Herr Schmidt, Sie geben nicht besonders viele Interviews. Warum, wenn man fragen darf?
Harald Schmidt: Ich finde, man verplappert sich. Ich finde, ein Interview ist so eine Eitelkeit — weshalb ich das früher auch wahnsinnig gerne gemacht habe. Ich fand das toll, in was ich mich da reingeredet habe. Mittlerweile gebe ich aber auch aus geschäftlichen Gründen kaum Interviews. Denn je mehr man Hintergrundinformationen liefert, desto mehr gibt man aus der Hand. Ich mache eine Sendung und damit hat sich’s.
Selbst Ihre erste Biografin wurde von Ihnen nicht mit einem Interview beglückt. Haben Sie die Biografie gelesen?
Schmidt: Nein, warum sollte ich das auch? Wenn jemand beschließt ein Buch über mich zu schreiben, dann habe ich ja nichts damit zu tun. Selbst wenn da Unwahrheiten drin stehen würden, wäre das nicht von Bedeutung für mich.
Aber sonst lesen Sie alle Artikel über Ihre Person?
Schmidt: Ja, alle. Da gehe ich jetzt mal von aus.
Sie scheinen generell viel Zeitung zu lesen. Alles Routine?
Schmidt: Ja, ich glaube durch meinen Stapel Zeitungen bin ich jeden Morgen ganz schnell durch. Ich weiß ja, wie ich eine Zeitung lese.
Welche Blätter liegen denn auf Ihrem Frühstückstisch?
Schmidt: Die Süddeutsche, die FAZ, der Kölner Stadtanzeiger, die taz und die Neue Zürcher Zeitung.
Und woher kommen die BILD-Ausrisse in Ihren Sendungen?
Schmidt: Ach ja, die BILD-Zeitung liegt natürlich auch dabei.
Haben Sie sich je als Journalisten gesehen?
Schmidt: Nein, das habe ich nie. Ich bin Conferencier. Das was ich mache, ist ja eine Kunstform, da kommt es ja auch nicht zu wirklichen Interviews.
Investigative Interviews waren also nie Ihr Fall?
Schmidt: Doch, ganz früher schon. Aber letzten Endes war mir das dann doch zu anstrengend gewesen. Da muss man zu viel Recherche-Arbeit leisten. Da bin ich auch pingelig, eine Recherche muss immer hundertprozentig präzise sein. Das muss schon das Niveau haben, dass alle Namen richtig geschrieben sind, wie im „Spiegel“, dass die ganzen Zahlen stimmen — ich hasse nichts mehr, als wenn solche Sachen schlampig gemacht werden.
Schauen Sie sich noch die Interviews des Kollegen Letterman an?
Schmidt: Ja, Letterman sehe ich immer noch fast täglich, über Satellit.
Aus Interesse?
Schmidt: Ja, da amüsiere ich mich, das ist einfach eine tolle Sendung. Zwar sind seine Gäste manchmal auch schlecht, aber es wäre ja auch ein Irrglaube, zu sagen, nur weil jemand ein Ami ist, ist er per se ein toller Gast. Das Land hat einfach einen anderen Zugang zum Entertainment. Und es gibt dieses New Yorker Selbstbewusstsein, wo man schon aus Prinzip jubelt, wenn es einer aus Ohio geschafft hat.
Ich habe keinen Fernseher — wie überzeugen Sie mich, einen zu kaufen?
Schmidt: Überhaupt nicht. Null. Absolut gar nicht. Die Entscheidung bleibt jedem selbst überlassen. Man kann viel Spaß haben, wenn man das Fernsehen als eigenes Kunstmedium nimmt, dass man sich selber zusammenstellt — durch Zappen.
Wie viele Programme haben Sie zu Hause?
Schmidt: Ich glaube etwa 25.
Wie viele Fernseher?
Schmidt: Zwei.
Wo stehen die?
Schmidt: Im Wohnzimmer und im Arbeitszimmer. Aber der im Wohnzimmer ist gerade mal eine Stufe größer als ein tragbarer. Ein kleines, altes Teil mit fahrbarem Untersatz.
Videorecorder?
Schmidt: Ja, aber den kann ich nicht bedienen. Der staubt nur vor sich hin. Ich habe schon ewig nichts mehr aufgezeichnet, seit Jahren nicht mehr, wirklich.
Also sind Sie wahrscheinlich nicht gerade der Technik-Freak. In Ihrer Sendung sitzt Ihr Kollege Manuel Andrack am Computer. Bedienen Sie auch hinter den Kulissen keinen Computer?
Schmidt: Doch, ich gehe hin und wieder ins Internet, aber eigentlich nur als Zeitungsleser. Ich bestelle keine Bücher, ich buche auch keine Reisen — ich kann das nicht. Manchmal bin ich auch so ein Google-Nutzer. Zum Beispiel begegnet mit der Schriftsteller „Chesterton“ — nie gehört, also gebe ich „Chesterton“ ein und bin dann zwei Stunden bei Chesterton drin. Aber wenn irgendwann so etwas auftaucht wie „Acrobat Reader“, ist für mich auch schon wieder Feierabend. Ich habe es auch noch nie geschafft, im Internet Musik anzuhören oder mir einen Videoclip anzugucken. Ich habe auch keinen Drucker. Und was ich im Jahr vielleicht drei mal mache, ist, einen Text zu mailen.
Einen Computer-Trainingskurs haben Sie bisher nicht angestrebt?
Schmidt: Nein. Bei mir läuft das so, was ich schreibe, das schreibe ich von Hand, lege das aufs Fax, das wird dann eingetippt und damit hat sich’s.
Herr Schmidt, wenn Sie sich das Leben als Comic vorstellen würden: welche Figur wären Sie?
Schmidt: Ich wäre wahrscheinlich so ein zerstreuter Professor, der in einer chaotischen Bude lebt, der aus einem Regal rechts ein Buch rauszieht, weshalb das Regal dann links komplett überkippt.
Das erinnert an den Professor Bienlein aus „Tim und Struppi“.
Schmidt: Ja, zum Beispiel. Man könnte schon sagen, dass Zerstreutheit eine wesentliche Eigenschaft von mir ist. Deswegen bin ich ja auch so froh mit diesem starren Konzept meiner Sendung. Da passiert nichts neues, das ist ein fester Rahmen, der mich stützt.
Und Ihre Kollegen bekommen Ihre Zerstreutheit zu spüren?
Schmidt: Nein, weil dieses System keine Zerstreutheit zulässt. Das ist so perfekt um mich herum gebaut, ohne Lücken, minutiös durchdacht.
Also wird es für Sie gefährlich, wenn Sie das System verlassen.
Schmidt: Das ist genau der Punkt. Deswegen tue ich das auch kaum. Deswegen gehe ich auch sehr selten in andere Sendungen, weil dort sagt man mir immer, „das ist falsch, das musst du anders machen“ und so weiter.
Verlassen haben Sie das System aber, als Sie nach vielen TV-Jahren wieder auf die Bühne gegangen sind. Wieso haben Sie sich da eigentlich für Bochum entschieden?
Schmidt: Zum einen ist Bochum für mich ein großes Theater in Deutschland. Zum anderen ist Bochum von Köln aber auch ganz gut erreichbar. Da spielte auch die praktische Erreichbarkeit eine große Rolle.
Sämtliche Vorstellungen von Becketts „Warten auf Godot“ mit Ihnen als Lucky waren restlos ausverkauft, man las überall vom Zugpferd Harald Schmidt. Was denken Sie selbst darüber?
Schmidt: Vielleicht ist ein Teil der Leute nur wegen mir gekommen. Aber man muss auch sehen, dass Bochum ja schon seit Jahrzehnten auf erstklassiges Theater geschult ist. Der Schlussapplaus wird also immer eindeutig nach Leistung vergeben. Ich bekomme dort einen anständigen Applaus, den großen Applaus aber die anderen Darsteller — und das ist ja das Entscheidende. Da gibt es nicht diese Promi-Tournee-Theater-Beklatsche. Wir können die Sache vielleicht so formulieren: Ohne mich wären die Vorstellungen gut besucht, mit mir sind sie ausverkauft.
Ab 30. Juni haben Sie montags nicht mehr frei und gehen an allen fünf Werktagen auf Sendung. Als Begründung führten Sie auf einer Pressekonferenz unter anderem an, Sie würden das „für Deutschland“ tun. Gibt es sonst noch was, was Sie „für Deutschland“ tun würden?
Schmidt: Gar Nix. Steuern zahlen, das ist doch schon ziemlich gut, oder? Den Rest machen Leute, die was davon verstehen, etwas „für Deutschland“ zu tun.
Titelverleihung Professor humoris causa
Sehr geehrter Herr Schmidt;
namens und ohne Vollmacht der unwissenden Berliner
Bevölkerung verleihe ich Ihnen hiermit den Titel
„Professor humoris causa“ als erstem Würdenträger
mit sofortiger Wirkung. Bitte in diesem Stil weitermachen. Grüße auch an Madame Licard.
Ihr begeisterter Fan
Edgar Roth,
Rechtsanwalt und Notar a.D., Berlin
Groteskes aus der Vergangenheit
Im Nachhinein betrachtet, wirken manche Texte die uns die Vergangenheit überliefert grotesk witzig. Man kann sich ja an die Fünf Tage Woche noch erinnern- darauf folgte das zweite große Kunstprojekt mit Namen „Ein Jahr Pause“. Mal sehen liebe Schmidt Fans was dann als nächstes kommt – die „Zehn Jahre Pause“ oder die „Ein Tag Woche“ ????
Wir bleiben gespannt – zur Not kucken wir einfach Beckmann oder Teleshopping!!!!
Technik-Freak…
…da stoße ich häufig an ähnliche Probleme.
Mit dem Unterschied, dass ich mich darüber ärger