Axel, Alexander, Stefan, ihr habt im Oktober euer zweites Studioalbum in zwölf Jahren veröffentlicht. Wieso dauert das so lange?
Axel Reinemer: Der Abstand zu unserem ersten Album ist in der Tat sechs Jahre, was nicht heißt, dass wir in der Zwischenzeit nichts gemacht hätten. Drei Mitglieder von Jazzanova betreiben ja das Label Sonar Kollektiv. Stefan und ich haben in der Zeit andere Musik produziert, für Thieve, ein anderes Projekt, oder für Clara Hill Songs geschrieben. Wir haben auch Musik für ein Berliner Theaterstück produziert.
Alexander Barck: Ich finde, man muss sich da gar nicht rechtfertigen. Das kann so lange dauern. Insgesamt finde ich es besser sich ein wenig rar zu machen. Unsere Musik verdient es, sie bedacht, mit Sinn und Verstand anzugehen und umzusetzen. Das Album ist ein Meilenstein, da es anders gemacht und produziert ist, einen anderen Vibe versprüht und trotzdem hörbar von uns ist. Solch eine Entwicklung braucht eben Zeit. Für mich ist es legitim, alle fünf Jahre ein Album raus zu bringen, wenn es dann gut ist.
Bei „Of All The Things“ würde ich Hiphop und Soul als Haupteinflussgrößen erkennen wollen. Ist das ein Stück Zeitgeist?
Barck: Für mich hat das nichts mit Trends zu tun, denen wir folgen. Wir wollen uns nicht festnageln lassen. Das Album ist ganz natürlich aus unseren musikalischen Vorlieben entstanden. Es verlangt von uns auch Live-Performances, was es Anfang nächsten Jahres auch geben wird. Eine neue Herausforderung, der wir uns stellen. Dieses neue Element des Albums pusht uns wieder einen Schritt zu machen.
Reinemer: Wir kommen vom Hiphop und interessieren uns schon immer für den Soul, das ist nicht neu für uns, Hiphop war auch früher schon präsent, gerade wie wir mit den Samples umgegangen sind. Beim aktuellen Album verzichten wir weitgehend auf Samples, komponieren die Sachen neu und setzen sie mit echten Instrumenten um.
In welchem Verhältnis steht so ein Album zu den Remixen, für die ihr als Jazzanova ja auch sehr bekannt seid?
Barck: Mit dem Album wollen wir neue Wege gehen. Im Gegensatz zu unseren Remixen, die für den Dancefloor gemacht sind, gehen wir davon aus, dass man Zuhause kein Geballer braucht. Folgt man den kleinen Stepping Stones ist die Entwicklung Richtung Listening Pleasure klar – ohne unsere Hiphop-Roots oder den Club zu verleugnen. Im Gegenteil, wir bauen sie in unsere Soulmusik von heute ein. Leute die mit Soul wenig zu tun haben, sollen den Song hören und sagen: Gute Laune. Es geht schon immer um Emotionen bei uns, um die Momente, die man am liebsten hat.
Hört man „Let me show your“, drängt sich die Erinnerung an „ABC“ von den Jackson Five auf…
Leisering: Interessant ist genau diese Art der Querverweise in unserer Musik. Früher machten wir das mit Samples, heute empfinden wir Samples nach.
Barck: Hört man eine Jackson Five Nummer und unsere daneben, ist der Vergleich nicht an den Haaren herbeigezogen. Wir haben uns nicht nur von Komposition und Melodie inspirieren lassen, sondern auch in der Aufnahmetechnik.
Leisering: Wir haben viel mit alten Mikrofonen und Tonbändern gearbeitet, um eine spezielle Textur zu erschaffen. Wir haben auf künstliche Hallräume verzichtet und haben zum Beispiel Boxen und Mikrofone in unseren Hausflur gestellt und den als Hallraum genutzt.
Barck: Vom Dancefloor zum Hausflur…
Wie stellt ihr euch vor, das live umzusetzen? Braucht ihr dafür nicht einen Konzertsaal?
Reinemer: Man könnte ein richtig dickes Konzert mit Riesen-Orchestration und allen Orginal-Sängern machen – aber das ist noch nicht geplant. Die Platte lässt sich mit einer kleineren Besetzung umsetzen, was wir gerade planen. Auf die Streich-Arrangements lässt sich verzichten, ohne die Kraft der Songs einzubüßen.
Wir gehen davon aus, dass man Zuhause kein Geballer braucht.
Wie anfällig seid ihr noch für Trends? Oder seid ihr gar schon resistent?
Barck: Wir nehmen Trends total wahr. Beschäftigt man sich mit Musik, ist das nicht nur alte Musik, auch wenn das auf dem Album manchmal so klingt. Ich als DJ kann mich da nicht zurücklehnen. Musik, Trend und Fashion gehen miteinander einher. Da muss man am Ball bleiben. Das machen wir, auch dadurch, dass wir viel unterwegs sind. Einige Trends verstehen wir, andere nicht.
Zum Beispiel?
Barck: Höre ich Dubstep, kann ich mir vorstellen, warum die Kids das mögen, mir selber aber nicht vorstellen, dazu zu tanzen. Das ist mir zu hart und dabei zu wenig Musik drin. Eher bass-orientiert. Ich habe früher 2Step gehört, was für mich das Gleiche ist. Ich will das nicht dissen, denke aber, es ist noch in den Kinderschuhen und muss noch reifen.
Leisering: Ich habe den Eindruck, dass seit den 80ern die Trends immer kleiner werden, sich gegenseitig brechen und überlagern. Viele Trends gab es schon unter einem anderen Namen. Ich muss die Songs die ich mag nicht mehr neu labeln.
Sechs Leute, die die Marke „Jazzanova“ vor allem als DJs um die Welt tragen – macht das Reisen noch Spaß?
Barck: Für mich war schon immer die Musik der Antrieb, um Energie zu entwickeln, die dann auf der Bühne auch rauskommt. Ich lebe dafür und liebe Musik. Dabei ist das Reisen das Anstrengende, das Auflegen und Präsent sein macht Spaß.
Was muss ein Abend oder ein Club leisten, damit er in Erinnerung bleibt?
Barck: Vor allem, dass so promoted wird, dass Leute kommen, die unsere Musik kennen und einschätzen können. Das Schlimmste ist, wenn dich Leute anstarren, als ob gleich etwas ganz besonderes passieren müsste, aber du spielst einfach nur ’nen schönen Tune. Als DJ ist mir ein gewisses Knowledge im Raum wichtig, um mit den Leuten in Dialog zu treten. Wenn sich am Ende die Leute in den Armen liegen, habe ich das Gefühl: Das war jetzt gut. Wenn am Ende eines Abends irgendwelche Rave-Heinis, die es immer nur schneller und härter wollen, dastehen und mit einem Mädel knutschen. Da weißt du, daran hattest du deinen Anteil.