um es zu Hause im Sessel zu lesen. Andere haben die Geschichten auch schon gelesen, aber wurden erst durch mein intensives Vorlesen auf bestimmte Aspekte aufmerksam und nehmen sich vor, es nun erneut zu lesen. Das alles ist mein kleiner Beitrag, den ich zu dieser Problematik leisten kann.
Könnten Sie sich vorstellen, das Fernsehen zu verlassen um nur noch Lesungen zu veranstalten und auf der Theaterbühne zu stehen?
Hoger: Nein, warum sollte ich das tun? Dann würde doch keiner mehr zu meinen Lesungen kommen. Ich bin doch nicht blöd!
Ihre Mutter ist auf einem Bauernhof mit neun Geschwistern großgeworden, Sie hingegen in der Großstadt Hamburg. Hätten Sie sich jemals eine Kindheit auf dem Bauernhof gewünscht?
Hoger: Ich habe, obwohl ich in einer Großstadt großgeworden bin, in den Ferien viele schöne und unvergessliche Wochen auf diesem Bauernhof erlebt. Dort gab es Pferde, Hunde, Katzen und Kühe; ich habe Korn gebunden, Kartoffeln gebuddelt und es gab einen wunderschönen Garten. Das Leben meiner Mutter in der Nachkriegszeit war aber auch ein sehr hartes. Das darf man bei all der ländlichen Idylle nicht vergessen.
Haben Sie ihre Mutter im Nachhinein dafür bewundert, dass Sie dieses kriegsgeprägte Leben so gemeistert hat?
Hoger: Ja, ich habe meine Mutter immer sehr bewundert. Sie hat, wie ihre ganze Generation, eine große Lebensleistung vollbracht und ist mutig ihren Weg durch diese schwere Zeit gegangen. Sie hat zwei Weltkriege und die Inflation überstanden, großes Elend und Arbeitslosigkeit erlebt, Kinder bekommen und großgezogen und niemals aufgegeben. Heute fällt jede Frau, die ein Kind bekommt und nebenbei arbeiten muss in Ohnmacht, weil sie glaubt, der Belastung nicht gewachsen zu sein.
Ihre erste Theaterrolle haben sie 1962 in Brendan Behans Stück "Die Geisel" am Stadttheater Ulm unter der Regie von Peter Zadek gespielt. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit diesem ersten Engagement?
Hoger: Ich verbinde mit meiner gesamten Theaterarbeit eine große Freude und habe in dieser sehr intensiven Zeit viel über mich und meinen Beruf gelernt. Die Aufführung "Die Geisel" hat damals einen Skandal ausgelöst; das Ende versank im Theaternebel. Später gab es dann eine Fernsehaufzeichnung und weitere Aufführungen in Bochum, Bremen und Berlin. Ich habe in dieser Zeit mit großartigen Regisseuren und Kollegen zusammengearbeitet, und auch ein Stückchen Theatergeschichte mitgeschrieben, wenn ich das ganz unbescheiden bemerken darf.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic- Welche Figur sind Sie?
Hannelore Hoger: Micky Maus- das ist die einzige Figur, die mir einfällt!