Herr Nauck, warum brauchen wir Weihnachtsmänner und Lebkuchen im Supermarkt schon im September? Würde nicht zum 1. Advent völlig reichen?
Hasso Nauck: Die Frage ist natürlich völlig berechtig! (lacht) Erst einmal ist es aber so, dass die Lebkuchen vor der Schokolade kommen. Wenn die dann durch verkauft sind, dann kommen Schokoladen und die Weihnachtsmänner. Ein Grund ist, dass Sie vor dem Fest einen gewissen Vorlauf brauchen, damit die Verfügbarkeit im Handel sichergestellt ist. Hinzu kommt: Diejenigen Lieferanten, die als erstes im Handel sind, bekommen auch die besten Verkaufsplätze. Das ist der Grund, warum Weihnachtsschokolade schon Wochen vorher angeboten wird. Wir reden bereits im Januar und Februar mit dem Handel, um den Vorlauf für Weihnachten zu planen.
Wie schlägt sich denn Weihnachten für einen Chocolatier umsatzmäßig nieder? Wie viel Prozent des Jahresumsatzes kommen durch Weihnachten zustande?
Nauck: Das Schwerpunktgeschäft für uns findet in der kalten Halbjahreszeit zwischen Oktober und Ende März statt, das ist klar. Teure Pralinenpackungen lassen sich um die Weihnachtszeit natürlich besser verkaufen, weil es ja einen guten Anlass zum Schenken gibt. Also macht diese kalte Halbjahreszeit ¾ unseres gesamten Jahresabsatzes aus. Der stärkste Absatzmonat den wir haben, ist der November.
Fast 64 Millionen Bundesbürger essen regelmäßig Schokolade, etwa 90 Prozent aller über 14-Jährigen. Was genau denken Sie, ist für den Erfolg von Schokolade verantwortlich?
Nauck: Erst einmal gilt ja der allgemeine Satz, dass Schokolade glücklich macht. Dafür gibt es zwei Ursachen: Dass in Schokolade bzw. im Kakao tatsächlich Bestandteile enthalten sind, wie Serotonin und Theobromin, und diese Stoffe stimulieren und mobilisieren im Gehirn Glücksgefühle. Schokolade ist von daher einfach ein Spaßprodukt und macht Freude. Wenn man jemanden Schokolade anbietet, dann wird man nicht erleben, dass derjenige das Gesicht verzieht, sondern man erfährt eigentlich immer eine fröhliche Grundeinstellung, selbst wenn dieser jemand gar keine Schokolade mag.
Und wie viel Schokolade ist Ihre tägliche Dosis?
Nauck: Die ist sehr unterschiedlich, weil ich ja auch aus professioneller Sicht Schokolade esse. Zum Beispiel, wenn es um das Probieren von neuen Rezepturen oder um die Qualitätskontrolle unserer Produkte geht. Oder, so wie gerade in diesem Moment, wenn ein großer Pralinenteller auf dem Tisch steht, der natürlich auch dazu animiert zuzugreifen. Es ist eben situationsabhängig, aber natürlich mag ich Schokolade sehr. Wäre ja noch schöner, wenn ich dieses Produkt nicht derartig schätzen würde.
Könnte man sagen, dass Schokolade ein gesundes Produkt ist?
Nauck: Wenn eine Schokolade mehrheitlich aus Zucker und Fett besteht, dann hat sie natürlich eine nicht so positive Wirkung, da kommt es dann wieder auf die Qualität der Schokolade an. Damit meine ich solche Schokoladen, die zu besonders günstigen Preisen wie 39 Cent pro 100g-Tafel im Handel verkauft werden. Sie sehen zwar braun aus, haben aber oft längst nicht die Bestandteile, die sie haben sollten. Weiterhin gibt es auch Schokoladen, die schnell maschinell hergestellt wurden und nicht die entsprechende Sorgfalt erfahren haben. Schokolade ist weiß Gott nicht gleich Schokolade!
Finden Sie es denn gerechtfertigt, wenn man über Milka sagt, dass es sich um „braune Masse in lila Papier“ handelt, wie Sie es einmal formulierten?
Nauck: (Lacht) Na, ja. Im Prinzip ist das schon so. Ich will hier jetzt aber nicht die Konkurrenz schlecht machen, ich will auch nicht leugnen, dass ein solches Massenprodukt viele Abnehmer hat. Wenn ich alleine die Größenordnung von Milka uns gegenüber sehe, dann machen die ja nicht alles verkehrt. Unser Anspruch mit Hachez Chocoladen ist einfach ein ganz anderer. Wir wollen keine Masse machen. Verglichen mit einem Rotwein würde das bedeuten, wir wollen keinen Amselfelder produzieren, sondern Bordeaux. Darin unterscheiden sich die Unternehmen. Wir wollen keine Schokolade über Mengendruck und starke Werbung, Zweitplatzierungen oder Preisoffensivität verkaufen. Das ist nicht unser Geschäft und das können wir auch gar nicht. Wir wollen Qualität vermitteln, dazu gehören natürlich dann die anderen Instrumente, die dies unterstützen. Unsere Produkte sind ja sehr viel teurer, als die, die sonst auf dem Markt sind. Alleine dadurch unterscheiden wir uns ja schon von anderen Herstellern.
Wie wichtig ist denn ein hoher Kaufpreis für den Genuss der Schokolade? Genießt man eine Schokolade besonders, wenn Sie teuer ist und dem Käufer als wertvoll erscheint?
Nauck: Wenn wir unsere Schokoladen für 30 Cent verkaufen würden, dann würde kein Mensch vermuten, dass wir gute Schokolade verkaufen. Für 30 Cent können Sie ja auch nichts Gutes herstellen. Unser Preis signalisiert etwas hochwertiges, aber entscheidend ist, dass der Preis nicht mehr versprechen darf, als das Hochwertige in der Verpackung. Nennen wir es einfach Preis-Leistungs-Verhältnis.
Konkreter: Glauben Sie, dass einem eine teure Schokolade besser schmeckt als das gleiche Produkt zu einem niedrigeren Preis?
Nauck: Das gleiche Produkt gibt es nicht zum niedrigen Preis. Der Preis ist nicht Selbstzweck sondern vor allem Ausdruck für die Kosten des Produktes. Wenn nichts Gutes und Teures drin ist, kostet es auch nichts.
Wen sprechen Sie mit Ihren Schokoladen an?
Nauck: Das ist eine sehr gute Frage, denn ist es bedauerlicherweise so, dass wir in Deutschland die niedrigsten Lebensmittelpreise in ganz Europa haben. Das ist paradox, schließlich leben wir in Deutschland ja nicht im Armenhaus Europas. Durch die Machtverhältnisse zwischen Handel und Industrie hat eine konsequente Wertevernichtung stattgefunden. Die Preise wurden immer weiter nach unten gedrückt. Wenn heute ein Konsument eine Schokolade für 39 Cent kauft, die ihm nicht schmeckt, dann schickt er sie womöglich für viel mehr Geld in einem Karton zurück an die Firma und beklagt sich dann, dass er für das bisschen Geld nicht das bekommen hat, was er erwartet hat. Aber dieser Konsument stellt sich nicht die Frage, ob es vielleicht damit zusammenhängt, dass er einfach nur einen extrem niedrigen Preis bezahlt hat. Das kann nicht funktionieren!
Und wie setzen Sie dann Ihr hohes Preisniveau bei Ihren Konsumenten durch?
Nauck: Natürlich verstärken die niedrigen Preise auch den Druck auf uns, weil der Abstand zu unseren Produkten immer größer wird. Trotzdem sagen wir, dass es in dieser Nation Menschen gibt, die Wertschätzung üben. Das Wertversprechen, das wir verkörpern, ist kein Selbstzweck. Das müssen wir jeden Tag neu beweisen! Wenn wir dreimal soviel kosten wie eine billige Schokolade, dann müssen wir auch dreimal so gut sein. Und das wissen unsere Konsumenten auch. Deswegen beschreiben wir unsere Kunden nicht soziodemographisch – sondern eher psychologisch. Es sind Menschen, denen das Leben auf Discounterniveau eben nicht reicht.
Den Massengeschmack trifft man mit einem ganz geringen Kakaoanteil.
Einer Umfrage zufolge ist Hachez in der Top 10 der beliebtesten Schokoladenmarken nicht dabei. Die ebenfalls in einem ähnlichen Preissegment angesiedelte Lindt-Schokolade belegt immerhin Platz 3. Warum ist das so?
Nauck: Wenn Sie jetzt hinter so einer Top 10 die jeweiligen Werbebudgets schreiben, die die Hersteller jedes Jahr für Werbung ausgeben, dann haben Sie genau die gleiche Reihenfolge. Das heißt, so eine Liste ist nicht unbedingt ein Ausdruck dessen, was die besten und beliebtesten Schokoladen sind, sondern was den Leuten mit affenartiger Gewalt durch die Werbung in die Köpfe gehämmert wird. Wenn Sie 80 bis 100 Millionen Euro im Jahr für Werbung ausgeben, dann werden Sie in der ganzen Republik keinen Menschen finden, der Ihr Produkt nicht gut findet.
Dann hat das Listing mit dem Geschmack der Schokolade nichts zu tun?
Nauck: Wenn ich den Massengeschmack treffen will, dann bin ich bei einem ganz geringen Kakaoanteil, sprich einfach braun und süß. Das hat aber mit unserer spezifischen Ausrichtung, der Herstellung aus hochhandwerklicher Kunst, nichts mehr zu tun. Deswegen werden Sie unsere Hachez Schokoladen auch nie in so einem Ranking finden. Die Werbung der Marktführer ist einfach sehr dominant, das ist eben das Gesetz des Massenmarktes. Doch das ist für uns ist nicht die Messlatte. Allein schon aus dem Grund, weil wir keine klassische Werbung machen. Es wäre im Übrigen auch fatal, wenn wir da auf Platz eins stünden. Weil solch eine Menge an Schokolade würden wir aus unserer Manufaktur gar nicht herausbekommen.
Wo kommt der Kakao für Ihre Schokolade her?
Nauck: Wir beziehen nur Edelkakao, der macht drei bis fünf Prozent der gesamten Weltkakaoernte aus. Der Großteil davon kommt aus Südamerika, ein bisschen aus Indonesien und ein wenig aus Ghana. Der größte Kakaolieferant für die Industrie ist die Elfenbeinküste, dort ist der Kakao aber nicht so gut. Der hat zu wenig Farbe und Aroma, wir haben das bereits analysiert. Wir rekrutieren unseren Kakao nicht aus den so genannten Massenkakaos, bei denen auch sorgfältige Verarbeitung nicht viel bringt.
Was halten Sie vom „Fairtrade“-Siegel? Warum findet es sich nicht auf den Hachez Produkten?
Nauck: Erst einmal muss ich sagen, dass ich von Siegeln wenig halte, denn ein Produkt kann ja auch ohne ein Siegel in Ordnung sein! Hinzu kommt: Wenn der Stempel soviel Geld kostet, dass ein großer Teil an die Behörden geht, die solche Stempel verteilen, dann ist das ineffizient. Die Tatsache, dass wir unseren Kakao nur aus den genannten drei bis fünf Prozent Welternte rekrutieren, bedeutet dass wir für diesen sehr viel hochwertigeren Kakao auch einen höheren Preis bezahlen. Hinzu kommt, dass dieser Kakao aus Regionen kommt, wo wir unterstellen können, dass die Farmer zu faireren Preisen arbeiten. Unsere ethische Position ist damit definiert, das gehört aber auch zu dem Selbstverständnis, Premium-Produkte zu machen.
Wäre ein Siegel eines unabhängigen Instituts aber nicht glaubwürdiger?
Nauck: Eventuell. Aber eben auch teurer. Und wer will das dann bezahlen?
Was denken Sie, wie ein solches Siegel die Käuferschaft beeinflusst?
Nauck: Wenn Sie auf der Straße jemanden fragen, ob er „Fairtrade“ gut findet, dann würde jeder sagen: „Ja, klar. Klasse, da bin ich dabei“! Wenn Sie die Person dann aber fragen, ob er bereit wäre, 15 Cent mehr für eine Schokolade auszugeben, dann würde er allerspätestens im Geschäft seine Antwort überdenken und kein Stück von dem Produkt kaufen. Die Diskrepanz zwischen Dichtung und Wahrheit ist halt sehr groß.
Bei der Kreation (“Wild Cacao“) ziert ein anderes Siegel die Verpackung. (Regenwald-Institut e.V.) Wenn schon ein Siegel, warum dann nicht auf allen Ihrer Produkte?
Nauck: Weil dieser Kakao, der für diese Schokolade verarbeitet wird, aus dem Urwald kommt und wild gewachsen ist. Das läuft unter der Regie des Regenwald Institutes in Kooperation mit der GTZ, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Deswegen ist auf diesem Produkt das Siegel drauf. Es wäre ja unlauter, wenn wir dieses Siegel auf anderen Schokoladenverpackungen hätten, wenn dieser Kakao dort nicht enthalten ist.
Das Regenwald-Institut setzt sich für die Natur ein. Was aber haben die Kakao-Bauern davon?
Nauck: Die haben davon, dass das Geld nicht über die Börse oder Umwege an sie gelangt, sondern auf direktem Wege. Dementsprechend bedeutet das, dass alle anderen, die dazwischen sonst etwas verdienen, eben nichts bekommen. Dadurch verdienen die Kakaobauern mehr. Hinzu kommt, dass die Bauern und Bewohner des Waldes eine Abnahmegarantie von uns haben. Wir wollen den Kakao haben, weil er besonders gut ist, und die Bewohner generieren dadurch Einkommen, das sie sonst nicht hätten. Weil ohne unsere Abnahmegarantie würden sie den Kakao weder pflücken, noch verkaufen können.
Eine Hachez-100g-Tafel der Marke „Wild Cacao“ kostet 3 Euro, davon gehen 10 Cent an das Regenwald-Institut. Was passiert mit dem Geld?
Nauck: Das Regenwald Institut möchte eine Fläche Urwaldsgebiet kaufen. Dieses Urwaldsgebiet kostet einen Betrag X und wir führen mit jeder verkauften Packung, einen bestimmten Betrag ab. Dieser Betrag entspricht dann einem Quadratmeter Urwald, so dass jeder Käufer mit einer gekauften Packung dazu beiträgt, dass mit dem gesamten Erlös, den wir eines Tages zusammen haben, das Grundstück gekauft werden kann. Und wenn das Regenwald Institut dann das Grundstück gekauft hat, dann wird es dafür sorgen, dass es in seiner Natürlichkeit so bestehen bleibt und nicht abgeholzt wird.
Könnten Sie sich vorstellen, noch mehr Erlös von dem Produkt abzuführen?
Nauck: Ja, wenn der Konsument diese Idee klasse findet, dann verkaufen wir ja auch mehr. Aber wenn ich jetzt noch mehr abführe als diese 10 Cent, dann geht das gegen unsere Marge. Irgendwo muss ich die ja auch hernehmen, denn es muss schon so sein, dass solch eine Idee eben mehr Erlös generiert, den wir dann abführen.
Reisen Sie selbst in die Herkunftsländer Ihres Kakaos?
Nauck: Ich kenne die Herkunftsländer, ich bin natürlich schon im Ursprungsland gewesen. Allerdings betreibt den Kakaoeinkauf mein Partner Wolf Kropp-Büttner. Es ist aber auch nicht zwingend notwendig, dort permanent vor Ort zu sein, da in Deutschland ansässige Händler unseren Kakao kaufen und diesen Händlern geben wir ganz genau vor, was wir brauchen. Ein Naturprodukt ist ein schwankendes Produkt, es gibt durchaus auch schlechte Ernten. Deswegen würden wir uns auch nicht von einem einzelnen oder einzigen Farmer abhängig machen.
Wie würden Sie die Situation der Kakaobauern vor Ort beschreiben?
Nauck: Das wäre ein Aufsatz für sich und würde hier den Rahmen sprengen.