Hans Werner Olm

Letztendlich spielen wir doch alle.

Kabarettist Hans Werner Olm über Rollenspiele außerhalb seiner Shows, seinen Einsatz als Synchronsprecher in "Robots" und dass er von der Bühne ungern Urlaub nimmt

Hans Werner Olm

© Gabriella Meros / 20th Centrury Fox

Herr Olm, in einem Gespräch mit Planet Interview hat Herbert Feuerstein einmal gesagt "Humor rüberzubringen ist eine sehr ernsthafte Sache". Sehen Sie das genauso?
Olm: Nein, das würde ich nicht ganz so unterschreiben. Das hat vor allem mit Herzensblut und Ehrlichkeit zu tun, mit Erfahrung und Persönlichkeit. "Humor ist Distanzgefühl", das hat Bertolt Brecht einmal gesagt und damit den Nagel meines Erachtens auf den Kopf getroffen. Man sollte sich selber nicht ganz so ernst nehmen in dieser verrückten Welt, das würde ich auch einigen Kollegen aus der seriösen Ecke empfehlen. Man kann alle Dinge mit Humor sehen, auch das was man selbst tut, man muss nur immer eine gewisse Distanz dazu haben.

Sind Sie denn auch außerhalb Ihrer Shows so eine Art Motivator, der den Leuten sagt: "Egal was passiert, nimm’s mit Humor"?
Olm: Also, Motivator nicht unbedingt. Aber wenn jemand das möchte, kann ich ihn schon motivieren. Nur, wenn jetzt jemand kommt und sagt: "Erheitere mich mal" – dann muss ich erst mal sehen, in welcher Tagesform ich gerade bin.

Aber werden Sie in Ihrem eigenen Freundeskreis als der Spaßmacher wahrgenommen?
Olm: Es besteht schon eine gewisse Gefahr deine Freunde oder Leute aus deiner Umgebung, die sich dann fragen: "Meint der das jetzt ernst, oder spielt der wieder nur, klopft der wieder nur seine Sprüche?". Das ist schon gefährlich, weil viele Leute ja auch ernst genommen werden wollen, mit ihren Problemchen. Nur, meine Art, die Dinge zu sehen, ist eben eine etwas leichtere Art. Die mag für die einen motivierend sein und die anderen sagen vielleicht: "Mit dem wollen wir nie wieder etwas zu tun haben, der nimmt dich nicht ernst". Das ist eine Ambivalenz, mit der ich selber klarkommen muss. Andererseits hält mir das gewisse Leute auch vom Leib.

Wachsen manche Rollen, die Sie auf der Bühne verkörpern, auch mal in das Privatleben mit rein? Rutscht Ihnen mal ein gewisser Tonfall raus, wie man ihn nur von der Bühne kennt?
Olm: Ja, ich bin da sogar dankbar für. Es ist doch gut, wenn man eine gewisse Variabilität im Leben besitzt. Weil letztendlich spielen wir doch alle, wenn wir abends ausgehen, ziehen wir uns die und die Klamotten an um so und so zu wirken, wenn wir ein bestimmtes Auto fahren, wollen wir damit etwas aussagen und wenn wir uns mit gewissen Leuten umgeben, wollen wir dazu gehören. Wer ist schon so, wie er wirklich ist? Ich denke, eine gewisse Freiheit sollte man haben, auch in Gesprächen, das Spiel zu spielen. Beim Kennen lernen, bei einer Bewerbung… man spielt das Spiel. Man muss nur auch die Grenze kennen, dass man andere nicht überfordert oder belastet.

Das ist dann das bewusste Spiel, wobei es mir bei meiner Frage mehr um die unbewussten Momente ging. Passiert es Ihnen manchmal, dass Sie auf einmal unheimlich laut lospoltern, ohne es zu wollen?
Olm: Da müssen Sie die Leute fragen, mit denen ich zu tun habe, ich selber merke das wahrscheinlich gar nicht mehr. Ist ja auch klar, wenn man 100 Tage im Jahr auf Bühnen steht und dann von der Bühne runterkommt – dann ist man noch immer aufgeladen, man redet selbst fast noch so. Zu Hause, wenn ich da rumrenne, meinen Kaffee mache, da rede ich höchstwahrscheinlich auch so wie auf der Bühne. Oder wenn ich vorm Spiegel stehe, dann spreche ich mit meinem zweiten Ich. Also, im Grunde habe ich einen nebenher laufen, wenn Sie es genau wissen wollen, wirklich. Das ist einmal ist das die Luise Koschinsky, einmal der Paul Schrader und einmal ist das eine Person, die ich noch gar nicht kenne. Aber ich habe ja Gott sei Dank das Ventil, die Bühne, das zu kompensieren. Wenn ich dieses Ventil nicht hätte, wäre ich glaube ich genauso drauf, meinen Bullterrier auf den Gehsteig kacken zu lassen oder mit dem Auto rechts zu überholen, oder Politiker zu werden oder so was. Also, ich mein Leben ist sehr ausgefüllt und ich finde meinen Job den schönsten, den man überhaupt haben kann.

Heißt das auch, dass Sie von der Bühne ungern Urlaub nehmen?
Olm: Ja, sehr ungern. Wenn ich Urlaub habe, dann ist das für mich mehr Stress als wenn ich keinen Urlaub habe. Ich muss also immer in diesem produktiven Prozess sein, letztendlich sogar beim Schlafen. Oder ich habe eben Leute, gute Freunde, die mir sagen: "Komm runter von der Bühne, jetzt ist mal Feierabend." Und das schafft man erst nach ein paar Tagen, dieses Zurückkommen ins ’normale‘ Leben.

Sie haben schon 25 Jahre auf der Bühne hinter sich, kommen da vielleicht noch weitere 25?
Olm: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Ich glaube, dass ich selber irgendwann merken werde, ob ich den Leuten noch etwas transportieren kann, ob da noch was rüber kommt, ob die mich noch wahrnehmen, oder nicht. Diese Gabe möchte ich auch nicht verlieren, irgendwann zu merken, für den Bereich bist du jetzt nicht mehr geeignet, das war’s.
Wenn man das so lange macht, muss man sich selbst zum Teil immer wieder neu erfinden – und den Humor kann man nicht neu erfinden. Man kann nur unterschiedliche persönliche Aspekte reinbringen in einen Humor, in einen Vortrag. Man muss natürlich aufpassen, dass es dann doch nicht zu persönlich wird, und man nur eine leicht gefilterte Meinung wiedergibt. Denn die sogenannte Indoktrination, wenn man die Leute zu etwas hinführen zu wollen, zu sagen "werdet bessere Menschen" – da verhebt man sich sehr leicht.

Zitiert

Man sollte sich selber nicht ganz so ernst nehmen in dieser verrückten Welt,

Hans Werner Olm

Sie sagen, Sie müssen sich immer wieder neu erfinden – aber hat Ihr Publikum nicht auch eine bestimmte Erwartung an Sie, welche Rollen es von Ihnen sehen will?
Olm: Nein, ich mache in erste Linie immer das, was ich möchte. Und ich bilde mir immer ein, dass das, was ich möchte auch meinem Publikum gefallen wird. Das hat ja auch eine gewisse suggestive Kraft, wenn ich den Leuten sage, dass etwas gut ist, dann werden die das auch begreifen. Das wäre auch schlimm, wenn man immer nur an seinen Figuren hängt und die über Jahre mitzieht. Ich bin zum Beispiel aus dem Alter raus, wo man so einen frechen Proll spielt, das muss ich nicht mehr machen, das machen andere mittlerweile.

Wie funktioniert das denn mit der Rollenfindung – es gibt eine kleine Anzahl von Rollen, für die Sie beim Publikum beliebt und berühmt sind. Wie lange hat es gedauert, diese Rollen zu (er)finden?
Olm: Gar nicht lange. Ich könnte auch jederzeit, jede Woche ein neue Figur erfinden, da habe ich keine Schwierigkeiten mit, das ist vielleicht auch ein Talent, das ich habe.
Wenn man sein Umfeld genau beobachtet, gibt es immer bestimmte Archetypen, so fünf oder sechs Grundtypen, die man leicht variierend darstellen kann. Und wenn ich mich auf eine Figur richtig festgefressen habe, dann ist die auch klar, dann kann ich die jederzeit bringen.

Und Ihre berühmte Luise Koschinski, haben Sie diese Figur auch so schnell erfunden?
Olm: Ja, ganz schnell, die ist einfach da. Vor fünf, sechs Jahren hatte ich im Berliner Wühlmäuse-Kabarett einen Auftritt, da nannte sie sich Ilse Nagel, eine Frau, die gerade ihren Mann beerdigt hat – und da eigentlich ganz froh drüber ist. Und es gibt nichts schöneres, als eine Frau mit einer Männerstimme zu besetzen, das macht ja die Fallhöhe aus. Frauenstimme wäre langweilig gewesen, ich bin nun mal ein Kerl, warum sollte ich eine Frauenstimme sprechen? Das ist der Reiz, das Spiel mit dem "was ist noch möglich, was kannst du noch, was geht noch – mach‘ es doch einfach". Und wenn ich dann auf der Bühne das entsprechende Feedback von den Leuten bekomme, dann sage ich: "Klasse, genau so machen wir das."

Eine Art weibliche Figur haben Sie nun auch für den Animationsfilm "Robots" synchronisiert.
Olm: Ja, ich glaube, man hat mich dafür auch gecastet, weil die Leute die Koschinsky kannten und dachten, diese Art Stimmfärbung wäre nicht schlecht für die Figur im Film. So etwas bediene ich sehr gerne. Wobei ich auch gar nicht mehr so genau weiß, wo eigentlich meine eigene, persönliche Stimme liegt.

Wie wichtig ist für Sie im Zeichentrick-Genre der Unterschied zwischen Computer-Animation und Handgezeichnetem?
Olm: Ich bin noch ein Fan der handgezeichneten Angelegenheiten, diese ganz alten Sachen, Asterix und Obelix und so was – fantastisch. Ich würde es auch gut finden, wenn das nicht aufhört, wenn weiter handgezeichnete Filme gemacht werden. Aber wenn man sich "Robots" anschaut, da wurde auch alles sehr detailgetreu gemacht und daran haben die auch sehr lange gearbeitet.

Aber es bedarf noch einer Stimme eines Synchronsprechers, um den computeranimierten Figuren Leben einzuhauchen.
Olm: Ja, das ist wirklich so. Ich denke aber auch, dass die erst am Anfang stehen, solche Art Filme zu machen. Die denken ja heute schon dran, Schauspieler zu animieren, komplett im Computer herzustellen… Das wird auf jeden Fall kommen, die ganzen Kosten, die man dadurch spart, das ganze Rumgemeckere am Set, ob der einen Tee will, einen Wohnwagen oder sonst was. Ich glaube, dass diese Zeit kommen wird, das gibt die Evolution sozusagen vor.

Aber lebt das Film-Genre nicht viel zu sehr von Menschen-Persönlichkeiten?
Olm: Natürlich. Aber alles was gut war, wird heute irgendwie verändert und in eine Richtung gebracht, an die man sich erst mal gewöhnen muss. Es wird wohl eine neue Generation geben, die das alles akzeptieren wird. Ich selbst kenne viele Filme aus den 50ern, 60ern und 70ern, die ich logischerweise immer viel schöner finde. Nur, da jetzt breit gegen neue Entwicklungen zu diskutieren, führt zu überhaupt gar nichts. Deswegen kann ich auch einen Film synchronisieren, der computeranimiert ist. Die Rolle, die ich spreche, ist außerdem eine wunderbar animierte Figur, ein hervorragender Charakter.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Olm: Ich kenne nicht besonders viel Comics, Asterix und Obelix vielleicht noch. Aber da hätte ich keinen von beiden spielen wollen, sondern eher so einen depperten Römer – oder den Miraculix, den fand ich immer lustig, eine sehr süße Figur.

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