Heino, Sie werden unglaublich oft fotografiert, gerade wieder. Gucken Sie manchmal aufs Display, um zu überprüfen: Wie sehe ich aus?
Heino: Nein, darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, ob ich auf einem Foto gut oder schlecht aussehe. Ich mache mir nur Gedanken darüber, ob die Musik, die ich produziere, ankommt oder nicht.
Sie sind nicht eitel?
Heino: Das schon. Doch ich würde nie bei einem Foto sagen, das gefällt mir nicht. So sehe ich eben aus, das kann ich nicht ändern. Natürlich würde ich gerne aussehen wie George Clooney – aber dann bitte in Blond!
Sie brauchen morgens angeblich eine Stunde im Bad.
Heino: Zähneputzen, dann wird rasiert, die Haare gemacht. Das dauert heute alles ein bisschen länger. Beim Rasieren muss ich gucken, dass ich mich nicht schneide. Wenn ich weiß, dass ich gleich fotografiert werde, muss ich Rouge auflegen.
Heino muss Heino sein.
Heino: Ich sehe ja immer so aus. Ich habe mich nie derart verändert, dass man mich nicht wiedererkennt.
Und was machen Sie, wenn Sie auf der Straße mal unerkannt bleiben wollen?
Heino: Nichts. Ich will ja erkannt werden und freue mich, da die Leute eigentlich immer sehr freundlich sind. Der Kontakt zu meinen Fans, generell zu allen Menschen, ist mir extrem wichtig. Ich würde auch nie in einem Lokal anrufen und sagen, ich komme da jetzt hin, aber bitte schirmt mich ab.
Es gibt Sie gar nicht inkognito?
Heino: Nein. Ich kann auch nicht ohne die Brille rausgehen. Selbst wenn, ich werde schon von hinten erkannt. Ich fühle mich trotzdem wohl in meiner Haut. Wenn ich jetzt hier durch Berlin gehe und keiner würde mich erkennen, niemand würde rufen „Heino, wie du wieder aussiehst!“ – ich glaube, ich wäre fast enttäuscht.
Es gab vor ein paar Jahren eine Zeit, da haben Sie das Haus seltener verlassen. Sie hatten eine Abschiedstournee gegeben, wollten kürzertreten. Das hat nicht funktioniert?
Heino: Ich bin nach einer Weile unangenehm geworden. Ich bin immer durch die Wohnung gelaufen und wusste nichts mit mir anzufangen.
Es gibt Bibliotheken voll mit Büchern …
Heino: … ich hatte mit Literatur sehr wenig zu tun. Musikliteratur vielleicht, aber sonst? Bücher lesen, das war alles nicht bei mir auf dem Plan. Man muss sich doch vorstellen: Ich war bis dahin Tag für Tag von morgens bis abends mit Musik unterwegs, immer irgendwo im Stress, im positiven Stress. Und plötzlich saß ich zu Hause und – da war nichts. Weil man in diesem Job ja auch keine Freunde hat.
Bei den Volksmusikanten sieht alles so nett aus, so freundschaftlich, man duzt sich.
Heino: Also, es haben zwar ein paar angerufen und mir zum Erfolg mit der neuen Platte gratuliert. Aber in Wirklichkeit sagen die sich doch „Dieser Drecksack, der hat so viel Erfolg, warum bin ich nicht auf die grandiose Idee gekommen?“
Neid!
Heino: Ja, natürlich. Das ist doch überall so.
Die Idee „Heino covert aktuelles Pop-Repertoire“ war wirklich äußerst erfolgreich. Waren Sie selbst von der Dimension überrascht?
Heino: Ich habe damit gerechnet. Nur nicht in dieser Größenordnung.
Nach fünf Jahrzehnten im Geschäft dürften Sie Erfahrung mit medialer Aufmerksamkeit haben.
Heino: Die Medien sind wichtig für uns, wenn die nicht mitspielen, dann kann ich mir ’nen Wolf singen, und es passiert nichts. Aber ich liefere nichts ab, was nicht identisch mit mir ist. Ich habe es nicht nötig, zu lügen oder drum herumzureden.
Wenn ich jetzt durch Berlin gehe und keiner würde mich erkennen, ich glaube, ich wäre fast enttäuscht.
Welche der Bands, die Sie auf dem Album „Mit freundlichen Grüßen“ covern, hatten Sie vorher schon mal live gesehen?
Heino: Keine. Das war ja für mich als Volksmusikant bis dato nicht so meine Welt.
Waren Sie nie auf einem Rockkonzert?
Heino: Nein, das hat sich nie ergeben. Wobei, warten Sie, die Hannelore ruft gerade herüber, dass wir mal bei Mick Jagger waren. Stimmt. Ich hatte ansonsten mit meinen eigenen Geschichten genug zu tun. Inzwischen habe ich Lunte gerochen. Was zum Beispiel bei Rammstein so alles mit Pyrotechnik passiert, ist gewaltig.
War es heiß auf der Bühne in Wacken?
Heino: Ja, sehr. Doch die Jungs waren so professionell, als wir das vorher probten, sagte der Till Lindemann: „Heino, auf der Bühne stehst du immer neben mir, und wenn ich einen Meter zurückgehe, dann gehst du auch schnell einen Meter zurück.“ Weil in dem Moment die heißen Fontänen rauskommen.
Trauen Sie sich, bei gewöhnlichen Volksmusikkonzerten Rammstein zu singen?
Heino: Im Herbst mache ich wieder Kirchenkonzerte. Und da haben selbst die Pastoren schon angefragt, ob ich denn auch was von dem neuen Album singe. Das ist für mich interessant, hier eine Brücke zu schlagen zwischen jung und alt, zumal in der Kirche, wo die Pastoren normalerweise ein bisschen zurückhaltend sind – was ja auch richtig ist. Aber wenn die schon anfragen …
… dann gibt es Rammstein in der Kirche?
Heino: Ja, „Hier kommt die Sonne“ kann man da schon singen. Der Text ist einwandfrei, die Melodie ist einwandfrei. Man darf nur nicht mit großen Orchestern arbeiten, sondern das muss so arrangiert werden, dass es für die Kirche passt. Mit Orgeln, einem Chor und einer Gitarre geht das wunderschön.
In Volksmusiksendungen wird gewöhnlich die heile Welt besungen. Wenn es da jetzt heißt: „Hier kommt Heino mit einem Lied von den Ärzten“ – passt das überhaupt zusammen?
Heino: Die von Florian Silbereisen ist ja die einzige volkstümliche Sendung, die es noch in dieser Form gibt. Denen bleibt nichts anderes übrig, als solche Lieder mit reinzunehmen. Von der CD könnte man im Prinzip jeden Titel für so eine Sendung nehmen, es ist nur eine Frage der Präsentation. Es geht heute alles, man muss es nur vernünftig machen.
Vor zehn Jahren allerdings sagten Sie, Ihre Botschaft sei es, „schöne Lieder zu singen“.
Heino: Man darf nicht mit einem Sturkopf durch die musikalische Gegend rennen. Wobei, „Sonne“ von Rammstein oder „Junge“ von den Ärzten, deren Thematik ist ja nichts Neues. Ich habe schon vor 40 Jahren „Die Sonne von Mexiko“ gesungen, Freddy Quinn sang 1963 „Junge komm bald wieder“. Die neuen Titel sind jetzt die Volkslieder der jungen Generation. Ich wusste nicht, was eine „Chill-out-Area“ ist, in dem Lied der Sportfreunde Stiller. Nun weiß ich das und singe es.
Sie singen auch den Song „Augen Auf“ der Band Oomph. Worum geht’s da eigentlich?
Heino: „Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein“ – das habe ich schon als Kind gespielt, wir haben uns alle in den Trümmern versteckt. Ein schönes Spiel, aber nichts Neues. Und das Lied kommt in den Konzerten sehr gut an.
Macht Sie die Zeile „Und ich höre deinen Atem und ich rieche deine Angst“ nicht misstrauisch?
Heino: Das ist die künstlerische Freiheit des Texters. Was er damit gemeint hat, weiß ich nicht. Ich wusste, dass es ein Hit war, die jungen Leute finden das toll. Die machen sich doch auch nicht den Kopf, was mit dem Text gemeint ist, ob da einer böse ist, oder so. Die wollen Spaß haben.
Sie sagten allerdings, dass Sie den ironischen Text des Ärzte-Songs „Junge“ ernst nehmen.
Heino: Weil es für mich ein ernstes Thema ist. Die Mutter bangt um ihren Sohn, der geht abends weg, nimmt Drogen, färbt sich die Haare, die Hose ist kaputt, das spiegelt doch die heutige Realität. Die Ärzte haben das mit ein bisschen Augenzwinkern gesungen, ich habe das als ernst gemeint verstanden.
Auch Westernhagens „Willenlos“ haben Sie im Repertoire: „Selbst im Büro, im Damenklo, habe ich sie geliebt, die Erika, die Barbara, erst recht die Marie“ und „Ich lutschte an ihren Zehen, war nicht in der Lage, ihr aus dem Wege zu geh’n“.
Heino: Also, ich gehe nicht davon aus, dass der Westernhagen auf der Toilette war und bei der Natascha am Zeh gelutscht hat. Klar habe ich früher andere Lieder gesungen, wenn ich das „Ave Maria“ singe, ist das eine andere Thematik. Aber hier will ich Party machen. Der Text ist ja nicht anrüchig.
Gab es das mal in Ihrer Biografie, so eine kleine Portion Rockerleben?
Heino: Nein. Es gab einige Kollegen, wenn die eine Hitparade gewonnen haben, sind die durchgedreht. Ich weiß noch, wenn wir beim Dieter-Thomas Heck waren, in Berlin, ging es danach noch in den Schweizer Hof, in die „Todeszelle“. Das war ein Ort, wo dann alle noch einen Absacker getrunken haben. Da war ich nie dabei. Weil ich mir immer gesagt habe: Das ist nicht meine Welt. Ich brauche das nicht, dass ich nach einem Erfolg ausschweife, verrückt spiele oder meine Gesundheit strapaziere. Deswegen bin ich auch noch so fit. Natürlich habe ich auch mal einen über den Durst getrunken. Aber die anderen sind bei Hitparaden-Erfolgen richtig abgedreht.
Und das Affären-Leben, das Westernhagen besingt …
Heino: … das gab es bei mir so nicht. Ich habe auch nie einer fremden Dame am Zeh gelutscht.
Wie haben Sie die 68er-Zeiten erlebt?
Heino: 1968 hatte ich schon meinen Weg eingeschlagen. Und in der Zeit bin ich viel beschimpft worden, von fast allen Musikern. Da kommt einer, der ist blond, hat blaue Augen, züchtet Schäferhunde – das muss ja ein ganz Schlimmer sein. Ich habe mich davon nicht beirren lassen. Ich hatte gerade einen Vertrag bei der Electrola bekommen, einen 10-Jahres-Vertrag, das war ungewöhnlich für jemanden, der Volkslieder singt. Das hab ich ernst genommen und bin fast wie ein Sportler gemanagt worden: trainieren, trainieren, singen und kein dummes Zeug reden.
Und die Proteste auf der Straße?
Heino: Das habe ich alles im Fernsehen verfolgt, aber da wollte ich mich nicht dran beteiligen. Gerade weil bereits so viel Unruhe war, so viel Hass in der Welt geschürt wurde, im Fernsehen hat man nur Elend, Mord und Totschlag gesehen. Meine Musik war kleine, heile Welt, und die produziere ich auch heute noch.
In den 80er Jahren haben Sie dem „Playboy“ erzählt, Sie hätten mit dem Kommunismus geliebäugelt. Ein Scherz?
Heino: Da ging es um die Zeit, als ich noch ein Junge war. Wir wohnten damals in Düsseldorf in einem Arbeiterviertel. Und immer wenn Wahlen waren, sah ich die Transparente der KPD. Und der Max Reimann war damals KPD-Führer. Auf den Transparenten stand „Weltkommunisten gegen die Kapitalisten“. Ich wusste gar nicht, was das war. Und ich weiß noch, wie ich meine Mutter fragte: „Wenn ich mal alt bin, kann ich dann auch KPD wählen?“ Sie hat natürlich „Nein“ gesagt.
Schon war es vorbei mit dem Kommunismus?
Heino: Ja, klar. Die Mutter war für mich die Bezugsperson, da habe ich drauf gehört. Allerdings, vor ein paar Jahren, da saß ich nachts an der Bar in einem tollen Hotel, nach einer Fernsehaufzeichnung, und da springt mich plötzlich von hinten einer an. Ich drehe mich um und sehe: Gregor Gysi. Der sagte zu mir „Ich habe gelesen, Sie waren früher Kommunist.“ Das habe ich natürlich verneint, ich war damals erst acht oder neun Jahre alt.
Sie haben in den 80ern auf Wahlkampfveranstaltungen der Konservativen gesungen.
Heino: Das stimmt nicht. Ich habe nie auf so einer Veranstaltung gesungen, ob das jetzt SPD oder CDU war. Da hat man mich benutzt, das war so wie heute bei den Toten Hosen, deren Lieder bei Wahlveranstaltungen gespielt werden. Dass die damit nicht einverstanden sind, kann ich verstehen. Das war ein Grundsatz von mir, dass ich nie für eine Partei singe.
Sie erwähnten Ihre Kindheit in den Trümmern des Nachkriegsdeutschlands, und in Ihrer Autobiografie steht der Satz: „Ich habe von klein auf gelernt, zu hungern.“
Heino: Meine Mutter war Kriegerwitwe, wir wurden evakuiert aus Großenhain bei Dresden, als ich sechs Jahre alt war. In Düsseldorf bin ich wieder neu eingeschult worden, und dann hat man gehungert. Ich bin bei meiner Oma groß geworden, weil meine Mutter gearbeitet hat. Wenn ich zu der sagte, „Oma, ich habe Hunger“, hat sie geantwortet, „Leck Salz, dann kriegst du Durst“. Es gab ja nichts. Wenn man so was heute erzählt, das glaubt einem keiner.
Wie hat Sie diese Zeit geprägt?
Heino: Ich bin genügsam und muss nicht alles haben. Ich könnte heute sagen: „Hannelore, wir setzen uns jetzt ins Flugzeug, fliegen irgendwo hin und machen uns ein schönes Wochenende“ – brauche ich nicht. Ich bin in Bad Münstereifel oder in Kitzbühel, da wie dort bin ich sehr zufrieden. Das Einzige, was ich mir gönne, wenn ich nicht zu Hause bin, ist ein gutes Hotel und eine anständige Suite. Ich will jetzt gemütlich sein, abends zusammensitzen bei einem Gläschen Rosé, lecker essen – das genügt mir.
Besitzen Sie ein Statussymbol?
Heino: Nö. Ich bin mit dem, was ich habe, zufrieden. Ich bin so fokussiert auf Hannelore, umgekehrt genauso – wir wollen einen schönen Lebensabend haben. Darauf arbeiten wir hin. Wir sind 37 Jahre zusammen, 35 Jahre verheiratet und immer noch sehr glücklich.
Sind Sie ein Romantiker?
Heino: Sehr. Wenn Sie mir ein Konzert am Sonntagabend anbieten, wird das schwierig. Weil ich sonntagabends mit meiner Frau Rosamunde Pilcher gucke oder Inga Lindström. Das ist für mich wunderschön, da sehe ich Landschaften, liebe Menschen, da bin ich glücklich. Dabei noch im Bett liegen, am Nachtkästchen ein schönes Gläschen Brunello – das ist dann ein schöner Abend.
Haben Sie noch ein besonderes Talent, von dem die Welt bisher nichts weiß?
Heino: Bis jetzt ist mir noch nichts aufgefallen.
Hausarbeit?
Heino: Ich kann zu Hause gar nichts, im Grunde genommen. Ich kann nicht kochen, ich bin im Haushalt gar nicht zu gebrauchen. Ich meine, können Sie sich das vorstellen, ich mit Schürze, und dann hinterm Ofen stehen?
Warum nicht?
Heino: Lieber nicht, das Essen würde ja nie fertig.
Zum Schluss: Ein Lied, das Sie in letzter Zeit berührt hat?
Heino: Ich habe neulich einen Titel gehört, „Lila Wolken“. Der hat mir sehr gut gefallen!
„Wir bleiben wach bis die Wolken wieder lila sind.“
Heino: Ja, das ist doch wunderschön. Mein Texter wird jetzt 90, der kann sich in diese Welt gar nicht mehr reindenken, aber wenn der jetzt 50 Jahre jünger wäre, dann könnte der sowas auch.
[Dieses Interview ist ebenfalls in „Der Tagesspiegel“ erschienen.]