Frau Makatsch, in „Zeit der Frösche“ ermitteln Sie in einem Mordfall – und zum Kreis der Verdächtigen zählen auch Kinder. Wie kann man Kinder Ihrer Meinung nach davor schützen, gewalttätig zu werden?
Heike Makatsch: Ich habe das ehrlich gesagt noch nicht auf meiner Erziehungsliste, wie ich meine Kinder von Gewalt abhalte. Wahrscheinlich, weil mir schon der Gedanke fremd ist, dass sie gewalttätig werden könnten. Das liegt vielleicht am Fehlen von Computerspielen, überhaupt von Medien, die Kinder in Welten entführen, die man nicht mehr überblicken kann. Man sollte versuchen, den Medienkonsum auf Basics und eben auf kindergerechte Inhalte zu reduzieren.
Ist das nicht schwer zu kontrollieren?
Makatsch: Ich finde es nicht so schwer, das zu unterbinden. Man hat natürlich auch Vorbildcharakter: Wenn man selbst nicht den ganzen Tag den Fernseher anschaltet, auch nicht ständig am Computer sitzt, während Familienzeit ist, dann vermittelt man den Kindern, dass es nicht Teil des Alltags ist.
Es hat ja auch einen großen Vorteil, wenn Kinder soziales Interagieren ohne mediale Vorbilder erlernen. Wenn sie miteinander umgehen müssen, statt wie im Computerspiel zu denken: Den knalle ich jetzt mal um. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, wie man Probleme verbal auf den Punkt bringt und sie dann genauso verbal löst. Dafür braucht es auch eine Anlaufstelle, wo das Kind mit seinem Problem hin kann, um nicht anderswo zu explo- oder implodieren. Ein offenes Ohr, von einem Erwachsenen, oder jemandem, der mit mehr Bewusstsein auf die Situation gucken und Hilfestellungen geben kann.
Ihre Erfahrungen als Mutter helfen Ihnen vermutlich bei der Darstellung von Ellen Berlinger, die ebenfalls Mutter ist. Doch die Arbeitsrealität einer Kommissarin – wie haben Sie sich dem angenähert?
Makatsch: Als ich den ersten „Tatort“ in Freiburg gedreht habe, bin ich dort aufs Kommissariat gegangen. Die sehr netten Polizisten haben mich durch die verschiedenen Abteilungen geführt und mir ihren Tagesablauf beschrieben. Da habe ich gesehen, wie spannend dieses detektivische Spiel ist, wie man mit einem entdeckten Verbrechen umgeht, wie Zeugen befragt werden, wie man immer mehr die Schlinge drum herum zieht, um am Ende den Täter zu fassen. Die Arbeit ist alles andere als bürokratisch, ich dachte sogar: Polizist ist ein Beruf, den ich vielleicht selbst gern ausgeübt hätte. Weil es doch ein Jagen für die Gerechtigkeit ist, es besteht der Wunsch, ein Verbrechen zu sühnen – zumindest hatte ich dieses Gefühl in der Kriminalabteilung, wo es eben nicht um Dinge geht wie „Zeigen Sie mal Ihren Führerschein“.
Wenn wir Krimis sehen, gucken wir auch in uns selbst.
Muss man als Schauspielerin für eine „Tatort“-Kommissarin eigentlich etwas Besonders mitbringen – oder kann jeder „Tatort“?
Makatsch: Es kann insofern jeder „Tatort“, als dass jede Persönlichkeit, die ein Schauspieler mitbringt, eine neue Farbe in eine Kriminalgeschichte bringen kann. Es kann sehr ruppige, sehr schüchterne, sehr humorvolle Ermittler geben – alle Varianten sind denkbar. Und alle müssen sich dann mit diesen Extremsituationen auseinandersetzen. Ich denke nicht, dass man dafür als Schauspieler besonders taff, besonders unattraktiv oder sonstwie sein muss.
Wie ist eigentlich der Umgang mit Waffen für Sie?
Makatsch: Da haben wir Leute am Set, die draufgucken, wie wir das machen. Für mich ist das nicht dramatisch, ich habe bisher auch nicht abdrücken müssen.
Sie haben im Film noch nie geschossen?
Makatsch: Nein, noch nie. Ellen Berlinger hat aber schon mal gezogen.
Und wenn in Zukunft doch mal ein Schuss im Drehbuch steht?
Makatsch: Ich hätte kein Problem damit, im Film zu schießen – wenn ich das Gefühl habe, dass da eine interessante Psychologie dahinter steckt und wenn ich den Gesamtzusammenhang, in dem das stattfindet, befürworten kann.
Krimis sind derzeit in TV und Literatur die erfolgreichste Gattung. Was können Sie ihr abgewinnen?
Makatsch: Ich wundere mich selbst ein wenig, dass die Menschen das am Interessantesten finden. Vielleicht ist ein Grund, dass jedes Mal wieder eine andere Wendung in einem Fall stattfinden kann.
Und dann sind es immer Extreme, die zu den Gewalttaten führen: extreme Eifersucht, extreme Wut, Gier, Verzweiflung… Dem auf die Spur zu kommen, ist immer auch ein Blick in unsere menschlichen Seelen. Ich suche generell in jedem Film etwas, was mich mir erklärt – und vielleicht findet man beim Krimi dann Dinge von sich in der Figur des Mörders.
Ich habe für den Erfolg des Genres auch schon die Erklärung gehört, dass beim Krimi am Ende immer Gerechtigkeit herrscht – aber das würde mich gar nicht so sehr interessieren. Als Jugendliche habe ich einige Krimis von Patricia Highsmith gelesen, das fand ich spannend, weil es bei ihr auch um diese abgründigen Figuren ging.
Donna Leon sagte uns in einem Interview: „Dass die eigene Spezies einen Großteil ihrer Freizeit damit verbringt, anderen Mitgliedern der Gattung dabei zuzuschauen, wie sie sich gegenseitig töten, quälen oder vergewaltigen: Das ist ein armseliger Kommentar zur menschlichen Natur.“
Makatsch: Und das sagt sie, obwohl sie selbst das Ganze bedient? – Also, ich finde das nicht armselig. Wir sind ja alle komplex und verdrängen wahrscheinlich viele Aspekte von uns, die wir gar nicht ansehen wollen. Beim Krimi kann man aber hingucken, und es dann vielleicht in abgemilderter Form immerhin nachvollziehen. Wenn wir Krimis sehen, gucken wir auch in uns selbst.
Im Moment sehen wir Sie einmal jährlich im „Tatort“. Könnten Sie sich vorstellen, Ihre TV-Krimi-Frequenz zu erhöhen?
Makatsch: Nein, das fände ich nicht so spannend, vor allem würde ich nicht immer die Kommissarin spielen wollen. Denn als Kommissar stehst du immer wie vor so einer Glaswand: Du kannst nicht so richtig rein in die Emotionalität, der Kommissar ist ja meistens nur der Beobachter, also nicht die wirklich empfindende Figur. Da spielt man als Schauspieler manchmal wie mit angezogener Handbremse. Deswegen wollen viele Kollegen auch lieber die Rolle des Mörders haben.
Ihre Karriere begann beim TV-Sender Viva. Wenn Sie heute Chefin eines Fernsehsenders wären – was würde zur besten Sendezeit laufen?
Makatsch: Ich gucke selbst sehr wenig, ehrlich gesagt weiß ich auch gar nicht mehr so richtig, wie man Fernsehen guckt, die Gepflogenheiten haben sich da ja sehr geändert.
Als Programmchefin würde ich auf jeden Fall Dokumentationen senden. Die gucke ich gerne, die finde ich erhellend – und ich mag es, nach so einem Bilderkonsumabend irgendeine Erkenntnis mitzunehmen. Dass kann auch eine einfache, emotionale Erkenntnis sein, wie „mir geht es gut“, oder „ach, so funktioniert das in Wirklichkeit mit den Bienen“.
Was ist mit Talkshows?
Makatsch: Die Polit-Talks von heute finde ich wahnsinnig langweilig, weil sie so vorhersehbar und worthülsig sind. Oft wirkt es auf mich wie ein abgekartetes Spiel: Jeder kann überall nochmal seine Promo runterleiern, sein Parteiprogramm… – man kommt nie dazu, hinter die Fassade einer Person zu gucken. Vielleicht geht das auch gar nicht mehr, vielleicht sind die Zeiten vorbei, wo sich Menschen in der Öffentlichkeit noch entäußert haben. Die durchschauen jetzt alle das Spiel und dementsprechend verhalten sie sich. Vielleicht würde ich eine Talkshow senden, aber mit ungewöhnlicheren Köpfen als immer nur den ewig gleichen Wiederkäuern.
Auf jeden Fall müsste es unsynchronisierte Filme geben. Im Moment kann ich mir im Fernsehen keine nicht-deutschen Filme angucken, weil sie ja alle synchronisiert werden. Filme im Original, mit Untertitel, das wäre mir wichtig.
Wie viele Fernseher haben Sie zuhause?
Makatsch: Einen. Der wird auch eher stiefmütterlich behandelt, steht in einem extra kleinen Zimmer, wo man sich selten drin aufhält. „Zum Fernsehen geht ihr ins Kabuff!“ (lacht)
Der „Tatort“ scheint inzwischen eines der letzten TV-Formate zu sein, dass die Leute noch linear gucken. Sprich, zur festen Sendezeit…
Makatsch: …sitzt man gemeinsam vorm Fernseher. Ja, man will natürlich mitreden können am nächsten Tag, deswegen guckt man es am Sonntag um Viertel nach Acht. Ich finde das eigentlich ganz charmant, dass es noch so ein Format gibt, dass eine Nation, wo sonst jeder allein vor seinem Handy sitzt, so vereinen kann.
Ich habe hier noch ein Zitat aus einem Interview mit einer – echten – alleinerziehenden Kommissarin. Sie sagte: „Ich möchte Privates und Berufliches trennen. Zu Hause nichts mit dem Beruf zu tun haben und wenn ich arbeite, nicht an Privates denken.“ Könnten Sie sich diese Trennung auch für Ihren Beruf vorstellen?
Makatsch: Nein. Schon die ganzen Prozesse, die vor dem Drehen stattfinden – Drehbücher lesen, Entscheidungen treffen, vielleicht auch mit seinem Partner darüber sprechen – das geschieht ja zuhause und nicht in einem Büro. Und dann nutzt man natürlich auch viel Privates für die Figuren. Wenn man schauspielert ist man ständig mit der eigenen Biografie verbunden, auch mit einschneidensten Erlebnissen.
Es gibt tatsächlich einige Parallelen zwischen Ellen Berlinger und Ihnen.
Makatsch: Das meine ich nicht, das wäre auch zu kurz gedacht. Nur weil sie blond ist, einen Pferdeschwanz trägt und ein Kind hat, ist sie nicht ich. Man füllt eine Figur nicht mit deckungsgleichen Momenten aus der eigenen Biografie, sondern mit ganz anderen, die aber auch eine Emotionalität herstellen, die man für die jeweilige Situation passend findet.
Ich habe zur Vorbereitung ein Interview mit Ihnen gelesen, in dem Sie sagten: „Wenn die Kluft zwischen arm und reich so unüberwindbar wird, wie es jetzt gerade der Fall ist, ist Demokratie nicht mehr möglich, weil man dann niemals für alle Menschen die gleichen Interessen durchsetzen kann. (…) Was bei uns mit den Wahlen passiert ist, ist eine Farce“. Das klingt nach 2017, doch das Interview war von 2005. Sind Sie von der aktuellen politischen Situation ähnlich frustriert?
Makatsch: Ich denke, dass es sich seit dem noch weiter verschärft hat. Vor zwölf Jahren gab es in vielen Dingen noch mehr Hoffnung als jetzt. Wenn ich mir heute die Parteienlandschaft angucke, wie sie sich radikalisiert hat, wie sich die SPD komplett zerlegt hat und die AfD salonfähig und zur Konsenspartei geworden ist – das hätte man damals nicht erwartet, glaube ich.
Wo ist jetzt Ihre Hoffnung?
Makatsch: Man hofft ja, dass irgendwann der Zenit überschritten ist, wo sich die negativen Entwicklungen von selbst zersetzen – weil die Dinge so schlimm geworden sind, dass es jeder sieht. Ein Beispiel ist die „MeToo“-Debatte: Der Aufschrei ist jetzt so groß, da kann man das Rad nicht mehr zurückdrehen. Oder der Streit um Waffen in den USA: Die jüngste Schießerei hat eine große Diskussion ausgelöst und man sieht, dass selbst im fernsehverblödeten Amerika noch eine Bewegung entstehen kann. Dort wird die Waffenlobby das Rad auch nicht mehr zurückdrehen können. Meine Hoffnung ist, dass durch die schlimmen Zustände irgendwann ein Bewusstsein entsteht, dass es so nicht weitergeht – und dass man dieses Bewusstsein nicht mehr unterdrücken kann.
Wobei ich manchmal auch pessimistisch denke: Es ist nicht mehr zu schaffen. Wenn ich zum Beispiel Bilder sehe vom Plastikmüll auf den Ozeanen – die Bilder müssten ja eigentlich jeden Menschen zur Umkehr bewegen, aber sie tun es nur bei den wenigsten.
Weil Sie vorhin Dokumentationen erwähnten: Gab es eine, die Sie besonders zum Nachdenken gebracht hat?
Makatsch: Ja, „Darwins Albtraum“ war so ein Film, da war ich über Wochen beeindruckt. Letztens habe ich auch „Human Flow“ von Ai Weiwei gesehen – diese Bilder wird man nicht wieder los.
Andererseits reiht man sie dann auch wieder in seinen Alltag ein und denkt: Dann ist die Welt halt so.
Zum Schluss: Interessiert es Sie, ob Ihr Tatort „Zeit der Frösche“ eine gute Einschaltquote bekommt?
Makatsch: Ich würde mich über eine gute Quote freuen. Auch bei anderen Filmen hofft man ja, dass es ein Erfolg wird, dass den Leuten das Ding gefällt, in das man die ganze Energie gesteckt und an das man geglaubt hat.
Und wenn die Entscheidung, ob Sie nochmal für den „Tatort“ engagiert werden, von der Quote abhängt?
Makatsch: Da bibbere ich jetzt nicht. Es muss halt passen.
Hallo Herr Datko, leider werden hier keine Interviews mit AfD-Politikern veröffentlicht. Warum, weiß niemand.
Die AfD ist eine respektable Partei!
Zitat: „Wenn ich mir heute die Parteienlandschaft angucke, wie sie sich radikalisiert hat, wie sich die SPD komplett zerlegt hat und die AfD salonfähig und zur Konsenspartei geworden ist – das hätte man damals nicht erwartet, glaube ich.“
Für mich ist insbesondere wichtig, dass sich die AfD gegen die Masseneinwanderung und die Islamisierung stemmt.
Joachim Datko – Ingenieur, Physiker