Heiner Lauterbach

Wut ist ein schlechter Berater.

Heiner Lauterbach über Ängste, Zorn, Raffgier, die Aufgabenverteilung in seiner Ehe und seine Rolle im TV-Film "Vulkan"

Heiner Lauterbach

© RTL / Willi Weber

Herr Lauterbach, wann sind Sie heute aufgestanden?
Um 5.30 Uhr.

Und dann sind Sie gleich joggen gegangen?
Nee, dann musste ich mich fertig machen und zum Flughafen fahren. Ich wohne ja am Starnberger See, da sollte man sich immer gut zwei Stunden vorher auf die Socken machen. Kann ja mal ein Stau sein oder sowas.

Ich frage, weil Sie jetzt 56 sind, aber fit wie ein Turnschuh wirken.
(lacht)

Kann man das, was man seinem  Körper in früheren Zeiten angetan hat, im Nachhinein wieder gut machen?
Das kommt ganz darauf an, wie man es ihm angetan hat und was man zur Wiedergutmachung beiträgt. Man kann schon vieles relativieren oder zumindest versuchen, sich gesund zu ernähren und Sport zu machen.

Und haben Sie das Gefühl, etwas Wiedergutmachen zu müssen?
Och, Wiedergutmachen würde ich jetzt nicht sagen. Aber man verändert sich im Laufe der Zeit – günstigstenfalls. Jede Phase im Leben hat ihren Platz und sollte dann auch wieder anderen Phasen weichen.

Fürchten Sie sich vor dem Tod?
Furcht wäre übertrieben. Tod ist ja etwas Unabwendbares. Die Umstände können natürlich sehr unterschiedlich sein, wie man stirbt und wann. Das hängt natürlich auch ein bisschen von Glück ab.

Gibt es Dinge, vor denen Sie Angst haben?
Ich leide nicht unter akuten Ängsten. Angst habe ich vor ganz normalen Dingen, vor denen sich alle Menschen fürchten: Krieg, Krankheit und solche Sachen.

Vulkanausbrüche gehören nicht dazu?
Nein, die sind ja jetzt nicht unmittelbar in meiner Umgebung zu erwarten. Wenn man jetzt anfängt, sich auch noch über Naturkatastrophen Gedanken zu machen, wird es schlimm.

Ihr Schauspielkollege Armin Rohde hat gesagt, dass er schon immer ein großer Freund von Vulkanen war, da er früher selbst oft zu Ausbrüchen neigte. Wie ist das bei Ihnen?
(lacht) Ich würde jetzt nicht unbedingt diese Metapher suchen, aber ich bin auch kein Freund von Vulkanen. Naturgewalten sind schon beeindruckend, sie bergen ja ganz andere Dimensionen in sich, als der Mensch je erfassen könnte.

Zitiert

Es bringt mir wenig Spaß, mit Geld umzugehen. Das ist so eine virtuelle Geschichte, Aktien kaufen und wieder verkaufen oder Geld anlegen...

Heiner Lauterbach

Hat Sie Wut im Leben schon mal weitergebracht?
Nee, das glaube ich nicht. Wut ist ein schlechter Berater. Man sollte versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich glaube, dass Wut nicht förderlich ist.

Im Film spielen Sie einen raffgierigen Bankdirektor. Ist Ihre Rolle symptomatisch für die heutige Gesellschaft? Stress mit den Kindern, Scheitern im Beruf, diese Gier, immer mehr haben zu wollen und dafür auch schuldig zu werden, zu klauen?
Symptomatisch wäre jetzt ein bisschen negativ. Aber wie in jedem guten Film lassen sich natürlich Parallelen zur Wirklichkeit ziehen. Die Ursache seines Handelns ist ja eine recht triviale: die Sehnsucht nach Liebe. Auch wenn er am Ende extreme Mittel einsetzt. Es geht wieder mal ums Geld und das ist in diesem Fall ein Transportmittel für ihn. Er möchte seiner Familie gerecht werden und denkt, am einfachsten ist das über die materielle Schiene, indem er seine Frau und sein Kind verwöhnt. Das, glaube ich, ist allgemein für den Menschen symptomatisch.

Haben Sie schon mal etwas geklaut?
Ja, sicher. Ich habe einiges geklaut. (lacht) Von Bonbons angefangen bis zu anderen Dingen. Aber ich bin jetzt kein zwanghafter Dieb. Das hat sich in einem normalen Rahmen bewegt. Wenn man das allerdings in so einer Position macht und als Filialleiter seine eigene Bank ausraubt, ist das natürlich schon etwas Besonderes. Man macht diese Fiktion ja, um außergewöhnliche Momente des Lebens hervorzuheben. Wäre das eintöniger, bräuchte man den ganzen Film nicht zu machen.

Glauben Sie, dass die Menschen die Motive des Bankdirektors nachvollziehen können?
Ja, viele werden sich vielleicht auch ein bisschen wiedererkennen in der Figur. Es ist ja in unserer Leistungsgesellschaft schon so, dass man permanent versucht, Dingen gerecht zu werden. Die Ansprüche, die man sich selber stellt oder die andere auf einen projizieren, überfordern uns ja auch immer wieder. Vielleicht mögen Menschen andere Menschen mit Schwächen auch lieber als glorifizierte Helden, die alles richtig machen.

Wie wichtig ist Ihnen Geld?
Wenn man über genügend Mittel verfügt, um ein verhältnismäßig angenehmes Leben zu führen, wie das bei mir zumindest im Moment der Fall ist, wäre es kokett zu sagen, ich mache mir nichts aus Geld. Ich bin froh, dass meine wirtschaftliche Lage so ist, wie sie ist. Ich bin allerdings nicht böse oder traurig, dass ich nicht noch mehr Geld habe und tausend Leibwächter und Hubschrauber und Learjets und den ganzen Kram. Andererseits möchte ich auch nicht in der Situation sein, eine Familie zu haben und nicht zu wissen, wie ich sie ernähren soll. Heutzutage kann man ja froh sein, wenn man Arbeit hat, egal, wie die aussieht. Dessen sollte man sich immer bewusst sein. Auch, wenn man mal meckert über seinen Beruf. Das ist schon eine privilegierte Sache, dass man überhaupt etwas zu tun hat.

Können Sie mit Geld umgehen?
Ja, ich habe es im Laufe meines Lebens gelernt. In meiner Ehe habe ich es jetzt in weiten Teilen meiner Frau überlassen, damit zu hantieren. Alle sagen „Um Gottes Willen, wie kannst du das machen?“, aber ich habe Vertrauen zu ihr und sie macht das ganz gut. Sie ist Libanesin und die sind ja von Haus aus geschäftstüchtig. Sicher obliegt das auch alles meiner … nicht Kontrolle, aber sagen wir mal, meines Bewusstseins. Ich bekomme schon mit, was da gemacht wird und könnte da auch gegebenenfalls einschreiten. Aber sie macht das prima. Es bringt mir wenig Spaß, mit Geld umzugehen. Das ist so eine virtuelle Geschichte, Aktien kaufen und wieder verkaufen oder Geld anlegen. Deswegen bin ich auch kein Kaufmann geworden und habe die Firma meines Vaters übernommen, sondern bin eher ein Künstler und beschäftige mich lieber mit anderen Dingen. Ich finde, in einer Ehe sollte jeder das tun, was er am besten kann oder was er gerne mag und so handhaben wir das.

Ist man denn heutzutage als Künstler, gerade als Schauspieler, immer ein Getriebener, der sagt „Ich brauche diesen Film“, „Ich muss Geld verdienen“?
Ja, das sind wir doch alle. Wir wollen doch alle Geld verdienen. Aber in unserem Beruf war es immer etwas besonderes, weil es so wahnsinnig viele arbeitslose Schauspieler gibt. Und bestimmt auch viele gute. Es ist nicht unbedingt ein Zeichen, dass man nicht fähig ist, seinen Beruf auszuüben. Man muss auch ein bisschen Glück haben und in den entscheidenden Momenten an der richtigen Stelle sein, die richtigen Leute treffen, bei den richtigen Produktionen dabei sein. Natürlich sollte man dann auch in der Lage sein, sein Glück zu greifen. Und es sollten gewisse Voraussetzungen gegeben sein, also, dass man über ein gewisses Talent verfügt, Disziplin und solche Dinge. Aber letztlich ist diese Veranlagung genau so Glückssache.

Glauben Sie, dass Sie Ihren Kindern diese Haltung mit auf den Weg geben können?
Ja, zumindest gebe ich meinen Kindern mit, dass sie, wenn sie vorhaben, meinen Beruf zu ergreifen, gewisse Voraussetzungen erfüllen müssen, sonst haben sie es ganz schwer. Dazu gehört Leidenschaft und die Bereitschaft, auch mal durch Täler zu gehen und Dinge zu tun, die nicht so schön sind oder nicht so gut honoriert werden. Es gibt ja Kinder von Schauspielern, bei denen hat man das Gefühl, sie sind nur Schauspieler geworden, weil sie wussten, dass Papa viele Regisseure und Produzenten kennt. Die haben aber nicht das nötige Feuer in sich – und dann ist es schwer.

Sehen Sie bei Ihren Kindern schon Ambitionen in Richtung Schauspielerei?
Mein Sohn hat davon Abstand genommen. Er arbeitet jetzt bei der Teamworx, der Produktionsfirma, die diesen Film gemacht hat. Er macht dort einen sehr guten Job und wird demnächst Junior-Producer. Er war neun Monate auf einer sehr guten Filmhochschule in Los Angeles und hat das von der Pike auf gelernt. Er möchte Writing Producer werden, das ist eine neue Sparte, die so Sachen wie „24“ und diese neuen Formate machen, bei denen man sich fragt „Wie schaffen die es, mit so vielen unterschiedlichen Regisseuren und Autoren trotzdem einen Guss in diese Sache zu kriegen?“ Ich finde es gut, dass er gespürt hat, dass die Schauspielerei nicht so sein Ding ist – obwohl beide Elternteile von ihm Schauspieler sind. Aber meine siebenjährige Tochter hat neulich gesagt, dass sie gerne mal einen Film mit mir drehen möchte. Da führen wir jetzt auch schon die ersten Gespräche. Wenn man eine Begabung für diesen Beruf hat und das wirklich gerne macht und dahinter ist, dann ist das wunderschön. Aber das sollte eben auch alles der Fall sein.

Sie haben in Ihrem Leben „nichts ausgelassen“ – so auch der Titel Ihrer Biografie. Gibt es trotzdem etwas, das Sie gerne mal gemacht hätten oder gerne noch machen würden?
(überlegt) Na ja, da könnte man jetzt tausend Sachen anführen, Mondlandung und solche Dinge. Aber man muss ja oder sollte doch bescheiden bleiben. Ich habe viel erlebt in meinem Leben und bin dankbar, dass das alles so gelaufen ist. Wobei meine Karriere als Schauspieler nur ein Bruchteil dessen ist. Ich habe einfach ein sehr unterschiedliches Leben geführt, in verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, und das fand ich recht spannend. Im Moment bin ich eher froh, wenn ich von Abenteuern verschont bleibe.

Und was hätten Sie gerne ausgelassen? Ach ja, rückblickend würde ich natürlich viele Sachen anders machen. Aber dadurch, dass dann letztendlich alles zu dem geführt hat, wie es jetzt ist –  das Leben greift ja ineinander, wäre das eine nicht gewesen, wäre das andere wahrscheinlich nicht gekommen – muss man schon sagen, es ist recht gut gegangen. Alleine, das man noch lebt, bei den ganzen Sachen, die man angestellt hat, ist ja schon toll. (lacht)

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