Herr Schmidt, ab dem 30. Juni gehen Sie an allen Werktagen auf Sendung — was hat Sie zu diesem Schritt bewegt?
Harald Schmidt: Der Montag ist der beste Tag in der Woche, da erscheint der „Spiegel“, „Focus“, die großen Sonntagszeitungen werden am Montag thematisch noch aufgearbeitet, auch die Samstagsbeilagen. Das ist also Fußball, das ist Formel1, das ist Christiansen, das ist „Tatort“ — um es abzukürzen, das ist eine schöne Möglichkeit für mich, von zu Hause wegzukommen. Montags war das bisher so, wie wenn Sie ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau haben und schon erregt vor dem Fenster stehen und dann von ihr aber Zeichen bekommen, dass ihr Alter doch erst morgen wegfährt. So war für mich immer dieses Warten auf den Dienstag. Und außerdem, wenn Sie am Dienstag über Bundesliga reden, dann kann man sich gerade noch so erinnern, aber man ist eigentlich innerlich schon auf den kommenden Bundesliga-Spieltag eingestellt. Der Montag ist mehr als nur ein zusätzlicher Tag, sondern auch ein Tag, von dem ich überzeugt bin, dass er die ganze Woche beschleunigt. Mich hat es immer gestört, dass es den Montag nicht gab. Wenn man so eine Sendung macht finde ich, dann macht man das fünf Tage die Woche, 23:15Uhr — das ist jetzt im Grunde der ideale Zustand, den ich mir vorgestellt habe.
Es geht auch darum, Zeichen zu setzen, es geht um Deutschland. Es geht gar nicht um Fernsehen, sondern es geht darum, dass man gut miteinander umgeht, dass man auch sagt: wenn ihr diesen Moderator wollt, dann gibt es ihn nur fünf Tage die Woche. Und wer ansonsten lieber in die Opposition oder zum ZDF geht, der muss das wissen.
Lockt Sie auch das Geld, oder wollen Sie wirklich nur von zu Hause weg?
Schmidt: Wir machen ja in Zukunft etwa 200 Sendungen pro Jahr, gegenüber jetzt 165 bis 170. Das heißt, wenn der Motor läuft, dann läuft der einfach, ob Sie dann einen Tag mehr oder weniger machen, spielt keine Rolle mehr. Und es ist auch oft so, wen mich jemand interessiert, dann muss das gleich gemacht werden, weil mich diese Person manchmal am nächsten Tag schon nicht mehr interessiert. Und es ist so viel, was sich da übers Wochenende anstaut. Ich habe montags häufig gelitten und gesagt: es ist wirklich ärgerlich, dass heute Abend keine Sendung ist. Und der Andrack hat mir gesagt, ihm ginge das genauso. Das spüren natürlich auch die Lebensgefährtinnen, denn irgendwann ist einfach Schluß, da hat man alle geschlagen (lautes Lachen) … Ich meine, wo soll man’s rauslassen? Ich gehe einfach gerne arbeiten, ich empfinde diese Stellung auch als privilegiert, wir haben einen paradiesischen Zustand bei Sat1, das habe ich auch neulich Jobst Plog gesagt, als er bei mir den Wagen gewaschen hat. Fünf Tage die Woche, das ist fast ein Naturgesetz.
Was haben Sie bisher montags gemacht?
Schmidt: Also, ich habe erst mal Zeitung gelesen. Dann war ich montags in den Kinderfahrdienst eingeteilt, weil „montags kannst du ja“. Da habe ich dummerweise gesagt, „das mache ich doch gern“. Dann habe ich aber festgestellt, dass ich keine größere Ansammlung von Müttern auf einem Haufen ertragen kann, das wusste ich nicht vorher. Mit jeder einzelnen Mutter an sich komme ich gut zurecht, aber die Mutter in Gruppenform, das war für mich dann irgendwie … also da bekam ich schon eine leichte Aggression bevor es zwölf Uhr mittags war. Und um zwölf stellte ich mir dann die Frage, mache ich jetzt ein Weizen auf? Dann kommt aber der Satz „Ach, ist das jetzt neu — mittags schon ein Bier?“ Ich sage dann halt, „Wieso, es ist so heiß“ oder „Ich brauch’s für die Nieren.“ Aber so ein Weizen um zwölf hat bei mir den Vorteil, dass ich um zwei müde werde.
Dann kommen aber irgendwie befreundete Kinder zum Spielen. Mir wurde schon vorgeworfen, man würde das schon an der Ausstrahlung merken, mich würde so was stören, obwohl ich gar nichts gesagt habe. Und all das — dieser Montag, ich sag es offen, ist für mich eine Gnade, das ist ein Segen. Es rettet Familien, das tut was für den Mutterschutz, es bringt Deutschland nach vorne, es rettet mich vor dem Alkoholismus. Wenn es den Montag nicht gäbe, dann hätte man ihn erfinden müssen. Wenn ich bei anderen Leuten aus der Branche den Satz lese „Ich möchte mehr Zeit für die Familie“, dann sag ich, der wird es nie schaffen. Man muss sich einfach dazu bekennen, man hat ja genug Zeit für die Familie und die Familie empfindet das auch so. Das ist genauso wie, „wir haben uns getrennt, aber die Kinder sollen nicht darunter leiden“ — da ende ich dann wahrscheinlich irgendwann als Quiz-Moderator im Vorabend-Programm.
Ich finde wir haben alle was davon, das deutsche Volk hat es verdient, dass wir jetzt fünf Tage die Woche kommen, auf diesem Volk wurde schließlich lange genug rumgetrampelt.
Die Zuschauerzahlen Ihrer Show sind in den letzten Jahren gestiegen — welchen Anteil hat daran hat denn Ihr Kollege Manuel Andrack?
Schmidt: Einen ganz erheblichen, ich würde sogar sagen, den entscheidenden (lautes Lachen). Das glaube ich wirklich, weil durch ihn eine neue Farbe reingekommen ist, eine gewisse Wärme. Für alle diejenigen, die die Sendung bisher als zu arrogant und abgekanzelt empfunden haben, ist da eine Möglichkeit, sich ein bisschen aufgehoben zu fühlen. Und es macht für mich natürlich das Ganze wesentlich einfacher, weil wir jetzt viele Themen abgehandelt kriegen, die Sie nicht machen können, wenn Sie nur alleine mit der Kamera reden. Das ist im Grunde eine Sendung zwischen Andrack und mir, die für den Zuschauer übertragen wird. Und da ist der Anteil von Manuel Andrack ganz entscheidend.
Aber es ist auch ein anderes Verhältnis als zu früheren Sendepartnern, oder?
Schmidt: Ja, das hat sich so ergeben. Das hat natürlich damit zu tun, dass ich älter geworden bin und das ich auch Erfahrungen gemacht habe, was den Umgang mit Partnern angeht. Ich meine, Manuel Andrack ist natürlich auch ein anderer Typ als Herbert Feuerstein.
Aber Herr Zerlett hatte anfangs ja auch ein wenig zu leiden, was inzwischen allerdings weniger geworden ist.
Schmidt: Nein, ich würde sagen, er leidet jetzt anders. Aber er ist aufgeblüht, das lässt sich beobachten.
Bei fast 40 Sendungen mehr pro Jahr — kommen da jetzt manche Gäste doppelt?
Schmidt: Nein, die Redaktion ist ja mittlerweile hauptsächlich damit beschäftigt, Gäste abzuwimmeln. Wir machen auch immer häufiger Sendungen ohne Gäste und wir sind wirklich dabei, es dahin zu verändern, dass nur noch Gäste kommen, die was bringen. Das ist teilweise ein großer Kampf mit Produktionsfirmen und anderen. Aber unsere Erfahrung mit dem, ob etwas gut ist oder nicht, deckt sich häufig nicht mit der Selbsteinschätzung der Gäste. Da ist es wichtig, dass einem nicht die Produktionsfirmen eine Gäste-Agenda vorknallen sondern dass man denen sagt: „Seht das bitte ein.“ Und dann zeigen wir denen den Quotenverlauf von dem Moment, wo der Gast aufgetreten ist, als sein Name genannt wurde …
Wer darf denn nicht mehr kommen?
Schmidt: Erwarten Sie jetzt Namen? Bin ich denn nun schon lange Jahre Demokrat, oder nicht? Ich muss doch nach wie vor in Berliner Promi-Kneipen gefahrlos auf die Toilette gehen können. Was glauben Sie, wer mir alles beim Italiener am Urinal von hinten zuflüstert: „Sag mal, wieso komm ich nicht mehr zu dir?“ Dann sage ich: „Entschuldige mal, du warst doch erst …“ -„vor vier Jahren war ich das letzte Mal da, am 23. Juni. Mein Agent hat bei dir angerufen und die sagen, du willst mich nicht mehr“ — Antworte ich: „Ach glaub doch nicht jeden Scheiß, diese Idioten bei mir.“
Deswegen gehe ich auch nicht mehr so oft zu Fernsehpreisen, weil da komme ich mit 40 Zusagen nach Hause, ohne die komme ich gar nicht mehr vom Tisch hoch. Ich sitze ja bei so einem Fernsehpreis schutzlos da und dann kommt immer irgendjemand und packt mich: „Sag mal, das war doch der Hammer letztes Mal, oder?“ — „Natürlich, ruf doch gleich morgen an …“ Ich werde die ja sonst nicht los.
Werden Sie vom Sender angehalten, bestimmte Gäste einzuladen?
Schmidt: Das gibt es auch, aber wie wir immer sagen, ist das professionelle Notwendigkeit, die dann auch unter gewissen Gesichtspunkten gemacht wird. Es ist ganz klar, dass wir manchmal Gäste haben, wo wir sagen, im Grunde würden wir den Gast nicht machen, er ist aber für irgendeinen Film oder eine Sendung wichtig. Das machen wir dann sozusagen aus Senderdisziplin. Das hat aber nichts zwanghaftes, da ist klar, warum der kommt, und der wird dann auch absolut nett behandelt. Das ist ja natürlich auch ein Business, da steht es außer Zweifel, dass es auch Absprachen mit dem Sender gibt. Aber wenn wir Absprachen haben, dann läuft das so, wie zum Beispiel, als es diese Panik gab mit den Torten von „Coppenrath & Wiese“. Da habe ich natürlich gesagt, „ich esse heute Abend eine Torte, weil ich überzeugt bin, das ist Panik, die Torten sind einwandfrei, und es ist an der Zeit, mal wieder so eine Torte zu essen“. Natürlich gibt es dann erst mal eine Aufregung „um Gottes Willen, was machst du mit „Coppenrath &Wiese“-Torten. Aber dann telefonieren wir (Schmidt und Sat.1-Geschäftsführer Hoffman; Anm. d. Red.), das dauert genau eine Minute, ich sage, was ich mache, und dann ziehen wir diese Aktion durch.
Gibt es einen Gast, den Sie in Zukunft gerne einladen würden?
Schmidt: Nein, wir hatten alle, die ich mir so vorgestellt habe. Und diese ganzen tollen Gäste, wo die meisten sagen, „Das ist der Wahnsinn!“ –. „Heute entführt, morgen bei uns“, so was machen wir eh nicht, Geiselnehmer prinzipiell nicht, weder als Gast noch im Studio und diese Zerfetzten, Zerfleischten und Geschändeten, die wissen ja, wo sie sich anmelden können. Das findet bei uns alles nicht statt.
Ansonsten, zum Beispiel wenn Sie Hillary Clinton jetzt angeboten kriegen würden, wegen ihrer Autobiographie, dann wissen sie ganz genau, 20 Millionen Deutsche wollen nur eins hören: „Wo hast du Monica erwischt?“ Stattdessen müssen sie sich aber etwas anhören über Reformen in den USA … — das bringt nichts. Es bringt nichts, Peter Graf einzuladen, wenn er aus dem Gefängnis entlassen wird, denn er würde über alles reden, nur nicht über Steffi und das Nacktmodel. Sie wissen ja, wie die diese Talks dann laufen, der Gast redet zehn Minuten über sein Buch und dann kommt — hüstel, hüstel — „also bei allem Verständnis und bei aller Fairness, aber die Sachen hmmmm Nacktmodel hmmm“ — „Danke das sie hier waren. Ich find’s toll, das wir drüber gesprochen haben“, kann ich dann nur noch sagen. Es bringt nichts. So was machen wir also nicht, aus Respekt dem Zuschauer gegenüber.
Sat.1 startet demnächst die eigene Casting-Show „Starsearch“ — werden Sie also in Zukunft auch „Stars“ aus jener Sendung einladen (müssen)?
Schmidt: Also, müssen überhaupt nicht. Der Programmchef und ich, wir reden da ganz offen. Ich sage ihm, „ich nehme diese Pfeife einmal rein“. Oder ich sage: „Ich könnte kotzen, wenn ich den nur sehe, aber ich nehme ihn einmal rein. Dafür habe ich dann aber auch das Kontingent erfüllt“. Da braucht man ja nicht drum herum zu reden. Die ganzen Casting-Leute von „Deutschland sucht den Superstar“ haben wir bisher nicht gemacht, aber demnächst kommt mal der Küblböck. Weil, jetzt ist einfach eine gewisse Zeit ins Land gegangen, da finde ich es interessant, wie es dem so geht. Bei Sat.1 wird es aber nicht diese komplette Hysterie geben wie bei RTL, wo ja Leute verboten bekommen haben, in meine Sendung zu kommen.
Wir laden die Leute ein, von denen wir glauben, dass es den Zuschauer interessiert, da ist es für mich erst mal egal, für welchen Sender der arbeitet. Mit „Starsearch“ werden wir mal sehen, wenn sich bestimmte Personen herauskristallisieren sollten. Aber die Vorstellung ist wirklich falsch, zu glauben, der Sender würde permanent Druck machen. Ich kann es mal so sagen: der frühere Eigentümer Dr. Leo Kirch — siebeneinhalb Jahre habe ich nicht ein Fizzelchen von Reinreden, Kontrolle oder irgendwas gehört. Ich war ja auch schon bei diversen ARD-Anstalten, dort erleben Sie schon Schweißausbrüche, wenn Sie nur mal einen Witz vorschlagen. Das ist immer dieser Irrglaube, bei den bösen Privaten würden dauernd irgendwelche Mogule rumschleichen. Selbst in Zeiten, wo die Sendung nicht so gut funktioniert hat, hatte ich meine Ruhe.
Die meisten Comedy-Formate entstehen in Köln, viele erfolgreiche Comedians kommen aus Köln — woran liegt diese Köln-Konzentration?
Schmidt: Ich glaube, das ist eine rein äußerliche Sache und hat nichts mit der Stadt zu tun. Die meisten Comedians sind ja auch nicht lustig. Die fallen halt in Köln durchs soziale Netz und werden dann mit Comedy über die Runden gebracht.
Das ist eine rein praktische Sache, ich hatte mich in Köln schon festgesetzt und Stefan Raab kommt aus Köln. Wir Deutschen sind ja auch nicht sehr mobil. Sicher — wenn man das ganz zu Beginn bedacht hätte — wäre es auch naheliegend gewesen, die Show aus der Hauptstadt zu machen. Aber, für den Zuschauer ist es eigentlich egal, woher die Show kommt, zumal wir auch kaum Köln-spezifische Themen haben.
Es liegt also nicht am rheinländischen Humor?
Schmidt: Nein, ich stelle fest, dass außerhalb dieser Köln-Besoffenheit ja eine große Aggression gegen Köln stattfindet. Das kann ich auch nachvollziehen, diese Selbstbesoffenheit der Kölner ist nämlich auch teilweise sehr anstrengend und ich als Schwabe habe damit gar nichts am Hut. Ich muss ja auch das Publikum in ganz Deutschland erreichen, insofern ist für mich eine flächendeckende Wirkung unerlässlich.
Was sagt eigentlich die Gewerkschaft zu Ihrem Wechsel zur 5-Tage-Woche?
Schmidt: So was gibt es bei uns nicht, wir haben auch keinen Betriebsrat, wobei das nötig wäre. Es kam mal vor zwei Jahren diese Idee auf, einen Betriebsrat zu gründen, aber … als mein Gelächter dann abgeebbt ist, habe ich gesagt, „das könnt ihr echt machen“. Weil, so viel Geld, wie ich da sparen würde, das gibt es gar nicht. Bisher hatte mein Team ja montags frei, die haben glaube ich im letzten Jahr 52 Tage Urlaub gehabt — bezahlten Urlaub . Bei mir sitzen teilweise Leute in 40qm großen Büros allein, weil ich mich von den Mitbewohnern getrennt habe. Da ist teilweise auch das größte Problem, mit dem Gefühl der Einsamkeit zureckt zu kommen.
Der ganze Laden wird ja von mir sozusagen feudalistisch geführt, mein großes Vorbild ist da der Chef von Trigema, wo ich mal gelesen habe der spürt, wenn jemand eine Gehaltserhöhung braucht. Und ganz genauso ist das bei mir auch. Das System steht und fällt mit mir. Ich sehe jeden, der dort arbeitet einmal pro Tag und wenn einer ein Problemchen hat, wo ich da ein bisschen und helfen kann, dann wird das geräuschlos gemacht. Ein Betriebsrat, der würde wahrscheinlich meine Machtstruktur innerhalb der Firma verbessern, weil die Leute nach kurzer Zeit so zerstritten wären, wer innerhalb des Betriebsrats welche Funktion hat und wer was mit mir bespricht. Aber da ist echt nichts zu holen. Ich meine, wir sind ja doch in einer sehr krisenanfälligen Branche und etliche von meinen Leuten sind jetzt schon fast acht Jahre bei mir. Und selbst, wer neu mit dazugekommen ist, ist jetzt schon fast fünf Jahre mit dabei — da kriegen meine Mitarbeiter auch mit, dass es woanders nicht so ist.
Es gab ja im letzte Jahr ein paar Sendungen, wo Sie auch ein bisschen durchgehangen haben. Wenn Sie jetzt den Sendeplan ausbauen, dann steigt doch aber auch das Risiko krankheitsbedingter Ausfälle.
Schmidt: Ja, aber das ist ja auch das Tolle. Das bedeutet ja auch, den eigenen Fall für die Zuschauer zu dokumentieren. Letterman, ich glaube, der war in 16 Jahren nie krank und ist dann aber einmal fünf Wochen ausgefallen, weil er fünf Bypässe gekriegt hat. Und jetzt ist er noch mal vier Wochen ausgefallen, weil er Windpocken hatte. Also, entweder ist man richtig krank, mit einer Operation, oder man kommt. In den 1260 Sendungen musste ich insgesamt vier mal absagen, glaube ich. Das war aber schon ganz am Anfang, weil ich mich da noch nicht richtig eingestellt hatte. Mittlerweile ist das einfach, man schleppt sich dahin. Ich habe auch sehr wenig Krankheitsstand im Team, dieses Gehüstel und ich-fühl-mich-nicht das gibt es nicht — ich bin ja auch da. Und das muss schon so sein, dass ich jeden Tag da bin, weil sonst kann ich den Leuten nicht sagen, wie krank ich bin, was das heißt, Tumor oder gelähmt …
Sie waren mal mit zehn Prozent am privaten deutschen Auslandssender Channel D beteiligt. Gibt es inzwischen neue Geschäftsambitionen?
Schmidt: Also, das bitte ich Sie noch geheim zu halten, es gibt die Überlegung von mir, mit einem Konsortium Pro7/Sat.1 zu kaufen. Allerdings immer unter der Vorraussetzung, das Gottschalk Programmdirektor machen kann … (allgemeines Lachen). Ansonsten beteilige ich mich mal hier, mal da. Es ist ja auch so ein Irrglaube von mir, ich würde etwas vom Geschäft verstehen. Sie kennen das ja: der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Plötzlich glaubt man, man sei irgendwie schlau, dann investiert man hier und da — aber davon verstehe ich nichts, da gibt es halt für mich so Lerneffekte.
Ich hatte ja auch mal ein Ferienhaus, das Ergebnis war aber, dass ich zugesagt hatte, den Bundesfilmpreis zu moderieren. Dann kommen sie da nur mit großen Beschimpfungen raus — das sind alles Lerneffekte. Meine Devise ist, schön zu Hause im Garten bleiben und zügig die zehn Kilometer zum Studio fahren. Alles andere ist schon zu riskant für mich. Man wird ja auch Beamter durch diese Tätigkeit. Das ist das Tolle, es sieht eigentlich nach Showgeschäft aus, aber eigentlich ist es Behörde. In unsere Kantine wird man zum Mittag immer mit einem „Mahlzeit“ begrüßt.
Ist es denn vorstellbar, dass Sie jemals wieder für einen öffentlich-rechtlichen Sender arbeiten?
Schmidt: Also, man soll ja nie „Nie“ sagen. Aber, wo sollte das sein? Das ZDF ist zu amputiert, die ARD hat jetzt eine Top-Leiste auf diesem Termin, die ganze Woche durch — was sollte ich da? Der beste Satz den ich mal bei der ARD gehört habe, war: „Ich versuche es mal in Saarbrücken auf die nächste U-Chef-Sitzung zu bringen“ — stellen Sie sich mal diesen Satz vor. Entdecken Sie die Fehler in diesem Satz? Ich versuche es mal in Saarbrücken auf die nächste U-Chef-Sitzung zu bringen, während es bei Sat.1 ein Telefonat von einer Minute ist, wo ich einfach frage: „können wir das machen?“
Es macht keinen Spaß bei den öffentlich-rechtlichen?
Schmidt: Also, wissen Sie, wenn Sie einmal Claudia Schiffer gebumst haben, ziehen sie ja auch nicht mehr zu ihrer Mutter. Man muss so etwas auch sexuell sehen.
Es ist die erste Biografie über Sie erschienen — haben Sie die gelesen?
Schmidt: Nein, ich habe die nicht gelesen, weil, schauen Sie, Kanzler Dr. Kohl hat ja auch nie den „Spiegel“ gelesen.
Erfüllt es Sie mit Sorge, dass Sie inzwischen ein Liebling des Feuilletons geworden sind?
Schmidt: Überhaupt nicht. Das war ja mein Ziel. Noch schöner wäre es gewesen, wenn mir das schon am Theater geglückt wäre. Aber ich bin ja ein wirklich großer Zeitungsleser. Da ist es auch eine meiner wenigen Sorgen, dass die Zeitungen durch die finanzielle Situation immer mehr einschränken müssen, dass immer mehr Sachen, die ich gerne lese, vielleicht nicht mehr geschrieben werden können. Wenn eine Zeitung wie die Süddeutsche den NRW-Teil einstellen muss oder die FAZ die Samstagsbeilage — das habe ich schon sehr bedauert.
Ich lese gerne das Feuilleton, ich bin letzten Endes daran interessiert und da finde ich es auch toll, wenn meine Person da Widerhall findet.
Wird es denn den Theaterschauspieler Harald Schmidt weiterhin geben?
Schmidt: Also in Bochum werde ich „Warten auf Godot“ sicher noch so lange spielen, wie das Stück trägt, es ist ja noch immer ausverkauft. Wir haben es bis jetzt 60 mal gespielt und so zwei drei mal im Monat geht das schon noch. Aber zusätzlich kann ich natürlich nicht mehr machen.
Also keine neuen Theaterprojekte?
Schmidt: Nein, ich habe in Bochum dann auch gemerkt, dass das der Hybris einfach zu viel war. Das sind einfach erstklassige Leute, da kann ich nicht mithalten. Es wäre auch sehr vermessen zu sagen, „ich bin auch Schauspieler und komme mal eben bei euch in Bochum vorbei.“ Das ist eine andere Liga. Insofern war es interessant für mich, dass ich nach zwanzig Jahren im Grunde diesen Traum abhaken konnte, mit mir sei dem deutschen Theater etwas verloren gegangen.
Schmeichelt es Ihnen, dass man Sie auch ein bisschen für den Vorzeige-Intellektuellen Deutschlands hält?
Schmidt: Das finde ich großartig. Was ich wirklich geschafft habe ist, dass ich jetzt einfach erbarmungslos zu meiner Eitelkeit stehe. Und der Umgang mit Leuten, die absolut zu ihrem Ego stehen, ist ja auch sehr entspannt, weil man sich nichts vormacht.
Wann laden Sie Jürgen Habermas in Ihre Sendung ein?
Schmidt: Das würde nichts bringen. Jürgen Habermas braucht ja Raum, das sind ja zwei Seiten, die der im Feuilleton schreibt. Und der gibt dann auch eine ganz bestimmte Richtung vor. Wenn wir ihn einladen würden, dann wäre das auch nur so eine Äußerlichkeit, wo die Leute sagen würden „oh, jetzt hat der den Jürgen Habermas da sitzen“. Ich könnte mit dem ja gar nicht mithalten. Und zu versuchen, Deutschlands führenden Intellektuellen auf Unterhaltungsniveau zu bringen — das funktioniert alles nicht. Ich bin auch schon eingeladen worden ins philosophische Quartett — aber das ist alles viel zu dünnes Eis für mich. Das sind die Lerneffekte. Vor drei Jahren wäre ich da noch hingerannt, da hätte ich gesagt „geil, eine Sendung mit Safranski und Sloterdijk“. Mittlerweile sage ich aber, die Leute sollen das bei mir vermuten. Wenn einmal rauskäme, wie dünn das Eis bei mir aber wirklich ist, dann muss ich wahrscheinlich noch irgendwelche Charity-Events moderieren.