Hans-Joachim Heist

Man wird nicht gehört, wenn man nicht laut auf den Tisch haut

Er ist der Chef-Choleriker des ZDF: Hans-Joachim Heist alias Gernot Hassknecht, bekannt vor allem aus der "heute-show". Im Interview spricht der Kabarettist über austauschbare Politiker, fehlende Visionen, seine Privatmeinung und seine Zeit als Stadtverordneter.

Hans-Joachim Heist

© Willi Weber / ZDF

Herr Heist, was würde Gernot Hassknecht aktuell zur Großen Koalition sagen?
Hans-Joachim Heist: Große Koalition – große Scheiße!

Und Sie?
Heist: Ich als Hans-Joachim Heist sage, dass eine Große Koalition nicht gut für das Land ist, weil die Opposition viel zu schwach ist.

Der „Spiegel“ hat einmal geschrieben, in den Schimpftiraden Gernot Hassknechts zeige sich „die ganze Verzweiflung eines öffentlich-rechtlichen Journalisten über seine Machtlosigkeit“. Fühlen Sie sich tatsächlich machtlos?
Heist: Nein, Kabarettisten waren schon immer Mahner und Denker. Als solche wird man manchmal wahrgenommen und manchmal nicht, aber machtlos ist man eigentlich nur, wenn man gar nichts tut.

Aber wenn man gehört wird und es ändert sich trotzdem nichts, besteht da nicht die Gefahr zum Zyniker zu werden?
Heist: Es gibt sicherlich viele Kabarettisten, die daran verzweifelt sind, das stimmt schon. Aber Satire und Kabarett sind zugespitzte Formen der Mahnung und es ist ja auch alles subjektiv. Der eine denkt so, der andere so, es wird also nie eine objektiv wahre Aussage eines Kabarettisten geben.

Wie schafft man es, nicht zu verzweifeln?
Heist: Indem man erdverbunden ist und weiß, wie diese Welt und unsere Regierung funktionieren. Wir haben eine parlamentarische Demokratie, das bedeutet, dass man nie alles so durchsetzen kann, wie man es persönlich gerne hätte und als vollkommen richtig betrachtet. Es sind immer Kompromisse notwendig.

Sie haben für die SPD ja selbst mal im Stadtrat gesessen.
Heist: Ja, ich war sechs Jahre lang Stadtverordneter. Da lernt man sehr schnell, dass man auch andere Meinungen respektieren muss. Und man wird endlos mit Papier zugeschmissen, deswegen muss man sich spezialisieren. Man kann nicht Fachmann auf allen Gebieten sein, auch nicht in der Kommunalpolitik. Man muss sich sein Spezialgebiet aussuchen und auf diesem dann möglichst gut werden.

Zitiert

Och, das wäre mir dann egal, wer unter mir Kanzler ist.

Hans-Joachim Heist

Ihr Kollege Christoph Maria Herbst hat im Interview die heutigen Politiker als „eloquente Zombies“ beschrieben, die immer dieselben Sätze und Phrasen wiederholen.
Heist: Natürlich sind im Moment viele Politiker austauschbar. Es gibt diese Ecken und Kanten, die Politiker früher hatten, einfach nicht mehr. Die sind wirklich sehr oft weichgespült und aalglatt, da sind aber auch die Medien dran schuld.

Warum das?
Heist: Politiker sind auch nur Menschen mit Fehlern, wenn sie aber welche machen, werden sie fertiggemacht. Das ist jetzt natürlich eine Aussage, die Hassknecht nie machen würde, sondern das sagt jetzt Hans-Joachim Heist, der dieses Geschäft ein bisschen kennt. Die Medien schlachten die Dinge aus und die Politiker versuchen möglichst gut dazustehen, das ist das Problem.

Ein lösbares Problem?
Heist: Es muss wieder Politiker geben, die sich nicht scheuen gegen den Strom zu schwimmen, die versuchen ihre Visionen durchzusetzen. Es gibt wenige Politiker mit Visionen. Und die anderen machen Politik von einer Wahl zur nächsten, das ist nicht genug, das reicht nicht.

Vielleicht leben wir einfach in einer Ära ohne Visionen, in der man auf Sicht fährt.
Heist: Es gibt Visionen. Wie man zum Beispiel das ökologische System ändern könnte, indem man sämtliche Atomkraftwerke abschaltet. Es gibt Visionen, wie man einen Sozialstaat noch runder, noch besser machen kann, ohne dass ein Familienvater mit zwei Kindern am Ende des Monats zum Amt gehen muss, um aufzustocken, weil nicht genug Geld da ist. Wir leben in einem sehr reichen Land, da gibt es so viele Möglichkeiten. Aber das ist eben nicht in vier Jahren realisierbar, von einer Wahl zur nächsten. Da muss man weiter denken.

© Willi Weber / ZDF

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Wenn Sie Politiker wären, was wären Sie: Volkstribun, Realpolitiker, Fundi, Technokrat, Populist?

Heist: (Lacht) Volkstribun wäre ich am liebsten! Ernsthaft, wenn ich heute in der Politik wäre, würde ich natürlich versuchen, meine Vision und mein Verständnis von Politik zu vertreten und das natürlich, wie Gernot Hassknecht, lautstark. Ich habe das Gefühl, dass man in unserer Gesellschaft nicht mehr gehört wird, wenn man nicht laut auf den Tisch haut.

Welches Amt hätten Sie denn gern?
Heist: Ich würde mich für das Arbeits- und Sozialministerium bewerben.

Unter welchem Kanzler?
Heist: Och, das wäre mir dann egal, wer unter mir Kanzler ist.

Haben Sie einen Lieblingscholeriker?
Heist: Herbert Wehner!

Wie oft müssen Sie eigentlich Ihre Auftritte als Gernot Hassknecht wiederholen, bis es im Kasten ist?
Heist: Das kommt darauf an, wie aufwendig es jeweils ist. Manchmal klappt es beim ersten Mal, manchmal muss man es sechsmal probieren.

Werden Sie immer besser, je öfter Sie cholerisch werden müssen, oder laugt es aus?
Heist: An Kraft habe ich noch nie verloren. Auch wenn alle gesagt haben, dass es gut ist, habe ich geantwortet: Nein, das geht noch besser! Und dann wurde es auch besser.

Sie gehen mit der Rolle inzwischen auf auf Tour. In welcher Gegend kommt man als Choleriker auf der Bühne am besten an?
Heist: Überall gleich!

Fürchten Sie manchmal, dass man Sie nur noch als Choleriker betrachtet?
Heist: Wissen Sie, ich bin inzwischen in einem Alter, da hat man damit keine Probleme mehr. Natürlich wird man in eine Schublade gesteckt, das ist klar.

Es hat auch Vorteile, keiner kommt Ihnen dumm.
Heist: Das ist schon eine tolle Sache, wenn man so eine Rolle bekommt und populär wird. Das ist ein Geschenk. Im realen Leben bin ich ein friedlicher Mensch, da bin ich eher wie Heinz Erhardt, mit einem Schalk im Nacken.

Kann man als Choleriker glücklich sein?
Heist: Also, ich persönlich bin glücklich, wenn es meiner Familie und mir gut geht. Ich bin auch mit meiner Heimat sehr verbunden, das empfinde ich als Glück, einen Rückzugspunkt zu haben, wo man die Seele baumeln lassen kann.
Die Figur Gernot Hassknecht ist sicher auch mal glücklich, für ihn ist es Glück, wenn er seinem großem Hobby nachgehen kann: Beschwerdebriefe schreiben. Er hat ja eine Riesensammlung davon. Und noch glücklicher wird er sein, wenn er Antworten auf seine Beschwerdebriefe bekommt.

Ein wütender Sisyphos.
Heist: Ja!

Wenn alles gut wäre, wäre Gernot Hassknecht unglücklich?
Heist: Genau so ist es, aber in einem Land wie Deutschland wird das nicht passieren.

Wie steht es eigentlich um den deutschen Humor?
Heist: Der hat sich zum Negativen gewandelt, die großen Humoristen und Komiker sind mittlerweile tot. Ich denke an Heinz Erhardt und an Loriot, die haben noch geistreichen Humor gemacht.

Wen gibt’s da denn heute noch?
Heist: Fällt mir keiner ein.

Schramm, Hirschhausen vielleicht.
Heist: Georg Schramm liebe ich, Hildebrandt, Pelzig, Priol, das sind aber Kabarettisten und keine Humoristen, Hirschhausen ist bisschen flacher.

Darf Satire alles?
Heist Ich schränke es ein, sie darf fast alles. Menschen verletzen darf sie nicht.

Ist Religion tabu?
Heist: Nein, in keiner Weise. Religion ist so öffentlich, dass ihre Anhänger und Vertreter damit zurechtkommen müssen. Wenn ich mir das ganze Theater um Tebartz-van Elst ansehe, dieses Limburger Frettchen, dann muss man darüber sprechen können und es über Satire und Kabarett aufarbeiten.

Wann waren Sie zuletzt privat wütend?
Heist: Oh, das ist eine Weile her. Da ich mich auf der Bühne und vor der Kamera austobe, merke ich gar nicht, ob ich privat auch wütend bin.

Sie lassen die Sau auf der Bühne raus.
Heist: Genau, und werde auch noch dafür bezahlt! (lacht)

Sie werden vermutlich oft nach Ihrem Lieblingswitz gefragt…
Heist: Ja, das passiert mir immer wieder, mir wurde dann auch geraten, mir einen zuzulegen, aber das habe ich bisher nicht geschafft, weil ich kein Witze-Erzähler bin.

Wie wär’s stattdessen zum Schluss mit einem Sinnspruch, einem tiefsinnigen Aphorismus?
Heist: Da fällt mir nur von Heinz Erhardt ein wunderbarer Spruch ein: „Sie reichten Weine mir und Bier und Schnäpse und dergleichen, dabei können diese Leute mir das Wasser nicht mal reichen.“

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