Mr. Mistry, in "Der Super-Guru" spielen Sie einen Sexguru. Hat die Rolle für Sie ein paar neue Erfahrungen mit sich gebracht?
Mistry: In Bezug auf meine Sexualität? – Nein. Aber was definitiv mein Leben verändert hat, war die Geburt meiner Tochter Elin während der Dreharbeiten. Ich habe auch viel darüber gelernt, was es heißt, Schauspieler zu sein und an so einem Film zu arbeiten, einen völlig neuen Charakter zu erschaffen und mit großen Schauspielern zu arbeiten. Über Sex habe ich allerdings nicht besonders viel gelernt, da weiß ich auch schon eine Menge.
Waren Sie denn von der Idee begeistert, dass Sie den Inder Ramu spielen sollten, der in die USA auswandert und in New York zum Sexguru wird?
Mistry: Also, das erste was ich an der Rolle mochte war, dass Ramu zu Beginn den Tanzkünsten von John Travolta nacheifert. Und insgesamt war die Rolle eine große Herausforderung für mich, Ramu singt und tanzt, das ganze Geschehen ist sehr körperbetont – großartig. Und dann kamen die sehr guten Schauspielerinnen Marisa Tomei und Heather Graham dazu, ein gutes Drehbuch, eine gute Regisseurin – da konnte ich nicht Nein sagen.
Trotz der indischen Herkunft von Ramu sagt der Film im Grunde nichts über Indien, warum?
Mistry: Wir haben dort ein paar Szenen gedreht, am Anfang ist davon auch ein bisschen zu sehen, weil die Herkunft von Ramu schon deutlich gemacht werden sollte. Aber ich glaube, für diesen Film war das nicht sehr wichtig, da der Film hauptsächlich mit den USA zu tun hat. Ich würde sogar sagen, dass "Der Super-Guru" ein klassischer New York Film ist.
Glauben Sie nicht, dass ein Film wie dieser, der einen Inder in Amerika nur als Sexguru erfolgreich werden lässt, die Klischees der Amerikaner gegenüber den Indern nur noch mehr vergrößert?
Mistry: Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Ich denke, dieser Film erzählt ja viel mehr etwas über die Klischees der Amerikaner. Und wenn du dort eine Art indischer Kultur, wie die der Bollywood Filme unter die Leute bringen willst, dann musst du die Tür zunächst irgendwie öffnen und den Weg dafür frei machen. Sonst wird diese Kultur dort nie stattfinden. Als wir in England den Film "East ist East" gemacht haben, da haben wir dadurch wirklich die Türen für die indische Kultur geöffnet, der Film hat so viel Energien freigesetzt für neue Projekte.
Der "Super-Guru" macht sich eher über die Amerikaner lustig, die einen schon als Spirituellen ansehen, wenn man nur so ein bisschen dunklere Hautfarbe hat. Ramu geht darauf ein und spielt für die Amerikaner den Guru. Es geht halt auch um den Glauben, was in den USA so alles möglich ist.
Natürlich stimme ich Ihnen zu, dass der Film andere Figuren, wie zum Beispiel die indischen Mitbewohner von Ramu, sehr stereotypisch darstellt. Die fahren Taxi, wohnen in einer kleinen, dreckigen Wohnung und so weiter. Allerdings ist das ja auch nicht aus der Luft gegriffen, so leben in New York einige Menschen, unabhängig von der Herkunft. In den USA leben ja tausende Leute illegal, die aus allen Teilen der Erde kommen. Und die Greencard kannst du praktisch an der nächsten Straßenecke kaufen.
Glauben Sie denn, dass Hollywood in Zukunft den amerikanischen Kinogängern mehr über Indien erzählen wird?
Mistry: Gute Frage. Bisher werden ja alle Filme mit indischer Beteiligung – ob nun Schauspieler oder Regisseure – als Kunstfilme, oder zumindest als Ausnahmeerscheinungen angesehen, beispielsweise "Monsoon Wedding" oder "East is East". Lateinamerikanische Produktionen hingegen, oder auch das Black Cinema, die haben sich bereits etabliert, wo indisches Kino bisher immer zur Seite gedrängt wurde. Ich denke, mit einem Film wie "Der Super-Guru" erreicht man in den USA sehr viele Leute, die sehen dann indische Schauspieler oder das Bollywood Flair das erste Mal. Wenn ihnen der Film also gefällt, dann kann sich diese Strömung vielleicht weiter durchsetzen, auch in den Köpfen der Leute. Ich kann daher diesen Film nur als positiv für die USA werten – vorrausgesetzt, die Amerikaner nehmen ihn an.
Sie sprechen privat Englisch kaum mit Akzent. Als Ramu im Film mussten Sie sich allerdings einen starken indischen Akzent angewöhnen. War der denn so wichtig?
Mistry: Als ich an die Rolle herangegangen bin, da war mir klar, dass Ramu niemand sein soll, den man nur auslacht, sondern jemand, der auch glaubwürdig ist. Ich wollte die Rolle also so echt wie möglich gestalten. Ich habe mir dann angeguckt, wie die jungen Inder in Bombay und Neu-Delhi leben, die auch diesen amerikanischen Traum haben und sich mit der amerikanischen Kultur auseinandersetzen. Davon gibt es ja in Indien schon eine Menge, sogar MTV India gibt es. Ich wollte Ramu also nicht so darstellen, wie jemand, der geradewegs vom indischen Dorf in die amerikanische Großstadt kommt. Er kennt bereits die amerikanische Kultur und das spiegelt sich in seinem Dialekt wieder.
Wenn du in den USA Bollywood-Filme unter die Leute bringen willst, musst du die Tür dafür zunächst irgendwie öffnen.
"Der Super-Guru" ist ja auch ein Tanzfilm, hatten Sie damit bereits Erfahrung?
Mistry: Nein, ich habe das Tanzen nie professionell gelernt. Aber beim "Super-Guru" war ich geradezu enthusiastisch, die Tanz-Szenen haben mich sehr begeistert. Wir hatten einen großartigen Choreografen – der sogar schon mit John Travolta zusammen gearbeitet hatte – mit dem wir fünf Tage vor Drehbeginn angefangen haben, vor allem die Bollywood Stücke einzustudieren.
In den englischen Kinos ist der "Super-Guru" bereits angelaufen. Wie haben Sie, sozusagen bei sich zu Hause, die Premiere erlebt?
Mistry: Das war für mich schon sehr ungewöhnlich, ich wusste auch gar nicht, was mich da erwartete. Schon der ganze Hype um diesen Film war in Großbritannien wahnsinnig. Ich war erstaunt, ich sah mein Gesicht auf Postern im Bus, in der U-Bahn, in Zeitungen, im Fernsehen – verrückt. Das war für mich auch eigentlich eine unheimliche Entblößung. Nun, man kennt diese Premieren, die Darsteller präsentieren ihren Film, schickes Publikum … Aber meine Frau und ich kamen im Cadillac-Cabrio, überdeckt mit Blumen. Der gesamte Leicester Square in London war voll mit Menschen, Kamerateams und Fotografen. Mir war das fast peinlich, als wir durch diese Menge fuhren, aber alle haben geklatscht und geschrien, unglaublich. Und es ist natürlich sehr erfreulich, wenn man merkt, dass die Leute dich in deiner Heimat so unterstützen.
Sie haben sich vor ein paar Wochen beim Edinburgh Film Festival darüber beklagt, dass Sie fast nur Drehbücher angeboten bekommen, in denen Sie als stereotyper Inder vorkommen.
Mistry: Ja, es ist schwer, sehr schwer, gute, andere Drehbücher zu bekommen. Ich bin jetzt nicht erbittert deswegen. Aber bevor ich auf die Schauspielschule gegangen bin und bevor ich zum Film ging, da war ich Jimi und ich habe einfach mein Ding durchgezogen. Seit dem ich allerdings auf der Schauspielschule war und jetzt beim Film, bin ich für alle auf einmal "Sandscha", eben der typische Klischee-Inder. Ich kann nur sagen, dass bin ich nicht, das ist vielleicht ein Alien, aber ich bin das bestimmt nicht.
Insgesamt hat sich die Situation über die letzten Jahre gebessert, es gibt viel mehr schwarze oder indische Schauspieler und Filmleute in den britischen Produktionen. Nun muss sich aber auch die Qualität der Rollen verbessern. Wenn ich jetzt immer nur über meine kulturelle Herkunft für Rollen ausgesucht werde, dann wird das definitiv auch Bestandteil der Rolle sein. Das kann man machen, aber dann hat der Regisseur scheinbar gar kein Interesse an der Rolle an sich, sondern nur an einer Rolle als ganz bestimmtes Image von etwas. Ich hoffe jetzt, dass die Leute mich aber auch als Jimi Mistry wahrnehmen und nicht nur als projizierte Oberfläche.
Einmal zu Ihrer Karriere: War das Schauspiel schon immer Ihr Traum? Und wie sind Sie aufgewachsen?
Mistry: Also, mein Vater ist Inder, meine Mutter kommt aus Irland, ich bin in verschiedenen Städten im Norden Englands aufgewachsen. Eigentlich wollte ich nie Schauspieler werden, denn ich wusste auch gar nichts darüber – mein Vater ist Arzt und meine Mutter Krankenschwester. Ich war immer ein Träumer, ich habe in der Schule nie richtig gelernt, sondern habe lieber auf der letzten Bankreihe gesessen und mit Mitschülern gequatscht. Mit 17, 18 Jahren fragte mich mein Vater dann, was ich eigentlich werden wollte und wo meine Interessen liegen. Da kamen wir auf Schauspiel und Entertainment. Ich habe also Theaterstudien gemacht, bin aber gleich bei der ersten Prüfung durchgefallen. Mein Vater hat mich danach trotzdem ermuntert, Schauspieler zu werden, das war erstaunlich. Ich ging ich in Birmingham zur Schauspielschule, wo es mir aber nicht sonderlich gefiel. Im Gegenteil, ich bin ziemlich desillusioniert von der Schule gegangen, bin nach London gezogen und habe dann aber über einen Agenten die ersten Angebote bekommen. Das war’s eigentlich schon.
Abschließend: Was für einen Guru würden Sie in Ihrem Leben gerne mal treffen?
Mistry: Oh, das weiß ich nicht. Ich habe meine eigene, sehr simple Philosophie – nicht alles zu ernst nehmen. Ich habe einen guten Sinn für Humor, ich versuche immer, ehrlich zu sein und meine Ziele zu erreichen – das hat mein Vater mir so beigebracht. Und in der Branche, in der ich jetzt arbeite, kann ich diese simplen Prinzipien ganz gut gebrauchen.
Zu einem Guru muss ich aber nicht, denn meine Frau, die ist mein persönlicher Guru.