Hans W. Geißendörfer

Ich hatte nie Angst vor der Trivialität

Hans W. Geißendörfer über 25 Jahre „Lindenstraße“, Berührungsängste innerhalb der ARD, die Besonderheiten des Serienschreibens und seinen Einmarsch in eine Intendantensitzung

Hans W. Geißendörfer

© WDR/Thomas Kost

Der Weg zu Hans W. Geißendörfer führt den Besucher auf dem WDR-Gelände in Köln-Bocklemünd durch einen langen, schier endlosen Gang. An den Wänden links und rechts hängen unzählige gerahmte Schwarzweiß-Fotos mit Bildern von aktuellen und ehemaligen „Lindenstraße“-Schauspielern, dazwischen reiht sich eine Tür an die andere, viele der Türen stehen offen. Büros, Garderoben, die Maske, der abgedunkelte Schnittraum. Vom Ende des Gangs ist leises Geschirrgeklapper aus der kleinen Kantine zu hören, die Schauspieler Giselle Vesco und Knut Hinz werden über Lautsprecher zum Dreh in die Außenkulisse gerufen. Obwohl Geißendörfer erst vor wenigen Stunden in Köln eingetroffen ist, wirkt er entspannt und gut gelaunt.

Herr Geißendörfer, am 12. Dezember feiert die ARD-Serie „Lindenstraße“ ihren 25. Geburtstag – mit der 40-minütigen Jubiläumsfolge 1306 „Iffi und Klaus“. Welches Gefühl überwiegt beim Blick auf dieses Ereignis?
Geißendörfer: Zuallererst Dankbarkeit – gerichtet an die Mitarbeiter und vor allem an das Schauspielerensemble. Wir haben im Ensemble der „Lindenstraße“ immer noch zehn Schauspieler, die seit Beginn der Serie mit dabei sind und die uns somit über zwei Jahrzehnte lang die Treue gehalten haben. Zu diesem Gefühl der Dankbarkeit mischt sich daher auch ein kleines bisschen Stolz – nicht direkt bezogen auf die 25 Jahre, sondern eher darauf, dass wir als Team immer noch zusammen sind und dass hier auf dem WDR-Gelände in Bocklemünd über die Jahre eine Produktionsgemeinschaft entstanden ist, die für die 85 Menschen, die hier arbeiten, zu einer zweiten Heimat geworden ist.

Die Dankbarkeit und der Stolz beziehen sich also zunächst auf die Mitarbeiter?
Geißendörfer: Ja, und erst dann auf die 1306 Folgen. Als die „Lindenstraße“ im Dezember 1985 erstmals gesendet wurde, war es ja so, dass viele Kritiker und auch Programmverantwortliche in der ARD lautstark daran gezweifelt haben, ob es die Serie nach dem ersten Jahr überhaupt noch geben wird. Ich war der Einzige, der von Anfang an behauptet hat, dass die „Lindenstraße“ ewig laufen wird – auch weil ich durch die schlechten Kritiken natürlich jeden Morgen ein völlig deprimiertes Schauspielerensemble neu motivieren musste. Jetzt werden wir tatsächlich schon 25 Jahre alt und im Rückblick ist die Zeit unheimlich schnell vergangen.

Sie haben das Stichwort „zweite Heimat“ fallen lassen. Als Zuschauer hat man tatsächlich den Eindruck, dass die „Lindenstraße“ für die Mitarbeiter so etwas wie eine zweite Familie ist. Viele Schauspieler – zum Beispiel Ute Mora oder Annemarie Wendl – haben bis zu ihrem Tod mitgespielt, das gibt es bei kaum einer anderen Fernsehserie.
Geißendörfer: Das stimmt. Dabei ist allerdings anzumerken, dass diese Schauspieler nicht bis zum Ende mitgespielt haben, weil sie eine Bringschuld hatten, sondern weil sie es von Herzen wollten. Eine populäre Rolle ist für alte Menschen oder auch für jemanden, der – wie Ute Mora, unsere Berta Griese – Krebs hat, ein Gerüst, an dem man sich noch festhalten, mit dem man sich beschäftigen und ablenken kann. Wenn wir Annemarie Wendl, unsere Else Kling, früher aus der Serie genommen hätten, wäre sie früher gestorben, da bin ich mir ganz sicher. Das haben uns auch ihre Ärzte gesagt – denn wenn man sich im Alter überhaupt nicht mehr gebraucht fühlt, verliert man natürlich sehr schnell den Lebensmut. Bei uns identifizieren sich die Schauspieler über viele Jahre mit ihren Figuren, sodass in die einzelnen Figuren natürlich auch sehr viel von der Persönlichkeit des jeweiligen Schauspielers einfließt. Wenn dann ein langjähriger Schauspieler aus der Serie aussteigt, stirbt ein Teil seiner Persönlichkeit. Dieser Teil bleibt in der Produktion zurück und ich weiß aus meiner Erfahrung, dass es Schauspielern oftmals sehr schwer fällt, mit dieser plötzlichen Leerstelle in ihrem Leben umzugehen. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, warum viele Schauspieler so lange wie möglich in der Serie mitspielen möchten.

Obwohl die „Lindenstraße“ längst in der deutschen Fernsehlandschaft etabliert ist, rümpfen viele Menschen bei der Erwähnung des Titels noch immer die Nase. Können Sie sich erklären, woran das liegt?
Geißendörfer: Das ist ein Phänomen, das ich auch nicht erklären kann. Allerdings haftet Serien bekanntlich seit jeher ein wenig der Beigeschmack des Trash und des Trivialen an. Der Fernsehfilm ist eine Klasse höher angesiedelt und der Kinofilm ist schließlich die Königsklasse – und das ist auch vollkommen in Ordnung. Ich hatte nie Angst vor der Trivialität der „Lindenstraße“ und habe sie im Gegenteil ganz bewusst gesucht. Ich wollte mit ihr Themen behandeln und Geschichten erzählen, die ansonsten nicht in der Unterhaltung vorkommen: Aids, Homosexualität, Ausländerhass, Ehebruch oder Magersucht. Gerade in der momentanen Jubiläumszeit erleben wir, dass uns sowohl die einfachen Leute als auch viele Intellektuelle großen Respekt für diese Haltung entgegenbringen. Trotzdem tut es natürlich immer noch weh, wenn Leute beim Namen „Lindenstraße“ die Nase rümpfen, ohne jemals eine komplette Folge der Serie gesehen zu haben. Solche Leute gibt es leider auch innerhalb der Anstalten…

Innerhalb der ARD?
Geißendörfer: Ja, es gibt einige Verantwortliche innerhalb der ARD – und es sind gar nicht wenige –, die sich noch nie eine ganze Folge „Lindenstraße“ konzentriert angesehen haben. Und mit denen muss ich als Produzent dann über den Sendeplatz, Werbemaßnahmen oder die Finanzierung diskutieren.

Wirft man einen Blick ins Programm der ARD, fällt auf, dass für die „Lindenstraße“ auch so gut wie keine Werbung gemacht wird, Werbetrailer sucht man vergebens.
Geißendörfer: Warum die ARD für die „Lindenstraße“ keine Werbung macht, ist mir unerklärlich. Da besteht ganz unterschwellig wohl immer noch eine Berührungsangst oder ich bekomme immer wieder den alten blöden Spruch zu hören: „Die ‚Lindenstraße’ ist ein Selbstläufer, die braucht keine Werbung.“ In der Tat haben wir immer noch gute Einschaltquoten, aber natürlich haben wir es mittlerweile auch mit einer unheimlich großen Konkurrenz zu tun. Als unser Sendeplatz vor einigen Jahren von 18.40 Uhr um zehn Minuten nach hinten verschoben wurde, haben wir durchaus einen leichten Rückgang bei den Einschaltquoten gespürt. Das ist ja aber auch kein Wunder, denn seitdem läuft die zweite Hälfte „Lindenstraße“ im Hochkonkurrenzprogramm – parallel laufen Nachrichten oder Erfolgs-Trash-Formate wie „Schwiegertochter gesucht“.

Fühlen Sie sich manchmal von der ARD stiefmütterlich behandelt?
Geißendörfer: Es ist mir in der Tat unverständlich, warum die ARD für die „Lindenstraße“ so wenige Trailer produziert, obwohl diese – außer Sendezeit – nichts kosten. Ich setze mich oft mit den Leuten, die dafür verantwortlich sind, auseinander, aber ich habe überhaupt keine Chance. Ich bekomme dann immer wieder zu hören: „Wir haben bei der ARD unsere Prinzipien. Die ‚Lindenstraße’ läuft im Vorabendprogramm und das bewerben wir grundsätzlich nicht.“ Wenn es um Vorteile ginge, sind wir aber plötzlich kein Vorabendprogramm mehr, weil der Sonntag offiziell kein Vorabendprogramm hat. Es ist zum Verzweifeln! Wir kämpfen um jeden Trailer, aber wir bekommen nie eine Plakataktion, nie eine Anzeigenkampagne. Nur anlässlich der 1000. Folge im Januar 2005 wurde eine Ausnahme gemacht, die die Quote dann auch gleich auf sieben Millionen Zuschauer hochgedrückt hat.

„Tatort“, „In aller Freundschaft“ oder „Anne Will“ werden im Gegensatz zur „Lindenstraße“ ständig beworben.
Geißendörfer: Ich bin überzeugt davon, dass die „Lindenstraße“ eine deutlich höhere Einschaltquote hätte, wenn sie ebenso stark beworben werden würde wie die genannten Sendungen. Gerade die jüngeren Zuschauer wissen oftmals gar nicht, dass es die „Lindenstraße“ überhaupt gibt – es sei denn, die Eltern schauen die Serie vielleicht. Einer meiner ganz wesentlichen Wünsche ist daher, dass die ARD die Serie in Werbedingen ein bisschen besser pflegt. Wobei ich allerdings auch positiv anmerken möchte, dass die ARD die „Lindenstraße“ in vielen anderen Bereichen sehr gut pflegt, wenngleich wir in letzter Zeit etwas mehr „Zensur“ spüren als das 20 Jahre lang der Fall war. Am Anfang, in den ersten drei Jahren der Serie, war es sehr schwierig, bestimmte Themen bei der ARD durchzusetzen, dann zählte lange Zeit nur der Erfolg – solange wir nicht gegen Gesetze verstoßen haben, hat uns niemand reingeredet. In letzter Zeit spüren wir aber wieder deutlich mehr Kontrolle.

Woran liegt das? Allein an den Personen, die in den oberen ARD-Gremien sitzen?
Geißendörfer: Ja, und an der politischen Angst einiger Personen, die sich keinen Ärger und keine für sie unnötigen Diskussionen ins Haus holen möchten. Trotzdem haben wir aber schon das Glück, dass wir bei der „Lindenstraße“ frei erzählen dürfen. Wir können auch extreme oder nichtattraktive Themen – zum Beispiel Aids oder Kindesmissbrauch – behandeln, da redet uns niemand hinein. Es könnte ja auch ein Sender innerhalb der ARD kommen, der sagt: „Macht doch all diese schwierigen Dinge nicht mehr. Wir wollen die Quote steigern, ihr müsst komödienhaftes Zeug machen, mehr Heiterkeit und Harmonie verbreiten. Eure belastenden Themen will der Zuschauer doch gar nicht sehen“. Das wäre eine Situation, vor der ich immer wieder Angst habe, aber sie ist zum Glück noch nie eingetreten. Unser Anspruch und unsere Haltung werden zwar immer wieder mal kontrovers diskutiert, aber bisher durften wir sie umsetzen und durchführen, dafür sind wir dankbar.

Ende Juni diesen Jahres wurde die „Lindenstraße“ erstmals in ihrer Geschichte nicht sonntags gesendet, sondern wegen einer kurzfristig eingeschobenen WM-Sondersendung erst am frühen Montagmorgen um 5 Uhr. Was haben Sie damals gedacht?
Geißendörfer: Ich empfand diesen Vorgang als persönliche Beleidigung, als Respektlosigkeit unserer Arbeit gegenüber und als Missachtung der langjährigen Tradition – zumal es ohne jede Not geschehen ist. Wenn an diesem Abend eine Bundestagswahl gewesen oder wenn ein bedeutender Politiker zurückgetreten wäre, hätten wir für jede Sondersendung Verständnis gehabt. Aber dass man uns wegen einer WM-Stammtisch-Sendung auf den frühen Montagmorgen verbannt hat, das konnten wir nicht verstehen. Fast 25 Jahre lang – 1281 Mal! – hatte es die ARD geschafft, uns jeden Sonntag zu senden, auch an den Wahlsonntagen. Dann bekamen wir eben einen neuen Sendeplatz und liefen manchmal schon um 17 Uhr, manchmal erst um 21 Uhr – und damit waren wir zufrieden. Diese Kontinuität ist nun leider unterbrochen. Ich hätte auch kein Problem, wenn uns die ARD an den Wahlsonntagen in die dritten Programme schieben würde, sodass alle dritten Programme zeitgleich um 18.50 Uhr die aktuelle Folge zeigen und Das Erste für die Wahlberichterstattung frei bleibt. Aber diese Koordination ist unter den dritten Programmen offensichtlich leider nicht herstellbar.

In der ARD hatten Sie zunächst Schwierigkeiten, Ihr „Lindenstraße“-Konzept an den Mann zu bringen, nur Gunter Witte, der damalige WDR-Fernsehspielchef, hielt damals zu Ihnen. Trotz der Zweifel haben Sie sich mit großem Engagement in das Projekt gestürzt. Gab es in dieser Phase, in der es noch keine Zusage von der ARD gab, nicht Momente, in denen Sie Angst hatten, die ganze Arbeit umsonst zu machen?
Geißendörfer: Diese Ungewissheit existiert bei jedem Film, das war für mich also völlig normal. Ich muss bei jedem Projekt aufs Neue mit einem Treatment oder einem Drehbuch etwas erschaffen, mit dem ich beweisen kann, wie das Projekt aussieht, für das ich zur Finanzierung sehr viel Geld haben möchte. Ich gehöre zu den optimistischen Menschen, die sich schon beim Schreiben sagen: „Ich verkaufe das Drehbuch, ich glaube an die Sache.“ Neben den vielen Projekten, die ich verwirklichen konnte, habe ich zuhause aber natürlich auch unzählige Drehbücher liegen, die nicht verfilmt wurden, aber die vielleicht irgendwann einmal verfilmt werden. Manchmal brauchen Filme zehn Jahre Schlaf, bis sie reif sind. Das ist alles möglich, daher werfe ich auch nichts weg.

Die ersten Drehbücher für die „Lindenstraße“ waren wohl auch so etwas wie ein Beweis, um dem WDR zu zeigen, dass es Ihnen wirklich ernst mit dem Projekt ist?
Geißendörfer: Durchaus, ich musste dem WDR zeigen können: „Guck’ mal, so sieht das aus.“ Und ich musste es natürlich auch für mich wissen, um kalkulieren zu können, ob ich eine Folge der Serie – wie angestrebt und von mir behauptet – tatsächlich für 3.000 Mark pro Minute produzieren konnte. Das waren alles kreative Prozesse, die gleichzeitig mit unternehmerischer Leistung zu tun hatten und die mir bei aller Aufregung Spaß gemacht haben. Dass man dann fiebert und hofft, dass das Projekt auch realisiert wird, ist klar. Ich hatte zu dem Zeitpunkt 850.000 Mark Vorkosten, weil wir alle Schauspieler auf eigene Kosten gecastet hatten, noch bevor es überhaupt einen Vertrag mit der ARD gab und ein Drehbeginn feststand. Es gab eine Reihe von Intendanten und Programmdirektoren in der ARD, die die „Lindenstraße“ nicht in ihrem Programm haben wollten und zeitweise sah es wirklich so aus, als wäre die ganze Arbeit umsonst gewesen. Doch dann habe ich mich in eine Sitzung der ARD-Intendanten in Berlin eingeschlichen und habe dort einen Film gezeigt, in dem die wichtigsten Familien und Pärchen der „Lindenstraße“ vorgestellt und portraitiert wurden.

Sie haben sich einfach so in eine Intendantensitzung eingeschlichen?
Geißendörfer: Ja, und dazu muss man wissen, dass das strengstens verboten ist (lacht). Als normaler Mensch kommt man da nicht hinein – als Außenstehender sowieso nicht, aber auch nicht als Abteilungsleiter einer ARD-Landesrundfunksanstalt. Die Intendanten saßen damals wie die Kardinäle bei der Papstwahl im stillen Kämmerlein. Ich habe es letztlich geschafft, über den Hausmeister reinzukommen. Ich habe ihm 100 Mark gegeben und er hat im Gegenzug einen Projektor im Sitzungssaal installieren lassen und hat mich dann auch eingeschleust. Ich bin einfach voller Selbstbewusstsein und Glauben an mein Projekt in die laufende Sitzung hineinmarschiert und habe gesagt: „Meine Herren, wenn Sie sich diesen Film nicht anschauen, versäumen Sie das absolut beste Format, das Sie jemals für die ARD produzierten könnten.“ Die waren dann natürlich alle perplex und ich habe ihnen erklärt, dass ich ihnen lediglich 20 Minuten Film zeigen möchte. Ich erinnere mich noch heute an die verwirrten Gesichter, die Intendanten waren total baff und überrumpelt. Ich wurde dann rausgeschmissen, aber sie haben sich den Film tatsächlich angeschaut – und vier, fünf Tage später erfuhr ich dann, dass mein Auftritt offenbar großen Eindruck gemacht hat und dass die ARD das Projekt „Lindenstraße“ in Angriff nehmen möchte (lacht).

In der Anfangszeit der Serie haben Sie die Drehbücher häufig zusammen mit anderen Autoren geschrieben, im ersten Jahr mit Barbara Piazza, später mit Martina Borger und Maria Elisabeth Straub. Ist es einfacher oder schwieriger, zu zweit zu schreiben?
Geißendörfer: Mir fällt es schwer, ein Drehbuch zu zweit zu schreiben, ich bin Solist. Bei der Produktion ist ein Team eine Selbstverständlichkeit, aber im dichtesten Kreativprozess – beim Schreiben – muss ich alleine sein. Allerdings habe ich gelernt, Inhalte gemeinsam mit anderen zu diskutieren – nicht die Ausführung, sondern das „Was“. Das geschieht auf den sogenannten Storyline-Sitzungen, auf denen wir halbjährlich im Autorenteam die Handlungsstränge für insgesamt 26 neue „Lindenstraße“-Folgen festlegen. Als ich ganz zu Beginn der Serie die Bücher noch mit meiner Co-Autorin Barbara Piazza alleine geschrieben habe, saßen wir uns an irgendeinem Wirtshaustisch gegenüber und ich habe die 26 Folgen praktisch diktiert. Und so war es auch, als dann kurze Zeit später Martina Borger und Maria Elisabeth Straub hinzukamen.

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Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit der „Lindenstraße“ auch aus der Not heraus angefangen, weil ich mit meinen Kinofilmen nie fertig geworden bin.

Hans W. Geißendörfer

Das klingt nach sehr einseitigen Storyline-Sitzungen.
Geißendörfer: Ja, und Martina Borger und Maria Elisabeth Straub haben erst mit der Zeit angefangen, ihre eigenen Gedanken beizutragen. Sie haben ein bisschen was vorgeschlagen, wir haben darüber gesprochen, aber mir ging das anfangs alles viel zu langsam. Ich wusste sowieso, wo ich hinwollte und habe ihnen dann gezeigt, wie es geht. Nach 150 Folgen waren sie dann allerdings doch sehr selbstständig und haben auch eingefordert, dass ihren eigenen Ideen Platz gegeben wird. Und ich habe dann auch kapiert, dass so eine Zusammenarbeit sehr gewinnbringend ist, denn ich war mir ja bewusst, dass mir irgendwann auch mal die Ideen ausgehen könnten. Da war dieser Input von anderer Seite natürlich sehr gut und ich war dankbar über jede Idee, die Martina Borger und Maria Elisabeth Straub in den Folgejahren in Form von Geschichten und Figuren eingebracht haben – und es waren viele.

1997 verließen Martina Borger und Maria Elisabeth Straub nach zehn Jahren das Autorenteam, die bisherige Kontinuität brach ab. Viele Fans sind der Meinung, dass die Drehbücher nach diesem Weggang für einige Jahre schlechter wurden.
Geißendörfer: Ganz klar, in dieser Zeit fand nicht nur ein Generationenwechsel unter den Autoren, sondern auch innerhalb der Serie statt. Martina Borger und Maria Elisabeth Straub wollten sich auf ein anderes Projekt – die ARD-Serie „CityExpress“ – konzentrieren, sodass ich mich relativ kurzfristig nach neuen Autoren umsehen musste. Zeitweise bestand das neue Team aus fast zehn Autoren und man kann sich sicher vorstellen, wie furchtbar die Storyline-Sitzungen damals waren. Einmal saßen wir dort zu sechst, ich habe dann während der Sitzung aber noch einmal zwei Autoren rausgeschmissen, weil es einfach nicht ging. Bei so vielen Menschen ist es einfach extrem schwierig, die Ideen und Gedanken zu strukturieren.

Mit Michael Meisheit ist mittlerweile auch nur noch ein einziger Autor aus dieser Zeit als Drehbuchautor für die „Lindenstraße“ tätig.
Geißendörfer: Stimmt, er ist der einzige Autor, der seit 1997 mit dabei ist. Es hat damals fast drei Jahre gedauert, bis sich das neue Autorenteam verfestigt hatte, es gab eine sehr große Fluktuation. Ich habe damals viel mehr einbringen müssen als ich eigentlich wollte und habe dann auch wieder angefangen, selbst Drehbücher zu schreiben. Es war eine harte Übergangszeit, aber wir haben sie überlebt.

Was ist das Besondere am Serienschreiben?
Geißendörfer: Das Serienschreiben ist ein spezielles Schreiben – man muss es trainieren, auch wenn man eigentlich schon weiß, wie das Drehbuchschreiben funktioniert. Gerade bei der „Lindenstraße“ muss man sich an bestimmte dramaturgische Gesetze halten: Die Serie spielt – abgesehen von Ausnahmen wie Weihnachten oder Silvester – immer donnerstags, es besteht eine Einheit von Raum und Zeit, d.h. es wird nur das gezeigt, was sich innerhalb eines Tages von morgens bis abends abspielt, und jede Folge endet mit einem Cliffhanger. Diese dramaturgischen Besonderheiten muss man üben, so etwas kann man nicht auf Anhieb. Und daher ist das Serienschreiben für einen normalen Autor auch ein Fulltimejob.

Sie haben vorhin schon die Storyline-Sitzungen erwähnt. Wie laufen diese Sitzungen ab?
Geißendörfer: In den zweiwöchigen Storyline-Sitzungen, die zwei Mal im Jahr stattfinden, werden die Handlungsstränge für 26 neue Folgen entwickelt, diese werden dann auf die einzelnen Folgen aufgeteilt. In der ersten Woche sammeln wir – meine Autoren Michael Meisheit, Irene Fischer und Marcus Seibert sowie ich als Produzent – erst einmal grob Themen und Vorschläge und überlegen uns, welche Serienfigur für welches Thema am besten geeignet wäre. Demnächst wollen wir schwerpunktmäßig erneut das Thema Atomkraft behandeln und da mussten wir uns natürlich überlegen, welche Figuren aus der Serie dieses Thema auf glaubwürdige Weise tragen könnten. Dabei haben wir uns natürlich auch gefragt: Wie erzählen wir das, wie können wir das dramatisieren? Und aus diesen Ideen entsteht dann eine Geschichte, denn ein Thema allein ist ja noch keine Geschichte. Die Geschichten, die wir uns überlegen, müssen selbstverständlich auch ihre Konflikte haben, damit es für die Zuschauer spannend bleibt. In der ersten Woche werden also erst einmal die Handlungsstränge entwickelt, noch ohne konkrete Szeneneinteilung.

Die konkrete Szenenaufteilung erfolgt dann erst in der zweiten Woche?
Geißendörfer: Genau, das geschieht im zweiten Durchgang und wir nennen es „das Füllen“. Jede Folge besteht aus drei Handlungssträngen. Wir beginnen mit der ersten Folge der Staffel, es geht los mit Strang A, B, C und endet mit dem Cliffhanger, also dem spannenden Moment am Ende jeder Folge, der den Zuschauer dazu animieren soll, in der kommenden Woche wieder einzuschalten. Und so arbeiten wir uns von Folge zu Folge durch – bis alle 26 Folgen gefüllt sind. Die Szenen werden in den Storylines schon relativ detailliert erfasst, manches – wie der Humor oder die Situation, in der etwas stattfindet – ergibt sich dann jedoch oftmals erst beim Schreiben des eigentlichen Drehbuchs. Das machen die Autoren allerdings alleine.

Vergleicht man die Folgen von früher und heute, fällt auf, dass die Handlungsstränge früher viel epischer erzählt wurden. Sie zogen sich über ein Dreivierteljahr und wurden häufig miteinander verknüpft. Heute hingegen sind Stränge oftmals schon nach mehreren Wochen abgeschlossen. Ist das der Tribut, den die veränderten Sehgewohnheiten der Zuschauer fordern?
Geißendörfer: Wir haben durchaus auch heute noch Erzählstrange, die über ein ganzes Jahr oder zumindest über ein halbes Jahr erzählt werden. Wenn uns etwas einfällt, was sich so lange ziehen lässt, ohne dass es langweilig wird, mögen wir solche langen Handlungsstränge sogar sehr. Man muss eben nur aufpassen, dass sie nicht langweilig werden. Dann kann man das Pech haben, dass man sich so einen langen Strang ausgedacht hat, aber plötzlich merkt, dass er beim Zuschauer überhaupt nicht ankommt.

Gab es solche Fälle schon?
Geißendörfer: Immer mal wieder, und dann versuchen wir zu reparieren. Durch das Internet und die vielen Fanforen bekommen wir heute glücklicherweise sehr schnell Rückmeldungen. Zuletzt haben wir zum Beispiel bei der Figur Steffi Kunz reagiert, weil wir gemerkt hatten, dass wir bei der Entwicklung dieser Figur einen großen Fehler gemacht haben. Wir hatten Steffi als Doppelmörderin eingeführt, die zu ihrer Tat steht und keinerlei Reue zeigt. Irgendwann hat sie einmal gesagt: „Ich stehe zu meiner Tat, ich habe 12 Jahre gesessen, bin jetzt jedoch ein neuer Mensch.“ Aber dass sie mal gesagt hätte: „Es tut mir leid, ich stelle einen Blumenstrauß auf das Grab meiner Opfer“, das gab es nicht. Erst am Ende wurde sie weicher, das war eine Reaktion, mit der wir auf die negativen Stimmen zur Figur reagiert haben. Dabei finde ich die Figur und vor allem die Schauspielerin Isabell Brenner nach wie vor extrem gut.

Werden denn auch die Schauspieler in den Prozess der Stoffentwicklung einbezogen?
Geißendörfer: In das eigentliche Schreiben nicht, aber es ist schon meine Grundhaltung als Produzent, die Schauspieler zu fragen, ob sie bereit sind, bestimmte Handlungsstränge zu spielen. Das ist gebotener Anstand. Die „Lindenstraße“-Schauspieler, die sich langjährig verpflichten, wissen in den ersten Jahren ja auch gar nicht, was auf sie zukommt und wofür sie sich verpflichten. Normalerweise bekommen sie beim Film oder am Theater ein Drehbuch oder ein Rollenbuch in die Hand und wissen dann genau, was sie spielen werden. Das gibt es bei uns nur kurzfristig, aber nie über einen Vertragszeitraum von zwei oder drei Jahren. Die Schauspieler liefern sich auf eine gewisse Weise aus und müssen sich drauf verlassen können, dass wir als Autoren einen ordentlichen Text und eine ordentliche Geschichte schreiben. Ein Beispiel: Wir hatten einmal geplant, dass herauskommt, dass unsere Figur Amélie von der Marwitz eine KZ-Aufseherin war. Doch dann hat mir damals die Schauspielerin Anna Teluren gesagt: „Ich denke nicht daran, so etwas zu spielen, ich will nicht im Café sitzen und als Nazitante angepöbelt werden.“ Solche Fälle gibt es und darauf nehmen wir selbstverständlich Rücksicht – dann müssen wir entweder die Story ändern oder sie wegschmeißen. Wir haben aber auch das große Glück, dass viele unserer Schauspieler sehr neugierig sind und sich gerne selbst überraschen lassen, was wir uns für ihre Figuren ausdenken.

Sie probieren regelmäßig neue Autoren aus. Diese bekommen das Thema einer fertigen, aber noch nicht gesendeten „Lindenstraße“-Folge vorgegeben, nach einer Woche müssen sie ihr Drehbuch vorlegen. Worauf achten Sie bei den Probedrehbüchern?
Geißendörfer: Da gibt es zwei wichtige Punkte. Zunächst einmal achte ich natürlich auf das Handwerk, fast noch wichtiger ist jedoch die Frage, ob der Autor irgendetwas Eigenständiges in das Drehbuch einbringt, irgendetwas, was die anderen Autoren nicht haben. Ein „Lindenstraße“-Autor muss eine Liebe und eine Beziehung zu den Serienfiguren haben. Ein Problem vieler Probedrehbücher ist, dass die Autoren die vorgegebene Storyline – die Inhaltsangabe der Folge – Punkt für Punkt einfach abhaken und am Ende kommt dann dabei ein ganz herzloses Drehbuch mit schlechten Übergängen heraus. Da pulsiert nichts, da werden beim Lesen keine Emotionen geweckt. Wichtige Prüfsteine sind also die Fragen: Werden beim Lesen meine Gefühle angesprochen? Ist aus der trockenen Inhaltangabe heraus eine Emotion konstruiert worden? Hat der Autor die Konflikte vielleicht sogar vergrößert? Sind die Situationen originell und haben unter Umständen sogar noch einen Subtext?

Und der zweite wichtige Punkt?
Geißendörfer: Der zweite wichtige Punkt ist der Dialog. Hat der Autor des Probedrehbuchs schon eine Ahnung davon, dass nicht alle „Lindenstraße“-Figuren gleich sprechen? Weiß er, dass sich Doktor Dressler anders ausdrückt als Helga Beimer oder Andy Zenker? Ich muss beim Lesen einfach merken: Da kommt ein Autor, der die „Lindenstraße“ nicht einfach abgekupfert, sondern der sich selbst einbringt und eigene Einfälle hat. Dafür benötigt man ein Riesenkönnen.

Sie schreiben auch regelmäßig Kinofilme, zuletzt „Schneeland“, im März kommt „In der Welt habt ihr Angst“ in die Kinos. Ist es leichter, Charaktere für einen Einzelfilm zu entwickeln als über einen längeren Zeitraum für eine Serie?
Geißendörfer: Ich finde das Entwickeln von Charakteren über einen längeren Zeitraum schöner. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit der „Lindenstraße“ auch aus der Not heraus angefangen, weil ich mit meinen Kinofilmen nie fertig geworden bin (lacht). Vor allem bei den Literaturverfilmungen hat es mich immer furchtbare Kraft gekostet, diese Stoffe auf 90 oder 100 Minuten einzudampfen. Meine Filmbearbeitung von Thomas Manns „Zauberberg“ war am Ende in der Fernsehfassung 6 Stunden lang, „Theodor Chindler“ nach dem Roman von Bernhard von Brentano sogar 9 Stunden. Es war stets ein großer Kampf gegen die Erzählzeit, ich musste immer kürzen. In der „Lindenstraße“ gibt es dagegen die Möglichkeit, dass jemand schwanger ist – und dann ist er eben tatsächlich 9 Monate lang schwanger. Man muss dabei nur aufpassen, dass man sich bei den Schwangerschaftswochen nicht verzählt. Ein Mal – bei Anna Ziegler, als sie mit Tom, dem ersten gemeinsamem Kind mit Hans Beimer, schwanger war – ist uns das tatsächlich passiert, dann aber zum Glück nie wieder (lacht).

Die „Lindenstraße“ ist von Beginn an eine Ensembleserie. In den letzten Jahren wurden neue Figuren oftmals jedoch nicht dauerhaft, sondern nur vorrübergehend in die Serie geschrieben. Woran liegt das? Haben Sie Schwierigkeiten, die vielen Figuren dauerhaft zufriedenstellend zu bedienen?
Geißendörfer: Ja, leider. Wir haben ein sehr großes Stammensemble, das Ensemble braucht aber auch immer wieder Neubegegnungen. Die Kinder bekommen neue Freunde oder Anna Ziegler ist im Gefängnis und lernt dort jemanden kennen. Es wäre vollkommen gegen die Realität, wenn man diese Begegnungen nicht in die Serie einbringen würde. Diese Satteliten von außen müssen nach innen in den kleinen „Lindenstraße“-Kosmos kommen. Da wir aber generell schon immer das Problem hatten, dass unsere Sendezeit nicht für alle Figuren ausreicht, sind wir in den letzten Jahren tatsächlich dazu übergegangen, neue Figuren einzuführen, die eine Zeit lang in der Serie sehr präsent sind, die sich dann aber irgendwann auch wieder verabschieden. Figuren aus dem Stammensemble nehmen wir hingegen nicht raus, sondern sie haben dann eben zeitweise sehr viel zu spielen und laufen danach über einen gewissen Zeitraum nur nebenher, indem sie beispielsweise nur mal kurz im „Café Beyer“ auftauchen. Irgendwann rücken auch sie dann wieder in den Vordergrund.

Haben Sie nach 25 Jahren, Hunderten von Handlungssträngen und unzähligen Figuren – so wie mancher Fan – eigentlich noch den Überblick über die Serie?
Geißendörfer: Ja. Das ist alles in meinem Kopf gespeichert, wie in einem Computer, es muss nur angerüttelt werden. Ich brauche einen Anstoß und dann kann ich alles abrufen. Solche Anstöße kommen meist, wenn ich mir alte Folgen ansehe – dann bin ich sofort wieder am Drehort oder am Schreibtisch.

Würden Sie eigentlich selbst gerne in der „Lindenstraße“ wohnen?
Geißendörfer: Ich habe als Kind in einer „Lindenstraße“ gewohnt – in meiner fränkischen Heimatstadt Neustadt an der Aisch, dort hieß sie allerdings Bismarckstraße. Ich bin dort in einem Mehrfamilienhaus aufgewachsen, das ziemlich ähnlich besetzt war wie das Haus „Lindenstraße Nr. 3“ in der Serie. Fünf Familien links, fünf Familien rechts. Allerdings waren diese Familien alle vaterlos, da es ein Haus war, das der evangelischen Kirche gehörte. Pfarrerswitwen, deren Männer im Krieg gestorben oder nach dem Krieg in Gefangenschaft waren, konnten dort günstig mit ihren Kindern wohnen. Auch ich bin ja ohne Vater aufgewachsen, er war in der Sowjetunion als Militärgeistlicher gefallen. Ohne die Erfahrung vom Leben in einem Mietshaus wäre ich sicher auch nie auf die Idee gekommen, über so etwas zu schreiben. Ich hatte ja von Beginn an den Anspruch, dass die Serie lange laufen soll, daher wusste ich, dass ich über etwas schreiben musste, worüber ich Bescheid weiß. Ohne Lebenserfahrung kann man kein guter Autor sein.

Sie haben bereits mehrfach geäußert, dass Sie sich wünschen und vorstellen können, dass die „Lindenstraße“ auch nach Ihrem Tod weiterproduziert wird.
Geißendörfer: Ja, das kann ich mir gut vorstellen, weil ich rechtzeitig dafür gesorgt habe, dass ich ersetzbar bin. Die einzige Schwierigkeit wird wohl sein, die Geldgeber – also die ARD – davon zu überzeugen, dass sie den Leuten, die ich als Nachfolger im Kopf habe, ähnlich vertrauen wie mir. Dieses Problem ist jedoch relativ klein, denn wenn ich noch ein bisschen gesund bleiben darf, habe ich ja noch genügend Zeit, meine Nachfolger einzuarbeiten – dann kommt es zu einer schleichenden Übernahme und eines Tages, während eines laufenden Vertrages, kann ich dann nur noch den Supervisor spielen und der Sender hatte genug Zeit, zu sehen, dass die Serie unverletzt übernommen werden kann. Die große Frage, die bleibt, ist jedoch die Finanzierung und ob sich die ARD die „Lindenstraße“ auch weiterhin leisten kann und leisten will, denn wir können nicht billiger produzieren wie jetzt. Da mussten wir in den vergangenen Jahren schon einige Federn lassen, indem wir beispielsweise Außendrehs einsparen mussten.

Die Einschaltquoten der „Lindenstraße“ sind in den vergangenen fünf Jahren leicht gesunken. Haben Sie manchmal Angst, dass es die „Lindenstraße“ irgendwann nicht mehr geben könnte, weil sie nicht mehr genügend Zuschauer anlockt?
Geißendörfer: Die Quote ist glücklicherweise seit zwei Jahren auf gutem Niveau wieder relativ stabil. Was jedoch von Woche zu Woche steigt, das ist die Nutzung übers Internet. Wir bieten die Folgen seit einiger Zeit ja auch als Videostream oder Podcast auf unserer Homepage an, sodass man sie sich beispielsweise auch auf dem Handy ansehen kann. Wir können wirklich sagen, dass diese Internetnutzung rapide steigt. Diese Zuschauer müsste man bei der Quotenberechnung eigentlich noch mit einbeziehen. Um allerdings noch einmal auf die reine Fernsehquote einzugehen: Das Verfahren, wie diese ermittelt wird, halte ich sowieso in Teilen für fragwürdig.

Inwiefern?
Geißendörfer: Unter den Leuten, die die Einschaltquote fabrizieren – 4000 bis 5000 deutsche Haushalte – ist, soviel ich weiß, kein einziger Türke – und das, obwohl diese Menschen eine der größten Migrationsgruppen in Deutschland bilden. Warum werden diese Migranten nicht berücksichtigt? Die „Lindenstraße“ hat zum Beispiel ein sehr gutes türkisches Publikum – 300 000 bis 400 000 Zuschauer sind das bestimmt jede Woche –, aber dieses Publikum fällt einfach durchs Raster.

Letzte Frage: An Geburtstagen darf man sich etwas wünschen – was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre „Lindenstraße“?
Geißendörfer: Der wichtigste Wunsch ist, dass es uns erlaubt bleibt, weiterhin frei zu erzählen und dass sich keine – wie auch immer geartete – Zensur einschleicht. Ich möchte, dass die „Lindenstraße“ immer kontrovers diskutiert wird. Wenn uns irgendwann alle mögen, sind wir tot.

Ein Kommentar zu “Ich hatte nie Angst vor der Trivialität”

  1. Malte |

    Hallo,
    wie hat es denn der Autor Christian Rohm verdient, unter „Autoren“ zwar aufgeführt, aber durchgestrichen zu sein? Das ist ja nicht so ganz fein.

    Schöne Grüße
    Malte

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