Jan, in „Liebeslied“ spielst du deine erste Hauptrolle, du singst auch noch und tanzt. Wie war vorher dein Verhältnis zu Musicals?
Jan Plewka: Gräuslich. Ganz schlimm. Das einzige Musical von dem ich dachte: so kann man das machen war „Dancer In The Dark“ mit Björk. Ansonsten hätte man mich mit Musicals jagen können. Obwohl – „The Rocky Horror Picture Show“ mochte ich natürlich und „Blues Brothers“. Ist das auch ein Musical?
Das würde man wohl eher einen Musik-Film nennen, aber die Grenzen sind fließend.
Plewka: Hamburg, wo ich herkomme ist ja eigentlich seit „Cats“ das deutsche Mekka der Musicals. „Buddy Holly“ habe ich da gesehen. „Tarzan“ gibt’s da jetzt, da kann man aber nur mit einem Beißholz reingehen. Was die Menschen da für Schmerzen auf sich nehmen – da kommen die Betriebsausflüge in Reisebussen aus Kassel, weil der Boss auch schon mal in Hamburg zum „Phantom der Oper“ war. Die werden dann beim Musical ausgeladen, schauen sich die kommerzielle Knochenarbeit an, die da auf der Bühne geleistet wird. Dann gehen sie über den Kiez, fahren nach einer Nacht im billigen Hotel wieder nach Hause um am Montag morgen völlig fertig im Büro zu sitzen und zu sagen: Wir waren in Hamburg in der Oper, war toll. – Damit kannst du mich jagen.
In „Liebeslied“ spielst du Roger, einen jungen Familienvater, der an Parkinson erkrankt. Welche Funktion haben die Musicalszenen in diesem Film?
Plewka: Sie sollen das nicht beschreibbare sichtbar, und das, was man nicht hört hörbar machen. Die Regisseurin Anne Høegh Krohn nennt ihren Film ein „protestantisches Bollywood-Movie“. (lacht)
Warum „protestantisch“?
Plewka: Weil er so streng ist. Ich glaube, Bollywood ist als Genre noch unerschöpft. Da kann man bestimmt noch tiefer reingreifen, noch vieles machen. Unser Film ist auch eher ein Experiment. Wenn ich jetzt sehe, wie da Worte und Musik eine musikalische Verbindung eingehen, finde ich, dass das Experiment gelungen ist. Am Anfang ist es schräg. Man kommt in diesen Festsaal, in eine ganz normale Standardtanzveranstaltung, plötzlich fangen Nicolette Krebitz und ich an zu singen, alle tanzen. Du denkst: Ach du meine Güte! Aber danach merkt man diese Grenze gar nicht mehr, sie verschwimmt, dann wird das ganz normal.
In Bollywood-Filmen bekommt man ja eher das Gefühl einer Überzuckerung, weil romantische Geschichten auch noch ästhetisch versüßt werden. In „Liebeslied“ durchlebt man eher ein bittersüßes Wechselbad der Gefühle.
Plewka: Wenn Roger beim Arzt ist und erstmal gesagt bekommt: sie könnten dieses oder jenes haben, dann singt er „Lass sie nicht finden was sie suchen“. Das ist so ein Moment, in dem dir jemand den Boden unter den Füßen wegzieht. Das auszudrücken mit Musik, diese Momente zu beschreiben, die im Körper stattfinden, das haben wir versucht.
Die Frage ist, wie die Zuschauer darauf reagieren. Wie bist du überhaupt zu diesem Film gekommen?
Plewka: Man ist mit dieser Rolle auf mich zugetreten und ich habe so gedacht: Okay, wir können gerne ein Casting machen, aber ich bin nicht davon ausgegangen, dass ich diese Rolle kriege. Aber für die Regisseurin war wohl ziemlich schnell klar, dass ich ihr Mann bin. Und dann habe ich gesagt, wenn ich mich da reinstürze, dann mit Haut und Haaren, dann will ich die Musik machen mit Nicolette Krebitz zusammen, die Rogers Frau spielt und mit Christian Neander, der ja auch Gitarrist von Selig ist.
Es gibt ja nicht viele Filmmusicals, die im deutschen Kino erfolgreich geworden sind. Hat dich dieses Risiko gereizt?
Plewka: Mich hat eher das ganze gereizt, dass ich Schluffi die Rolle eines Zimmermanns spielen sollte, war schonmal eine Herausforderung, überhaupt zu schauspielern. Ich habe zwar eine Affinität dazu gehabt, aber diese Hauptrolle, und dann noch diese Krankheit zu spielen, war schon noch etwas anderes. Und dann auch noch musikalisch mitzuwirken, das war alles eine riesen Herausforderung, bei der man auch unheimlich viel lernt. Ich habe echt sehr gelitten, aber ich weiß jetzt mehr über Film und über Musik auch.
Woran gelitten?
Plewka: Anne und ich hingen drei Monate vor dem Dreh miteinander um, sind alles durchgegangen, Das war sehr sehr anstrengend. Und dann beim Dreh wurde es düster. Ich hatte immer diese Rolle, diese Krankheit im Kopf und war ja auf keiner Schauspielschule, wo man technisch lernt, mit dieser Situation umzugehen. Man ist so sensibel am Set, da sind so viele Leute, die an einem rumzupfen. Du kriegst den ganzen Tag Befehle, bist nicht wirklich aus der Rolle draußen, wenn die Szene zu Ende ist. Das war eine ganz schwierige Zeit. Ich habe eine dicke Mittelohrentzündung gekriegt – wahrscheinlich weil ich es einfach nicht mehr hören konnte, dieses ganze Gewusel.
Sie spielen nun jemanden, der an Parkinson erkrankt.
Plewka: Parkinson ist eine wirklich teuflische Krankheit, die auch ziemlich unerforscht ist, weil jeder der Parkinson hat, eine andere Art dieser Krankheit hat, die auch von den Medikamenten her unterschiedlich behandelt werden muss. Deswegen interessiert sich die Pharmaindustrie auch nicht so dafür und erforscht diese Krankheit nicht so sehr. Man kann mit der Krankheit keine Kohle machen.
Weil sich die Massenproduktion eines Medikaments nicht lohnen würde?
Plewka: Ja. Das liegt daran, dass man nicht weiß, woher diese Krankheit kommt. Unser Gehirn ist eingebettet unter so einer schwarzen Rinde, die ist für die Bewegungsabläufe im Körper zuständig. Und wenn diese Rinde sich auflöst, hast du keine Kontrolle mehr über deinen Körper, das ist Parkinson. Da gibt’s dann verschiedene Symptome, das ist diese Schüttellähmung, dann gibt es dieses Freeze, ein Stadium vorübergehender Lähmung. Einige haben viele von diesen Symptomen andere haben weniger. Mit dem Alter werden die immer mehr. Aber es ist keine Krankheit an der man stirbt.
Es gibt ein Vorbild für deine Figur…
Plewka: Ja, er heißt Michi. Das ist ein Freund der Drehbuchautorin, die an dem Buch fünf Jahre geschrieben hat. Michi und seine Frau waren die Vorbilder unserer Geschichte, wie sie so wahnsinnnig tapfer zusammen diese teuflische Krankheit erleben, ohne dass die Liebe daran zerbricht. Michi habe ich kennengelernt. Er hat gesagt: Als der liebe Gott die Symptome für Parkinson verteilt hat, habe ich geschrien: ich will alle. Er ist wirklich von allen Symptomen betroffen, ganz hart. Die meisten Menschen denken, das kriegt man nur wenn man alt ist. Aber das stimmt nicht.
Die Parkinson-Erkrankung von Michael J. Fox hat vor neun Jahren Schlagzeilen gemacht.
Plewka: Ja, da war er knapp 40. Aber der jüngste Parkinsonkranke ist erst 15 Jahre alt.
Da ich selbst betroffen bin stand ich so einem Film sehr kritisch gegenüber.
Es ist sehr schwer die Krankheit in einen Film zu packen der durch seine Musik auch Fröhlichkeit vermittelt ohne die Krankheit zu verharmlosen. Das Interview mit Jan Plewka fand ich sehr gut ,er hat sehr gut beschrieben wie die Krankheit den Körper beherrscht.
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ein tolles interview!