Joachim Llambi

In Deutschland sind wir alle Bundestrainer.

„Let's dance“-Juror Joachim Llambi hat ein Buch über Kritiker und Kritik geschrieben. Ein Gespräch über sachliche Bewertung, respektvollen Umgang, und warum er sich im Internet Klarnamen wünscht

Joachim Llambi

© Alexander Heinrichs

Herr Llambi, in Ihrem Buch “Das wollte ich Ihnen schon immer mal sagen” befassen Sie sich mit Kritik und Kritikern. Warum dieses Thema?
Joachim Llambi: Ich bekomme ja viele Anfragen zum Thema Börse, doch ich wollte nicht das nächste Börsenbuch schreiben. Dann wurde ich von meinem Verlag auf „Let‘s dance“ angesprochen und darauf, dass ich für sachliche und ehrliche Kritik stehe. Somit war die Idee zum Buch geboren und ein knappes Jahr später steht es jetzt in den Regalen.

Aber warum brauchen wir einen Kritik-Ratgeber?
Llambi: Kritik ist grundsätzlich nicht leicht. Wir nörgeln in Deutschland meistens mehr, als dass wir konstruktiv Kritik üben oder annehmen. Das zu zeigen lag mir am Herzen. Das Buch ist mit Geschichten aus dem Promi-Leben, von der Börse und vom Tanzen angereichert. Wobei ich nicht den Anspruch habe, zu 100 Prozent Recht zu behalten, es ist meine subjektive Meinung.

Sie stellen die konstruktive Kritik in den Mittelpunkt. Was sind die wesentlichen Punkte dabei?
Llambi: Ganz wichtig ist, dass Kritik nur funktionieren kann, wenn man sachlich miteinander redet. Wenn man es nicht einfach bei einem Statement belässt, sondern wirklich sagt, was einem nicht gefällt und einen Weg erklärt, wie man das ändern kann. Wichtig ist auch, eine Atmosphäre zu schaffen, die nicht zu emotionsgeladen ist und dass man sein Gegenüber nicht vor anderen diskreditiert.

Innerhalb der TV-Formate bringt Kritik aber Quote, vor allem unsachliche Kritik. Sie überschreiben das erste Kapitel mit: Als ich einmal „Scheiße“ sagte.
Llambi: Ja und nein. Es stimmt, dass unsachliche Kritik Aufmerksamkeit erzeugt. Und mit dem erwähnten Beispiel, der Kritik an einer Samba von Manuela Wisbeck bei Let’s Dance, beginne ich das Buch. Aber nach diesem Satz habe ich das gemacht, was ich sonst immer mache, nämlich eine fachlich sachliche Kritik angefügt. Kritik muss am Ende zielführend sein, so dass der andere etwas damit anfangen kann.

Der Kritisierte kann mit unsachlicher Kritik nicht viel anfangen, die Tagespresse schon.
Llambi: Das ist richtig. Aber das ist nicht mein Anspruch. Wenn andere das für sich als Anspruch nehmen, bitte sehr. Joachim Llambi wird ganz bestimmt nicht in der nächsten Staffel zwanzig Mal jemanden beschimpfen. Sondern ich versuche die tänzerische Leistung sachlich und fair zu beurteilen. Es gehört natürlich zu einer Unterhaltungssendung, dass man das dann auch unterhaltsam verpackt.

Zitiert

Ich selbst verteile auch Kritik, von der ich hinterher denke: Das war jetzt nicht so toll, was du da gebracht hast.

Joachim Llambi

Dieter Bohlen, der eher mit unsachlicher Kritik Erfolg hat, besprechen Sie sehr positiv in Ihrem Buch. Warum?
Llambi: Weil er genauso wie ich im Tanzen, bei „Deutschland sucht den Superstar“ für die Musik als Fachmann steht. Er ist seit über 35 Jahren im Geschäft, hat viele Höhen und einige Tiefen erlebt und Künstler wie Andrea Berg oder Mark Medlock nach oben gebracht.

Bleiben wir aber einmal bei seinen verletzenden Kritiken, auch vor dem Hintergrund Ihres Buches.
Llambi: Wenn Sie sich die DSDS-Staffel 2014 anschauen, hat sich Dieter Bohlen im Vergleich zu den Jahren davor sehr gewandelt. Er ist nicht mehr derjenige, der Einen vorführt, nur um einen Selbstzweck zu verfolgen. Wenn ein Dieter Bohlen hier und da einmal etwas Harsches sagt, dann gehört das zum Geschäft, zur Unterhaltung dazu. Am Ende geht es ihm aber um die Qualität der Sänger.

Die meisten von uns haben sich gefreut, dass sie Schule und öffentliche Bewertungen irgendwann hinter sich gelassen haben. Was reizt Menschen in den TV-Shows, sich wieder solchen Bewertungssituationen auszusetzen?
Llambi: Man geht ja ständig mit Kritik um. Wir werden, egal wie alt wir sind, jeden Tag bewertet. Wir werden zu Hause bewertet, mit zwölf in der Schule oder irgendwann einmal im Berufsleben. Das werden wir ein Leben lang haben.

Was reizt denn die Zuschauer daran, dabei zuzusehen?
Llambi: Man ist natürlich gern ein bisschen Voyeur. Andererseits – deshalb ist auch „Let´s dance“ ein so anerkanntes Format – bringen die Kandidaten eine Leistung, die von der Öffentlichkeit sehr respektiert wird. Deshalb werden Sie auch nicht erleben, dass einer die Sendung in eine Schmuddelecke zieht.

Wobei der Respekt vor einer sportlichen Leistung nicht überall gegeben ist. Insbesondere Fußballer werden öffentlich gedemütigt, wenn sie einmal nicht die Top-Leistung bringen.
Llambi: Ja, in Deutschland sind wir alle Bundestrainer. Es spielt einer sensationell, dann wird er direkt ins Sportstudio eingeladen. Dann bringt er ein-, zweimal nicht seine Leistung und auf einmal ist er nur noch Kreisklasse. Diese Geschwindigkeiten, die sich entwickelt haben, von hochgejubelt zu tief erniedrigt, die besorgen mich etwas. Im Internet ist es das Gleiche. Wie schnell wird dort jemand runtergemacht? Ich kenne diese Geschwindigkeiten von der Börse – und das ist nicht gesund. Bestes Beispiel: Markus Lanz. Der wird in kürzester Zeit fertiggemacht, nicht nur von den Medien, auch von Internetusern, Twitterern, Facebookern dieser Welt. Warum? Wenn er mir nicht gefällt, schalte ich den Fernseher aus.

Sie selbst nutzen aber vermutlich auch das Feedback der Medien und der Facebook-Gemeinde von „Let’s dance“.
Llambi: Ja, das ist richtig. Man kann seine Meinung dort abgeben. Wenn ich die als Joachim Llambi abgebe und begründe, dann wissen Sie: Ok, das ist seine Meinung. Wenn aber irgendein „Willi17“ schreibt: „Der Llambi ist ein Trottel“ – ja, was soll ich dann damit machen?

Plädieren Sie für Klarnamen im Netz?
Llambi: Immer! Die Masse der Kommentare wäre dann deutlich geringer, aber Sie hätten auch nur noch solche, die wirklich konstruktiv sind.

Gibt es für Sie Vorbilder, was Ihre Arbeit als Kritiker angeht?
Llambi: Meine ehemaligen Trainer im Tanzsport waren immer meine wichtigsten Kritiker und im Privaten ist es meine Frau. Das waren und sind Vorbilder, von denen ich sage: So möchte ich auch mit meinen Kindern oder mit meinen Tanzschülern und Mitarbeitern umgehen.

Gelingt es Ihnen immer, mit der Kritik an Ihrer Person umzugehen?
Llambi: Das gelingt keinem immer. Natürlich fühlt man sich manchmal auch persönlich angegriffen. Ich selbst verteile auch Kritik, von der ich hinterher denke: Das war jetzt nicht so toll, was du da gebracht hast. Aber das ist normal und auch ein menschlicher Zug.
Ein sehr wichtiger Aspekt ist Respekt. Und der geht gerade im Internet vielen ab.

Sie sagen auch, dass es in Deutschland eine sehr geringe Fehlertoleranz gibt. Wer im Rampenlicht steht und einen Fehler macht, der ist raus?
Llambi: Ja, das ist so. Ein Fehler kann in Deutschland dazu führen, dass man das Parkett verlassen muss. Da sind die Amerikaner oder die Angelsachsen viel, viel weiter. Die sagen: Leute, es ist doch gut, wenn ihr einen Fehler macht. Dann wissen wir, dass der Weg nicht funktioniert. Sie probieren etwas aus und kommen dadurch schneller ans Ziel.

Zum Schluss: Was denken Sie, wie lange wird sich das Format „Let‘s dance“ noch halten?
Llambi: Das ist schwer zu sagen. Irgendwann hat jedes Format, auch „Let´s dance“ und DSDS, seine Verfallszeit überschritten. Das ist immer so gewesen. Der Sender guckt auch immer auf die Quote. Allerdings hat RTL in seinem Portfolio keine weitere Familiensendung. Somit sind wir da relativ entspannt. Wenn es dieses Jahr das letzte Mal ist, dann war es jedenfalls eine schöne Zeit. Und wenn wir es noch ein paar Mal laufen lassen, dann freue ich mich auch.

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