Henning Wehland

Der Knoten ist geplatzt.

Sänger Henning Wehland (H-Blockx) über neue Medien, Computerfreaks im Fernsehen und natürlich über H-Blockx

Henning Wehland

© Maika Gregori

Henning, H-Blockx haben Crossover gemacht – Du machst jetzt Crossmedia… das musst Du uns mal genauer erzählen.
Wehland: H-Blockx haben ja dieses Jahr ihren 10. Geburtstag gefeiert. Wir haben mit der Band ziemlich viele Höhen und Tiefen durchgemacht und am Höhepunkt unserer musikalischen Karriere habe ich gedacht, dass das irgendwie noch nicht alles gewesen sein kann. Ich dachte, es gibt noch mehr, als nur jeden Tag auf der Bühne zu stehen und rumzukreischen. Also habe ich angefangen, mir alle möglichen Sachen auszudenken und zu machen, wie zum Beispiel Hörbücher einlesen. Ich habe viel Spaß daran gefunden, Konzepte für Fernsehsendungen zu schreiben. Meine Freundin Kira hatte mal eine Idee, die wir zusammen aufgegriffen und dann auch bei verschiedenen Fernsehsendern präsentiert haben. Diese Idee ist uns aber leider geklaut worden, und unter anderem Namen weiterpräsentiert worden. Das Konzept ist allerdings total gefloppt, weil die Leute überhaupt nicht wussten, wie es umzusetzen war.

Wie ging es dann weiter?
Wehland: Na ja – wir sind dann natürlich vorsichtiger geworden. Irgendwann hat mir dann Elmar Giglinger, damals noch Programmchef bei VIVA2, ein Konzept vorgestellt für eine Sendung, die hauptsächlich deutsche Bands fördern sollte. Dieses Konzept habe ich mit meiner jetzigen Produzentin entwickelt und ausgeführt. Das fing vor zwei Jahren unter dem Namen »Zone Zwei« an. Seit Anfang 2000 mache ich die Sendung, die jetzt »D-Tonal« heißt, zusammen mit Ferris MC, und mit DJ Coolmann von Fünf Sterne Deluxe. Damals habe ich also schon, neben der Musik, meine Fühler in andere Bereiche der Medien ausgestreckt, auch über Soundtracks, an denen wir beteiligt waren wie Bang Boom Bang. Wir haben das Medium Film ganz gut kennen gelernt und viele Kontakte knüpfen können. Ende des vorigen Jahres kam dann der große Knall. Wir sind über ein halbes Jahr lang in Amerika auf Tour gewesen, haben dort eine Plattenfirma gehabt, Videos gedreht, und es sollte richtig groß losgehen. Doch dann ist die Plattenfirma pleite gegangen, alles wurde zur großen Enttäuschung. Uns wurde klar, dass wir versuchen mussten, uns von allem zu trennen, was um uns herum war, wenn wir damit weitermachen wollten, womit wir eigentlich angefangen haben. Das haben wir halt auch getan, haben uns von unserem Management getrennt und sind zum Label Gun Records gewechselt. Zeitgleich hatte ich zusammen mit einem Freund, der Maler und Künstler ist, eine gute Idee für eine Fernsehsendung, die Fernsehen, Internet und Spielkonsolen miteinander verbindet.

Die Web Champs?
Wehland: Ja genau. Dieses Konzept haben wir zusammen mit einer Internetfirma, einer Werbeagentur, einem Fotostudio namens Dachboden Artists, und schließlich mit DachbodenCyberland ausgearbeitet. Alles ist versammelt in einem Altbau mitten in der Innenstadt von Münster. Und aufgrund dieses Konzeptes zu Web Champs habe ich einfach mal meine Kontakte zum Fernsehen spielen lassen.

…alles auf einem Dachboden?
Wehland: Ja, die Agentur ist in einem Dachboden untergebracht. Der Name suggeriert auch, dass es ein Ort ist, in dem leicht Ideen entstehen, oder in dem verstaubte Kostbarkeiten rumliegen, die man einfach nur ein bisschen polieren muss.

Zum Konzept. Die Leute sitzen zu Hause vor ihrer Spielkonsole und kommen über ihre Game-Erfolge irgendwie ins Fernsehen?
Wehland: Stell dir einfach vor, du hast deine Spielkonsole, die internetfähig ist, und du hast in irgendeinem Spiel ein bestimmtes Ergebnis erzielt. Normalerweise speicherst du dieses Ergebnis, wenn es gut gewesen ist, auf einer Memory-Card ab. Mit der Konsole kannst du dein Ergebnis dann auch per Knopfdruck gesichert ins Internet schicken, auf ein Portal, das wir dafür vorbereitet haben. Dort bekommst du eine sogenannte Gamer-Card, also eine Identität und kannst dich Crazy Racer, Dirty Jay oder sonst wie nennen. Gleichzeitig gestaltet die Redaktion dir eine kleine private Homepage, die du mit Informationen, sogar mit einem fiktiven, selbst-designten Lebenslauf aufpeppen kannst, so dass die Leute, die sich die Gamer-Cards ansehen, oder im Chat auf deinen Namen klicken, sehen, was für ein cooler Typ du bist. Wenn dich ein User total gut findet, kann er über einen Wildcard Button auf deiner Homepage dafür stimmen, dass du in die nächste Fernsehsendung kommst. Mit deinen Ergebnissen nimmst du also an einem Internet-Ranking teil und wenn du unter die besten drei eines solchen Rankings kommst, wirst du automatisch in die Show eingeladen. Dort fahren die Kandidaten dann zum Beispiel Rennen gegeneinander, fahren Skateboard oder spielen Eishockey gegeneinander. Zwei von denen können schließlich in die Liga der Top Acht aufsteigen. Das ist praktisch unser Big Brother Container. Das sind acht Leute, aus denen wir versuchen, Helden zu kreieren. Leute, die im Prinzip dann auch jeden Tag in der BRAVO stehen könnten, Leute, die die Kids halt sehen wollen, die Trends setzen können und natürlich auch besonders gut an ihrer Spielkonsole sind.

Dann kommt der Computerfreak ins Fernsehen! Will der das?
Wehland: Glaubst Du, dass er es nicht will?

Ich halte das nicht für selbstverständlich.
Wehland: Also – ich bin jetzt auch nicht der liebe Gott und kann nicht sagen, dass das erfolgreich sein wird, kann ja auch sein, dass die Leute sagen: "Ey, ich sitz lieber mit einem Joint im Gesicht vor meiner Playstation, und bin so schüchtern und zurückhaltend, ich stehe da gar nicht drauf." Aber die Statistiken, die wir aufgestellt haben, besagen ganz klar, dass unsere Zielgruppe eher extrovertiert ist. Und die Idee, dass ich durch Telespiel ins Fernsehen kommen und vielleicht sogar eine Berühmtheit wie Zlatko oder Jenny Elvers werden kann, finde ich schon ganz sexy.

Spielst Du selbst gern Spielkonsole?
Wehland: Na ja, wenn ich nicht mit meiner Freundin zusammen wäre, würde ich sicher wesentlich mehr spielen, als ich das momentan tue. Grundsätzlich begeistern mich die Telespiele auf eine gewisse Art und Weise, aber auch nicht so, dass ich jeden Tag spielen würde. Es ist so: Die Idee für Web Champs ist geboren in einem Coffeeshop in Holland…

Können wir das veröffentlichen?
Wehland: Ja klar. Die Idee ist also entstanden in einem Etablissement in Holland, in dem auch ein Fernseher lief und gerade eine Werbung für Playstation gezeigt wurde, in der ein Rallye-Auto eine Wüstenlandschaft entlang fährt. Da hat sich Thorsten, einer meiner Partner, gedacht: ‚Das ist ja cool – jetzt gibt es sogar schon eine virtuelle Sportschau‘. Hinterher haben wir dann gemerkt, dass es eigentlich nur eine Werbung war und haben uns gefragt, warum es so eine Show noch nicht gibt. Die erfolgreichsten Telespiele sind ja Competition Games wie Fußball, Eishockey, Skateboardfahren und so weiter. Und je länger ich darüber nachgedacht habe, umso besser fand ich das. Und nun ist das Konzept von Web Champs scheinbar so interessant, dass wir von der Adolf Grimme Akademie nach Berlin eingeladen wurden, um uns zu präsentieren.

Und ihr sitzt in Münster auf dem Dachboden mit eurer Agentur und erarbeitet solche Konzepte?
Wehland: Richtig. Es ist ein Joint Venture aus einer Kommunikations-Agentur namens Cynapsis, einer Werbeagentur namens Dachboden und meiner Wenigkeit. Häufig schwirren heutzutage Begriffe wie Crossmedia und Konvergenz durch die Medienwelt. Ich habe das Gefühl, dass keiner genau weiß, wie diese Begriffe definiert werden sollen und dass auch eine große Unsicherheit auf Seiten der Industrie besteht, was dieses Internet überhaupt für sie zu bedeuten hat. Der Konsequenzen ist sich niemand bewusst. Und genau das machen wir uns zunutze, in dem wir sagen, wir befinden uns heute wirklich in einer Art virtuellem Wilden Westen. Und wir müssen einfach nur verrückte Ideen haben, damit können wir sicher bei Leuten landen. Unsere Ideen haben sich innerhalb der letzten zwölf Monate konkretisiert, und wir haben mittlerweile eine genaue Geschäftsidee.

Agenturen im Bereich der neuen Medien gibt es ja nun reichlich. Internet-Agenturen, Kommunikations-Agenturen – die sprießen nur so aus dem Boden.
Wehland: Ja, leider Gottes.

Wie behaltet Ihr da Oberwasser?
Wehland: Über Wasser gehalten werden wir zunächst mal durch den eigenen Willen. Außerdem glauben wir an die Sache und daran, dass unser Konzept irgendwann erfolgreich sein wird und wir uns refinanzieren können. Aber hauptsächlich natürlich durch die Werbe-Agentur, und durch die Kommunikations-Agentur, die uns gewisse Ressourcen zur Verfügung stellen, wie Arbeitsplätze, Arbeitskräfte, Computer, Telefone, Reisekosten.

Im Internet herrscht reger Ideenklau, da sich nichts patentieren lässt und Eure Idee(n) könnte(n) genauso geklaut werden.
Wehland: Stimmt. Aber das Internet ist ja nur ein kleiner Teil unserer Konzeption. Es gibt eine Schöpfungshöhe. Das heißt, du musst dich zunächst abheben von dem was da ist. Das muss konkretisiert werden, am besten mit schriftlichen Konzepten. Du musst für alle Medien, in denen du dein Konzept darstellen willst, einen Piloten herstellen oder eben ein Portal im Internet. So, dass die Leute sehen, dass du genau weißt, wo du hin willst. Mit diesem Fahrplan musst du so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit gehen. Dann wird es schwierig sein, deine Ideen zu klauen, selbst im Internet. Ich sehe außerdem den größten Fehler, den die meisten Menschen machen, darin, dass sie glauben, das Internet alleine würde die Medienwelt revolutionieren. Die meisten Leute verstehen Konvergenz in der Form, dass alle konventionellen Medien aufs Internet konvergiert werden. Das halte ich für absoluten Schwachsinn. Ich glaube nach wie vor, dass das Fernsehen das Medium par excellence sein wird, mindestens noch die nächsten fünf bis zehn Jahre. Wir glauben daran, dass es viele verschiedene Medien gibt, die auch alle auf ihre eigene Art und Weise frequentiert werden. Die verschiedenen Features nutzen wir, indem wir versuchen, Inhalte zu finden, die durch verschiedene Medien darstellbar sind. So übertragen wir die Inhalte auf eine bestimmte Zielgruppe.

Wie bringst Du Dachboden unter einen Hut mit H-Blockx?
Wehland: Da schließt sich der Kreis. Wir versuchen, Medien zusammenzufassen. Und wir verstehen Medien nicht nur im klassischen Sinne. Für uns ist ein Event, eine Party, Musik, ein Café auch ein Medium – Medien, die Kommunikation schaffen. Da war es ganz passend, dass innerhalb dieses Gebäudekomplexes, in dem diese Firmen sitzen, von denen ich gerade gesprochen habe, ein Büro frei wurde. Also haben unser Gitarrist Tinte und ich uns gesagt: ‚Wir setzen uns da einfach rein.‘ Da wir den Konvergenzteil Musik anbieten können, schaffen wir Kontakte und versuchen, Verbindungen zu erreichen. Wir sind Fachleute für diejenigen, die daran interessiert sind, mit Musik ihre eigenen Ideen zu verwerten.

Wie fühlst Du Dich in dieser Branche? Du hast als Musiker mit Rockern zusammengearbeitet und jetzt sind das doch vornehmlich Business People.
Wehland: Nee, überhaupt nicht. Ich habe vorhin von den Möglichkeiten gesprochen, die durch das Internet entstanden sind. In allen Bereichen. Wer hätte zum Beispiel vor drei Jahren gedacht, dass Hans Meiser wegen Erfolglosigkeit abgesetzt wird? Damals dachte ja jeder: ‚Das ist die Zukunft des deutschen Fernsehens‘ – letzten Endes sorgt das Internet auch dafür, dass solche Ideen wie Big Brother möglich sind. Aber die Unsicherheit ist sehr groß. Das heißt, die Leute, die was zu sagen haben – bei Fernsehsendern, Radiostationen, großen Verlagen, oder halt auch im Internet – die brauchen Cowboys, die ihnen verrückte und kreative Ideen liefern. Und deshalb wirst du erstaunt sein, wie viele Rock’n’Roller sich in dem Geschäft rumtreiben. Einer der Ideengeber bei MME zum Beispiel ist Kai Hawaii von Extrabreit.

Ist die kreative Idee alles? Komme ich im Internet und in den konvergierenden Medien ohne ‚Business‘ aus, und ohne viel Geld?
Wehland: Nein, sicher nicht. Der Part muss nach wie vor erfüllt werden. Aber früher war es so, dass Ideen einfach nicht erhört wurden. Das führte zu einer Verflachung unserer Entertainment Kultur. In den achtziger Jahren ist der schlechte Geschmack entstanden und in den Neunzigern hat sich diese Entwicklung so verstärkt, dass die Leute wirklich aufgehört haben zu denken und sich nur noch haben berieseln lassen. Und da ist der Knoten jetzt geplatzt, glaube ich, so dass die Leute auch sagen: ‚Wir wollen wieder ein bisschen Tiefe.‘ Das heißt, die Leute, die das Geld haben, sind gezwungen, der Basis wieder zuzuhören.

Noch mal zum Beispiel Big Brother. Es gibt Meinungen, die auch eine gewisse Tiefe in Big Brother sehen. Zum Beispiel hat Wigald Boning erzählt, dass er es eigentlich gut findet, dass einmal nicht nur die Moderatoren und Künstler im Fernsehen sind, sondern die Leute von nebenan.
Wehland: Das ist ein zweischneidiges Schwert. Ich persönlich finde Big Brother total zum Kotzen. Die erste Serie fand ich noch ganz lustig, weil die Leute im Container nicht wussten, was für einen Hype sie kreieren. Aber mittlerweile kennen die Leute das Prinzip und verhalten sich dementsprechend. Aber du merkst, was Konzepte wert sind. RTL2 hat 50 Millionen Mark an Endemol bezahlt für dieses Konzept. 50 Millionen Mark! Wo alle gesagt haben: ‚Das ist doch der letzte Schwachsinn, das ist stinklangweilig, das will keiner sehen.‘ Und alle haben die ganze Sache schon abgeblasen, als die ersten Zuschauerzahlen irgendwie um die 1,2 Millionen lagen. Und als dann das erste Mal zwei miteinander ins Bett gestiegen sind, … hier der… wie heißt der Penner… –

[Pause]

Alex?
Wehland: Hieß der Alex? Na ist ja auch scheißegal, jedenfalls…-

Harry!
Wehland: Nein, Alex und Kerstin waren das. Da schnellten die Zuschauerzahlen plötzlich hoch und alle haben gesagt: ‚Big Brother, das ist die neue Generation.‘ Aber eigentlich hatten es alle abgeschrieben, keiner hat wirklich an den Erfolg geglaubt. Und als vom kleinen Programmleiter bis hin zum Programmchef die Leute düpiert wurden, da haben sie plötzlich gesagt: ‚Wir müssen auch so was wie Big Brother haben‘. Plötzlich wurde es kopiert, da merkten sie, dass man aus dem Nichts einen Megaerfolg zaubern kann. Und deshalb, glaube ich, ist es wichtig, dass es diese Cowboys gibt, von denen ich grad gesprochen habe, diese Kreativ-Rock’n’Roller. Die dürfen natürlich nicht nur die Einstellung haben ‚Sex, Drugs, and Rock’n’Roll‘, sondern müssen auch wissen, was sie mit ihrer Kreativität anfangen, wie sie die präsentieren – und vor allem, wie sie jemanden, der Geld hat, dazu bringen können, dieses Geld auch auszugeben. Für mich persönlich ist das sehr spannend. Und ich mag es auch, mich selbst zu verkaufen, das gehört eben dazu für den Frontmann einer Band wie H-Blockx.

In welche Richtung wird es mit den H-Blockx gehen?
Wehland: Wir schauen jetzt auf zehn Jahre Bandgeschichte zurück. Wir haben damals mit »Time To Move«, unserer ersten Platte, einen Stein ins Rollen gebracht, haben mittlerweile weit über hundert Songs geschrieben, und stehen kurz vor der Veröffentlichung der fünften Platte. Mit der würden wir gern zurückblicken wollen, auf das, was wir gemacht haben. Also die Dinge, die wir als unsere größten Stärken sehen, wollen wir zusammenfassen und auf eine Platte bringen. Etwas richtig Neues machen kann man nicht mehr. Die Einzige, die das mit einer Kontinuität geschafft hat, wie ich es kein zweites Mal erlebt habe, ist Madonna, die sich wirklich mit jeder Platte selbst neu erfindet.

Eher die Produzenten.
Wehland: Ja, aber: Sie schreibt sehr gute Songs, hat ein super Gespür für gute Lieder, singt gut und kann sich perfekt verkaufen. Heutzutage machen viele Leute den Fehler, bei der ganzen Konkurrenz zu meinen, dass sie alles noch selber könnten. Lenny Kravitz kann das vielleicht. Aber ich kenne keine einzige deutsche Band, außer den Ärzten und den Toten Hosen, die sich komplett selbst organisiert.

Was hat sich in diesen zehn Jahren verändert in der deutschen Musikszene?
Wehland: Hm… ich glaube, dass vor zehn Jahren etwas angefangen hat, das jetzt logisch weitergeführt wird. – Die Fantastischen Vier haben zusammen mit Selig einen gewissen Grundstein gelegt, die Musikszene sehr stark zu verändern. An dieser Entwicklung haben die H-Blockx sicher auch einen gewissen Anteil, zusammen mit Such A Surge. Deutscher Hip Hop oder – im weitesten Sinne – Grunge oder Rock’n’Roll mit deutschen Texten, oder eben eine deutsche Band, die harte Musik macht, die nicht radiokompatibel ist, mit englischen Texten – das alles waren Sachen, von denen kein Plattenboss gedacht hätte, dass man so etwas verkaufen kann. Aber es hat geklappt. Gerade beim Crossover ist die Entwicklung interessant. Während in Amerika noch alle vom Grunge geredet haben, feierten in Deutschland und in Europa schon Bands wie Dog Eat Dog, wie Biohazard, H-Blockx, Suge A Surge… einen Riesenerfolg.

Findest Du den Begriff Crossover passend?
Wehland: Ja. Grundsätzlich schon. Der kommt ja jetzt rüber nach Amerika. Bands wie Limp Bizkit zum Beispiel, die da in Amerika abgefeiert werden, weil sie ‚das neue Ding‘ erfunden haben – um das mal provokant zu sagen – die machen im Prinzip auch nichts anderes als das, was wir vor zehn Jahren angefangen haben. Oder zum Beispiel eine Band wie die Freaky Fucking Weirdos, das sind Leute, die haben damals mit Songs wie »Sticky Weed« wirklich diesen Weg bereitet. Kurz bevor die Guano Apes rauskamen, wurde gesagt: ‚Crossover ist tot‘. Und uns wurde nachgesagt, wir hätten den Crossover kaputtgemacht – na ja, ich wage ja immer noch zu behaupten, dass wir diejenigen gewesen sind, die den Begriff Crossover überhaupt erst in den Mund genommen haben in Deutschland.

Und wie habt Ihr den damals definiert?
Wehland: Als wir unsere ersten Konzerte gespielt haben, hieß es Funk-Rap-Core. Die Funkmusik von den Red Hot Chili Peppers, weil wir damals noch viel mit Slap-Bass gemacht haben. Rap, weil ich halt nicht singen konnte. Und Core von Hardcore, von der Härte, die unser zweiter Sänger Dave mit reingebracht hat. Bis jemand mal gesagt hat: ‚Ihr vermischt zu viele Stile‘. Und da hat unser damaliger Trommler Mason gesagt: Ja, das ist so eine Art Crossover.

Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Comicfigur bist Du?
Wehland: [Lacht] Ist ’ne gute Frage. Also… ich glaube, Donald Duck würde ich sein. Der Typ ist faul wie Scheiße, muss aber nie von der Sozialhilfe leben – wie kommt das? Ich meine – irgendwie klappt das bei dem immer. Irgendwie ist er auch immer der Gute. Er ist in jeder Folge so etwas wie der tragische Held. Ich sehe das bei mir ähnlich. Ich habe extrem viel Glück im Leben gehabt und weiß nicht ganz genau, womit ich das verdient habe. Es gibt ja viele andere um Donald herum, die gut aussehen, wie Gustav Gans und Dagobert Duck oder die tolle Daisy. Aber eigentlich sind das Figuren, die irgendwie jeder im Comic scheiße findet, und letzten Endes hält man doch immer zu Donald.

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