Holger Klein

Ich bin hinter dem Mikrofon selbstbewusster als im täglichen Leben.

Radiomoderator Holger Klein über den Start des neuen ARD-Hörertalks „LateLine“, seine Neugier auf Geschichten und warum er sich auf Studiogäste so gut wie nie vorbereitet

Holger Klein

© HR/Benjamin Knabe

Holger, am 12. April startet die „LateLine“, eine Hörertalk-Sendung speziell für jugendliche Hörer, die auf sieben ARD-Jugendwellen jeweils von montags bis donnerstags zwischen 23 und 1 Uhr gleichzeitig ausgestrahlt wird. Ist der Start dieser Sendung nicht sehr mutig?
Klein: Inwiefern?

Pauschalisierend wird regelmäßig behauptet, Radionutzer wollten ausschließlich Musik hören und seien nicht in der Lage, über einen längeren Zeitraum konzentriert zuzuhören.
Klein: Ja, insofern ist es ein mutiger Schritt. Massenmedien – und das sagt ja schon der Name – sind darauf ausgerichtet und haben ein Interesse daran, möglichst viele Menschen zu erreichen. Sie haben Angst davor, etwas zu machen, was in irgendeiner Form auffällig ist und Menschen dazu bringt, einen anderen Sender zu hören, eine andere Zeitung zu lesen oder im Fernsehen eine andere Sendung zu gucken. So gesehen ist der Start der „LateLine“ durchaus mutig, weil bei dieser Sendung abwechselnd vier Moderatoren im Studio stehen, die nicht nur gefällig und freundlich zu jedem Anrufer sein, sondern auch eine eigene Meinung vertreten werden. Zwei Stunden wird das Programm jeden Abend fast nur aus Gesprächen bestehen – was durchaus einen Abschaltimpuls für die Hörer darstellen kann und solche Abschaltimpulse fürchten die modernen audio-visuellen Massenmedien natürlich wie der Teufel das Weihwasser.

Bereits seit 1999 bist du als Moderator eine feste Größe im deutschen Radiotalk, neben der „LateLine“ bist du jeden Montagabend von 22 bis 24 Uhr im „Blue Moon“ auf „Fritz“ zu hören. Was fasziniert dich am Format Hörertalk?
Klein: Dass da geredet wird. Ich selbst drehe das Radio leiser, wenn Musik läuft, schon immer. Ich will Radio haben, das mir Geschichten erzählt – und dabei ist mir auch erst einmal vollkommen egal, was für Geschichten es sind. Daher höre ich zum Beispiel auch sehr gerne Deutschlandfunk, weil dieser Sender gerade in der Kulturberichterstattung manchmal so abwegige Sachen präsentiert, dass ich oftmals mit offenem Mund vor dem Radio sitze und denke: „Woah, das gibt es auch auf der Welt?!“ (lacht)

Und das passiert dir bei Musik nicht?
Klein: Nein, das liegt aber wahrscheinlich auch am Alter. Als ich jung war, fand ich Musik natürlich noch spannend, mittlerweile passiert es mir jedoch nur noch ganz selten, dass ich ein aufregendes Lied entdecke. Mich fasziniert am Radio, dass es Geschichten erzählt und dass ich beim Hören vor allem mein Gehirn benutzen kann; dazu werde ich geradezu gezwungen, weil ich ansonsten den Faden verliere. Wenn ich hingegen Fernsehen schaue, dann benutzt das Fernsehen mein Gehirn, aber ich selbst mache mit meinem Kopf überhaupt nichts mehr. Das nervt mich. Wenn ich allerdings eine Stunde Radio höre und mir wird etwas erzählt, habe ich hinterher immer einen Gewinn.

Sieben ARD-Hörfunkwellen sind an der „LateLine“ beteiligt. Bei welchem Sender innerhalb der ARD liegt die Federführung für die Sendung?
Klein: Die Koordination liegt beim Hessischen Rundfunk (hr) in Frankfurt am Main. Dazu muss man auch wirklich einmal sagen: wer die ARD nicht kennt, hat immer den Eindruck, als würde diese Anstalt als ein geschlossenes, homogenes Gebilde existieren und handeln, doch dem ist nicht so. Die ARD ist hochgradig heterogen, durchsetzt von Befindlichkeiten und es ist fast unmöglich, auch nur zwei Anstalten dazu zu bewegen, ein Projekt gemeinsam zu verwirklichen. Jan Weyrauch, der Programmleiter von „You FM“, der jungen Hörfunkwelle des hr, hat es nun geschafft, gleich sieben Anstalten an einen Tisch zu setzen. Das ist eine faszinierende und fast übermenschliche Leistung, die er damit vollbracht hat. Das Besondere an der „LateLine“ ist, dass es eine zweistündige Sendung ist, die live, regelmäßig und vor allem gleichzeitig auf allen sieben beteiligten Sendern ausgestrahlt wird. Das hat es in der Geschichte der ARD meines Wissens bislang noch nicht gegeben.

Werden alle Sendungen aus dem hr-Funkhaus in Frankfurt am Main gesendet?
Klein: Nein. Jens-Uwe Krause sendet montags aus Bremen, ich sende dienstags aus Frankfurt/Main, Caro Korneli mittwochs aus Berlin und Jan Böhmermann donnerstags aus Köln. Alle Sendungen laufen aber zentral beim Hessischen Rundfunk zusammen.

Jede Ausgabe der „LateLine“ wird ein bestimmtes Thema behandeln. Wie frei bist du in der Themenwahl?
Klein: Ich muss jedes einzelne Thema mit der Redaktion absprechen, wobei ich bei „Fritz“ wesentlich mehr Freiheiten in der Gestaltung der Themen habe und auch in der Frage, wen ich mir ins Studio einlade. Es kommt allerdings auch nur extrem selten vor, dass ein Thema abgelehnt wird. Dass es regelrecht abgebügelt wird, ist mir noch nie passiert. Dass es Argumente gegen ein bestimmtes Thema gibt, die ich nachvollziehen kann, das gibt es schon, allerdings bisher auch erst ein Mal.

Kommt auch manchmal die Redaktion mit Themenvorschlägen auf dich zu?
Klein: Ja, das passiert auch. Ich rufe vor Sendungen ohnehin gerne bei der Redaktion an und erkundige mich, ob im Tagesprogramm ein bestimmtes Thema schwerpunktmäßig behandelt wird. Denn: Wenn der Sender tagsüber ein Thema im Programm hat, das ich abends aufgreifen kann, kann ich die Kollegen bitten, dass sie im Tagesprogramm darauf hinweisen, dass das Thema auch in meiner Sendung behandelt wird. So ein Teasing drückt sich direkt in den Anruferzahlen aus – gibt es im Tagesprogramm einen Hinweis auf mein Thema am Abend, habe ich sofort mehr Anrufer.

Du hast einmal erzählt, dass du deine erste Begegnung mit dem Radio in deiner Kindheit während eines Fernsehverbots hattest und dass dich das Medium seitdem fasziniert. Gibt es Radiovorbilder aus deiner Jugendzeit?
Klein: Alan Bangs vom WDR oder Elmar Hörig vom damaligen SWF 3 sind sicherlich Namen, die ich nie vergessen werde. Allerdings bleiben mir generell nur ganz wenige Moderatorennamen im Gedächtnis hängen, das ist bis heute so. Ich höre extrem viel Radio, aber ich kenne trotzdem die Namen der meisten Moderatoren nicht. Damit ich mich an jemanden erinnere, muss er schon ganz außergewöhnlich sein. Ich bin auch der Meinung, dass es eigentlich egal ist, wer eine Sendung macht – wichtig ist, wie er sie macht.

Erinnerst du dich zumindest an bestimmte Sendungen?
Klein: Auf Radio RPR gab es eine Sendung, die „Maximal“ hieß und in der freitagabends ausschließlich Maxi-Singles gespielt wurden. Das war cool, denn das hat sich zur damaligen Zeit kaum ein anderer Sender getraut. Moderiert wurde die Sendung von Tillmann Uhrmacher und Bob Murawka – das waren die ersten beiden Menschen, die ich im Privatradio wahrgenommen habe, als Privatradio noch gut war. Beim WDR gab es dann noch eine Sendung, die alle zwei Wochen montagabends lief, die hieß „Graffiti“ und ich habe bis heute nicht die leiseste Ahnung, was die eigentlich sollte. Die meisten Sendungen haben bekanntlich irgendeine Grundidee, aber „Graffiti“ hatte als Idee wohl wirklich nur, ausschließlich die abwegigsten Platten zu spielen, die man irgendwo finden konnte. Es gibt nur ein Lied, an das ich mich erinnere: „Der Mond ist aufgegangen“, das bekannte Volkslied, gesungen von den Mitgliedern eines Schwimmvereins – und genau so hat das auch geklungen (lacht). Das haben die ernsthaft gespielt.

Gab es auch Wortformate, die du damals schon mochtest?
Klein: Ja, auf WDR 1 gab es eine Sendung, die immer um 15 Uhr gesendet wurde: „Riff – Der Wellenbrecher“. Das war richtig anstrengendes Radio für junge Leute, wo man wirklich zuhören und denken musste. Das war auch cool. Das waren eben die Achtzigerjahre, da war Radio noch nicht so plattgelutscht und durchformatiert wie heute. Da wusstest du vorher nicht, was dich erwartet. Heutzutage weiß man beim Radio ja meistens, was einen erwartet – abgesehen von einigen ganz wenigen Sendern.

Gibt es denn heute Sendungen, die du privat regelmäßig hörst?
Klein: Ich habe ein paar Sachen als Podcast abonniert – zum Beispiel die SWR 2-Sendung „Aula“, die finde ich wirklich ganz, ganz toll. In dieser Sendung ist jeweils ein Wissenschaftler zu hören, der einen Vortrag zu einem bestimmten Thema aus seinem Fachgebiet hält. Das finde ich wirklich cool, weil ich einfach auch Wissenschaft cool finde. Davon höre ich mir fast jede Ausgabe an – selbst wenn ein Thema behandelt wird, das mich nicht interessiert. Ich mag es aber auch, Sachen kennenzulernen, die ich noch nicht kenne.

Radiomoderatoren werden immer wieder gefragt, wie sie eigentlich zum Radio gekommen sind. Wie war es bei dir? Du bist ja nicht gleich nach dem Abitur in die Medienbranche eingestiegen.
Klein: Himmel, nein! Nach dem Abitur habe ich in Köln angefangen, Volkswirtschaftslehre zu studieren und bin dann – wie es so ist – über eine Verkettung seltsamer Umstände zum Film und Ende der Neunzigerjahre schließlich zum Radio gekommen. Ich habe neben dem Studium für einen Kurierdienst gearbeitet; das war einer der absurdesten Jobs, die ich je hatte. Ich bin mit einem kleinen Kastenlieferwagen zu einem Rechenzentrum gefahren, habe dort große, verschlossene Koffer mit Kontoauszügen und Buchungslisten ausgehändigt bekommen und musste diese nachts zu den verschiedenen Volksbanken und Raiffeisenbanken in der Eifel bringen.

Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Klein: Ich habe mich schon damals, 1992, gefragt, warum die Unterlagen nicht digital übermittelt wurden. Jedenfalls fand ich den Job irgendwie doof und ein Freund von mir meinte damals: „Ich kenne da ein Mädel, das arbeitet beim Film, die suchen da auch immer Produktionsfahrer und die kann man ja mal fragen.“ Das hat dann tatsächlich geklappt, ich habe beim Film als Produktionsfahrer angefangen und habe mir eingebildet, ich könnte nebenbei das Studium weitermachen, was natürlich nicht ging – zumal die erste Produktion, bei der ich als Fahrer dabei war, mit 16-Stunden-Tagen wirklich die krasseste war, die ich erlebt habe. Allerdings habe ich relativ zügig festgestellt, dass ich trotz der langen Tage und des wenigen Schlafs glücklich war. Also entschied ich mich nach dem Motto „Studieren kannste später noch“, den Job weiterzumachen. Das ist jetzt 18 Jahre her.

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Wenn ich eine Stunde Radio höre und mir wird etwas erzählt, habe ich hinterher immer einen Gewinn.

Holger Klein

Vor ein paar Jahren hast du an der Fernuniversität Hagen tatsächlich erneut ein Studium aufgenommen. Bist du immer noch dabei?
Klein: Nein, ich habe es zeitlich einfach nicht geschafft. Ich habe nicht die Muse gefunden, kontinuierlich dabei zu bleiben. Durch meinen Beruf bin ich mal in Berlin, mal in Frankfurt, vertrete mal eine Kollegin am Freitag oder einen Kollegen am Sonntag. Durch diese Unstetigkeit ist es mir nicht gelungen, mir ein Fenster von zumindest 15 Stunden in der Woche zu schaffen, in dem ich alles lernen konnte. Leider. Ich finde es immer noch schade.

Du hast in verschiedenen Berufen – zunächst als Produktionsfahrer, dann als Erster Aufnahmeleiter bei verschiedenen Fernsehserien, jetzt als Radiomoderator – gearbeitet und hast somit auch verschiedene Typen von Menschen kennengelernt. Ist dies ein Vorteil, um sich in Sendungen in andere Menschen hineinversetzen zu können?
Klein: Vermutlich, wobei ich schon damals beim Fernsehen festgestellt habe, dass ich egal, mit wem ich spreche und egal, mit welcher sozialen Schicht ich es zu tun habe, immer in der Lage bin, einigermaßen die Sprache meines Gegenübers zu sprechen. Ich bin in der Lage, sowohl mit einem Aristokraten so zu sprechen, dass er mich versteht, als auch mit Menschen vom anderen Ende der sozialen Treppe. Vielleicht ist es sogar eher andersherum: Dass mich dieses Talent dazu befähigt, solche Sendungen zu machen wie ich sie heute mache.  

Wenn man deine Sendungen hört, bemerkt man schnell deine große Neugier auf Menschen.
Klein: Es ist mehr eine Neugier auf Geschichten.

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, noch einen Schritt weiterzugehen und deine Neugier auf Geschichten beispielsweise in Features oder Reportagen umzusetzen?
Klein: Nein, ich bin auch gar nicht so gut, wenn ich mir vorher überlege, welche Geschichte ich erzählen will. Am besten funktioniert es, wenn ich vorher nicht weiß, welche Geschichte mir als nächstes über den Weg läuft – und da ist natürlich eine Radiosendung ohne feststehendes Thema das Angenehmste, da ich mich immer wieder auf neue Ideen einlassen muss. Ich finde es schön, Geschichten unmittelbar von Leuten erzählt zu bekommen und unmittelbar darauf einzugehen.

Bei deinen Sendungen musst du schnell reagieren, immer wieder neu auf die Äußerungen der Hörer eingehen. Konntest du das schon immer oder hast du diese Schlagfertigkeit erst mit der Zeit erlernt?
Klein: Das ist eine gute Frage, ich weiß es gar nicht. Ich war schon immer schnell, aber ernsthaft schlagfertig bin ich eigentlich gar nicht. Bei Frotzeleien bin ich grundsätzlich derjenige, der verliert. Allerdings bin ich offensichtlich in der Lage, Gehörtes schnell zu verarbeiten.

Wie bereitest du dich auf deine Sendungen vor?
Klein: Indem ich lese und spazieren gehe. Wenn ich mal zwei Wochen in der Bude gehockt habe, weil ich zu faul oder krank war, merke ich, dass mir die Geschichten ausgehen. Das finde ich selbst interessant. Ich laufe einfach herum, gucke, sehe irgendwas – und darüber kann ich dann in den Sendungen sprechen. Ein Kollege meinte einmal, meine Sendungsvorbereitung würde aus „Social Studies“ bestehen. Ich finde, das klingt gut (lacht).

Aber auf Studiogäste bereitest du dich doch speziell vor?
Klein: Nein, so gut wie nie, weil ich sie und das Thema, zu dem ich sie eingeladen habe, gerne während der laufenden Sendung kennenlerne. Ich bilde mir ein, dass dieses Vorgehen für die Hörer wesentlich interessanter ist. Ich beginne nicht gleich mit irgendwelchen Fachfragen, sondern stelle zum Kennenlernen zunächst ähnliche Fragen, wie sie wahrscheinlich auch die Hörer zuhause am Radio stellen würden.

Wenn man deine Sendungen über einen langen Zeitraum hört, hat man bisweilen den Eindruck, dich richtig gut zu kennen, du wirkst authentisch und ehrlich. Bist du hinter dem Mikrofon trotzdem ein anderer Holger Klein als im wirklichen Leben?
Klein: Ja, natürlich. Meine Ängste lasse ich bei den Sendungen zuhause, die haben da nicht wirklich etwas zu suchen. Es sind ja auch die Ängste, die einen Menschen bestimmen. Aber ansonsten ist es schon ein sehr großer Teil meiner Persönlichkeit, der da sendet.

Gibt es Themen, die du niemals im Radio behandeln würdest?
Klein: Nein. Es passiert öfter mal, dass ich sage: „Dieses Thema ist jetzt gerade kein Thema“, wenn zum Beispiel die Redaktion etwas vorschlägt. Es gibt allerdings Themen, die ich nicht so gut kann – das ist alles, was mit Emotionen und Liebe zu tun hat. Ich würde das gerne können, aber da kippe ich dann viel zu sehr in eine vernunftbasierte Haltung. Wenn eine Frau klagt „Er hat mich drei Mal betrogen“ – dann bin ich eben nicht derjenige, der sagt „Du Ärmste“, sondern „Dann schick ihn doch in den Wind.“ Dafür bin ich vielleicht ein bisschen zu wenig einfühlsam. Aber grundsätzlich würde ich jedes Thema machen. Rechtsradikalismus ist ein Gegenstand, bei dem ich zunehmend das Gefühl habe, dass ich darauf keine Lust mehr habe. Ich rede mir zu diesem Thema seit zehn Jahren den Mund fusslig und es ändert sich trotzdem nichts. Behandeln würde ich es freilich trotzdem. 

Du arbeitest nachts. Merkst du, dass dieses regelmäßige Arbeiten zu Zeiten, zu denen andere ins Bett gehen und schlafen, an deinen Kräften zehrt?
Klein: Die Arbeit in der Nacht finde ich nicht so schlimm, vielmehr zehrt das Pendeln an meinen Kräften, da ich ja sowohl in Berlin, als auch in Frankfurt am Main lebe und arbeite. Mindestens acht Stunden in der Woche verbringe ich in ICE-Zügen. Was ebenfalls an meinen Kräften zehrt, aber eher psychisch, ist, dass ich nach der Arbeit nicht mehr mit irgendwem ein Bier trinken gehen kann, weil es dann eben schon so spät ist.

Über deinen Beruf hast du einmal gesagt: „Mein großes Problem ist, dass ich genau das mache, was ich machen will. Tragisch eigentlich, denn es kann nicht mehr besser werden.“
Klein: Ja, Katastrophe. Das ist die kleine Sorge, die ich habe: dass ich diesen Beruf nicht ewig ausüben kann. Es ist nicht so, dass ich zum Alkoholiker werden würde, aber ich mache mit meinen Sendungen genau das, was mir Spaß macht – und alle anderen Sachen, die mir ebenfalls Spaß machen würden, sind kompliziert zu lernen. Ich würde zum Beispiel auch gerne zur See fahren, aber wenn ich nun beispielsweise anfangen würde, Nautik zu studieren, wäre ich vielleicht Mitte, Ende 40, wenn ich fertig bin. Und gleichzeitig bewerben sich mit mir Leute, die sind Anfang, Mitte 20. Da hast du natürlich keine Chance. Mal gucken, was noch kommt. Sollte irgendwann Schluss mit meinen Sendungen sein, muss ich eben etwas anderes machen. Aber ich mag meinen Beruf schon sehr: Nachts, keiner geht dir auf den Keks und du weißt nie, wer als nächstes anruft, was als nächstes kommt.

Wenn du in deinen Sendungen mit Hörern sprichst, ist das Mikrofon dann manchmal auch so etwas wie ein Schutzschild?
Klein: Ja, definitiv. Ich bin hinter dem Mikrofon selbstbewusster als im täglichen Leben. Im Alltag gehe ich Schlägereien aus dem Weg und wechsle die Straßenseite, wenn irgendjemand blöd guckt. Am Mikrofon habe ich eine viel größere Klappe.

Man kann vor allem wohl auch neugieriger fragen als im wirklichen Leben.
Klein: Das zum einen, und zum anderen: Die Leute, die anrufen, sehen nicht, wie ich reagiere und ich wiederum sehe nicht, wie sie reagieren – und auf diese Weise kannst du auch etwas ganz Entsetzliches sagen, ohne dass dein Gegenüber zuckt.

Du bist immer auf dem neuesten Stand, was technische Entwicklungen anbelangt. Seit sechs Jahren betreibst du ein eigenes Blog, seit vergangenem Jahr twitterst du. Hängt es mit deinem Beruf zusammen, dass du solche Entwicklungen bewusst verfolgst?
Klein: Nein, sowohl am Bloggen, als auch am Twittern ist letztlich der Medienkünstler und Podcaster Tim Pritlove schuld. Bereits 2003 hat er angefangen, mich zu agitieren, ich solle doch mal ein Blog schreiben. 2004 habe ich damit angefangen und seitdem schreibe ich vergleichsweise kontinuierlich. Bei Twitter war es genauso. Das gab es neu und ich wollte einfach mal gucken, was das ist und wie es funktioniert. Letztes Jahr meinte Tim dann, ich solle damit anfangen, was ich dann auch getan habe. Und mittlerweile muss ich sogar aufpassen, dass ich nicht übertreibe und mein Twittern zu einem ständigen „stream of consciousness“ ausartet, der sämtliche anderen Leute vollspamt (lacht).

Du sagst über dich: „Ich war schon immer der Typ, dem alle fast alles erzählt haben. Die meisten Menschen wissen gar nicht, was für tolle Geschichten in ihnen schlummern.“ Weißt du, woher du diese besondere Gabe hast?
Klein: Keine Ahnung. Es ist für mich selbst schwer zu verifizieren, doch ich behaupte von mir, dass ich ein sehr harmloser Mensch bin. Ich habe das Gefühl, dass niemand, der ein paar Minuten mit mir verbracht hat, den Eindruck hat, er müsste Angst vor mir haben. Vielleicht kommt das daher. Ich bin zum Beispiel auch nicht ehrgeizig. Ich spiele, um zu spielen und nicht um zu gewinnen – meine Pokerrunde hasst mich (lacht). Früher war es so, dass mir die Mädels, mit denen ich etwas anfangen wollte, erzählt haben, wie bescheuert ihre Freunde sind, gekriegt habe ich sie aber trotzdem nicht. Vielleicht habe ich aus der Not einfach eine Tugend gemacht (lacht). 

Bis Mitte 2005 warst du bei „Fritz“ regelmäßig zur besten Radiosendezeit auch am Morgen und am Nachmittag zu hören. Würde es dich reizen, noch einmal ins Tagesprogramm zurückzukehren?
Klein: Das Problem ist, dass Tagesprogramm immer mit gewissen Zwängen verbunden ist. Wenn du dort ein Interview führst, das länger als dreieinhalb Minuten ist, wollen die Senderverantwortlichen im Anschluss mit dir darüber reden und versuchen, dir einzuhämmern, dass du einen strukturellen Fehler gemacht hast – egal, wie interessant das Gespräch war und selbst wenn du der Kanzlerin herausgekitzelt hast, dass sie gleich zurücktreten wird. Es kann sein, dass ich es ein wenig verlernt habe, mit solchen Maßstäben zu arbeiten, weil ich bei meinen Sendungen am späten Abend wesentlich mehr Freiheiten habe. Natürlich habe ich es nicht völlig verlernt – das ist wie mit dem Fahrradfahren, das verlernt man auch nie ganz. Aber ich müsste, glaube ich, erst noch einmal ein bisschen üben, bevor ich wieder tagsüber eine Sendung machen könnte – vor allem eine, die einen gewissen intellektuellen Anspruch hat. Es gibt ein paar Formate, die ich gerne machen würde, zum Beispiel die Wissenschaftssendung „Die Profis“ oder so etwas wie die „Hörbar Rust“ auf radioeins. Das wäre traumhaft, solche Sendungen fände ich toll.

Könntest du dir auch vorstellen, ein Musikmagazin wie den „Soundgarden“ (täglich, 20-22 Uhr auf „Fritz“) zu moderieren?
Klein: Könnte ich nicht, weil ich nicht so einen intensiven Zugang zu Musik habe wie die Kollegen, die diese Sendungen machen. Da stoße ich bei mir sehr schnell an eine Grenze. Ich besitze zwar sehr viel Musik, höre auch sehr viel Musik, aber es ist nicht so, dass ich musikjournalistisch unterwegs bin. Ich kann dir zum Beispiel nicht sagen, in welcher Reihenfolge die Beatles ihre Platten veröffentlicht haben. Insofern könnte ich das gar nicht.

Letzte Frage: warum eigentlich Radio und nicht Fernsehen?
Klein: Radio ist echter, unmittelbarer. Wenn du Fernsehen machst, stehst du unter einer aberwitzigen Beobachtung. Wir Radioleute befinden uns ein bisschen außerhalb des Radars, man erkennt uns kaum, was ich als positiv empfinde. Ich habe mir auch noch nie ernsthaft Gedanken über die Frage gemacht. Fernsehen ist cool, es werden dort hervorragende Honorare bezahlt und ich habe ja auch schon die eine oder andere Fernsehsendung gemacht, aber Fernsehen dauerhaft zu machen, hat mich nie gereizt.

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